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Elias Eller war das Haupt eines (Wuppertal-)Elberfelder pietistischen Konventikels, der im 18. Jahrhundert die Gemeinde und Stadt Ronsdorf, das „neue Jerusalem", errichtete.
Die Stadt Ronsdorf im Bergischen Land, bis 1929 selbstständig (seitdem zur Stadt Wuppertal), verdankt ihre Existenz religiösen Bestrebungen besonderer Art. Besiedelt wurde sie zuerst von einer Gruppe frommer Christen, die sich selbst als „Zioniten" bezeichneten, weil sie Zion oder ein „neues Jerusalem" verwirklichen wollten. Der Führer dieser Gruppe war Elias Eller, den man deshalb als „Stadtgründer" bezeichnen kann.
Elias Eller wurde 1690 auf dem Bauernhof Ronsdorf in der Honschaft Erbschloe im Kirchspiel Lüttringhausen in einer „Mischehe" – die Mutter Anna Gertrud geborene Garschagen (1658-1737) war lutherisch, der Vater Johannes Eller (1632-um1795) reformiert – geboren. Die damals vorhandenen scharfen Gegensätze zwischen den beiden protestantischen Konfessionen spielten in seiner Familie und auch in dem Konventikel, dessen Haupt Eller später wurde, keine Rolle. Kurz nach der Jahrhundertwende muß Eller den väterlichen Hof verlassen haben, im nahen Elberfeld suchte er sein Glück als Bandwirker. Er arbeitete in der Manufaktur des Bandfabrikanten Peter Bolkhaus und heiratete nach dessen Tod 1712 die Witwe Katharina Bolkhaus (1680-1733), die zehn Jahre älter war als er. Dieser Altersunterschied war gerade bei Handwerkern, bei denen der Geselle die verwitwete Frau Meisterin ehelichte und das Geschäft übernahm, nicht ungewöhnlich. Dass Katharina Bolkhaus 20 Jahre älter gewesen sei, ist eine in der Literatur anzutreffende Behauptung, die falsch ist. Sie ist Teil einer Verleumdungskampagne, der Eller sich ausgesetzt sah.
Die reformierte Gemeinde in Elberfeld, der sich Eller anschloss, hatte damals etwa 3.000 Mitglieder und wurde in jenen Jahren von scharfen Kontroversen geprägt. Eine Gruppe der Gemeinde hatte 1704 die Wahl des umstrittenen Offenbacher Pfarrers Conrad Bröske (1660-1713) zum Elberfelder Prediger durchgesetzt. Bröske lehrte die nahe bevorstehende Wiederkunft Christi und den Beginn seines Tausendjährigen Reiches. Er propagierte konfessionsübergreifende „philadelphische Gesellschaften" zur Vorbereitung auf dieses Reich Gottes. Die Synode lehnte Bröske ab, sodass dieser schließlich den Ruf nach Elberfeld ausschlug. Wenige Jahre später predigte der Pietist Christoph Hochmann von Hohenau (1670–1721) ebenfalls in Elberfeld, kritisierte die starre Orthodoxie der Kirche und warb angesichts des baldigen Jüngsten Gerichts ebenfalls für philadelphische Sozietäten.
Wahrscheinlich entstand eine derartige chiliastisch orientierte Sozietät in Elberfeld bald danach. Darin bekleidete Anna vom Büchel (1698-1743), ein Hausmädchen des Fabrikanten Bolkhaus, aufgrund ihrer „Weissagungen" schon früh eine zentrale Stellung. Die Mitglieder des Konventikels wurden zur Verschwiegenheit verpflichtet und manche erhielten von ihr persönliche „Weissagungen", die in zwei Schriften, betitelt „Hirtentasche" und „Von Euch und Euren Saamen", aufbewahrt wurden.
In den frühen 1720er Jahren kam Eller in Kontakt mit dieser Gruppe, die ein lebendiges geistliches Leben führte, eine beachtliche Reihe bekannter Pfarrer und prominenter Bürger auch aus der Oberschicht der Stadt und der Umgebung zu ihren Mitgliedern zählte und die Bekehrung neuer Mitglieder mit fröhlichen „Liebesmahlen" feierte. Das machte sie besonders verdächtig, denn man war gewohnt, dass die „Frommen" im Lande sich in vornehmer Zurückhaltung und in Askese übten.
