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Ernst Schwering war Politiker und Kölner Oberbürgermeister. Zwar gehört er mit einer gewissen Stellung zwischen Konrad Adenauer und dem äußerst populären Theo Burauen nicht zu den bekannteren Kölner Oberbürgermeistern, die kommunale Aufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg prägte Schwering jedoch maßgeblich mit. Auch über das insbesondere in Kunst und Kultur geförderte Köln hinaus entfaltete Schwering politisches Gewicht, etwa als Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtages, Vorsitzender der Landschaftsversammlung Rheinland sowie als Präsident des Deutschen Städtetages.
Ernst Ferdinand Schwering wurde am 15.11.1886 im westfälischen Coesfeld geboren. Seine Eltern waren Karl Schwering (1845-1925) und Elisabeth Schwering, geb. Bisping (1854–1929). Der Vater war Wissenschaftler im Bereich der Mathematik, dem aufgrund des Kulturkampfes eine universitäre Karriere versagt geblieben war. Ernst hatte noch neun Geschwister. Sein älterer Bruder war der spätere CDU-Politiker Leo Schwering. Ernst wuchs in einem katholischen, bildungsbürgerlichen, humanistisch gesinnten Elternhaus auf. Auch später galt er als umfassend gebildet, sehr eloquent, wirkte aber etwas abgehoben bei den „einfachen“ Leuten. Ernst Schwering war in Köln ein „Zugereister“, wenn die Übersiedlung der Familie auch schon in jungen Jahren erfolgte. Die westfälische Sprachfärbung verlor er nie, obwohl er sich bald in Köln heimisch fühlte: […] wer nie im Leben einen Hauch dieser kölnischen Atmosphäre verspürt hat, ist ein armer Mensch, auch wenn er in Westfalen geboren ist.[1]
1901 zog die Familie nach Köln. Hier leitete der Vater bis 1921 das staatliche Apostelgymnasium. Die bildungsbeflissene Familie sorgte für eine gute Ausbildung der Söhne. Ernst besuchte das Apostelgymnasium, legte 1906 das Abitur ab, studierte Jura in Bonn und promovierte 1913 in Heidelberg über das Thema „Die Befriedigungsvereitelung ausserhalb des Konkurses. § 288 St.G.B.“. 1914 bestand er das Assessorexamen und arbeitete als Gerichtsassessor beim Amtsgericht Köln.
Mit dem Eintritt als Stadtassessor in die Stadtverwaltung Köln 1915 begann seine berufliche Karriere. Er arbeitete unter anderem als Juristischer Hilfsarbeiter in den Bereichen Kriegsfürsorge und Lebensmittelversorgung, die dem Dezernat für Ernährung unter Konrad Adenauer angehörten. 1920 ernannte man ihn zum Stadtdirektor, er war in verschiedenen Dezernaten tätig. An der organisatorischen Vorbereitung der Jahrtausendausstellung 1925 in Köln war er zusammen mit dem Beigeordneten Johannes Meerfeld führend beteiligt. Beide gehörten dem Vorstand des Ehrenausschusses an. Darüber hinaus war er auch publizistisch für die Jahrtausendfeier tätig. In einem zweiseitigen Zeitungsartikel entfaltete er ein Panorama des Rheinlands als Vermittler von Kultur, Wirtschaft und Sozialem. Bemerkenswert ist, dass der konservative Beamte als einzige Namen bedeutsamer Rheinländer Marx und Engels nannte.[2] 1926 wurde er Beigeordneter für Wohlfahrt (Armen- und Waisenpflege) und gehörte von 1924 bis 1926 dem Rat der Stadt Köln an. Die Zugehörigkeit zum katholischen Milieu hatte ihn in die Zentrumspartei in Köln geführt, deren Vorstand er ab 1922 angehörte. Später trat er auch dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold bei. Von 1922 bis 1933 war er Mitglied des Reichsbundes höherer Beamter und stellvertretender Vorsitzender des Berufsvereins höherer Kommunalbeamter. Im Jahr 1927 heiratete Schwering Maria Elshorst (1896-1957). Das Paar bekam vier Kinder: Karl Ernst (1929-2010), Marlene (1931-2013), Hermann (1932-2013) und Ursula (1935-1989).
