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Eduard Schönfeld war neben Friedrich Wilhelm Argelander der führende Astronom bei der Planung und Durchführung der „Bonner Durchmusterung“, dem ersten großen Sternverzeichnis der Neuzeit. Mit einem Sternkatalog von etwa 450.000 Sternen und den zugehörigen Karten schufen sie ein Standardwerk, das für viele Astronomen in aller Welt lange Zeit ein unentbehrliches Hilfsmittel wurde. Die Durchmusterung gehört zu den bedeutendsten wissenschaftlichen Arbeiten, die je im Rheinland entstanden sind. 1852-1859 war Schönfeld maßgeblich an der Arbeit am ersten (nördlichen) Teil der Durchmusterung, die 1863 fertiggestellt wurde, beteiligt, während er 1875-1887 allein den zweiten (südlichen) Teil der Durchmusterung erstellte und damit das Werk seines inzwischen verstorbenen Lehrers vollendete. Insgesamt hat er damit wohl den größten Teil der Beobachtungen für die Bonner Durchmusterung durchgeführt. Daneben hat er sich mit anderen astronomischen Fragestellungen, wie kleinen Planeten, Sternhaufen und Nebelobjekten beschäftigt. Schönfelds - auch internationale - Bedeutung als Beobachter veränderlicher Sterne führte 1875 zu seiner Berufung als Direktor und Nachfolger Argelanders an der Bonner Sternwarte.
Eduard Schönfeld wurde am 22.12.1822 in Hildburghausen (Thüringen) geboren. Sein Vater, Joseph Schönfeld (1793-1853), war Handelsmann und Revisor der jüdischen Gemeinde in Hildburghausen. Zusammen mit seiner Frau Louisa (gestorben 1838), geborene Feust, die aus Bromberg (heute Bydgoszcz) stammte, betrieb er ein Gemüsegeschäft. Schon im Vorschulalter erhielt Sohn Eduard, der durch seinen Drang nach Wissen auffiel, Privatunterricht. Ab 1838 besuchte dieser das örtliche Gymnasium, an dem er 1847 das Abitur bestand. Im gleichen Jahr trat er vom jüdischen zum evangelischen Glauben über. Er sah sich nicht in der Lage, die antisemitischen Angriffe, denen er schon in jungen Jahren ausgesetzt war, weiter zu ertragen. Seinen Wunsch, Astronomie zu studieren, versuchte sein Vater zunächst zu verhindern. Man einigte sich auf das Studium der Baukunst an der Polytechnischen Hochschule in Hannover. In den Wirren der Revolution 1848/49 wurde er allerdings dieser Schule verwiesen, worauf er 1849 nach Marburg wechselte und Student des Mathematikers Christian Ludwig Gerling (1788-1864) wurde. In Marburg machte Schönfeld seine ersten astronomischen Beobachtungen. Seit seiner Jugend aber zog es ihn aber nach Bonn zu dem berühmten Astronomen Friedrich Wilhelm Argelander.
Obwohl Argelander ihm wegen der schlechten Berufsaussichten zunächst vom Studium der Astronomie abriet, akzeptierte er schließlich den jungen Mann als Studenten. So konnte Eduard Schönfeld sich am 23.4.1852 an der Bonner Universität immatrikulieren. Seine Promotion von 1854 hatte zum Thema die Bestimmung der Bahn des Asteroiden Thetis, der kurz zuvor in Düsseldorf von Robert Luther (1822-1900) entdeckt worden war. Asteroiden sind kleine Planeten, die sich vorwiegend zwischen Mars und Jupiter um die Sonne bewegen. Um 1850 begannen die Astronomen verstärkt mit der Suche nach solchen Objekten. Ein wichtiges Problem bestand dabei darin, aus den Messungen die Bahn des Objektes im Sonnensystem zu bestimmen.
Neben seinem Studium beteiligte sich Schönfeld von Anfang an an den Beobachtungen der Bonner Sternwarte. Argelander erkannte früh die Fähigkeiten des jungen Wissenschaftlers und stellte ihn noch vor seiner Promotion als Assistenten ein, nachdem der Vorgänger Johann Friedrich Julius Schmidt (1825-1884) 1853 Bonn verlassen hatte, um die Leitung einer Sternwarte in Olmütz (heute Olomouc in der Tschechischen Republik) zu übernehmen.
Für viele seinerzeitigen astronomische Fragestellungen war ein vollständiges Verzeichnis der Sterne unabdingbar. Argelander hatte mit seiner „Durchmusterung“ dieses Problem 1852 in Angriff genommen. Er initiierte mit seinen Mitarbeitern eine komplette Erfassung aller Sterne, die man mit einem kleinen Fernrohr von Bonn aus sehen konnte. Allerdings hatte er auf Anraten des baltisch-deutschen Astronomen Otto Struve (1819-1905) die Arbeiten an der Durchmusterung in einen nördlichen und südlichen Bereich aufgeteilt und zunächst den südlichen Teil zurückgestellt. Ohne diese Einschränkung wäre das Projekt vermutlich trotz der sehr effektiven Datenerfassung gescheitert.
