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Als österreichischer Außenminister und Staatskanzler bestimmte Metternich maßgeblich die Politik der Habsburgermonarchie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und übte auch auf die europäische Politik weitreichenden Einfluss aus. Die Ära nach dem Wiener Kongress, die oft verkürzend als Epoche der Restauration beschrieben wurde, wird bis heute vor allem mit seinem Namen in Verbindung gebracht. Verantwortlich dafür sind die unverkennbar antiliberalen, antikonstitutionellen, aber auch antinationalen Züge seiner Politik, die ihren Niederschlag in politischer Zensur, einem ausgeprägten Spitzelsystem und massiver Unterdrückung oppositioneller Bewegungen fanden. Daneben hat die historische Forschung, deren Metternich-Bild vielfache Wandlungen durchlaufen hat, indes auch die genuin europäischen, auf die Sicherung des Friedens ausgerichteten Leitlinien im Denken und Handeln Metternichs herausgearbeitet.
Clemens Wenzel Fürst von Metternich-Winneburg wurde am 15.5.1773 in Koblenz, Münzplatz 8 geboren. Er war das zweite Kind des kurtrierischen, später kaiserlichen Gesandten und Staatsdieners Franz Georg Karl von Metternich-Winneburg (1746–1818) und dessen Ehefrau Maria Beatrix Aloisia von Kagenegg (1754–1828). Die Metternichs entsprangen einem alten mittelrheinischen Adelsgeschlecht und residierten später an der Mosel. Aus ihren Reihen gingen im 16. und 17. Jahrhundert Bischöfe und geistliche Kurfürsten hervor. Einer der bekanntesten Vertreter der Familie war Lothar von Metternich, seit 1599 Erzbischof von Trier. Er erwarb die reichsunmittelbaren Herrschaften Winneburg und Beilstein im Hunsrück und an der Mosel, deren Besitz 1635 zur Verleihung der Freiherren- und 1679 zur Verleihung der Grafenwürde mit Sitz- und Stimmrecht im Westfälischen Grafenkollegium des Reichstags führte. Nach der Zerstörung ihrer Residenzen durch französische Truppen 1688/1689 zog es Metternichs Vorfahren nach Koblenz. Metternich selbst blieb der Landschaft an Rhein und Mosel, in der er seine Jugend verbrachte, zeitlebens verbunden, auch wenn sein eigener Lebensmittelpunkt außerhalb des Rheinlands lag. So äußerte er noch zwei Jahre vor seinem Tode auf Schloss Johannisberg, das er häufig aufsuchte: Der Rhein fließt in meinen Adern, ich fühle es und deshalb entzückt mich sein Anblick.
Seit 1788 studierte Metternich an der Universität Straßburg, wo er sich an der berühmten Diplomatenschule von Christoph Wilhelm Koch (1737–1813) das Rüstzeug für eine Karriere im Staatsdienst aneignete. Hier wie auch bei seinen späteren Studien an der Universität Mainz, wo ihn vor allem der Historiker und Staatslehrer Nikolaus Vogt (1756–1836) beeinflusste, lernte er die Lehre des den europäischen Frieden sichernden Gleichgewichts der Mächte kennen, die auch sein eigenes politisches Wirken maßgeblich beeinflussen sollte. Gleiches gilt für die grundstürzende Erfahrung der Französischen Revolution, die Metternich zutreffend nicht nur als einen politischen Umsturz, sondern zugleich als eine soziale Umwälzung begriff. Seine Familie verlor im Zuge der Revolutionskriege sämtliche linksrheinischen Güter und musste Zuflucht im kaiserlichen Wien suchen. Metternich selbst zog aus der epochalen Erfahrung den Schluss, dass Revolutionen mit einem grundlegenden, Verderbnis bringenden Umsturz der Verhältnisse verbunden waren. In die Zeit der Französischen Revolution fällt auch Metternichs 1795 geschlossene Ehe mit Eleonore von Kaunitz (1775–1825), der Enkelin des verstorbenen Staatskanzlers Wenzel Anton Graf Kaunitz (1711–1794). Aus der Verbindung gingen acht Kinder hervor. Nach dem Tod Eleonores heiratete Metternich noch zweimal: 1827 ehelichte er die Diplomatentochter Maria Antonia Leykam (1806–1829), die jedoch wenig später bei der Geburt des ersten gemeinsamen Kindes verstarb; 1831 ging er die dritte Ehe mit Melanie Zichy (1805–1854) ein, mit der er fünf weitere Kinder hatte.
