Zu den Kapiteln
Daniel Morian, der einer ländlichen Honoratiorenfamilie in Hamborn angehörte, investierte seit den 1850er Jahren Kapital in Probebohrungen auf Steinkohle in seiner Heimatgemeinde und bereitete so der späteren, umfassenden Industrialisierung Hamborns durch August Thyssen den Weg. Er gehörte auch zu den Gründern der Arenberg’schen AG für Bergbau und Hüttenbetrieb, die den Bergbau in Bottrop entwickelte. Daneben schuf er eine Gruppe von kleineren Unternehmen der NE-Metallindustrie und der Stahlverarbeitung mit Betrieben in Hamborn, die zum Teil bis in die Zwischenkriegszeit existierten.
Johann Daniel Morian wurde am 9.7.1811 als Sohn des Posthalters, Brückengeldeinnehmers und Gastwirtes Johann Wilhelm Morian (1783–1822) und seiner Ehefrau Sibylla Gertrud geborene Lindgens (1780–1854) in Hamborn in der Mairie Dinslaken geboren und war evangelischer Konfession. Nach dem Besuch der Elementarschule in der Nachbargemeinde Beeck (heute Stadt Duisburg) absolvierte Daniel Morian wahrscheinlich eine kaufmännische Ausbildung. 1840 schloss er die Ehe mit Charlotte Kolkmann (1823–1893), der Tochter eines wohlhabenden Landwirtes in Meiderich (heute Stadt Duisburg). Aus der Ehe gingen sieben Söhne und zwei Töchter hervor. Um 1830 übernahm Morian von seiner Mutter die Posthalterei, den Gasthof „Zum Adler“ und die damit verbundene Weinhandlung. Den elterlichen Grundbesitz erweiterte er durch Zukäufe auf eine Größe von 43 Hektar. Bis zum 1.7.1842 erhob er als Pächter des preußischen Staates das Entgelt für die Benutzung der Emscherbrücke im Zuge der Provinzialstraße Duisburg–Wesel (Köln–Arnheim), dann wurde die Brückengelderhebung durch die Rentei Dinslaken eingestellt. Nachdem Morian um 1848 den Gasthof geschlossen und das Posthalteramt einem benachbarten Landwirt überlassen hatte, widmete er sich zunächst hauptsächlich der Landwirtschaft.
Das Aufkommen von Bergbau und Industrie im Mündungsgebiet von Ruhr und Emscher und seine Verbindung mit dem Mülheimer Kaufmann und Unternehmer Wilhelm Theodor Grillo, der 1843 sein Schwager wurde, weckten Morians Interesse für eine unternehmerische Tätigkeit. 1849 baute er mit Grillo ein Zinkwalzwerk an der Emscher, das 1863 in seinen Alleinbesitz überging. Zugleich wandte er sich dem Kohlenbergbau zu und beteiligte sich 1850 an der „Gewerkschaft Königsberg“, die vier Mutungen in Lippern (seit 1862 Gemeinde Oberhausen) besaß und dort eine Schachtanlage abteufen wollte; 1851 hielt er ein knappes Drittel der Kuxe. Nachdem 1851 die Beschaffung weiteren Kapitals durch die Gründung einer Aktiengesellschaft am Mangel an Interessenten gescheitert war, verkauften die Gewerke die Kuxe 1853 an Franz Haniel, dem das Abteufen eines Schachtes gelang (1858 Umbenennung der Zeche in „Oberhausen“). Bei dem Projekt Königsberg erwarb Morian wichtige bergbauliche Erfahrungen. Beflügelt durch die industrielle Hochkonjunktur der Jahre 1851 bis 1857 mit ihrer stark steigenden Kohlennachfrage begann er 1853 gemeinsam mit Franz Haniel mit der Suche nach Kohle im östlichen Teil der Gemeinde Hamborn. Das dafür nötige Kapital stammte wohl überwiegend aus der 1853 erfolgten Ablösung der sogenannten Brückenrente, die Morian als staatliche Entschädigung für den Fortfall der Einnahmen aus der Brückengelderhebung erhalten hatte.
