Dietrich VII. von Kleve

Graf von Kleve (1291-1347)

Manuel Hagemann (Bonn)

Dietrich VII. von Kleve, Figur am 1945 zerstörten gotischen Rathaus der Stadt Wesel, Foto: Hilde Löhr. (Stadtarchiv Wesel)

Diet­rich VII. / IX. wur­de nach dem frü­hen Tod sei­nes Bru­ders Ot­to (Re­gie­rungs­zeit 1305-1310) 1310 Graf von Kle­ve. Auf ihn geht vor al­lem der in­ne­re Aus­bau des Kle­ver Ter­ri­to­ri­ums zu­rück.

Diet­rich von Kle­ve wur­de wohl 1291 als Sohn Graf Diet­richs VI./VIII. von Kle­ve (Re­gie­rungs­zeit 1275-1305) und des­sen zwei­ter Ehe­frau Mar­ga­re­the von Ki­burg (ge­stor­ben um 1333), die 1290 ge­hei­ra­tet hat­ten, ge­bo­ren. Als der Kle­ver Graf und Graf Rai­nald I. von Gel­dern (Re­gie­rungs­zeit 1271-1318, ge­stor­ben 1326) 1297 ei­nen Freund­schafts­ver­trag schlos­sen, wur­den der jun­ge Diet­rich und die gel­dri­sche Graf­en­toch­ter Mar­ga­re­the (ge­stor­ben 1333) ver­lobt; die Hoch­zeit fand 1305 oder 1308 statt.

Ob­wohl Diet­rich nicht als Nach­fol­ger in der Graf­schaft Kle­ve vor­ge­se­hen war – die­se Rol­le nahm sein äl­te­rer Halb­bru­der Ot­to ein – wur­de er früh mit po­li­ti­schen Auf­ga­ben be­traut. So war er seit 1299 Lehns­mann des Köl­ner Erz­bi­schofs. Nach dem Tod des Va­ters 1305 kühl­te sich das Ver­hält­nis zwi­schen Ot­to und Diet­rich ab. Der neue Kle­ver Graf sah in sei­nem Halb­bru­der wohl ei­nen miss­lie­bi­gen Kon­kur­ren­ten, den er von der Herr­schaft fern­zu­hal­ten ge­dach­te. Wo Diet­rich sich in die­sen Jah­ren auf­hielt, ist nicht be­kannt.

Am 29.9.1310 starb Graf Ot­to von Kle­ve un­er­war­tet. Diet­rich trat die Nach­fol­ge sei­nes Bru­ders an, war aber bald ge­zwun­gen, sei­ne Po­si­ti­on ge­gen an­de­re An­sprü­che zu ver­tei­di­gen. Ot­tos Wit­we, Mecht­hild von Vir­ne­burg (ge­stor­ben nach 1360), woll­te zu­min­dest ei­nen Teil des Er­bes ih­rer Toch­ter Irm­gard von Kle­ve (ge­stor­ben 1362) si­chern und ver­bün­de­te sich da­her mit dem Köl­ner Erz­bi­schof Hein­rich von Vir­ne­burg, ih­rem On­kel, und dem Gra­fen En­gel­bert II. von der Mark (Re­gie­rungs­zeit 1308-1328). Auch der Her­zog von Bra­bant ver­wei­ger­te Diet­rich die An­er­ken­nung und er­hob An­sprü­che auf We­sel. Der Kon­flikt zog sich bis in den Streit um das rö­misch-deut­sche Kö­nig­tum, wo Graf Diet­rich den schlie­ß­lich ob­sie­gen­den Lud­wig den Bay­ern (Re­gie­rungs­zeit 1314-1347) un­ter­stütz­te, wäh­rend der Erz­bi­schof zur Par­tei des un­ter­le­ge­nen Fried­rich von Ös­ter­reich (1289-1330) ge­hör­te. Erst 1317 konn­te die Po­si­ti­on Graf Diet­richs in Kle­ve als ge­si­chert gel­ten.

Die krie­ge­ri­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen wäh­rend sei­ner ers­ten Re­gie­rungs­jah­re müs­sen Diet­rich tief ge­prägt ha­ben. In den ter­ri­to­ria­len Kon­flik­ten der fol­gen­den Jahr­zehn­te wahr­te er strik­te Neu­tra­li­tät, hielt sich aus al­len Feh­den her­aus und trat al­len­falls als Frie­dens­ver­mitt­ler her­vor. Da­mit ver­lor Kle­ve zwar au­ßen­po­li­tisch an Be­deu­tung, gleich­zei­tig er­hielt Diet­rich da­durch aber die Ge­le­gen­heit, sich ver­stärkt der in­ne­ren Neu­ord­nung sei­nes Ter­ri­to­ri­ums zu­zu­wen­den.

