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Die Familie Oppenheim gehört zu den bedeutendsten deutschen Bankiersfamilien. Ihre 1789 gegründete Bank Sal. Oppenheim jr & Cie. befand sich bis zur Übernahme durch die Deutsche Bank im Jahre 2009 durchgehend in Familienbesitz. Besondere Verdienste hat sich die Bank als Unternehmensgründer und -finanzier erworben. Die Familie ist ferner seit dem 19. Jahrhundert als Mäzen auf vielen Gebieten aktiv.
1740 ließ sich der bis dahin in Frankfurt ansässige jüdische Kaufmann Salomon Hertz Oppenheim (1694-1757 oder 1758) in der kurfürstlichen Residenzstadt Bonn nieder. Er kam jedoch nicht über den Status eines Kleinhändlers hinaus. Erst sein Enkel Salomon Oppenheim jr. (1772-1828), der 1789 im Alter von 17 Jahren mit Geschäften auf eigene Rechnung begann, brachte es zu Wohlstand. Zeitlebens betrieb er neben dem eigentlichen Bankgeschäft auch Handel mit Waren wie Wein, Öl oder Baumwolle und Spedition. 1798 entschloss sich Oppenheim, sein Geschäft nach Köln zu verlegen. Die Stadt hob in diesem Jahr ihr seit 1424 geltendes Ansiedlungsverbot für Juden auf und bot im Vergleich zu Bonn die besseren Geschäftschancen.
In Köln stieg Oppenheim binnen weniger Jahre zum zweitgrößten Bankier der Stadt auf. Nach dem Übergang des Rheinlands an Preußen 1815 unterstreicht der Auftrag an Oppenheim, den Transfer der französischen Kriegsentschädigung nach Berlin zu organisieren, seine hohe Wertschätzung. 1822 wurde er als erster Jude Mitglied der Kölner Handelskammer. In seinen letzten Lebensjahren erkannte Oppenheim als einer der ersten Unternehmer die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die sich durch die neu aufkommenden Aktiengesellschaften boten. Seine Gründertätigkeit, unter anderem als Mitinitiator der Preußisch-Rheinischen Dampfschiffahrtsgesellschaft (der heutigen Köln-Düsseldorfer Deutsche Rheinschifffahrt AG) verweist bereits auf das bevorstehende industrielle Zeitalter. Was er begonnen hatte, führten seine Erben zielstrebig weiter. Seine Witwe Therese (1775-1842) und die beiden ältesten Söhne Simon (1803-1880) und Abraham (1804-1878) gründeten ab den 1830er Jahren eine Vielzahl von Unternehmen: Eisenbahnen, Versicherungen, schwerindustrielle Betriebe und Banken und zeigten sich dabei als die innovations- und risikofreudigsten Bankiers ihrer Zeit. Geographische Schwerpunkte ihrer Gründer- und Investitionstätigkeit waren das Aachener Revier, das Ruhrgebiet und Köln. Zu den Unternehmen, die unter ihrer Mitwirkung entstanden, zählen die Rheinische Eisenbahn und die Köln-Mindener Eisenbahn, die Colonia Feuerversicherung (heute: AXA Versicherung), die Kölnische Rückversicherungs AG als erster Rückversicherer der Welt (heute: General Re), die Concordia Lebensversicherung, die Stolberger Zink AG, die Phoenix AG, der Eschweiler Bergwerksverein, Buderus, die Dortmunder Union, die Gussstahl Witten AG und die Harpener Bergbau AG. Als Mitgründer der ersten Großbanken erwarben sich die Oppenheim-Bankiers besondere Verdienste um die Entwicklung des modernen Bankwesens. 1853 schufen sie mit der Darmstädter Bank für Handel und Industrie die erste deutsche Großbank. Ihr Wirken ging weit über ihr regionales und nationales Umfeld hinaus, wie ihre Führungsrolle bei der Gründung von Großbanken in Frankreich und Luxemburg zeigt.
Simon und Abraham Oppenheim engagierten sich auch im politischen und kulturellen Leben. In den 1840er Jahren setzten sie sich nachdrücklich für die Gleichberechtigung der Juden in Preußen ein, unter anderem durch eine Eingabe an König Friedrich Wilhelm IV. (Regierungszeit 1840-1858) und als Interessenvertreter der rheinischen Juden auf dem Vereinigten Preußischen Landtag von 1847.