Die kostspieligen Probebohrungen wurden jedoch nicht sogleich belohnt. Nach dem Fündigwerden verlieh der Staat den Partnern im Juli 1859 zunächst sieben Grubenfelder, die nach Morians Wohnsitz den Namen „Neumühl“ erhielten. Am 26.3.1867 konsolidierten Morian und Haniel die ihnen 1859 und 1865/1866 verliehenen Felder zum Großgrubenfeld Neumühl und gründeten die „Gewerkschaft des Steinkohlenbergwerks Neumühl“. Morian, der ein Viertel der 1.000 Kuxe hielt, wurde Repräsentant der Gewerkschaft, die aber zu seinen Lebzeiten kein Schachtprojekt in Angriff nahm. 1890 befanden sich sämtliche Kuxe von Neumühl im Besitz der Familie Haniel.
Im Mai 1856 begann Morian allein mit der Suche nach Steinkohle im westlichen Teil der Gemeinde Hamborn; am 6. Juni wurde er fündig. Die hier bis 1858 abgesteckten acht Grubenfelder, Hamborn genannt, wurden ihm zwischen Juli 1859 und November 1861 verliehen, doch war die Aufschließung der Funde zunächst nicht finanzierbar. Am 3.4.1867 kam es zur Gründung der „Gewerkschaft Hamborn“, die unter dem Eindruck der Reichsgründung am 28.1.1871 in „Gewerkschaft Deutscher Kaiser“ (GDK) umbenannt wurde. Morian war der erste Repräsentant der GDK, bis diese im September 1871 einen Grubenvorstand bestellte, dem Morian bis zu seinem Tod als stellvertretender Vorsitzender angehörte. Allerdings hatte er schon vor diesem Zeitpunkt die Mehrzahl der Kuxe an die Essener Industriellenfamilie Waldthausen verkauft. Im Spätherbst 1871 erwarb die GDK große Grundstücke in Alt-Hamborn und begann im Januar 1872 mit der Abteufe eines Schachtes; im November 1876 begann die Kohleförderung. 1882–1884 legte die GDK am Rheinufer bei Alsum einen eigenen Hafen an, der durch eine Werksbahnstrecke mit der Schachtanlage 1 verbunden war. Seit 1883 kaufte der Mülheimer Industrielle August Thyssen, der für sein Stahl- und Walzwerk eine eigene Kohlebasis erstrebte und die Standortgunst Hamborns erkannt hatte, nach und nach die Kuxe der GDK auf. Daniel Morians Erben veräußerten 1889 die letzten in ihrem Besitz befindlichen Kuxe an August Thyssen, der durch die Abteufe weiterer Schachtanlagen und den Bau eines Hüttenwerkes in Hamborn-Bruckhausen auf dem unter anderem von Morian bereiteten Terrain einen Montankonzern aufbaute, dessen Großbetriebe bis heute die größten Arbeitgeber im Duisburger Norden sind.
1856 war Daniel Morian Mitgründer der „Arenberg’ schen Actien-Gesellschaft für Bergbau und Hüttenbetrieb“ in Essen, die seit dem Gründungsjahr Schachtanlagen im Raum Bottrop niederbrachte, seit 1863 Kohle förderte und 1921/1922 Teil des Rheinstahl-Konzerns wurde. Morian gehörte bis zu seinem Tod dem Verwaltungsrat dieser Gesellschaft an. Unter Anknüpfung daran stiftete sein Sohn Max Morian, der in der Nachfolge seines Vaters seit 1888 Mitglied des Verwaltungs- respektive Aufsichtsrates war, anlässlich seines 25-Jahr-Jubiläums als Aufsichtsrat 1913 den Betrag von 25.000 Mark, dessen Zinserträge für die Fortbildung und Erholung der Angestellten von Arenberg verwendet werden sollten; das Unternehmen stockte dieses Kapitel auf 50.000 Mark auf und gab ihm auf Wunsch Max Morians den Namen „Daniel-Morian-Stiftung“.