An dem nördlichen Teil arbeiteten neben Schönfeld unter anderen auch Adalbert Krüger (1832-1896) und Wilhelm Förster (1832-1921) mit. Den Hauptteil der Beobachtungen übernahmen Krüger und Schönfeld. In jeder klaren Nacht in den Jahren 1852 bis 1859 führten die Forscher in der Bonner Sternwarte an der Poppelsdorfer Allee ihre Beobachtungen durch. Mit einer einfachen Auge-Ohr Methode erfassten sie die Daten aller Sterne, die durch das Gesichtsfeld eines fest aufgestellten Fernrohrs zogen. Als Fernrohr fungierte ein kleiner Kometensucher mit einer Öffnung von 6,6 Zentimeter und einer Brennweite von 70 Zentimeter. Aus den Messungen bestimmte man die Sternörter und die Helligkeit der Sterne, die in einem dreibändigen Katalog mit 48 zugehörigen Sternkarten veröffentlicht wurden. 1863 war der nördliche Teil der Durchmusterung mit Daten für etwa 325.000 Sterne fertig. Neben seiner Arbeit an der Durchmusterung habilitierte sich Schönfeld 1857 an der Bonner Universität. 1859 übernahm er die Leitung der Mannheimer Sternwarte, arbeitete aber in seiner Mannheimer Zeit noch weiter an der Durchmusterung mit.
Die Übersiedlung nach Mannheim hatte für Schönfeld vor allem persönliche Vorteile. Das Gehalt ermöglichte ihm die Gründung einer Familie mit Helene (1839-1916), Tochter des berühmten Bonner Mineralogen Jacob Noeggerath (1788-1877). Außerdem konnte er als Direktor einer Sternwarte eigene Forschungsprojekte initiieren. Nachteilig waren das Fehlen eines universitären Umfeldes und eine mangelnde instrumentelle Ausstattung. Immerhin konnte Schönfeld in Mannheim aber einen Refraktor mit 16,5 Zentimeter Öffnung und einer Brennweite von 2,4 Meter der Firma Steinheil in Betrieb nehmen. Neben kleineren Projekten hat er sich in Mannheim vor allem mit der Beobachtung veränderlicher Sterne befasst, die er schon in Bonn begonnen hatte. Besonderes Merkmal seiner Arbeit war eine unglaubliche Beständigkeit, mit der Schönfeld die Helligkeiten dieser Sterne erfasste. Jede klare Nacht wurde für Beobachtungen genutzt. Neben dem Refraktor verwendete er ein kleineres Fernrohr und für die hellsten Sterne sogar ein Opernglas.
Helligkeitsänderungen von Sternen können verschiedenste Ursachen haben. Bei manchen Sternen handelt es sich in Wirklichkeit zwei Sterne, die sich gegenseitig umkreisen. Liegt die Bahnebene in Richtung Erde, können Bedeckungen für einen kurzzeitigen Abfall von Helligkeiten des Gesamtsystems sorgen. Andere Sterne pulsieren, oder können sogar explodieren. Im 19. Jahrhundert erkannte man, dass die Beobachtung veränderlicher Sterne die Ableitung ihrer physikalischen Grundparameter gestattet. Das macht sie auch heute zu wichtigen Meilensteinen bei der Erforschung des Aufbaus und der Entwicklung des Universums. Um 1865 waren 123 solcher Sterne bekannt. Schönfeld hat in acht Publikationen von 1859 bis 1871 etwa 10.000 Einzelhelligkeiten veröffentlicht, die auch heute noch in entsprechenden Archiven zur Verfügung stehen. Nach dem Tode Argelanders im Jahre 1875 war Schönfeld auf dem Gebiet der veränderlichen Sterne der bedeutendste Astronom. Auch aus diesem Grund, berief ihn die Bonner Universität zum Direktor der Bonner Sternwarte und damit zum Nachfolger Argelanders.
In Bonn begann Schönfeld sofort mit den Vorbereitungen zu der südlichen Bonner Durchmusterung. Seine Kollegen und er waren sich schon seit langem im Klaren darüber, dass es wichtig war, mit dem südlichen Teil der Bonner Durchmusterung dieses Werk zu vollenden. Schönfeld verwendete auch jetzt die gleichen Methoden bei der Erfassung der Sterndaten. Nur für das Fernrohr wählte er einen größeren Typ. Es handelte sich um ein Linsenfernrohr mit einer Öffnung von 15,9 Zentimeter und einer Brennweite von 193 Zentimeter, dass die Firma Schröder in Hamburg schon zu Argelanders Zeiten geliefert hatte. Anstelle der achtfachen Vergrößerung des Kometensuchers, nutzte Schönfeld nun eine 26-fache Vergrößerung.
