Engelbert vom Bruck

Aufklärer und Publizist (1739-1813)

Ursula Broicher (Krefeld)

DE-2086, LVR_ILR_0000124091.

Der nie­der­rhei­ni­sche Pu­bli­zist und Auf­klä­rer kämpf­te ge­gen Dog­ma­tis­mus und Or­tho­do­xie und für die Su­che nach der Wahr­heit - ei­ne Ver­pflich­tung, die er aus sei­ner Auf­fas­sung vom Men­schen als ein We­sen ab­lei­te­te, das durch Ver­stand aus­ge­zeich­net sei und die­sen auch ge­brau­chen müs­se.

En­gel­bert vom Bruck wur­de am 17.2.1739 in El­ber­feld (heu­te Stadt Wup­per­tal) ge­bo­ren. Sein Va­ter En­gel­bert vom Bruck (1711-1756) war Schus­ter und Hilfs­leh­rer, sei­ne Mut­ter Ma­ria Ka­tha­ri­na ge­bo­re­ne Wi­chel­haus (1721-1758). Ih­ren Gro­ßva­ter, Hein­rich Wi­chel­haus (1666-1712), soll der rhei­ni­sche Mys­ti­ker Ger­hard Ters­tee­gen in ei­ner Schrift auf­ge­führt ha­ben.

Das ber­gi­sche Land war im 18. Jahr­hun­dert in re­li­giö­ser Hin­sicht von sek­tie­ri­schen Be­we­gun­gen ge­prägt. In und um El­ber­feld, des­sen Ein­woh­ner, wie vom Bruck, vor­wie­gend der re­for­mier­ten Kon­fes­si­on an­ge­hör­ten, bil­de­ten sich re­li­giö­se Ver­ei­ni­gun­gen, in de­nen sich, wie der Auf­klä­rer in sei­ner „Selbst­bio­gra­phie“ dar­legt, Mys­ti­zis­mus und Pie­tis­mus breit­mach­ten und mit der Rons­dor­fer Sek­te und de­ren Zi­ons­va­ter Eli­as El­ler ein re­li­giö­ser Fa­na­tis­mus ver­tre­ten war, den er ver­ur­teil­te: Da­durch wür­den Vor­ur­tei­le und bi­got­te Be­grif­fe ver­brei­tet.

Als En­gel­bert vom Bruck nach Lehr­jah­ren in El­ber­feld und Duis­burg 1768 nach Kre­feld kam, wo er die Men­no­ni­tin Ma­ria Hes­kes (1743-1794) hei­ra­te­te, 1772 Bür­ger und Buch­hal­ter in der Welt­fir­ma von der Ley­en wur­de, be­gann er, sich mit Pu­bli­ka­tio­nen für die Aus­brei­tung der Ver­nunft in den nie­der­rhei­ni­schen Re­gio­nen ‚ge­mein­nüt­zig‘ zu ma­chen.

In der We­seler Zeit­schrift „Der Ge­mein­nüt­zi­ge“ ver­öf­fent­lich­te er Er­läu­te­run­gen zu phi­lo­so­phi­schen Be­grif­fen, die er sich als Au­to­di­dakt durch prü­fen­des Nach­den­ken und Lek­tü­re er­ar­bei­tet hat­te und nun ei­nem ähn­lich ein­ge­stell­ten Pu­bli­kum als Ori­en­tie­rungs­hil­fe wei­ter­ge­ben woll­te. Die Be­stim­mung der Auf­klä­rung durch Im­ma­nu­el Kant (1724-1804), aus der selbst­ver­schul­de­ten Un­mün­dig­keit her­aus­zu­tre­ten und sich sei­nes Ver­stan­des oh­ne An­lei­tung ei­nes an­de­ren zu be­die­nen, war ihm ei­ne Leit­li­nie auch bei sei­ner Aus­ein­an­der­set­zung mit der kirch­li­chen Or­tho­do­xie.