1856 stiftete Abraham Oppenheim eine neue Synagoge für die stark angewachsene jüdische Gemeinde Kölns. Gleichzeitig gehörten er und sein Bruder zu den aktivsten bürgerlichen Förderern der Fertigstellung des Kölner Doms, die sich zwischen 1842 und 1880 vollzog. Zu ihren karitativen Stiftungen zählen das Oppenheim’sche Kinderhospital in Köln sowie ein Krankenhaus an ihrem Sommersitz Bassenheim.
1867 wurde Simon Oppenheim vom österreichischen Kaiser geadelt, ein Jahr später Abraham Oppenheim als erster Jude Preußens in den Freiherrenstand erhoben. Dagobert Oppenheim, ein jüngerer Bruder, der nicht an der Leitung der Bank teilnahm, wurde bekannt als Mitgründer der oppositionellen „Rheinischen Zeitung für Politik, Handel und Gewerbe", die zeitweilig Karl Marx als Chefredakteur beschäftigte. Von 1866 bis 1889 war er als Vertreter der Liberalen Mitglied des Kölner Stadtrats.
Die Hochphase der deutschen Privatbankiers dauerte bis um 1880 und deckt sich damit in etwa mit der Lebensspanne der zweiten Generation der Oppenheim-Bankiers. Unter ihren Nachfolgern Eduard (1831-1909) und Albert (1834-1912), beide Söhne von Simon von Oppenheim, verschlechterten sich die Rahmenbedingungen für Privatbankiers indes erheblich. Dies war unter anderem auf eine neue, eher an den Interessen der Großbanken orientierte Gesetzgebung zurückzuführen. Um die Jahrhundertwende geriet die Bank zudem aufgrund von Fehlinvestitionen in der Elektroindustrie in ernste Schwierigkeiten. Eine auf 15 Jahre befristete kommanditistische Beteiligung der Disconto-Gesellschaft, der zweitgrößten Bank Deutschlands, verschaffte Sal. Oppenheim frisches Kapital. Mit dieser Hilfe konnte das Bankhaus auch der Welle von Übernahmen von Privatbankiers durch Großbanken widerstehen.
Trotz der wirtschaftlichen Probleme blieben die Oppenheims ihrer mäzenatischen Tradition treu. Unter anderem taten sie sich in Köln als Stifter oder Mitgründer des Zoos, der Flora, des Ostasiatischen Museums und des Kunstgewerbemuseums hervor. Beide Bankiers konvertierten vor ihrer Heirat zum Christentum. Simon Alfred von Oppenheim (1864-1932), der einzige Namensträger der Folgegeneration in der Leitung der Bank, fand in der Kooperation mit anderen führenden Privatbankhäusern ein Mittel, die Krisen seit dem Ende des Ersten Weltkriegs vergleichsweise gut zu überstehen. Mit dem Kölner Bankhaus A. Levy, dessen Chef Louis Hagen zu den bedeutendsten Bankiers der Weimarer Republik gehörte, ging Simon Alfred von Oppenheim 1922 eine Interessengemeinschaft ein. Sein Vetter Max von Oppenheim (1860-1946) entschied sich für eine Karriere außerhalb der Bank und wurde ein bekannter Orientforscher und Archäologe.