1933 unterbrachen die Nationalsozialisten Schwerings Karriere. Zusammen mit Adenauer und sechs weiteren Beigeordneten entließen sie ihn am 18.3.1933 wegen angeblicher Korruption, in Wahrheit aber wegen seiner Mitgliedschaft im Zentrum und im Reichsbanner. Seine Versetzung in den Ruhestand erfolgte auf Grund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums am 1.12.1933. Schwering hatte im November die Zulassung als Rechtsanwalt beim Amts- und Landgericht Köln erhalten, woraufhin er als Rechtsanwalt arbeitete. Unter anderem unterstützte er Adenauer bei der Durchsetzung seiner finanziellen Ansprüche gegen die Stadt Köln. Zugleich übernahm er die wirtschaftliche Leitung des St. Marien-Hospitals in Köln. Von 1936 bis 1962 war er Vorsitzender der Stiftung St. Marien-Hospital; ein neu erbauter Trakt wurde nach ihm benannt. Zudem arbeitete er als Rendant in St. Kunibert.
Von nationalsozialistischen Organisationen hielt er sich weitgehend fern. Nur dem NS-Rechtswahrerbund und der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) trat er bei. Dem Widerstand gehörte er nicht an, nahm aber an oppositionellen Gesprächskreisen, wie dem bekannten Ketteler-Kreis, teil. Zudem war er in einen Gesprächskreis aus Mitgliedern der katholischen Verbindung Unitas um Theo Scharmitzel eingebunden. Am Staatsstreich vom 20.7.1944 war er nicht beteiligt. Er half aber Verhafteten juristisch.
Es verwundert nicht, dass der unbelastete Kölner Spitzenbeamte 1945 von der amerikanischen Besatzungsmacht nach einer Befragung durch den Geheimdienst reaktiviert wurde. Sie ernannte ihn zum Dezernenten des Hauptamtes Allgemeine Verwaltung und der Hauptabteilung Wohlfahrt im Hauptamt für Gesundheit und Wohlfahrt. Pfingsten 1945 fuhr Schwering mit einigen Bussen nach Buchenwald, um von dort Kölner Häftlinge in die Heimat zu bringen. Er initiierte auch eine Serie von Plakaten, in denen die aktuelle Notlage der Kölner dem Nationalsozialismus zugeschrieben wurde (etwa: Durch die Straßen, Bettlern gleich, ziehn wir dank dem Nazi-Reich). Die Aufgabe, eine neue Verwaltung in Köln aufzubauen, war nicht leicht, denn weder der Umgang mit der amerikanischen noch mit der britischen Besatzungsmacht gestaltete sich reibungslos. Zudem fehlte es zunächst an Allem, vom Papier bis zum Telefon.
Politisch versuchte Schwering den Einfluss der sogenannten Ortsausschüsse – spontan gebildeter Selbstverwaltungsorgane in verschiedenen Stadtteilen, in denen die Linksparteien dominierten – einzuschränken. Später, als die CDU nach ihrem Wahlsieg 1946 stärker vertreten war, sah er die Ausschüsse positiver. In dieser Zeit bekleidete Schwering eine personalpolitische Schlüsselstellung, denn er war für den Wiederaufbau der Verwaltung, daher für Entlassungen und (Wieder-) Einstellungen von Personal verantwortlich. Da zunächst mehr Beamte in Köln anwesend waren, die dem Zentrum angehört hatten oder konservativ gesonnen waren, wurden sie – sofern sie nicht der NSDAP angehört hatten – eingestellt. Später griff man aus „Fachkräftemangel“ auch auf „unbelastete“ ehemalige NSDAP-Mitglieder zurück. Das führte zu erheblicher Kritik von SPD und KPD, die sich nicht ausreichend in der Verwaltung vertreten sahen. Die Kritik gewann an Fahrt mit der Übergabe der Besatzung von den Amerikanern an die Briten, die ein offeneres Ohr für die SPD hatten.