Viel­leicht bald nach sei­nem Re­gie­rungs­an­tritt er­hob Diet­rich Linn zur Stadt. Im Jahr 1320 er­hielt Sons­beck das Stadt­pri­vi­leg. Über­haupt pfleg­te er en­gen Kon­takt zu sei­nen Städ­ten, in de­nen das Tex­til­ge­wer­be flo­rier­te und von de­nen sich ei­ni­ge bis zur Mit­te des 14. Jahr­hun­derts flä­chen­mä­ßig aus­dehn­ten (We­sel, Dins­la­ken, Kal­kar, Kle­ve). Die Bin­nen­ko­lo­ni­sa­tio­nen, durch die schon im 13. Jahr­hun­dert um­fang­rei­che Neu­land­flä­chen am Nie­der­rhein ge­won­nen wor­den wa­ren, setz­te Graf Diet­rich um Dins­la­ken, Rin­gen­berg und Bis­lich so­wie zwi­schen Ue­dem, Sons­beck und Xan­ten fort. Die kle­vi­schen Au­ßen­be­sit­zun­gen, wie Heus­den und Al­te­na, gab Diet­rich auf, be­müh­te sich aber er­folg­reich, feh­len­de Rech­te und Be­sit­zun­gen im Kern­ge­biet sei­nes Ter­ri­to­ri­ums zu er­wer­ben. Vor al­lem rechts des Rheins en­ga­gier­te sich der Kle­ver Graf nach­drück­lich. Die Ver­wal­tungs­or­ga­ni­sa­ti­on ver­än­der­te er grund­le­gend, in­dem er neue Äm­ter­struk­tu­ren schuf und die kle­vi­schen Rechts­ti­tel erst­mals sys­te­ma­tisch auf­zeich­nen ließ: Um 1319 wur­de das Kle­ver Ur­bar an­ge­legt , das die gräf­li­chen Ein­künf­te auf­lis­te­te, 1336/1337 wur­den das Ar­chiv neu ge­ord­net und be­deu­ten­de Ur­kun­den im so ge­nann­ten Kle­ver Ko­pi­ar zu­sam­men­ge­stellt.

Po­li­tisch ge­riet Diet­rich aber un­ter den star­ken Druck sei­nes Schwa­gers, Graf (ab 1339 Her­zog) Rai­nald II. von Gel­dern (Re­gie­rungs­zeit 1326-1343), dem er 1331 den Reichs­wald ver­kau­fen muss­te.

Ei­ne wich­ti­ge Rol­le in Diet­richs Po­li­tik spiel­te sein jün­ge­rer Bru­der Jo­hann, seit 1320 Köl­ner Dom­de­kan. 1318 hat­te der Kle­ver Graf die­sem das Land Linn und Or­soy als ei­ge­nen Herr­schafts­be­reich über­las­sen. Zu­dem galt Jo­hann, so­lan­ge Diet­rich oh­ne Söh­ne blieb, als recht­mä­ßi­ger Er­be der Graf­schaft. Jo­hann un­ter­stütz­te sei­nen Bru­der, bis die­ser 1333 plan­te, die Graf­schaft Kle­ve sol­le nach sei­nem Tod un­ter sei­nen drei Töch­tern auf­ge­teilt wer­den, von de­nen die äl­tes­te, Mar­ga­re­tha, mit Graf Adolf II. von der Mark ver­hei­ra­tet war. Der bis­lang loya­le Jo­hann von Kle­ve be­trieb seit­dem ei­ne sehr ei­gen­stän­di­ge Po­li­tik, oh­ne Rück­sicht auf sei­nen Bru­der zu neh­men. 1338 lenk­te Diet­rich aber ein und ver­zich­te­te auf sei­ne Tei­lungs­plä­ne. Da der Graf von der Mark noch vor sei­nem Schwie­ger­va­ter starb, stand der Nach­fol­ge durch Jo­hann schlie­ß­lich nichts mehr im We­ge.

