Familie Scheibler

Unternehmerfamilie

Toni Offermann (Kall)

Rückansicht des Roten Hauses in Monschau, fertig gestellt 1765. Zuerst bewohnt von den Söhnen Johann Heinrich Scheiblers, den Tuchfabrikanten Johann Ernst und Wilhelm, nach ihrer Heirat 1766. (Stiftung Scheibler-Museum Rotes Haus Monschau)

Einleitung

Die aus Hes­sen stam­men­de, im 17. Jahr­hun­dert sich nach West­fa­len und ins Rhein­land aus­brei­ten­de Fa­mi­lie ist vor al­lem durch ih­re im Tex­til­ge­wer­be tä­ti­gen Mit­glie­der be­kannt, die im zwei­ten und drit­ten Drit­tel des 18. Jahr­hun­derts ins­be­son­de­re die Mons­chau­er Tuch­ma­che­rei  zu ei­ner der füh­ren­den in der ­Fein­tuch­bran­che mach­ten, da­nach in ver­schie­de­nen Tex­til- und an­de­ren In­dus­trie­zwei­gen un­ter­neh­me­risch tä­tig wur­den und sich in- wie au­ßer­halb Eu­ro­pas ver­zweig­ten. Der Na­me Schei­bler ver­bin­det sich heu­te vor al­lem mit dem Mu­se­um „Ro­tes Haus“ in Mons­chau, dem Denk­mal ei­ner bür­ger­li­cher Wohn­kul­tur, die sich noch sehr stark am Adel ori­en­tier­te.

1. Anfänge der Familie Scheibler

Ers­te Mit­glie­der der noch heu­te in un­un­ter­bro­che­ner Nach­kom­men­fol­ge be­ste­hen­den Fa­mi­lie Schei­bler (Sche­y­be­ler, Scheb­le[h]r, Schi­bel­ler) sind ab 1360 in der Ge­gend um Kas­sel ur­kund­lich nach­weis­bar; um 1500 tre­ten sie mit Jo­han­nes Schei­bler (um 1490-1559) als an­ge­se­he­ne, mit Ein­füh­rung der Re­for­ma­ti­on in Hes­sen pro­tes­tan­ti­sche Fa­mi­lie im ober­hes­si­schen Städt­chen Ge­mün­den an der Woh­ra bei Mar­burg in Er­schei­nung. Im 16. und 17. Jahr­hun­dert sind die Schei­blers ei­ne ein­fluss­rei­che Pas­to­ren- und Ge­lehr­ten­fa­mi­lie mit reich ver­zweig­ten Be­zie­hun­gen im pro­tes­tan­ti­schen Bür­ger­tum.

Zu den be­kann­tes­ten Fa­mi­li­en­mit­glie­dern die­ser An­fangs­zeit ge­hö­ren Jo­han­nes (1529-1594), Sohn des er­wähn­ten Jo­han­nes und wohl­ha­ben­der Bür­ger, Rats­mit­glied und Kir­chenäl­tes­ter der lu­the­ri­schen Ge­mein­de in Ge­mün­den, sein Sohn, der Ma­gis­ter Jo­han­nes (der Äl­te­re) (1553-1597), lu­the­ri­scher Pas­tor in Arms­feld (Wal­deck), so­wie des­sen Sohn Chris­toph (1589-1653), Pro­fes­sor und De­kan der phi­lo­so­phi­schen Fa­kul­tät in Gie­ßen und ab 1625 Su­per­in­ten­dent in Dort­mund. Mit ihm, der ei­nen Zweig der Fa­mi­lie ins West­fä­li­sche ver­pflanz­te, be­ginnt ei­ne lan­ge Rei­he evan­ge­li­scher Pas­to­ren in der im 17. und 18. Jahr­hun­dert sehr frucht­ba­ren Fa­mi­lie, aus der ins­ge­samt 24 Pfar­rer her­vor­ge­gan­gen sind; 25 Schei­bler-Töch­ter hei­ra­te­ten Pfar­rer.