Beruflich wurde Metternich nach politischen Lehrjahren als österreichischer Gesandter in Dresden (1801–1803) und Berlin (1803–1806) im Jahre 1806 auf den wichtigen Botschafterposten nach Paris berufen, wo er Politik und Wirken von Österreichs großem Gegenspieler Napoleon Bonaparte (1769–1821) aus der Nähe studieren konnte. Als der 1809 ausgebrochene Krieg zwischen der Habsburgermonarchie und dem französischen Kaiserreich für Erstere in einer Katastrophe endete, wurde Metternich am 7.10.1809, eine Woche vor dem schmerzhaften Frieden von Schönbrunn, zum österreichischen Außenminister ernannt.
In dieser Funktion plädierte Metternich aufgrund der österreichischen Schwäche zunächst für eine Politik des Lavierens und der Anlehnung an das übermächtige französische Kaiserreich, wie sie unter anderem in der Heirat Napoleons mit der Kaisertochter Marie Louise (1791–1847) zum Ausdruck kam. Während Napoleons Russlandfeldzug, an dem auch österreichische Verbände teilnehmen mussten, gelang es Metternich durch geschickte Diplomatie indes, die Habsburgermonarchie mehr und mehr in eine autonome Mittlerrolle zu manövrieren. Im Sommer 1813 trat Wien schließlich, nachdem eine Einigung mit Napoleon im berühmten Dresdner Zwiegespräch vom 26.6.1813 nicht zustande gekommen war, auf Seiten der Koalitionsmächte in den Krieg gegen Bonaparte ein, welcher letztlich zum Untergang der napoleonischen Herrschaft führte.
Einen unbestrittenen Höhepunkt von Metternichs diplomatischem Wirken stellte der Wiener Kongress der Jahre 1814/1815 dar, dessen Präsidium der österreichische Außenminister innehatte. Nach über 20-jähriger Kriegszeit galt es, Europa neu zu ordnen und eine möglichst dauerhafte Friedensordnung zu errichten. Im Verständnis führender europäischer Staatsmänner schloss dies eine bloße Wiederherstellung („Restauration“) der Verhältnisse des kriegerischen 18. Jahrhunderts aus und ließ stattdessen die Etablierung neuer Regeln der internationalen Politik notwendig erscheinen. Mit Unterstützung seines englischen Kollegen, Lord Castlereagh (1769–1822), gelang es Metternich im außenpolitischen Kontext, eine weitgehend vollständige Ausschaltung Frankreichs, das er als notwendiges Gegengewicht zu Russland betrachtete, zu verhindern und zugleich ausufernde russische sowie preußische Ansprüche auf Polen beziehungsweise Sachsen einzudämmen. Weniger erfolgreich war der Außenminister hinsichtlich der Gestaltung der inneren Verhältnisse in Deutschland und Italien: Weder ließ sich seine anfangs verfolgte Idee eines erblichen Kaisertitels realisieren, welcher der Habsburgermonarchie eine Vorrangstellung in Deutschland eingeräumt hätte, noch die von ihm favorisierte lockere italienische Föderation ähnlich dem Deutschen Bund. Letzterer trat schließlich durch die Deutsche Bundesakte vom 8.6.1815 ins Leben, wobei die Rechte der Einzelstaaten stärker und diejenige der Zentralgewalt schwächer als ursprünglich geplant ausgestaltet waren.
Da Metternich, dem 1821 der Titel eines Haus-, Hof- und Staatskanzlers verliehen wurde, moderne Repräsentativverfassungen für den österreichischen Vielvölkerstaat als gänzlich untauglich, ja, gefährlich betrachtete, trat er im innerdeutschen Kontext nach 1815 entschieden gegen das Prinzip der Volkssouveränität und den Erlass darauf gründender Verfassungen ein. Ebenso bekämpfte er alle Ansätze nationaler Erhebungen oder Agitationen, die in seinen Augen nur auf den Umsturz des Bestehenden abzielten.
