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Die Quentel waren die bedeutendste Kölner Verleger- und Buchdruckerfamilie der frühen Neuzeit. In den 1520er Jahren zeichneten sie für den Druck der ersten protestantischen und katholischen Bibelübersetzungen in deutscher Sprache und die Herausgabe der von Anton Woensam angefertigten Kölner Stadtansicht von 1531 verantwortlich.
Heinrich Quentel (gestorben 1501) begründete das Unternehmen im Jahr 1479. Bis 1501 verlegte er ungefähr 400 Drucke. Seine Familie stammte nach den genealogischen Untersuchungen Ludwig Hepdings wahrscheinlich aus dem hessisch-mittelrheinischen Raum. Heinrich übte in Köln zunächst den Beruf des Verlegers aus, später baute er eine eigene Druckerei auf, beschäftigte aber nach wie vor Lohndrucker. Unterstützt wurde er von seinem Geschäftspartner Johann Helman, dessen Tochter Elisabeth er um 1478 heiratete. Helman erwarb das „Haus zum Palast" und stellte es seinem Schwiegersohn Heinrich für seine Offizin zur Verfügung; um 1500 ging die später so genannte „Quentelei" in Heinrichs Besitz über. In Antwerpen bestand eine Filiale der Firma, in der sich Heinrich von 1483 bis 1487 aufhielt.
Im 15. Jahrhundert bot der Verlag vor allem theologische Literatur, Liturgica sowie philosophische und naturhistorische Werke an. Insgesamt fand sich im Profil der lateinischen Drucke eine starke Berücksichtigung des universitären Betriebs. Volkssprachliches wurde so gut wie nicht verlegt – mit einer wichtigen Ausnahme: Heinrich war vermutlich an der Verlegung der berühmten Kölner Bilderbibeln von 1478/1479 beteiligt. Nach seinem Tod firmierten die Erben bald als "Officini ingenuorum liberorum Quentel", also als Erbengemeinschaft von Heinrichs Söhnen Johann, Severin und vor allem Peter (gestorben 1546). In jenen Jahren stand der humanistische Gelehrte Ortwin de Graes (1481-1542) als Korrektor im Dienste von Quentels Druckerei. Interessanterweise veränderte sich allmählich das Programm der Verlagsproduktion, indem ab 1510 volkssprachliche Texte hinzutraten. Damals beteiligte die Druckerei sich auf Seiten der Kölner Dominikaner mit Werken der jüdischen Konvertiten Viktor von Carbens (1423-1515) und Johannes Pfefferkorns (1469-1524) am Streit gegen die Humanisten (vor allem Johannes Reuchlin) für eine Vernichtung jüdischer Bücher, die angeblich generell Christen und Christentum verunglimpften.
Peter Quentel gehörte der Gaffel Eisenmarkt an und bekleidete als Gaffelherr verschiedene Ratsämter (1515-1543). Er war zweimal verheiratet, hatte drei Kinder, darunter Sohn Johann, der die Offizin fortführte. Seine geschäftliche Rührigkeit zeugen die Verbindungen mit Eucharius Hirtzhorn (gestorben nach 1547), Hiero Fuchs (gestorben nach 1541) und Jaspar Gennep (circa 1500-1564) in Köln, mit Franz Behem (1500-1582) und Peter Jordan (gestorben nach 1552) in Mainz, sowie Ulrich Morhart dem Älteren (gestorben 1554) in Tübingen. Peter Quentels Verlagsproduktion wurde überwiegend in lateinischer Sprache gedruckt und zeigte in ihrer Gesamtheit eine starke pro-katholische Tendenz. Besonderes Gewicht hatte dabei die katholische Reformbewegung (Gravamina 1524, Onus ecclesiae 1531 und Fasciculus rerum expetendarum 1535). Im Sinne dieser altkirchlichen Ausrichtung stehen die großen Kirchenväterausgaben und die gelehrte Gesamtausgabe des Kartäusers Dionysius (1402-1471) und die deutsche Fassung der Bannbulle Papst Leos X. (Pontifikat 1513-1521) gegen Martin Luther (1483-1546).
Eine wichtige Rolle nahm das Haus Quentel für die deutsche Bibelübersetzung ein. Am 23.8.1524 verlegte Peter Quentel mangels einer altgläubigen Version eine niederrheinische Fassung von Luthers Neuem Testament, wohlgemerkt ohne Verfassernennung, die 1528 nachgedruckt wurde. Im gleichen Jahr erschien als erstes katholisches Pendant Emsers Übertragung des Neuen Testaments gleich mit zwei Ausgaben, der eine weitere 1529 und schließlich 1532 eine durch Morhart in Tübingen folgte, der den süddeutschen Raum leichter bedienen konnte. Wichtiger noch wurde die Bibelübersetzung Johannes Dietenbergers (circa 1475-1537), die zur führenden katholischen deutschen Bibel des 16. Jahrhunderts wurde. Allein im Verlag Quentels, der sozusagen das Monopol hatte, erschienen bis zum Ende des Jahrhunderts 19 vollständige Ausgaben, die Teildrucke nicht mitgerechnet. Die Erstausgabe hatte Peter Jordan in Mainz 1534 für Peter Quentel gedruckt. Auch eine Reihe von Dietenbergers sonstigen Werken erschien in Quentels Verlag. Von seinem Katechismus war eine niederdeutsche Ausgabe ("transferirt in sassenske sprake") für das nordwestdeutsche Absatzgebiet gedacht, in dem die katholische Kirche in schwerem Kampf mit dem vordringenden Protestantismus stand.