1946 schied Schwering als Leiter des Hauptamtes für Allgemeine Verwaltung aus und machte einem SPD-Vertreter Platz. Die Wahl zum Beigeordneten für Wohlfahrt und Jugendpflege lehnte er nach kurzer Bedenkzeit wegen „Krankheit“ ab. In Wahrheit wollte er wohl nicht in der Hierarchie der Beigeordneten zurückgestuft werden. Kurzfristig nahm er wieder die Tätigkeit als Rechtsanwalt auf, die er allerdings kurz nach Beginn seiner politischen Tätigkeit „einschlafen“ ließ. Durch das Ausscheiden als Verwaltungsleiter erhielt Schwerings berufliche Karriere einen Knick, was Schwering verletzte. Er bezeichnete diese Wende als „2. Entlassung“, womit er auf die von 1933 anspielte.
Jetzt erwog er politisch Karriere zu machen; angeblich hatte ihm Adenauer dazu geraten. Im Gegensatz zu seinem Bruder Leo, der bei der Gründung der rheinischen CDU eine bedeutsame Rolle gespielt hatte, trat Ernst erst am 14.6.1946 der CDU formell bei. Er kandidierte bei den ersten Kommunalwahlen im Oktober 1946 und wurde zum Stadtverordneten gewählt. Auf Grund seiner Erfahrungen in der Kölner Verwaltung und seiner Redegabe stieg der Jurist bald auf. Als Mitglied des Fraktionsvorstands und des Hauptausschusses trat er häufig als Sprecher der Fraktion auf. Als nach der Ernennung Hermann Pünders zum Oberdirektor des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes ein neuer Oberbürgermeister gesucht wurde, stellte ihn die CDU-Fraktion als Kandidaten auf. Man kann das darauf zurückführen, dass in der Tradition Adenauers ein Verwaltungsfachmann und weniger ein Parteipolitiker gesucht wurde.
Bei der Oberbürgermeisterwahl am 19.4.1948 wurde Schwering mit großer Mehrheit gewählt, denn bei den Wahlen 1946 hatte die CDU eine absolute Mehrheit errungen. Allerdings konnte er sich nicht sehr lange des Amtes erfreuen, denn die Stadtverordnetenwahlen am 17.10.1948 ergaben einen Gleichstand der Mandate von CDU/FDP und SPD/KPD. Zwar beanspruchte die CDU als stärkste Fraktion das Amt, aber zwei Wahlgänge gingen unentschieden zwischen den Kandidaten Schwering und Robert Görlinger (SPD) aus. Nach einem Losentscheid zugunsten Görlingers einigten sich die beiden großen Parteien auf einen jährlichen Wechsel der beiden Kandidaten im Amt des Oberbürgermeisters. Schwering übte das Amt 1950 und wieder 1952 aus. Der Nichtgewählte amtierte jeweils als Erster Bürgermeister. 1952 wählte eine CDU/FDP-Mehrheit Schwering zum Oberbürgermeister, doch musste er 1956 dem neuen SPD-Vertreter Theo Burauen weichen und sich mit dem Amt des Bürgermeisters zufriedengeben.