Eller, ein Mann von ungewöhnlicher Tatkraft und großem Charisma, wurde bald das Haupt der Gruppe. Sein Einfluss steigerte sich noch, als er am 26.1.1733, fünf Monate nach dem Tod seiner ersten Frau, die Prophetin und „Zionsmutter" Anna vom Büchel heiratete. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor, Sohn Benjamin (1734-1735) und die Töchter Sarah (1738-1770) und Rahel (geboren 1739). Benjamin sollte der neue Messias werden. Immerhin stand der Elberfelder Pfarrer Daniel Schleiermacher (1695-1776), der Großvater des berühmten Theologen, bei ihm Pate. Trotz des frühen Todes Benjamin Ellers wuchs die Gruppe der „Ellerianer" weiter und griff bald auf benachbarte reformierte Gemeinden wie Solingen, Neviges, Langenberg, Ratingen und Düsseldorf über. Mehrere hundert Personen müssen zu ihr gehört haben, für eine religiöse Sozietät eine beachtliche Größe.
Bei den Zusammenkünften forderte Anna vom Büchel ihre Anhänger immer wieder zum Auszug aus Elberfeld – sie nannte es „Babel" - und zur Gründung eines „neuen Jerusalems" auf. Mit Sprüchen wie „Elverfeld – es verfällt" und ähnlich drastischen Formulierungen stärkte sie die Auszugswilligen. Fester Bestandteil ihrer Formulierungen wurde der Hinweis auf einen geschützten Raum für ihre Anhänger, die „Ellerianer", und einen Außenbereich, dem die Verworfenen zugeteilt würden. Dazu trat ein Bewusstsein vom nahen Ende der Welt und vom Anbruch des Reiches Gottes, das die gesamte Gruppe prägte.
Nicht die angeblich blasphemischen Inspirationen der Zionsmutter, sondern die Liebesmahle der Gruppe waren Anlass zu einer Untersuchung, die die Kirchenbehörde 1737 unternahm. Die Synode befürchtete, dass die Ausübung der Frömmigkeit mit ausschweifenden Liebesmahlen zu sexueller Freizügigkeit führten. Die Untersuchung entdeckte nichts Ehrenrühriges. Doch die Ellerianer sahen sich in ihrer Heimatstadt wachsendem Druck ausgesetzt.
Schon 1735 sagte Anna Eller voraus, Gott werde ihr demnächst „ein weites Land aufthun" und „Zion soll gebaut werden". Allmählich trennte Eller seine Gruppe von der Elberfelder Gemeinde, was ursprünglich nicht vorgesehen war. Er kaufte ein Waldstück bei seinem elterlichen Hof und betrieb den Auszug seiner Anhänger. 1737 errichtete er sein neues Haus in Ronsdorf, und die ersten Zioniten verließen Elberfeld ebenfalls und folgten ihm nach.
Für die neue Siedlung verfasste Eller einen im Original nicht erhaltenen Bebauungsplan für mehrere tausend Einwohner. Die Straßen verliefen sternförmig von Ellers Haus, der sogenannten „Stiftshütte", ins Umland. Auf diese Weise konnte der Stadtgründer von jedem neuen Haus gesehen werden, aber auch jedes Haus kontrollieren. Erst gegen Ende der 1740er Jahre wurde eine rechtwinklige Straßenführung in Angriff genommen. Dennoch ist eine „utopische" Planung, die soziale Egalität, Konfliktfreiheit und Harmonie unter den Bewohnern des „neuen Jerusalems" auch mit Hilfe der Raumgestaltung zu verwirklichen trachtete – wie etwa in den Kolonien in Nordamerika – kaum zu erkennen. Überhaupt waren die Zioniten an ihrer Spitze Elias Eller, keine frommen Utopisten, sondern ökonomisch außerordentlich aktive Leute, ausgestattet mit einem regen kapitalistischen Sinn. Profit stand unter Gottes Segen, und alle Zioniten strebten danach. In wenigen Jahren machten sie, meist als Bandwirker und Kaufleute, aus ihrer neuen Siedlung ein blühendes Gemeinwesen.
