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Emil Ernst Stoltenhoff war von 1928 bis 1949 der letzte Generalsuperintendent der rheinischen Provinzialkirche und geriet in dieser exponierten Stellung ab 1933 in die scharfen innerkirchlichen Auseinandersetzungen zwischen Bekennender Kirche und Deutschen Christen. Von beiden Seiten polemisch angegriffen, gehörte er in den Nachkriegsjahren noch der neu gebildeten Leitung der rheinischen Kirche an.
Stoltenhoff wurde am 17.1.1879 in Odenkirchen (heute Stadt Mönchengladbach) als Sohn des Ortspfarrers Otto Stoltenhoff (1845-1908) und seiner Ehefrau Mathilde, geborene Bröcking (1849-1887) geboren. Er wuchs in Elberfeld (heute Stadt Wuppertal) auf, wohin der Vater 1884 beruflich gewechselt war. 1897 begann er das Studium der evangelischen Theologie, das ihn nach Erlangen, Halle und Greifswald führte. Zielstrebig legte er bis 1903 die beiden vorgeschriebenen Examina ab und bewährte sich als Hilfsprediger in Broich bei Mülheim/Ruhr so sehr, dass er dort 1906 zum Pfarrer gewählt wurde. Im folgenden Jahr heiratete er Gertrud Funcke (1876-1958), die Tochter eines dort ansässigen Lederfabrikanten. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor.
Im Frühjahr 1918 wurde Stoltenhoff auf eine Pfarrstelle in Essen gewählt. Die Gemeinde Essen-Altstadt, die von 14 Pfarrern versehen wurde, zählte mit 55.000 Seelen zu den größten im Rheinland. Stoltenhoffs Pfarrbezirk bildeten Arbeitersiedlungen im Segeroth im Norden der Stadt. Kirchenpolitisch stand Stoltenhoff auf Seiten der Positiven Union, die sich gegen den theologischen Liberalismus wandte. 1921 wurde er zum Vorsitzenden des Westdeutschen Jungmännerbundes gewählt. Mittlerweile hatte sich Stoltenhoff so weit profiliert, dass er in die verfassunggebende Kirchenversammlung der Kirche der Altpreußischen Union (APU) in Berlin gewählt wurde. Dies bahnte ihm den Weg in eine Stelle als Oberkonsistorialrat beim Evangelischen Oberkirchenrat (EOK) in Berlin, die er im Herbst 1923 antrat. Als Personaldezernent der Altpreußischen Union erwarb er sich gute Kontakte zu allen Mitgliedskirchen vom Rheinland bis nach Ostpreußen. Seine Leidenschaft für die Kirchenmusik konnte er in seine Tätigkeit als Musikreferent einbringen. So war er auch am Entwurf der neuen, letztlich nicht umgesetzten Gottesdienstordnung für die Altpreußische Union beteiligt. Seine Fremdsprachenkenntnisse wiederum erleichterten ihm die Arbeit in der Ökumene, die ihn unter anderem 1925 zur Weltkonferenz für praktisches Christentum nach Stockholm führte. Seine Ehefrau Gertrud wurde 1926 zur ersten weiblichen Vorsitzenden des Gesamtverbandes der Evangelischen Frauenhilfe in Deutschland gewählt.
1928 wurde Stoltenhoff zum Generalsuperintendenten der Evangelischen Kirche der Rheinprovinz ernannt. Die Inhaber dieses erstmals von Bischof Wilhelm Roß 1836 wahrgenommenen Amtes verstanden sich zum einen als oberste geistliche Repräsentanten der Provinzialkirche, ebenso aber auch als „pastor pastorum“, also als seelsorgerlichen Beistand der einzelnen Gemeindepfarrer. In diesem Amt war man zwangsläufig viel unterwegs. Von seinem Amtssitz in Koblenz aus bereiste Stoltenhoff zahlreiche rheinische Gemeinden anlässlich von Kircheneinweihungen und Jubiläumsfeiern; an den Gymnasien visitierte er den Ablauf des Religionsunterrichts. Stoltenhoff war ferner Mitglied des Konsistoriums und Vorsitzender der theologischen Prüfungskommission. Bereits in seiner Zeit beim Evangelischen Oberkirchenrat hatte sich Stoltenhoff für die Gründung eines reformierten Predigerseminars eingesetzt, das er schließlich 1929 in Elberfeld einweihen konnte.