Neben seiner kommunalpolitischen Tätigkeit war Schwering von 1950 bis 1962 auch Landtagsabgeordneter. Wie viele Oberbürgermeister in NRW strebte er ein Landtagsmandat an, denn von den Bezügen eines ehrenamtlichen Bürgermeisters konnten er und seine Familie nicht leben. Da er politisch ähnlich wie Adenauer dachte, sah dieser ihn als zuverlässigen Gefolgsmann in der nordrhein-westfälischen CDU, die unter Karl Arnold einen gewissen Gegenpart zu Adenauer darstellte. So wurde er 1947 als Gegenkandidat zu Arnold genannt, 1950 sollte er Verhandlungen Arnolds mit der SPD verhindern. Im Landtag beschäftige er sich in den entsprechenden Ausschüssen vor allem mit Kommunalpolitik und Verwaltungsreform und war ein häufiger Redner in den Haushaltsdebatten.
1953/54 und 1957/58 amtierte er als Präsident des Deutschen Städtetages und war Mitglied (1953-1962) und zeitweilig (1953-1956, 1961-1962) Vorsitzender der Landschaftsversammlung Rheinland. Er setzte sich energisch dafür ein, den Sitz des 1953 gegründeten Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) von Düsseldorf nach Köln zu verlegen. Die Stadt Köln stellte für den Bau des Landeshauses das Grundstück am Deutzer Rheinufer kostenlos zur Verfügung. Bei dieser bedeutsamen Standortpolitik wusste Schwering sich sowohl die Unterstützung der LVR-Zentralverwaltung unter Udo Klausa zu sichern als auch den Unmut der rheinischen Kommunen gegenüber Düsseldorf nutzbar zu machen. Als erster Vorsitzender der Landschaftsversammlung prägte er zudem die Arbeitsweise und -kultur dieser besonderen kommunalen Selbstverwaltungskörperschaft. Durch die Vielzahl von Ämtern war er im Grunde Berufspolitiker geworden, materiell sicherte ihn vor allem das Landtagsmandat ab.
Schwering entsprach dem Bild des bürgerlichen Honoratiorenpolitikers in der Tradition der angeblich „unpolitischen“ Selbstverwaltung der Städte. Sachprobleme waren nach rationalen Kriterien zu lösen, die eine stabile und möglichst reibungslose Verwaltung durchzuführen hatte. Persönlichkeiten, so betonte er immer wieder, seien für die Spitzenämter wesentlicher als die Repräsentation von Stadtteilen oder Bevölkerungsgruppen. Die von den Briten eingeführte Norddeutsche Ratsverfassung mit dem Rat als Zentrum der Macht, einem Oberbürgermeister als Vorsitzendem des Rates und erstem Repräsentanten der Stadt und einem gewählten Oberstadtdirektor als Chef der Verwaltung kritisierte Schwering von Anfang an, weil es zu Reibungen zwischen den beiden Spitzen kommen könne. Auch das kommunale Proporz-Wahlrecht in NRW ab 1948 bemängelte er, da er die Elemente der Persönlichkeitswahl stärken wollte. Diese Gedanken entsprachen auch dem Programm der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU/CSU, deren Gründungs- und Vorstandsmitglied Schwering war. Er publizierte seine Ansichten häufig in den von der Vereinigung herausgegebenen Kommunalpolitischen Blättern.
Für Schwering war die christliche Kommunalpolitik Ausfluss der Gottes- und der Nächstenliebe, die alle Handlungen des Kommunalpolitikers bestimmen sollten. Allerdings gebe es auch Gebiete, denen das Christentum neutral gegenüberstehe, dort sei der christliche Kommunalpolitiker frei. Zudem sei das Christentum auch eine Klammer für die europäischen Staaten. Dies steht im Zusammenhang mit der nach 1945 angestrebten Rechristianisierung, da viele konservative und christliche Politiker den Nationalsozialismus vor allem als Abfallen vom Christentum interpretierten. Das Menschenbild der selbstverantwortlichen Persönlichkeit erforderte einen zurückhaltenden Gebrauch der Macht im Sinne des Subsidiaritätsprinzips, was im Gegensatz zur umfassenden Daseinsfürsorge der Linksparteien stand. So versuchte Schwering unermüdlich, die SPD davon zu überzeugen, dass die konfessionellen Einrichtungen wie Krankenhäuser günstiger als die städtischen arbeiteten.