Vollständige Einwohnerlisten liegen für die ersten Jahre nicht vor. Es ist jedoch bekannt, dass Ronsdorf bis 1741 bereits auf 400 Bewohner in 40 Häusern angewachsen war. 1743 soll es bereits 1.000 Einwohner gezählt haben und 1747 bestand es aus 78 Häusern. Die Siedler kamen nicht allein aus Elberfeld, sondern auch aus Ratingen, Solingen, Mettmann und anderen umliegenden Orten, sogar aus Hamburg, Amsterdam und St. Gallen. Der Zuzug wurde dadurch erleichtert, dass Eller Baukredite an Verheiratete vergab und auch sonst bei der Ansiedlung half. 1740 berichtete der preußische Domänenrat Müntz darüber an seinen König:
In dieser Gemeinde [Elberfeld] hat sich ohnlangst eine Separation hervor gethan, welche sich Sionskinder nennen. Sie halten sich bei der reformirten Kirche, lassen ihre Kinder daselbst taufen und communiciren mit ihnen. Sie haben à la tête eine Kaufmannsfrau, welche sie Sionsmutter nennen. Dieselbe fangen an, sich aus der Stadt zu retiriren und auf dem platten Lande Häuser zu bauen; ihr Hauptfundament ist, sich hier die ewige Seeligkeit zu machen...
Elias Eller war früh bestrebt, seine Version eines göttlichen Zion unabhängig von seiner Heimatgemeinde Elberfeld zu verwirklichen. 1741 wurde Ronsdorf durch die Vermittlung des preußischen Königs, des Schutzherrn der Protestanten im Herzogtum Berg, das freie Religionsexercitium erteilt. Zu ihrem ersten Pfarrer wählte die Gemeinde Daniel Schleiermacher, der von dem Inspektor der Synode eingeführt wurde. 1742 errichtete man den ersten Kirchbau, Gottesdienste fanden aber weiterhin auch in der Stiftshütte statt. 1745 wurde ein zweiter Pfarrer berufen und im selben Jahr, also weniger als zehn Jahre nach der Ankunft der ersten Siedler, erhielt Ronsdorf sogar Stadtrechte. Elias Eller wurde der erste Bürgermeister. Den Zeitgenossen erschien dies fast wie ein Werk und Wunder Gottes.
Kurz vor Ellers Tod erschütterte die junge Stadt noch ein Konflikt zwischen Bürgermeister und Pfarrer. Schleiermacher hatte in Ronsdorf eine „reine Gemeinde" einrichten wollen, die nur Christus lebte und der Welt und ihren Zwängen entsagte. Eller war völlig anderer Auffassung, er hielt es für die Aufgabe der Christen, sich in der Welt zu bewähren und nicht, ihr zu entsagen. Schleiermacher musste Ronsdorf verlassen.
1749, sechs Jahre nach dem Tod seiner zweiten Frau Anna vom Büchel, heiratete Eller die Witwe Anna Gertrud Bosselmann geborene Lucas (1695-1769). Ein Jahr später, am 16.5.1750, starb er in Ronsdorf. Kurz vor seinem Tod war er noch zum „Agenten und Vorsteher der protestantischen Glaubensgenossen in den Jülichschen und Bergischen Landen" ernannt worden.
Literatur
Bautz, Friedrich Wilhelm, Artikel „Eller, Elias", in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 1 (1990), Sp. 1501-1502.
Bernet, Claus D., Das Neue Jerusalem im Rheinland: Eine Untersuchung zu den Motiven der Stadtgründung von Ronsdorf bei Wuppertal, in: Monatshefte für Evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes 56 (2007), S. 129-148.
Deventer, Jörg, Ein Zion im 18. Jahrhundert: Gründungsgeschichte von Wuppertal-Ronsdorf, in: Geschichte im Wuppertal 1 (1992), S. 4-34.
Goebel, Klaus (Hg.), Von Eller bis Dürselen. Neue Beiträge zur Kirchen- und Stadtgeschichte von Wuppertal-Ronsdorf. Köln 1981.
Rheinischer Städteatlas VI Nr. 33: Ronsdorf, bearb. von Klaus Goebel, Köln/Bonn 1980.
Strutz, Edmund, Elias Eller, der Gründer der Stadt Ronsdorf (1690-1750), in: Rheinische Lebensbilder 1 (1961), S. 102-121.
Wittmütz, Volkmar, Ein Zion im Bergischen? Vor 250 Jahren erhielt Ronsdorf Stadtrecht, in: Geschichte im Wuppertal 5 (1996), S. 1-8.
Online
Werner, Gerhart, Artikel „Eller, Elias", in: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 455-456. [Online]
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Wittmütz, Volkmar, Elias Eller, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/elias-eller-/DE-2086/lido/57c6a2e81d6d51.79190850 (abgerufen am 09.12.2024)