Elias Eller

Gründer der Stadt Ronsdorf (1690-1750)

Volkmar Wittmütz (Köln)

Elias-Eller-Gedenkstein in Wuppertal-Ronsdorf, Foto: Frank Vincentz.

Eli­as El­ler war das Haupt ei­nes (Wup­per­tal-)El­ber­fel­der pie­tis­ti­schen Kon­ven­ti­kels, der im 18. Jahr­hun­dert die Ge­mein­de und Stadt Rons­dorf, das „neue Je­ru­sa­lem", er­rich­te­te.

Die Stadt Rons­dorf im Ber­gi­schen Land, bis 1929 selbst­stän­dig (seit­dem zur Stadt Wup­per­tal), ver­dankt ih­re Exis­tenz re­li­giö­sen Be­stre­bun­gen be­son­de­rer Art. Be­sie­delt wur­de sie zu­erst von ei­ner Grup­pe from­mer Chris­ten, die sich selbst als „Zio­ni­ten" be­zeich­ne­ten, weil sie Zi­on oder ein „neu­es Je­ru­sa­lem" ver­wirk­li­chen woll­ten. Der Füh­rer die­ser Grup­pe war Eli­as El­ler, den man des­halb als „Stadt­grün­der" be­zeich­nen kann.

Eli­as El­ler wur­de 1690 auf dem Bau­ern­hof Rons­dorf in der Hon­schaft Erb­schloe im Kirch­spiel Lüttring­hau­sen in ei­ner „Misch­ehe" – die Mut­ter An­na Ger­trud ge­bo­re­ne Gar­scha­gen (1658-1737) war lu­the­risch, der Va­ter Jo­han­nes El­ler (1632-um­1795) re­for­miert – ge­bo­ren. Die da­mals vor­han­de­nen schar­fen Ge­gen­sät­ze zwi­schen den bei­den pro­tes­tan­ti­schen Kon­fes­sio­nen spiel­ten in sei­ner Fa­mi­lie und auch in dem Kon­ven­ti­kel, des­sen Haupt El­ler spä­ter wur­de, kei­ne Rol­le. Kurz nach der Jahr­hun­dert­wen­de muß El­ler den vä­ter­li­chen Hof ver­las­sen ha­ben, im na­hen El­ber­feld such­te er sein Glück als Band­wir­ker. Er ar­bei­te­te in der Ma­nu­fak­tur des Band­fa­bri­kan­ten Pe­ter Bolk­haus und hei­ra­te­te nach des­sen Tod 1712 die Wit­we Ka­tha­ri­na Bolk­haus (1680-1733), die zehn Jah­re äl­ter war als er. Die­ser Al­ters­un­ter­schied war ge­ra­de bei Hand­wer­kern, bei de­nen der Ge­sel­le die ver­wit­we­te Frau Meis­te­rin ehe­lich­te und das Ge­schäft über­nahm, nicht un­ge­wöhn­lich. Dass Ka­tha­ri­na Bolk­haus 20 Jah­re äl­ter ge­we­sen sei, ist ei­ne in der Li­te­ra­tur an­zu­tref­fen­de Be­haup­tung, die falsch ist. Sie ist Teil ei­ner Ver­leum­dungs­kam­pa­gne, der El­ler sich aus­ge­setzt sah.

Die re­for­mier­te Ge­mein­de in El­ber­feld, der sich El­ler an­schloss, hat­te da­mals et­wa 3.000 Mit­glie­der und wur­de in je­nen Jah­ren von schar­fen Kon­tro­ver­sen ge­prägt. Ei­ne Grup­pe der Ge­mein­de hat­te 1704 die Wahl des um­strit­te­nen Of­fen­ba­cher Pfar­rers Con­rad Brös­ke (1660-1713) zum El­ber­fel­der Pre­di­ger durch­ge­setzt. Brös­ke lehr­te die na­he be­vor­ste­hen­de Wie­der­kunft Chris­ti und den Be­ginn sei­nes Tau­send­jäh­ri­gen Rei­ches. Er pro­pa­gier­te kon­fes­si­ons­über­grei­fen­de „phil­adel­phi­sche Ge­sell­schaf­ten" zur Vor­be­rei­tung auf die­ses Reich Got­tes. Die Syn­ode lehn­te Brös­ke ab, so­dass die­ser schlie­ß­lich den Ruf nach El­ber­feld aus­schlug. We­ni­ge Jah­re spä­ter pre­dig­te der Pie­tist Chris­toph Hoch­mann von Ho­hen­au (1670–1721) eben­falls in El­ber­feld, kri­ti­sier­te die star­re Or­tho­do­xie der Kir­che und warb an­ge­sichts des bal­di­gen Jüngs­ten Ge­richts eben­falls für phil­adel­phi­sche So­zie­tä­ten.