Nach den Zusammenstößen mit den politischen Gegnern von SPD und KPD in der unmittelbaren Nachkriegszeit entspannte sich mit der Wahl von 1948 das Verhältnis zwischen CDU und SPD in Köln. Das entsprach auch dem verbindlichen Naturell Schwerings und der Konzentration auf Sachfragen. Die „Große Politik“ sollte aus der Stadtverordnetenversammlung herausgehalten werden. Auch hier galt ihm Konrad Adenauer als Vorbild, der die Selbstverwaltung die Hohe Schule der Demokratie nannte, wenn man nur den Willen hat, seiner Stadt zu nutzen, man letzten Endes zusammenkommt und zusammenarbeitet[^28647 , wie er 1951 im Kölner Stadtrat anlässlich der Verleihung der Ehrenbürgerwürde ausführte.
Die meisten Beschlüsse im Rat wurden einstimmig oder mit großer Mehrheit gefasst. Von 1945 bis 1952 konnten bei 63,1 Prozent aller Beschlüsse Einstimmigkeit, bei 29,4 Prozent Einstimmigkeit unter Abzug der KPD konstatiert werden. Die Kölner KPD war die einzige Partei, die vom Kölner Harmoniemodell abwich. Nach deren Ausscheiden 1952 erhöhte sich von 1953 bis 1964 der Wert für Einstimmigkeit auf 97 Prozent. Schwering sprach in diesem Kontext gelegentlich vom Abstimmungsfrieden, der nicht gestört werden sollte. In „kölscher“ Wesens- und Redensart erwähnte Schwering 1952 das, was alles wir in Köln zwischen den vier Parteien »ausgeklüngelt« haben.[3] Manche Fragen waren allerdings vom Harmoniemodell ausgenommen. So plädierte Schwering 1957 gegen die Mehrheit seiner Fraktion, den Platz vor der Oper nicht Opernplatz, sondern Offenbachplatz zu nennen. Seine geschickte Argumentation überzeugte die SPD, aber nur einen Teil der CDU.
Über sein Amtsverständnis äußerte sich Schwering so: Der Bürgermeister müsse parlamentarische Gewandtheit, höchsten Sachverstand, große Allgemeinbildung, Fähigkeit der Menschenführung und eine geistvolle Haltung bei der Repräsentation aufweisen. Repräsentieren verstand Schwering vor allem im Reden, seine Eloquenz war allgemein anerkannt. Er wies breite Geschichtskenntnisse und eine humanistische Bildung auf, die er immer wieder auch in Stegreifreden unter Beweis stellte. Für seine Fraktion war er in dieser Hinsicht unentbehrlich, hielt Schwering doch die meisten Reden von allen CDU-Ratsmitgliedern: 935 zwischen 1948 und 1962. Von seiner Amtswürde war Schwering durchdrungen. Im Verhältnis zum Stadtdirektor (1953 bis 1964) Max Adenauer (1910-2004) gab es Kompetenzkonflikte.

Ernst Schwering und Konrad Adenauer im Gespräch, undatiert. (www.grevenarchivdigital.de | Kölnische Rundschau (Schwering)/KR_01_0064840)
Seinem Amtsverständnis folgend verstand sich Schwering als Treuhänder der städtischen Interessen und weniger als Delegierter einer Partei. Seiner Partei, der CDU, stand er daher verhältnismäßig fern, obwohl er bis zum Verlust des Oberbürgermeisteramts 1956 fast geschlossen unterstützt wurde. Dazu kam, dass die Kölner CDU unter ihrem Vorsitzenden Johannes Albers ein eher linkes Profil aufwies. Der eher konservative und bürgerliche Schwering befand sich hier in einer strukturellen Minderheitenposition. Als Ansprechpartner für Industrie und Mittelstand sowie als Einwerber von Spenden blieb er aber unentbehrlich.