Im Gegensatz zu der Arbeit bei der nördlichen Durchmusterung hat Schönfeld die Beobachtungen bei der südlichen Durchmusterung nur mit Hilfskräften allein durchgeführt. Insgesamt sind die Daten der südlichen Durchmusterung aus diesen Gründen homogener und wegen des größeren Fernrohres auch genauer. Von Ende 1875 bis März 1881 konnte Schönfeld alle knapp 134.000 Sterne der südlichen Durchmusterung zweimal messen. Nach Reduktion der Daten erschien 1886 der Katalog, die zugehörigen Karten erschienen bis 1887.
Damit war die gesamte Bonner Durchmusterung abgeschlossen. Jeder der etwa 450.000 Sterne hatte eine Nummer, mit der man ihn auf den Sternkarten identifizieren konnte. Diese einheitliche Nummerierung war für die Kommunikation unter den Wissenschaftlern von großer Bedeutung. Bedenkt man außerdem, dass es in der Astronomie üblich ist, einmal vergebene Bezeichnungen für einen Stern weiter zu verwenden, so versteht man, dass viele Sterne auch heute noch in der Literatur unter ihrer Durchmusterungsnummer angegeben werden.
Mit der Bonner Durchmusterung endete die Ära der visuellen Kataloge. Schönfeld selbst war sich bewusst, dass die damals neue Technik der Fotografie sich in der Astronomie durchsetzen würde. Er zeigte sich an dieser Entwicklung sehr interessiert. Das belegen seine Kontakte zu dem Heidelberger Astronomen Max Wolf (1863-1932), der ein Pionier auf diesem Gebiet war. Außerdem besuchte er 1887 in Paris die erste Tagung zur fotografischen Himmelsdurchmusterung. Allerdings war es ihm auf Grund seines fortschreitend angegriffenen Gesundheitszustandes nicht mehr möglich, sich weiter mit dieser Entwicklung zu beschäftigen. Am 1.5.1891 erlag Schönfeld einem Herzleiden. Er wurde auf dem alten Friedhof in Bonn-Kessenich begraben.
Werke (Auswahl)
Ephemeride der Thetis für die Opposition 1858-59, in: Astronomische Nachrichten 49 (1858), S. 237.
Über den Nebelfleck Zone +30° Nr. 548 des Bonner Sternverzeichnisses nebst einigen Bemerkungen über die Nebelbeobachtungen in der Bonner Durchmusterung überhaupt, in: Astronomische Nachrichten 58 (1862), S. 355-360.
Beiträge zur Kenntniss des Lichtwechsels veränderlicher Sterne. Von Herrn Prof. Dr. E. Schönfeld. (Fortsetzung von No. 1628-1629, 1648-1649, 1729-1730, 1817-1818 der Astr. Nachr.), in: Astronomische Nachrichten 78 (1871), S. 129-152.
Bonner Durchmusterung des südlichen Himmels. (Katalog), Bonn 1886.
Bonner Sternkarten. Zweite Serie. Atlas der Himmelszone zwischen 1° und 23° südlicher Declination für den Anfang des Jahres 1855. Als Fortsetzung des Bonner Atlas des nördlichen gestirnten Himmels in den Jahren 1876 bis 1885 auf der Königlichen Sternwarte zu Bonn, Bonn 1887.
Literatur
Geffert, Michael, Die Geschichte des Faches Astronomie an der Universität Bonn, in: Becker, Thomas/Rosin, Philip (Hg.), Die Natur- und Lebenswissenschaften. Geschichte der Universität Bonn, Band 4, Göttingen 2018, S. 308-313.
Krueger, Adalbert, Nekrolog Eduard Schönfeld, in: Vierteljahrsschrift der Astronomischen Gesellschaft 26 (1891), S. 172-185.
Krueger, Adalbert, Todes-Anzeige (Eduard Schönfeld), in: Astronomische Nachrichten 127 (1891), S. 151.
Krueger, Adalbert, Obituary Notice of Professor SCHOENFELD (Translated from the German by Otto v.Geldern), in: Publications of the Astronomical Society of the Pacific 3 (1891), S. 255-257.
Schmidt, Hans, Astronomen der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität. Ihr Leben, Bonn 1990, S. 87-107.
Steiner, Gerhard, Eduard Schönfeld - Lebensbild eines hervorragenden Astronomen aus Hildburghausen, Hildburghausen 1990.
Online
Geffert. Michael, Eduard Schönfeld und die Bonner Durchmusterung [Online]
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Geffert, Michael, Eduard Schönfeld, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/eduard-schoenfeld/DE-2086/lido/645e0ea85a2d75.80789975 (abgerufen am 07.10.2024)