Wahr­schein­lich ent­stand ei­ne der­ar­ti­ge chi­li­as­tisch ori­en­tier­te So­zie­tät in El­ber­feld bald da­nach. Dar­in be­klei­de­te An­na vom Bü­chel (1698-1743), ein Haus­mäd­chen des Fa­bri­kan­ten Bolk­haus, auf­grund ih­rer „Weis­sa­gun­gen" schon früh ei­ne zen­tra­le Stel­lung. Die Mit­glie­der des Kon­ven­ti­kels wur­den zur Ver­schwie­gen­heit ver­pflich­tet und man­che er­hiel­ten von ihr per­sön­li­che „Weis­sa­gun­gen", die in zwei Schrif­ten, be­ti­telt „Hir­ten­ta­sche" und „Von Euch und Eu­ren Saa­men", auf­be­wahrt wur­den.

In den frü­hen 1720er Jah­ren kam El­ler in Kon­takt mit die­ser Grup­pe, die ein le­ben­di­ges geist­li­ches Le­ben führ­te, ei­ne be­acht­li­che Rei­he be­kann­ter Pfar­rer und pro­mi­nen­ter Bür­ger auch aus der Ober­schicht der Stadt und der Um­ge­bung zu ih­ren Mit­glie­dern zähl­te und die Be­keh­rung neu­er Mit­glie­der mit fröh­li­chen „Lie­bes­mah­len" fei­er­te. Das mach­te sie be­son­ders ver­däch­tig, denn man war ge­wohnt, dass die „From­men" im Lan­de sich in vor­neh­mer Zu­rück­hal­tung und in As­ke­se üb­ten.

El­ler, ein Mann von un­ge­wöhn­li­cher Tat­kraft und gro­ßem Cha­ris­ma, wur­de bald das Haupt der Grup­pe. Sein Ein­fluss stei­ger­te sich noch, als er am 26.1.1733, fünf Mo­na­te nach dem Tod sei­ner ers­ten Frau, die Pro­phe­tin und „Zi­ons­mut­ter" An­na vom Bü­chel hei­ra­te­te. Aus der Ehe gin­gen drei Kin­der her­vor, Sohn Ben­ja­min (1734-1735) und die Töch­ter Sa­rah (1738-1770) und Ra­hel (ge­bo­ren 1739). Ben­ja­min soll­te der neue Mes­sias wer­den. Im­mer­hin stand der El­ber­fel­der Pfar­rer Da­ni­el Schlei­er­ma­cher (1695-1776), der Gro­ßva­ter des be­rühm­ten Theo­lo­gen, bei ihm Pa­te. Trotz des frü­hen To­des Ben­ja­min El­lers wuchs die Grup­pe der „El­le­ria­ner" wei­ter und griff bald auf be­nach­bar­te re­for­mier­te Ge­mein­den wie So­lin­gen, Ne­vi­ges, Lan­gen­berg, Ra­tin­gen und Düs­sel­dorf über. Meh­re­re hun­dert Per­so­nen müs­sen zu ihr ge­hört ha­ben, für ei­ne re­li­giö­se So­zie­tät ei­ne be­acht­li­che Grö­ße.

Bei den Zu­sam­men­künf­ten for­der­te An­na vom Bü­chel ih­re An­hän­ger im­mer wie­der zum Aus­zug aus El­ber­feld – sie nann­te es „Ba­bel" - und zur Grün­dung ei­nes „neu­en Je­ru­sa­lems" auf. Mit Sprü­chen wie „El­ver­feld – es ver­fällt" und ähn­lich dras­ti­schen For­mu­lie­run­gen stärk­te sie die Aus­zugs­wil­li­gen. Fes­ter Be­stand­teil ih­rer For­mu­lie­run­gen wur­de der Hin­weis auf ei­nen ge­schütz­ten Raum für ih­re An­hän­ger, die „El­le­ria­ner", und ei­nen Au­ßen­be­reich, dem die Ver­wor­fe­nen zu­ge­teilt wür­den. Da­zu trat ein Be­wusst­sein vom na­hen En­de der Welt und vom An­bruch des Rei­ches Got­tes, das die ge­sam­te Grup­pe präg­te.