Schwering war aufgrund seiner bildungsbürgerlichen Herkunft an Kunst und Kultur sehr interessiert. Allerdings verfocht er einen engen, bildungsbürgerlich bestimmten Kulturbegriff. Wie für seinen Vorgänger Hermann Pünder und den Rektor der Universität Josef Kroll (1899-1980) waren für ihn die Antike und die Idee des Abendlandes zentrale Kategorien. Nach der Zeit des Nationalsozialismus sprach die Besinnung auf die alten Werte eines christlichen Abendlandes viele Menschen an. Dieses Erbe sahen viele Kölner als eine Voraussetzung für Resistenz und Widerstand gegen die nationalsozialistische Barbarei an. Ein solches Selbstbild verdrängte allerdings die Tatsache, dass auch in Köln der Nationalsozialismus auf große Zustimmung gestoßen war.
Der Zufall der Abwechslung im Oberbürgermeisteramt fügte es, dass Schwering die zwei zentralen Feste der Nachkriegszeit mitgestalten konnte: Das Domfest von 1948 und das Stadtjubiläum von 1950. Als Oberbürgermeister Schwering am 14.8.1948 die Gäste des Domjubiläums begrüßte, betonte er, die Türme des Domes seien Mutmacher im Krieg gewesen. Köln werde seine Wiedergeburt erleben aus dem Geist des Christentums, des Gottesglaubens, der Erlösungsgewissheit, der Menschenliebe.[4] Am 25.6.1950 beim Stadtjubiläum formulierte er weniger religiös: Alles, was den Begriff des Abendlandes ausmacht, hat in dieser Stadt nicht nur seinen Niederschlag gefunden, sondern ist maßgeblich von ihr aus begründet und geprägt worden.[5] Für Schwering hatte der Wiederaufbau oder die Zugänglichmachung von antiken und mittelalterlichen Kunstwerken und Gebäuden Priorität. Deshalb bevorzugte er den historisch getreuen Aufbau von Gebäuden entgegen manchen Sachverständigen, die eine solche Restauration ablehnten. Das bedeutete auch die Verteidigung des schnellen Wiederaufbaus der Kirchen, während die Linksparteien den Wohnungsbau priorisieren wollten. In Oper, Theater, Musik und Ausstellungen bevorzugte er die „Klassiker“, aber gelegentlich war er toleranter als seine Parteigenossen, die sich durch manche Kunst provoziert fühlten: Der Geist weht, wo er will, und wer ihn nicht hat, dem wird man ihn nicht durch ein neues System der Buchhaltung einblasen[6], sagte er etwa im Jahr 1955. An anderer Stelle beklagte er den Mangel an positiv katholischen Künstlern[7], meinte jedoch, dass Gott milde mit Künstlern sei. Zum bekanntesten Kölner Autor Heinrich Böll dagegen fand er keinen Zugang.

Kölner Karneval, Das Kölner Dreigestirn von 1956 sitzt während der Kölner Oberbürgermeister Ernst Schwering seine Festrede hält an der Festtafel, 09.02.1956. (www.grevenarchivdigital.de | Kölnische Rundschau | Hansherbert Wirtz (Karneval)/KR_35_0010661)
Das allmähliche Ende von Schwerings politischer Karriere läutete der Verlust des Oberbürgermeisteramtes nach den Wahlen des Jahres 1956 ein. Schwering hatte hier bereits den Slogan „keine Experimente“ verwendet, den auch Adenauer während seines (erfolgreichen) Bundestagswahlkampfes 1957 nutzen sollte. Auch die Parole „Wer was kann, ist schon dran“ unterstützte den Kontinuitätsgedanken Schwerings. Bei der Wahl wurde die SPD mit 46 Prozent der Stimmen jedoch stärkste Fraktion und wählte mit Stimmen der FDP Theo Burauen zum neuen Oberbürgermeister.