Ent­schei­den­den Ein­fluss hat­te da­bei sei­ne Be­geg­nung mit Kre­fel­der Men­no­ni­ten. Die Men­no­ni­ten hat­ten hier seit 1607 ei­ne Zu­fluchts­stät­te ge­fun­den. Kre­feld war un­ter ora­ni­scher Herr­schaft (1601-1702) ei­ne En­kla­ve der Re­li­gi­ons­dul­dung. Der Päd­ago­ge Jo­hann Hein­rich Cam­pe (1746-1818), der 1789 die Stadt be­such­te, be­zeich­ne­te die Men­no­ni­ten als die frei­es­te Re­li­gi­ons­ge­sell­schaft über­haupt, die zur Richt­schnur ih­res Glau­bens nichts als die Bi­bel und ihr ei­ge­nes Ge­wis­sen näh­men.

Vom Bruck griff dann strei­tend zur Fe­der, wenn ei­ne Syn­ode, ein Kon­sis­to­ri­um die Wahr­heits­su­che des ein­zel­nen Chris­ten be­vor­mun­de­te und ver­ur­teil­te, was 1775 ge­schah, als die vor der Mo­er­ser Kir­chen­ver­samm­lung ge­hal­te­ne Pre­digt des Kre­fel­der re­for­mier­ten Geist­li­chen Jo­nas Heil­mann (1738-1805) als ket­ze­risch be­ur­teilt wur­de. Ent­ge­gen der An­ord­nung des preu­ßi­schen Kö­nigs, den dar­über ge­führ­ten Brief­dis­put nicht öf­fent­lich zu ma­chen, wur­den die Pre­digt Heil­manns und be­glei­ten­de Ma­te­ria­li­en von Abra­ham ter Meer, dem men­no­ni­ti­schen ers­ten Ver­le­ger Kre­felds, un­ter der Ver­lags­orts­an­ga­be “Deutsch­land 1777“ an­onym her­aus­ge­ge­ben und von vom Bruck mit ei­ner „Ab­hand­lung über den Wert der Sym­bo­len zur Be­för­de­rung der To­le­ran­z“ be­glei­tet. Dar­in deu­te­te er die Sym­bo­le, die kirch­li­chen Lehr­bü­cher, als Richt­li­ni­en des Chris­ten, um durch de­ren Über­prü­fung die ei­ge­ne Wahr­heit zu fin­den. Als 1775 der El­ber­fel­der Arzt und Goe­thefreund Jo­hann Hein­rich Jung (ge­nannt Jung-Stil­ling, 1740-1817) mit der Schrift „Schleu­der ei­nes Hir­ten­kna­ben“ den Ro­man „Se­bal­dus Not­han­ker“ hef­tig at­ta­ckier­te, in dem der Ber­li­ner Fried­rich Ni­co­lai (1733-1811) die or­tho­do­xe Geist­lich­keit ver­spot­tet hat­te, ant­wor­te­te vom Bruck mit ei­ner lei­den­schaft­li­chen Ge­gen­schrift. Ein wei­te­rer li­te­ra­ri­scher Schlag­ab­tausch zwi­schen den bei­den folg­te. Die­ser Fe­der­krieg mit Jung-Stil­ling mach­te vom Bruck am Nie­der­rhein so be­kannt, dass Au­gust Wil­helm Cranz (1737-1801) in sei­ner „Gal­le­rie der Teu­fel“ ihn 1777 pries und Kre­feld und El­ber­feld in den Rang von Städ­ten er­hob, in de­nen man Li­te­ra­tur­lie­be, wach­sen­des Wis­sen­schafts­in­ter­es­se und kon­tro­ver­sie­ren­de Schrift­stel­ler fän­de.

Mit der Bio­gra­phie des nie­der­län­di­schen Stif­ters der Re­mons­tran­ten Ja­kob Ar­mi­ni­us (1560-1609), der die Leh­re von der Vor­her­be­stim­mung des Men­schen ver­damm­te, ver­tief­te vom Bruck die Aus­ein­an­der­set­zung um die Frei­heit des Chris­ten. In der Düs­sel­dorfer Zeit­schrift „Der Freund der Wahr­heit und des Ver­gnü­gens am Nie­der­rhein“ er­schien im Sep­tem­ber 1777 ein Frag­ment die­ser Schrift, das der Re­dak­teur Bau­er aus Angst vor der Zen­sur stark ver­än­dert hat­te.