Kirchenpolitisch überschlugen sich 1933 die Ereignisse und Stoltenhoff erlebte sie an höchst exponierter Stelle mit: Als der Präsident des Evangelischen Oberkirchenrats Hermann Kapler (1867-1941) krankheitsbedingt von seinem Amt zurücktrat, wurde Stoltenhoff am 21.6.1933 vom Senat der Altpreußischen Union zum kommissarischen Nachfolger berufen. Der preußische Kultusminister Bernhard Rust (1883-1945, Amtszeit 1934-1945) konstruierte hieraus eine vermeintliche Verletzung des geltenden Staatskirchenvertrages und setzte Stoltenhoff umgehend ab. Dies bot den Anlass zu weiteren radikalen Eingriffen des Staates in die kirchliche Autonomie. Dennoch wollte Stoltenhoff, der wie viele evangelische Theologen die „nationale Erhebung“ emphatisch begrüßt hatte, von seinem Amtsverständnis her den Kontakt zu den Deutschen Christen (DC) nicht abreißen lassen. Problematisch war seine Teilnahme auf einer Kölner Massenkundgebung der Deutschen Christen am 5.7.1933, auf der er dem für die rheinische Kirche eingesetzten Staatskommissar Dr. Gottfried Adolf Krummacher (1982-1954) seine loyale Mitarbeit zusicherte. Noch als - von Deutsche-Christen-Seite - Heinrich Oberheid am 7.10.1933 die Amtsgeschäfte eines evangelischen Bischofs von Köln-Aachen übernahm, trat Stoltenhoff nicht zurück, sondern suchte innerhalb der neuen Machtstrukturen zu lavieren. Eine Politisierung der Kirche und vor allem eine Umdeutung der neutestamentlichen Aussagen hin auf ein „heldisches Christentum“ lehnte er freilich in aller Schärfe ab. In der Folge positionierte er sich seit Ende 1933 deutlicher gegen die Deutschen Christen und gegen den Reichsbischof Ludwig Müller (1883-1945). Vor allem wandte sich Stoltenhoff entschieden gegen die freiwillige Eingliederung der evangelischen Jugendverbände in die Hitlerjugend. Als Reaktion wurde Stoltenhoff am 1.4.1934 zwangsweise in den Ruhestand versetzt.
Seine Ablehnung des Totalitätsanspruchs des NS-Regimes verschaffte ihm allerdings auch für die Folgezeit nicht die Anerkennung der Kreise der rheinischen Bekennenden, Kirche, die ihm vorwarfen, nicht eindeutig genug Front gegen die Deutschen Christen gemacht zu haben. Die Karten wurden bald wieder neu gemischt. Im Laufe des Jahres 1935 brach das durch den Reichsbischof ausgeübte Kirchenregiment zusammen, und der neuberufene Reichskirchenminister Hanns Kerrl (1887-1941) stimmte, wenn auch unter Bedenken, einer Rückkehr Stoltenhoffs in sein Amt zu. Am 25.5.1936 erfolgte Stoltenhoffs Wiedereinsetzung als Generalsuperintendent; als neuen Dienstsitz bezog er das Gebäude des Konsistoriums, das 1934 nach Düsseldorf verlegt worden war. Am 8.3.1937 erließ Stoltenhoff einen Aufruf zur kirchlichen Einigkeit, der von mehr als der Hälfte aller rheinischen Pfarrer unterzeichnet wurde. Ablehnend gegenüber dieser Sammlungsaktion verhielten sich sowohl die verschiedenen Gruppierungen der Deutschen Christen als auch der entschiedene Flügel der Bekennenden Kirche. Die im Herbst 1937 von Berlin aus installierte neue Leitung des Konsistoriums bemühte sich darum, den politisch missliebigen Stoltenhoff vom Amtsbetrieb zu isolieren. Mit dem neuen Konsistorialpräsidenten, dem Juristen und NSDAP-Parteimitglied Dr. Walter Koch (1894-1965), verkehrte Stoltenhoff nur schriftlich, er erhielt keine Post, wurde vom Aktenumlauf ausgeschlossen und nahm nicht an den Dienstsitzungen der Behörde teil. An diesem Zustand änderte sich bis zum Kriegsende nichts.
Am 15.5.1945 konstituierte sich ein Kreis von Theologen der Bekennenden Kirche und unbelasteten Vertretern des bisherigen Kirchenregiments als neue Leitung der Evangelischen Kirche der Rheinprovinz. Zu ihnen gehörte Stoltenhoff, der einige Monate darauf an der für den deutschen Nachkriegsprotestantismus wegweisenden Kirchenversammlung von Treysa teilnahm. Seinen Abschied nahm er auf der Gründungssynode der nunmehrigen „Evangelischen Kirche im Rheinland“ in Velbert im November 1948. Sein Amtskreuz übersandte er Heinrich Held, dem neugewählten Präses der Landeskirche, der allerdings - ebenso wie seine Nachfolger bis in die Gegenwart - auf dieses Attribut verzichtete. Im Ruhestand engagierte sich Stoltenhoff weiter für die Innere Mission, bis er am 27.4.1953 in Düsseldorf-Kaiserswerth einem Herzleiden erlag. Seine Autobiografie „Die gute Hand Gottes“ wurde erst 1990 publiziert.
Werke
Die gute Hand Gottes. Lebenserinnerungen des letzten rheinischen Generalsuperintendenten, Köln 1990.
Literatur
Aring, Paul Gerhard, Stoltenhoff, Emil Ernst, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon X (1995), Sp. 1554-1555.
Kampmann, Jürgen, Eingebunden oder eigenständig? Der theologische Dissens über die Rolle der evangelischen Kirche im Dritten Reich als Hintergrund der Trennung Bischof Oberheids von Generalsuperintendent Stoltenhoff an der Jahreswende 1933/34, in: Monathefte für evangelische Kirchengeschichte des Rheinlands 43 (1994), S. 283-292.
Müller, Heinrich, D. Ernst Stoltenhoff. Der letzte rheinische Generalsuperintendent, Neukirchen 1956.
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Flesch, Stefan, Emil Ernst Stoltenhoff, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/emil-ernst-stoltenhoff/DE-2086/lido/57c9565bed87c5.36761613 (abgerufen am 07.10.2024)