Das Attentat des Jenaer Burschenschaftlers Karl Ludwig Sand (1795–1820) auf den Schriftsteller August von Kotzebue (1761–1819) am 23.3.1819 bot dem zukünftigen Staatskanzler die willkommene Gelegenheit, die anderen Bundesstaaten auf seine Linie zu bringen. Das Ergebnis dieser Bemühungen waren die repressiven Karlsbader Beschlüsse vom 20.9.1819, die eine Kontrolle der Universitäten, eine rigide Pressezensur, die Einrichtung einer Zentraluntersuchungskommission des Bundes gegen revolutionäre Umtriebe sowie eine Bundesexekutionsordnung zur notfalls militärischen Durchsetzung der Bundesbeschlüsse festlegten. Mit der Wiener Schlussakte vom 15.5.1820, die ebenfalls weithin Metternichs Vorstellungen entsprach, wurde innerhalb des Deutschen Bundes schließlich das monarchische Prinzip festgeschrieben, demgemäß die gesamte Staatsgewalt bei den Fürsten verbleiben musste. Mit diesen Regelungen, die hinsichtlich der inneren Bundespolitik eine Wende zur Restauration beschrieben, waren den Herrschenden wirkungsvolle Instrumente gegen oppositionelle Bewegungen an die Hand gegeben, die in den folgenden Jahren und Jahrzehnten auch zur Anwendung kamen und einen wichtigen Bestandteil des „Metternichschen Systems“ darstellten.
Die außenpolitische Entsprechung seiner innerdeutschen Politik bildete Metternichs Bemühen um eine gesamteuropäische Interventionspolitik gegen revolutionäre Bestrebungen in Europa, wie sie insbesondere während der Ära der Kongresse zwischen 1818 (Kongress von Aachen) und 1822 (Kongress von Verona) beschlossen und gegen die Aufstandsbewegungen in Südeuropa ins Werk gesetzt wurde, wenn auch im Einzelnen nicht immer ganz in Metternichs Sinne. In der Folgezeit verstärkten sich indes die Gegensätze zwischen den fünf Großmächten und es bildete sich eine lockere Form der Großmächtepolitik heraus. Namentlich im Zuge der revolutionären Erhebungen der 1830er Jahre zeichnete sich zeitweise sogar eine Art ideologische Blockbildung ab zwischen den liberalen Westmächten England und Frankreich einerseits, welche liberale Reformen in Europa unterstützten, und den konservativen Mächten der „Heiligen Allianz“ Russland, Preußen und Österreich andererseits, welche nach wie vor im Sinne Metternichs an einer Interventionspolitik zur Niederschlagung revolutionärer Bestrebungen festhielten.
Vor diesem Hintergrund nimmt es nicht weiter wunder, dass Metternich, der für viele zum Sinnbild der Unterdrückung und Reaktion geworden war, als erster weichen musste, als am 13.3.1848 in Wien die Revolution ausbrach. Er ging ins Exil nach London und später nach Brüssel, wo er zahlreiche politische Initiativen entwickelte. Erst 1851 kehrte er nach Wien zurück, wo er am 11.6.1859 verstarb. Seine letzte Ruhestätte fand Metternich im selbst eingerichteten Familienmausoleum im böhmischen Plaß (Plasy).
Quellen
Aus Metternich´s nachgelassenen Papieren, hg. v. dem Sohne des Staatskanzlers Fürsten Richard Metternich-Winneburg, 8 Bände, Wien 1880– 1884.
Literatur
Bertier de Sauvigny, Guillaume de, Metternich. Staatsmann und Diplomat im Zeitalter der Restauration, München 1996.
Kissinger, Henry A., Das Gleichgewicht der Großmächte: Metternich, Castlereagh und die Neuordnung Europas 1812–1822, Zürich 1986.
Siemann, Wolfram, Metternich. Staatsmann zwischen Restauration und Moderne, München 2010.
Srbik, Heinrich Ritter von, Metternich, der Staatsmann und der Mensch, 3 Bände, München 1925–1934.
Online
Aretin, Karl Otmar Freiherr von, Metternich-Winneburg, Clemens Graf von, in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 236-243. [Online]
Bailleu, Paul, Metternich Clemens Wenzel Lothar, in: Allgemeine Deutsche Biographie 23 (1886), S. 777-802. [Online]
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Schröder, Stephen, Clemens Wenzel Fürst von Metternich-Winneburg, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/clemens-wenzel-fuerst-von-metternich-winneburg/DE-2086/lido/57c94daf7c4df5.10113364 (abgerufen am 05.11.2024)