1781 mel­de­te sich vom Bruck er­neut zu ei­nem Auf­ruhr lu­the­ri­scher Chris­ten im Her­zog­tum Jü­lich-Berg ge­gen ih­re Syn­ode zu Wort mit der Schrift „Über Ge­wiss­sens­frey­heit“. Die Syn­ode hat­te ver­kün­den las­sen, dass Chris­ten, die dem Abend­mahl und sonn­täg­li­chem Kirch­gang fern­blie­ben, mit kirch­li­chen und welt­li­chen Stra­fen be­legt wür­den. Vom Bruck plä­dier­te als Auf­klä­rer für ein Christ­sein, das sich die Frei­heit zu den­ken vor­be­hielt. Eben­so trat er für Kennt­nis­ver­meh­rung ein. Als der Ver­fas­ser der „Neu­en Erd­be­schrei­bun­g“, An­ton Fried­rich Bü­sching (1724-1793), in der Vor­re­de über man­geln­de In­for­ma­tio­nen aus den west­fä­li­schen und nie­der­rhei­ni­schen Ge­gen­den klag­te, schick­te vom Bruck ihm Bei­trä­ge, die in die fünf­te Auf­la­ge 1771 auf­ge­nom­men wur­den

Ein wei­te­rer Weg sich zu Wort zu mel­den, war für ihn der Brief­wech­sel mit be­deu­ten­den Män­nern. Hier­bei wähl­te er als Ein­stieg das in der Auf­klä­rung zur Blü­te ge­kom­me­ne In­stru­ment der li­te­ra­ri­schen Kri­tik. So schick­te er dem Düs­sel­dor­fer Ge­lehr­ten Fried­rich Hein­rich Ja­co­bi 1773 kri­ti­sche Be­mer­kun­gen zu sei­ner neu­en Aus­ga­be des „Aga­thon“ von Chris­toph Mar­tin Wie­land (1733-1813) und teil­te Fried­rich Ni­co­lai of­fe­ne Wor­te über sein Re­zen­si­ons­or­gan „All­ge­mei­ne Deut­sche Bi­blio­the­k“ mit. Mit ihm blieb er von Fe­bru­ar 1769 bis Fe­bru­ar 1809 im Briefaus­tausch. Am 10.7.1795 schrieb vom Bruck ei­nen an­ony­men Brief an Fried­rich Schil­ler (1759-1805), in dem er sich über die nicht ver­wirk­lich­te Ver­ständ­lich­keit der „Ho­ren“ für den Ge­mein­sinn, die Schil­ler in der An­kün­di­gung der Zeit­schrift ver­spro­chen hat­te, be­klag­te. Erst 1931 wur­de vom Bruck als Brief­ver­fas­ser er­mit­telt. Zu sei­nen Brief­part­nern ge­hör­ten eben­so der Päd­ago­ge Jo­hann Bern­hard Ba­se­dow (1724-1790), der Duis­bur­ger Geist­li­che Jo­hann Ger­hard Ha­sen­kamp (1736-1777), die um­strit­te­nen Pro­fes­so­ren Karl Fried­rich Bahr­dt (1724-1790) so­wie Eu­lo­gius Schnei­der (1756-1794). Vom Bruck war en­ga­gier­tes Mit­glied der Kre­fel­der Frei­mau­rer­lo­ge und tra­gen­der Mit­ar­bei­ter der in Kre­feld auf­blü­hen­den Zeit­schrif­ten und Zei­tun­gen.

Als das links­rhei­ni­sche Rhein­land 1794 un­ter fran­zö­si­sche Herr­schaft kam, trat vom Bruck für ei­nen Pa­trio­tis­mus ein, der von To­le­ranz ge­gen­über je­der po­li­ti­schen Ein­stel­lung ge­prägt sein soll­te. Dies wur­de ihm von Kre­fel­dern als Re­pu­bli­ka­nis­mus aus­ge­legt, von an­de­ren als Uto­pis­mus, wie von dem Re­zen­sen­ten in der „Neu­en All­ge­mei­nen Bi­blio­the­k“, der vom Brucks 1798 ge­hal­te­ne „Re­de über Pa­trio­tis­mus und To­le­ran­z“ be­sprach. Die Tex­te des Kre­fel­ders wa­ren be­reits seit 1775 in der „All­ge­mei­nen deut­schen Bi­blio­the­k“ und wei­te­ren Zeit­schrif­ten be­ur­teilt wor­den. 1786 wur­de er in „Das ge­lehr­te Teutsch­land oder Le­xi­kon der jetzt le­ben­den teut­schen Schrift­stel­ler" von Ge­org Chris­toph Ham­ber­ger und Jo­hann Ge­org Meu­sel auf­ge­nom­men.