In der Hochkonjunktur unmittelbar vor der 1857 einsetzenden ersten Weltwirtschaftskrise beteiligte sich Morian 1857 neben Mitgliedern der Familie Grillo und den Industriellen Moritz Tigler und Ernst Nedelmann an der Gründung des „Actien-Etablissements Styrum für Eisenindustrie“ im Gebiet der späteren Bürgermeisterei Oberhausen. 1863 rüstete er das Zinkwalzwerk an der Emscher zu einem Walzwerk für Kupfer und Eisen um. Im folgenden Jahr kaufte Morian von Johann Wilhelm Meininghaus die „Neue Mühle“ an der Emscher, einen großen Mühlenbetrieb mit je einem Mahlwerk auf dem Hamborner und auf dem Meidericher Ufer des Flusses, die dem Morianschen Anwesen gegenüber lag und bis 1856 der Familie seiner Mutter gehört hatte; hier wurden fortan Nägel produziert. 1872 gründete Morian mit einem Partner die „Brückenbauanstalt und Metallgießerei Morian & Wilms“, deren Betrieb nördlich seines Anwesens und der Neuen Mühle an der Provinzialstraße Duisburg–Wesel errichtet wurde. 1881 verlegte Morian das Kupfer- und Eisenwalzwerk an die Verbindungsbahn der Gewerkschaft Deutscher Kaiser zum Bahnhof Hamborn-Neumühl. 1882 brachte er das Werk in die gemeinsam mit dem Unternehmen F.A. Hesse Söhne in Olpe (Westfalen) gegründete „Rheinisch-Westfälische Kupferwerke AG“ ein. Die metallverarbeitenden Unternehmen und Betriebe in Hamborn, die als Zulieferer von Industrie und Eisenbahnbau florierten, wurden nach Daniel Morians Tod von seinen Söhnen Carl, Max und Eduard weitergeführt und existierten zum Teil bis in die 1920er Jahre.
Morian legte viel Kapital in Grundbesitz in den Gemeinden Hamborn, Beeck (Gemeindeteil Marxloh) und Meiderich an und hatte vor allem in Hamborn – auch als Arbeitgeber – großen politischen Einfluss. Wie viele Unternehmer evangelischer Konfession stand er der Nationalliberalen Partei nahe. In den frühen 1870er Jahren wirkte er bei der Trassierung des Abschnitts Ruhrort–Sterkrade der „Emschertalbahn“ (Ruhrort–Wanne) der Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft mit und sorgte dafür, dass in der Nähe seines Anwesens, nördlich der Emscherbrücke, ein Bahnhof „Neumühl“ gebaut wurde. Am 1.7.1875 begann der Verkehr auf dieser Strecke. 1876 erreichte Morian bei der Postverwaltung die Einrichtung einer Postagentur in Hamborn-Neumühl, die im Gebäude von Morian & Wilms untergebracht wurde.
Von 1867 bis zu seinem Tod war Morian Erster Beigeordneter der Bürgermeistereien Holten (heute Stadt Oberhausen) und (seit 1886) Beeck, außerdem von 1874 bis 1882 Gemeindevorsteher von Hamborn. Er gehörte seit 1850 dem Hamborner Gemeinderat sowie den Kreistagen der Kreise Duisburg (bis 1873), Mülheim an der Ruhr (1873–1887) und – für die letzten Wochen seines Lebens – Ruhrort an. Daniel Morian starb am 13.8.1887 und wurde auf dem alten Hamborner Kirchspielsfriedhof, dem heutigen Abteifriedhof, beigesetzt.
Literatur
Berg, Carl vom, Geschichte der Familie Lindgens, Band 2, Düsseldorf 1931, S. 164-165, 200-201.
Gebhardt, Gerhard, Ruhrbergbau. Geschichte, Aufbau und Verflechtung seiner Gesellschaften und Organisationen, Essen 1957, S. 287, 442, 450.
Kraume, Hans Georg, Daniel Morian. Wegbereiter der Hamborner Industrie, in: Niederrheinkammer, Dezember 1984, S. 707.
Treue, Wilhelm, Die Feuer verlöschen nie. August Thyssen-Hütte 1890–1926, Band 1, Düsseldorf/Wien 1966, S. 16-17.
Online
Kanther, Michael A., Morian, Daniel, in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 129-130. [Online]
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Kanther, Michael A., Daniel Morian, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/daniel-morian/DE-2086/lido/57c9500b0103e4.32817430 (abgerufen am 15.12.2024)