Nur weil Schwering 1957/58 als Vorsitzender des Deutschen Städtetages nominiert war, ließ er sich überhaupt zum Bürgermeister, als Stellvertreter des neuen Oberbürgermeisters Theo Burauen wählen. Die Wahl zum CDU-Fraktionsvorsitzenden empfand er als „Trostpreis“. 1958 versuchte Schwering noch einmal in einer Oberbürgermeisterwahl gegen Burauen anzutreten. Wieder versagten sich ihm einige FDP-Stadträte, was ihn traf, da er die FDP als natürlichen Verbündeten der CDU ansah. Bei den nächsten Kommunalwahlen 1961 musste Schwering als Oberbürgermeister-Kandidat dem jüngeren Franz Lemmens (1906-1979) weichen. Nach den Wahlen schied Schwering 1961 auch als Bürgermeister aus. Seine Kandidatur für die Landtagswahlen 1962 wurde von der Partei mehrheitlich nicht unterstützt. Am 2.3.1962 starb Schwering. Er wurde auf dem Friedhof Melaten begraben, eine sonst übliche Trauerfeier im Rathaus hatte er nicht gewünscht.
Ihm wurden zahlreiche Orden und Ehren zuteil. Die Universität zu Köln ernannte ihn zum Doktor h. c., ein Seniorenzentrum in Köln-Sülz trägt seinen Namen.
Nachlass
Historisches Archiv der Stadt Köln, Bestand 904.
Literatur
Herbers, Winfried, „Denn die Zeit von 1948 bis 1960 war doch in den Anfängen fürchterlich und am Ende nicht leicht.“ Ernst Schwering in der Kölner Lokalpolitik, in: Dülffer, Jost (Hg.), Köln in den 50er Jahren. Zwischen Tradition und Modernisierung, Köln 2001, S. 15-38.
Herbers, Winfried, Der Verlust der Hegemonie. Die Kölner CDU 1945/46-1964, Düsseldorf 2003.
Herbers, Winfried, Schwarz-Rot-Köln. Zusammenarbeit und Konflikt zwischen CDU und den übrigen Parteien in der Kölner Lokalpolitik 1945-1964, in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 73 (2002),S.207-290.
Schäfke, Werner, Köln nach 1945. Die Geschichte unserer Gegenwart, Rheinbach 2017.

Bundespräsident Theodor Heuss und der Kölner Oberbürgermeister Ernst Schwering bei der Eröffnung der Photokina, Köln, 1956. (Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Freiburg/CC BY 3.0 DE/W 134 Nr. 045326b)
- 1: Rede am 25.4.1952, Historisches Archiv der Stadt Köln, Bestand 904, Nr. 849, Bl. 9ff.
- 2: Generalanzeiger der Stadt Wuppertal v. 15.5.1925.
- 3: Rede am 25.4.1952, Historisches Archiv der Stadt Köln, Bestand 904, Nr. 849, Bl. 9ff.
- 4: Kölner Domjubiläum 1948, Dokumentenband, Düsseldorf1950, S. 104.
- 5: Kölnische Rundschau, 26.6.1950, zitiert nach Mölich, Georg, „Köln ist wieder da“. Facetten des Stadtjubiläums „1900 Jahre Stadt“ im Jahre 1950, in: Geschichte im Westen 29 (2014), S. 207-222, hier S. 213.
- 6: Schwering, Ernst, Die Gemeinden und die Kultur, in: Der Städtetag 10 (1955), S. 16.
- 7: Briefwechsel mit Pater Laurentius Siemer, Historisches Archiv der Stadt Köln, Bestand 904, Nr. 145, p. 258ff.
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Herbers, Winfried, Ernst Schwering, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/ernst-schwering-/DE-2086/lido/67922d8cbca0a3.35823788 (abgerufen am 19.02.2025)
Veröffentlicht am 29.01.2025