Nicht die an­geb­lich blas­phe­mi­schen In­spi­ra­tio­nen der Zi­ons­mut­ter, son­dern die Lie­bes­mah­le der Grup­pe wa­ren An­lass zu ei­ner Un­ter­su­chung, die die Kir­chen­be­hör­de 1737 un­ter­nahm. Die Syn­ode be­fürch­te­te, dass die Aus­übung der Fröm­mig­keit mit aus­schwei­fen­den Lie­bes­mah­len zu se­xu­el­ler Frei­zü­gig­keit führ­ten. Die Un­ter­su­chung ent­deck­te nichts Eh­ren­rüh­ri­ges. Doch die El­le­ria­ner sa­hen sich in ih­rer Hei­mat­stadt wach­sen­dem Druck aus­ge­setzt.

Schon 1735 sag­te An­na El­ler vor­aus, Gott wer­de ihr dem­nächst „ein wei­tes Land auft­hun" und „Zi­on soll ge­baut wer­den". All­mäh­lich trenn­te El­ler sei­ne Grup­pe von der El­ber­fel­der Ge­mein­de, was ur­sprüng­lich nicht vor­ge­se­hen war. Er kauf­te ein Wald­stück bei sei­nem el­ter­li­chen Hof und be­trieb den Aus­zug sei­ner An­hän­ger. 1737 er­rich­te­te er sein neu­es Haus in Rons­dorf, und die ers­ten Zio­ni­ten ver­lie­ßen El­ber­feld eben­falls und folg­ten ihm nach.

Für die neue Sied­lung ver­fass­te El­ler ei­nen im Ori­gi­nal nicht er­hal­te­nen Be­bau­ungs­plan für meh­re­re tau­send Ein­woh­ner. Die Stra­ßen ver­lie­fen stern­för­mig von El­lers Haus, der so­ge­nann­ten „Stifts­hüt­te", ins Um­land. Auf die­se Wei­se konn­te der Stadt­grün­der von je­dem neu­en Haus ge­se­hen wer­den, aber auch je­des Haus kon­trol­lie­ren. Erst ge­gen En­de der 1740er Jah­re wur­de ei­ne recht­wink­li­ge Stra­ßen­füh­rung in An­griff ge­nom­men. Den­noch ist ei­ne „uto­pi­sche" Pla­nung, die so­zia­le Ega­li­tät, Kon­flikt­frei­heit und Har­mo­nie un­ter den Be­woh­nern des „neu­en Je­ru­sa­lems" auch mit Hil­fe der Raum­ge­stal­tung zu ver­wirk­li­chen trach­te­te – wie et­wa in den Ko­lo­ni­en in Nord­ame­ri­ka – kaum zu er­ken­nen. Über­haupt wa­ren die Zio­ni­ten an ih­rer Spit­ze Eli­as El­ler, kei­ne from­men Uto­pis­ten, son­dern öko­no­misch au­ßer­or­dent­lich ak­ti­ve Leu­te, aus­ge­stat­tet mit ei­nem re­gen ka­pi­ta­lis­ti­schen Sinn. Pro­fit stand un­ter Got­tes Se­gen, und al­le Zio­ni­ten streb­ten da­nach. In we­ni­gen Jah­ren mach­ten sie, meist als Band­wir­ker und Kauf­leu­te, aus ih­rer neu­en Sied­lung ein blü­hen­des Ge­mein­we­sen.