En­gel­bert vom Bruck starb am 22.3.1813 in Kre­feld.

Er bleibt von Be­deu­tung als nie­der­rhei­ni­scher Pu­bli­zist, der die Leh­ren der Auf­klä­rung in ei­ner für die dor­ti­gen Le­ser ver­ständ­li­chen Spra­che wei­ter­gab. Sei­ne Tex­te sind ein Zeug­nis für den geis­ti­gen Mut, der in der re­li­giö­sen Frei­stät­te Kre­feld mög­lich war, und ge­ben ei­nen Ein­druck von dem Feu­er ei­ner Wahr­heits­su­che, die er an die Men­schen des Nie­der­rheins wei­ter­ge­ben woll­te.

Werke (Auswahl)

An­mer­kun­gen über die Schleu­der ei­nes Hir­ten­kna­ben dem ver­stän­di­gen Pu­bli­kum zur Ein­sicht mit­ge­teilt, Crefeld 1775.
D. An­ton Fri­de­rich Bü­schings Neue Erd­be­schrei­bung, III, 1. Drit­ter Teil (Deut­sches Reich). Fünf­te ver­mehr­te Auf­la­ge, Ham­burg 1777, Zu­sät­ze und Bei­trä­ge zu: Her­zog­tum Kle­ve, S. 642-668; Her­zog­tü­mer Jü­lich und Berg, S. 705-734; Fürs­ten­tum Mo­ers, S. 859-864; An­hang von dem preu­ßi­schen An­teil am Her­zog­tum Gel­dern, S. 864-86; Das Erz­stift Köln S.1076–1102.
Der Fa­mi­li­en­freund. Ei­ne Mo­nats­schrift zur sitt­li­chen Bil­dung und Ver­voll­komm­nung des Men­schen, hg. v. Jo­han­nes Lang, Neu­wied und Kre­feld, Jahr­gang 1787 Band 1, S. 85-114: Über den Ein­fluß der schö­nen Wis­sen­schaf­ten auf das Wohl der Mensch­heit; Jahr­gang 1788 Band 2, S.102-130: Muß der Mensch auch bä­ten?, Band 4, S.1-37: Über Schwär­me­rey und Phi­lo­so­phie in ei­nem Brief an ei­nen Glau­bens­freund.
Crefel­der Wo­chen­blatt, Kre­feld 1807-1810; Jahr­gang 1807, ab Nr. 11: Über Tu­gend und Las­ter in 5 Fort­set­zun­gen; Jahr­gang 1808, Nr. 58: Mo­ral, Nr. 59: Phi­lo­so­phie.
Selbst­bio­gra­phie (ge­schrie­ben zwi­schen 1807 und 1812).

Quellen

Der Brief­wech­sel des Auf­klä­rers En­gel­bert vom Bruck 1762-1812, be­arb. von Ur­su­la Broi­cher, Kre­feld 2006.

Literatur

Ger­beth, Al­fred, En­gel­bert vom Bruck als Auf­klä­rer und Pu­bli­zist, Kre­feld 1935.
Klaus­mei­er, Fried­rich, En­gel­bert vom Bruck. Ein Bei­trag zur Ge­schich­te der Po­pu­lar­auf­klä­rung in den welt­li­chen Ter­ri­to­ri­en des Nie­der­rheins, Köln 1949.
Föhl, Walt­her, Das Werk des Kre­fel­der Le­bens­phi­lo­so­phen En­gel­bert vom Bruck, in: Die Hei­mat (Kre­feld) 27 (1956), S.170-182.
Vin­ke, Rai­ner, Jung-Stil­ling und die Auf­klä­rung. Die po­le­mi­schen Schrif­ten Jo­hann Hein­rich Jung-Stil­lings ge­gen Fried­rich Ni­co­lai (1775/76), Stutt­gart 1987.

 
Zitationshinweis

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Broicher, Ursula, Engelbert vom Bruck, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/engelbert-vom-bruck-/DE-2086/lido/57c5895c24ce35.10030475 (abgerufen am 29.03.2024)