1340 schloss der ver­wit­we­te Kle­ver Graf ei­ne zwei­te Ehe mit Ma­ria von Jü­lich (ge­stor­ben nach 1353), der Schwes­ter de­s Köl­ner Erz­bi­schofs Wal­ram un­d ­des Jü­li­cher Mark­gra­fen Wil­helm (Re­gie­rungs­zeit 1328-1361), die wahr­schein­lich Jo­hann von Kle­ve ver­mit­telt hat­te. Aus die­ser Ver­bin­dung gin­gen kei­ne Kin­der her­vor.

Im sel­ben Jahr konn­te Jo­hann sei­nen Bru­der da­von über­zeu­gen, das Ma­ri­en­stift, das Graf Diet­rich 1334 in der Vor­burg der Burg Mon­ter­berg ge­stif­tet hat­te, an die Pfarr­kir­che von Kle­ve zu ver­le­gen. 1341 wur­de die Über­tra­gung förm­lich voll­zo­gen. Bis­lang war Mon­ter­berg der be­vor­zug­te Sitz Diet­richs ge­we­sen, nun aber wur­de die Stadt Kle­ve mit der Stamm­burg der Gra­fen zur Re­si­denz und zum Ver­wal­tungs­mit­tel­punkt aus­ge­baut. Mit der Ver­le­gung gin­gen die Aus­wei­tung des Kle­ver Stadt­ge­bie­tes und ein go­ti­scher Neu­bau der Kir­che ein­her. Ob Graf Diet­rich, der sei­ne Stif­tung in ers­ter Li­nie als from­mes Werk ver­stan­den wis­sen woll­te, letz­ten En­des hin­ter die­ser Ent­schei­dung stand, lässt sich nicht mit Si­cher­heit sa­gen: Sie trägt eher die Hand­schrift sei­nes ver­wal­tungs­tech­nisch ver­sier­ten Bru­ders.

Am 7.7.1347 starb Graf Diet­rich VII./IX. von Kle­ve, der be­reits vie­le Jah­re kränk­lich ge­we­sen war; er wur­de im Chor der noch un­fer­ti­gen neu­en Kle­ver Stifts­kir­che be­gra­ben, zu der er we­ni­ge Jah­re zu­vor den Grund­stein ge­legt hat­te. Die Nach­fol­ge trat sein Bru­der Jo­hann an, der schon seit lan­gem die kle­vi­sche Po­li­tik ent­schei­dend be­ein­flusst hat­te.

Quelle

Il­gen, Theo­dor, Quel­len zur in­ne­ren Ge­schich­te der rhei­ni­schen Ter­ri­to­ri­en. Her­zog­tum Kle­ve, 2 Bän­de in 3 Tei­len, Bonn 1921-1925, Nach­druck Düs­sel­dorf 1978.
Oedi­ger, Fried­rich Wil­helm, Quel­len zur in­ne­ren Ge­schich­te der rhei­ni­schen Ter­ri­to­ri­en: Graf­schaft Kle­ve 2: Das Ein­künf­te­ver­zeich­nis des Gra­fen Diet­rich IX. von 1319 und drei klei­ne­re Ver­zeich­nis­se des rechts­rhei­ni­schen Be­reichs, 2 Tei­le, Düs­sel­dorf 1982.
Schleid­gen, Wolf-Rü­di­ger, Da­s ­Ko­pi­ar ­der Gra­fen von Kle­ve, Kle­ve 1986.
Schleid­gen, Wolf Rü­di­ger, Kle­ve-Mark Ur­kun­den 1223-1368. Re­ges­ten des Be­stan­des Kle­ve-Mark im nord­rhein-west­fä­li­schen Haupt­staats­ar­chiv in Düs­sel­dorf, Sieg­burg 1983.

Literatur

Jans­sen, Wil­helm, Die Ent­wick­lung des Ter­ri­to­ri­ums Kle­ve (Ge­schicht­li­cher At­las der Rhein­lan­de V 11-12), Bonn 2007.
Kast­ner, Die­ter, Die Ter­ri­to­ri­al­po­li­tik der Gra­fen von Kle­ve, Düs­sel­dorf 1972.
Werd, Gui­do de (Red.), Land im Mit­tel­punkt der Mäch­te. Die Her­zog­tü­mer Jü­lich – Kle­ve – Berg, Kle­ve 1984.

Online

We­ber, Die­ter, Ar­ti­kel "Kle­ve, Gra­fen von", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 12 (1980), S. 58-59. [On­line]

 
Zitationshinweis

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Hagemann, Manuel, Dietrich VII. von Kleve, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/dietrich-vii.-von-kleve-/DE-2086/lido/57c6951688e680.44439592 (abgerufen am 14.11.2024)