Voll­stän­di­ge Ein­woh­ner­lis­ten lie­gen für die ers­ten Jah­re nicht vor. Es ist je­doch be­kannt, dass Rons­dorf bis 1741 be­reits auf 400 Be­woh­ner in 40 Häu­sern an­ge­wach­sen war. 1743 soll es be­reits 1.000 Ein­woh­ner ge­zählt ha­ben und 1747 be­stand es aus 78 Häu­sern. Die Sied­ler ka­men nicht al­lein aus El­ber­feld, son­dern auch aus Ra­tin­gen, So­lin­gen, Mett­mann und an­de­ren um­lie­gen­den Or­ten, so­gar aus Ham­burg, Ams­ter­dam und St. Gal­len. Der Zu­zug wur­de da­durch er­leich­tert, dass El­ler Bau­kre­di­te an Ver­hei­ra­te­te ver­gab und auch sonst bei der An­sied­lung half. 1740 be­rich­te­te der preu­ßi­sche Do­mä­nen­rat Müntz dar­über an sei­nen Kö­nig:

In die­ser Ge­mein­de [El­ber­feld] hat sich ohn­langst ei­ne Se­pa­ra­ti­on her­vor gethan, wel­che sich Si­ons­kin­der nen­nen. Sie hal­ten sich bei der re­for­mir­ten Kir­che, las­sen ih­re Kin­der da­selbst tau­fen und com­mu­ni­ci­ren mit ih­nen. Sie ha­ben à la tê­te ei­ne Kauf­manns­frau, wel­che sie Si­ons­mut­ter nen­nen. Die­sel­be fan­gen an, sich aus der Stadt zu re­tiri­ren und auf dem plat­ten Lan­de Häu­ser zu bau­en; ihr Haupt­fun­da­ment ist, sich hier die ewi­ge See­lig­keit zu ma­chen...

Eli­as El­ler war früh be­strebt, sei­ne Ver­si­on ei­nes gött­li­chen Zi­on un­ab­hän­gig von sei­ner Hei­mat­ge­mein­de El­ber­feld zu ver­wirk­li­chen. 1741 wur­de Rons­dorf durch die Ver­mitt­lung des preu­ßi­schen Kö­nigs, des Schutz­herrn der Pro­tes­tan­ten im Her­zog­tum Berg, das freie Re­li­gi­on­s­ex­er­ci­ti­um er­teilt. Zu ih­rem ers­ten Pfar­rer wähl­te die Ge­mein­de Da­ni­el Schlei­er­ma­cher, der von dem In­spek­tor der Syn­ode ein­ge­führt wur­de. 1742 er­rich­te­te man den ers­ten Kirch­bau, Got­tes­diens­te fan­den aber wei­ter­hin auch in der Stifts­hüt­te statt. 1745 wur­de ein zwei­ter Pfar­rer be­ru­fen und im sel­ben Jahr, al­so we­ni­ger als zehn Jah­re nach der An­kunft der ers­ten Sied­ler, er­hielt Rons­dorf so­gar Stadt­rech­te. Eli­as El­ler wur­de der ers­te Bür­ger­meis­ter. Den Zeit­ge­nos­sen er­schien dies fast wie ein Werk und Wun­der Got­tes.

Kurz vor El­lers Tod er­schüt­ter­te die jun­ge Stadt noch ein Kon­flikt zwi­schen Bür­ger­meis­ter und Pfar­rer. Schlei­er­ma­cher hat­te in Rons­dorf ei­ne „rei­ne Ge­mein­de" ein­rich­ten wol­len, die nur Chris­tus leb­te und der Welt und ih­ren Zwän­gen ent­sag­te. El­ler war völ­lig an­de­rer Auf­fas­sung, er hielt es für die Auf­ga­be der Chris­ten, sich in der Welt zu be­wäh­ren und nicht, ihr zu ent­sa­gen. Schlei­er­ma­cher muss­te Rons­dorf ver­las­sen.

1749, sechs Jah­re nach dem Tod sei­ner zwei­ten Frau An­na vom Bü­chel, hei­ra­te­te El­ler die Wit­we An­na Ger­trud Bos­sel­mann ge­bo­re­ne Lu­cas (1695-1769). Ein Jahr spä­ter, am 16.5.1750, starb er in Rons­dorf. Kurz vor sei­nem Tod war er noch zum „Agen­ten und Vor­ste­her der pro­tes­tan­ti­schen Glau­bens­ge­nos­sen in den Jü­lich­schen und Ber­gi­schen Lan­den" er­nannt wor­den.

Literatur

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Online

Wer­ner, Ger­hart, Ar­ti­kel „El­ler, Eli­as", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 4 (1959), S. 455-456. [On­line]

 
Zitationshinweis

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Wittmütz, Volkmar, Elias Eller, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/elias-eller-/DE-2086/lido/57c6a2e81d6d51.79190850 (abgerufen am 09.12.2024)