Peter Quentel veröffentlichte viel Polemisches, so zahlreiche Schriften von Dietenbergers Freund Johannes Cochläus (1479-1552), der nach der Vertreibung aus seiner Frankfurter Pfarrei damals in Köln weilte. Das Verlagsprofil der deutschsprachigen Schriften war ganz überwiegend von religiösem Schrifttum geprägt, doch enthielt es auch Profanes, wie zum Beispiel die „Varusschlacht" des Johannes Cincinnius (1485-1555) und zahlreiche Drucke von Modelbüchern. Quentel beschäftigte auch häufiger Anton Woensam, der ihm verschiedene Initialalphabete und Titelfassungen lieferte. Typographisch setzte bei Peter Quentel die allmähliche Einbürgerung der Frakturtypen im Kölner Buchdruck ein.
Johann Quentel, Peters jüngerer Sohn, wurde 1536 als noch Minderjähriger gemeinsam mit seinem Bruder Peter an der Kölner Universität immatrikuliert. 1546 wurde er Nachfolger seines Vaters im Verlag, 1547 heiratete er Sophia Birckmann (1529-1589) aus der gleichnamigen Kölner Verlagsfamilie. In seinem Verlagsprogramm schloss Johann an die letzten Jahre seines Vaters an. Theologische Literatur dominierte, darunter vor allem eine Vielzahl von Schriften Georg Witzels (1501-1573), wobei besonders die Mainzer Druckerei von Franz Behem ausführendes Organ war. Diese Firma war von Witzel selbst finanziell unterstützt worden, zudem hielt er sich häufiger in Mainz auf, was Korrekturarbeiten erleichterte. Insgesamt gewannen bei den Auszeichnungsschriften die Frakturformen deutlich an Boden, die von Peter Quentel in seiner Spätzeit eingeführt worden waren. Johann Quentel starb 1551, kaum 30 Jahre alt. Nach dem plötzlichen Tode Johann Quentels heiratete seine junge Witwe Sophia eine Jahre später (1557) den Lizentiaten der Rechte Gerwin Calenius (1525-1600). Aus der Ehe gingen zwei Söhne und drei Töchter hervor. Calenius stammte aus Lippstadt, hatte an der Universität Köln 1545 das Lizentiat der Rechte erworben und in der Stadt schnell Fuß gefasst. Am 1.7.1579 wurde er in das Bürgeraufnahmebuch eingetragen, nachdem er bereits seit circa 1560 Mitglied der Gaffel Windeck war. Calenius war ein vermögender Mann, wie der Auflistung seines Grundbesitzes zu entnehmen ist. Das beachtliche Vermögen wie die große Reputation, die er in Köln genoss, boten gute Voraussetzungen für ein Mandat im Kölner Rat, das er von 1579 bis zu seinem Tode innehatte. Von seinen zahlreichen öffentlichen Ämtern war das des Stimmmeisters das wichtigste, hatte er doch dadurch die Buchproduktion hinsichtlich der Zensurbestimmungen zu überwachen.
Der Verlag firmierte ab 1558 – als er die Leitung übernahm – als "Erben Johann Quentels und Gerwin Calenius" und ab 1567 als "Gerwin Calenius und Erben Johann Quentells", worin sich das neue Gewicht des Prinzipals ausdrückte. Gerwin Calenius verstand es, die Firma auf der Höhe zu halten, auf die sie Peter Quentel gebracht hatte. Er wurde zu einem der bedeutendsten und kapitalkräftigsten Kölner Verleger der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Als Vermögensverwalter seiner Frau verfügte er außerdem über deren Anteile an der Firma Birckmann. So ergab sich zeitweilig eine erhebliche Konzentration von Kapital und Einfluss in seiner Hand.
Nach dem Tode von Arnold Birckmann dem Jüngeren (1523-1574) und seiner Frau Barbara wurden deren Kinder der Obhut ihres Vormundes Calenius übergeben, der damit auch die Geschäfte der Firma Birckmann beeinflussen konnte. In großem Stil wurden Lohndrucker beschäftigt, in Köln besonders Gottfried von Kempen (gestorben nach 1598), aber auch Behem in Mainz, während die eigene Quentelsche Druckerei nicht so exzellent ausgestattet war. Über die Kölner Firma in dieser Zeit geben einige interessante Quellen Auskunft, so ein Verlagsplakat aus dem Jahre 1573 sowie – in Köln eher eine Seltenheit - ein Rechnungsbuch, geführt von Gerwins Stiefsohn Arnold Quentel (gestorben 1621) in den Jahren 1577 bis 1586. Daraus ergibt sich, dass die gedruckten Texte überwiegend aus dem theologischen Bereich stammten. Besonders umfangreich war die Liste der Werke von Georg Witzel in deutscher und lateinischer Sprache. Das Spektrum reichte insgesamt von Texten der Kirchenväter bis zu Religiös-Erbaulichem für die breite Masse. Daneben ragten an deutschen Texten die von Julius Pflug (1499-1564), Jakob Feucht (1550-1580) und Dietenberger hervor. Ferner gab es Beziehungen zu den Jesuiten. Peter Canisius (1521-1587) besorgte dem Verlag 1560 ein kaiserliches und 1569 ein päpstliches Privileg.