Unter Waldemar (1894-1952) und Friedrich Carl von Oppenheim (1900-1978) sah sich das Bankhaus mit der größten Herausforderung seiner Geschichte konfrontiert. Während des nationalsozialistischen Regimes wurden die Bankiers als „Mischlinge 2. Grades" diskriminiert und verfolgt, ebenso wie ihr als „jüdisch" eingestuftes Bankhaus. In Robert Pferdmenges, seit 1931 Teilhaber, fand die Familie einen zuverlässigen Treuhänder. Als der politische Druck zunahm, erklärte er sich bereit, die Bank unter seinem Namen weiterzuführen, ohne die Entscheidungs- und Kapitalstrukturen anzutasten. Damit sicherte er die Existenz der Bank. Mit der 1938 erfolgten Namensänderung (1947 rückgängig gemacht) waren die Pressionen jedoch nicht vorbei. 1942 musste die Familie ihr Gestüt Schlenderhan zwangsweise an die SS verkaufen. 1944 wurden Waldemar und Friedrich Carl von Oppenheim nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler verhaftet. Waldemar von Oppenheim tauchte nach wohl versehentlicher Freilassung im September 1944 in Köln unter und hielt sich bis Kriegsende versteckt. Sein Bruder wurde wegen „Wehrkraftzersetzung" vor dem Volksgerichtshof angeklagt, gleichzeitig kam die Gestapo seinen Hilfeleistungen für verfolgte Juden in den Niederlanden auf die Spur. Seiner Verurteilung kam indes der Vormarsch der Amerikaner zuvor. 1997 wurde Friedrich Carl von Oppenheim postum von der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem mit dem Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern" ausgezeichnet.
Nach dem Krieg spielten die Oppenheim-Bankiers beim Wiederaufbau des rheinisch-westfälischen Industriereviers eine bedeutende Rolle. Sie engagierten sich insbesondere in der Schwerindustrie, der Bauindustrie, der Autoindustrie und der Versicherungsbranche. Unter der Führung von Alfred von Oppenheim (1934-2005) erweiterte das Bankhaus seit Ende der 1960er Jahre sein traditionelles Geschäftsfeld, den Firmenkundenkredit, um das Wertpapiergeschäft. 1989 verkaufte das Bankhaus seinen Mehrheitsanteil am Colonia Versicherungskonzern, um mit dem Erlös die Eigenkapitalbasis des Bankhauses zu stärken. In den Folgejahren durchlief Sal. Oppenheim einen tief greifenden Umstrukturierungsprozess, der 1999 mit der Neudefinition der Bank als einer Vermögensverwaltungs- und Investmentbank seinen vorläufigen Abschluss fand. Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends expandierte die Bank wie nie zuvor. Höhepunkt war die Übernahme der Frankfurter BHF-Bank im Jahr 2004. Die Oppenheim-Gruppe wurde damit zur größten Privatbank Europas, die 2007 ihren Konzernsitz nach Luxemburg verlegte. Aufgrund ihres starken Derivategeschäfts geriet die Bank 2008 in den Strudel der Finanzkrise. Gleichzeitig verloren wichtige Beteiligungen an Wert. Als der Warenhaus- und Touristikkonzern Arcandor im Sommer 2009 Insolvenz anmelden musste, war auch das Schicksal des Großaktionärs Sal. Oppenheim besiegelt. Im März 2010 wurde die Bank nach 221 Jahren in Familienbesitz von der Deutschen Bank übernommen, in deren Konzernverbund sie eigenstäntig weitergefürt wird. Das traditionelle kulturelle Engagement wird heute im Wesentlichen unter dem Dach der Salomon Oppenheim-Stiftung und der Alfred Freiherr von Oppenheim-Stiftung fortgeführt.
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Literatur
Stürmer, Michael/Teichmann, Gabriele/Treue, Wilhelm, Wägen und Wagen. Sal. Oppenheim jr. & Cie. Geschichte einer Bank und einer Familie, München 1994.
Teichmann, Gabriele/Völger, Gisela (Hg.), Faszination Orient. Max von Oppenheim: Forscher, Sammler, Diplomat, Köln 2003.
Teichmann, Gabriele, Die Familie Oppenheim: Jüdische Stifter für die Dombauvollendung, Köln 2008.
Treue, Wilhelm, Das Schicksal des Bankhauses Sal. Oppenheim jr. & Cie. und seiner Inhaber im Dritten Reich, Wiesbaden 1983.
Ulrich, Keith, Aufstieg und Fall der Privatbankiers. Die wirtschaftliche Bedeutung von 1918 bis 1938, Frankfurt am Main 1998.
Online
Geschichte der Familie und des Bankhauses Oppenheim, (Webseite des Bankhauses Sal. Oppenheim jr. & Cie). [Online]
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Teichmann, Gabriele, Familie Oppenheim, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/familie-oppenheim/DE-2086/lido/57c956cd98b2c7.39961812 (abgerufen am 07.10.2024)