Von den Kölner Autoren ist noch Caspar Ulenberg (1549-1617) zu nennen, von dem mehrere Werke von Calenius verlegt wurden. Auch die große Zeitgeschichte des Laurentius Surius (1523-1578) und ihre Fortsetzungen durch Michael von Isselt (gestorben 1597), die von Heinrich Fabritius (1575-1596), dem guten Freund des Calenius, ins Deutsche übertragen worden waren, wurden bei Quentel verlegt. Außerdem sind im Bereich der Jurisprudenz Justinus Goblers (1505-1567) Übersetzungen der Institutiones des Justinian einige Male nachweisbar. Wenig Anteil hatte offenbar das ausländische Schrifttum (Didacus de Estella (1524-1578), Luis von Granada (1504-1588). Typisch für die deutsche Produktion des Verlags war ein relativ kleiner Kreis von Autoren mit wenigen Werken in teilweise zahlreichen Auflagen. Calenius setzte sein Vertrauen offensichtlich auf einige "Renner", die eine ziemlich sichere Kalkulation ermöglichten. Neben der Tätigkeit als Verleger und Drucker erwies er sich als erfolgreicher Buchhändler, wobei er auch Drucke anderer Offizinen, besonders aus Antwerpen, Paris und Lyon anbot. Vor allem mit Christoph Plantin (1520-1589) und Martin Nutius (gestorben 1608) in Antwerpen und Michel Sonnius (gestorben circa 1588) in Paris unterhielt er enge Geschäftsbeziehungen, ebenfalls mit Georg Willer (1564-1591) in Augsburg. Sein Nachfolger als Verleger wurde 1595 sein Stiefsohn Arnold Quentel, der schon 1570 von Calenius mit der Führung der Druckerei beauftragt worden war. Wie der Stiefvater war er Mitglied der Gaffel Windeck und ab 1588 Hauptmann in der Kölner Bürgerwehr. Drei Jahre nach Übergabe des Geschäfts veröffentlichte er 1598 den angeführten Verlagskatalog, der ungefähr so viele Titel enthielt wie derjenige von 1573. Er war weiterhin als Verleger zusammen mit auswärtigen Druckern tätig, so mit Leonhart Straub (1550-1601) in Konstanz und den Beheims in Mainz. Als er 1621 unvermählt starb, trat der Sohn seiner Schwester, Johann Krebs (gestorben 1639), die Nachfolge an. Johann war auf Veranlassung seiner Mutter um 1598 in den Verlag eingetreten, absolvierte eine weitere Ausbildung in Paris und Venedig, zwei der damals wichtigsten Buchhandelsstädte, so dass er den Buchhandel im großen Stil kennen lernte. Er war Mitglied der Gaffel Windeck und Ratsherr. Johann unterhielt Verlagsgemeinschaften mit Hermann Mylius (1604-1656) und Balthasar Lipp (1598-1622) in Mainz. Mit seinem Tod 1639 endete nach 150 Jahren die Firma. Die Kölner Familie Quentel erlosch – längst nicht mehr am Verlagsgeschäft beteiligt - im 18. Jahrhundert.
Literatur
Hepding, Ludwig, Die Kölner Frühdruckerfamilie Quentel, in: Mitteilungen der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde 58 (1970), S. 197-208.
Müller, Gebhard, Das Todesdatum des Kölner Druckers Heinrich Quentell (1501). Eine handschriftliche Überlieferung in der Stiftsbibliothek Einsiedeln, in: Gutenberg-Jahrbuch 2005, S. 122-125.
Schmitz, Wolfgang, Die Überlieferung volkssprachlicher Texte im Kölner Buchdruck des 15. und 16. Jahrhundert, Köln 1990.
Zaretzky, Otto, Ein Quentelsches Rechnungsbuch aus der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts, in: Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein 93 (1912), S. 55-102.
Online
Merlo, J. J., Artikel "Quentell", in: Allgemeine Deutsche Biographie 27 (1888), S. 37-39. [Online ]
Schmitz, Wolfgang, Die Überlieferung deutscher Texte im Kölner Buchdruck des 15. und 16. Jahrhunderts, (PDF-Datei der Habilitationsschrift von 1990 auf der Website der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln). [Online]
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Schmitz, Wolfgang, Familie Quentel, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/familie-quentel/DE-2086/lido/57c95a01c13112.18683401 (abgerufen am 05.12.2024)