Un­ter den Nach­kom­men des Ma­gis­ters Chris­toph ragt her­aus sein Sohn Jo­han­nes Schei­bler der Jün­ge­re (1628-1689), Pro­fes­sor in Gies­sen, der 1654 als Ge­ne­ral­su­per­in­ten­dent der lu­the­ri­schen Kir­chen in Jü­lich-Berg nach Len­nep (heu­te Stadt Rem­scheid) ins Ber­gi­sche ver­zog und da­mit die Fa­mi­lie auch im Rhein­land hei­misch mach­te. Durch sei­ne Amts­tä­tig­keit knüpf­te er in­ten­si­ve Kon­tak­te zu den Ei­feler Ge­mein­den. 1677 or­di­nier­te er sei­nen Nef­fen Ar­nold Hein­rich (1646-1707) als Pfar­rer von Ge­münd und Men­zer­ath; des­sen Bru­der Ni­ko­laus Bern­hard (1661-1721) wur­de Pfar­rer in Zwei­fall. Da­mit war der Be­zug der Fa­mi­lie zum Mons­chau­er Land her­ge­stellt.

 

2. Die Monschauer Scheiblers: Formierung einer Tuchmacher- und Industriellendynastie

Mit dem En­kel von Jo­han­nes dem Jün­ge­ren, Jo­hann Hein­rich Schei­bler (1705-1765), be­ginnt die fa­mi­liä­re Epo­che der Tuch­ma­cher (Kauf­leu­te) und In­dus­tri­el­len. Sein Va­ter Bern­hard Ge­org (1674-1743) war Pas­tor in Vol­berg und Su­per­in­ten­dent im Ober­ber­gi­schen. Über fa­mi­liä­re Kon­tak­te ver­mit­telt, ab­sol­vier­te Jo­hann Hein­rich ei­ne kauf­män­ni­sche Leh­re beim Im­gen­broi­cher Tuch­fa­bri­kan­ten Ma­thi­as Of­fer­mann (1672-1744), des­sen Toch­ter Ma­ria Agnes (1698-1752) er 1724 hei­ra­te­te und so­mit in ei­ne Mons­chau­er Tuch­fa­brik ein­trat, in der sich die drei füh­ren­den Tuch­macher­fa­mi­li­en Of­fer­mann, Schmitz und Schlös­ser ver­ban­den. Sei­ne Be­deu­tung für die lo­ka­le Tuch­her­stel­lung lag dar­in, dass er als ers­ter über­re­gio­na­le Ver­triebs­we­ge über Ex­port­mes­sen (un­ter an­de­rem Frank­furt am Main und Leip­zig) fand und aus dem Mons­chau­er Tuch ei­nen Mar­ken­ar­ti­kel mach­te. Das ge­lang durch Ver­bes­se­run­gen der Fa­bri­ka­ti­ons­me­tho­den und das Auf­grei­fen von Mo­de­trends mit der Spe­zia­li­sie­rung auf Lu­xus­ar­ti­kel. Mit dem Bau des „Ro­ten Hau­ses“, das er selbst nicht mehr be­zog und das 1963 durch ei­nen Nach­kom­men in ei­ne Stif­tung ein­ge­bracht wur­de (heu­te Mu­se­um), schu­fen sich die Schei­blers in Mons­chau ein blei­ben­des Denk­mal. An­de­re Fein­tuch­ma­cher vor Ort über­nah­men er­folg­reich Jo­hann Hein­richs Fa­bri­ka­ti­ons- und Ab­satz­me­tho­den und bau­ten da­mit den über­re­gio­na­len Ruf des Städt­chens als Me­tro­po­le ex­qui­si­ter Tuch­ma­che­rei im 18. Jahr­hun­dert wei­ter aus.

Johann Heinrich Scheibler, Porträt, Ölgemälde, um 1750. (Stiftung Scheibler-Museum Rotes Haus Monschau)

 

Der Tex­til­her­stel­lung wid­me­ten sich vier Söh­ne von Jo­hann Hein­rich: Bern­hard Ge­org (1724-1786), Paul Chris­toph (1726-1797), Jo­hann Ernst (1731-1773) und Wil­helm (1737-1797), zu­dem min­des­tens sie­ben En­kel. Jo­hann Hein­richs Bru­der Wil­helm Wi­mar Ger­hard (1715-1803) zeig­te eben­falls gro­ßes kauf­män­ni­sches Ta­lent und wur­de 1757 Di­rek­tor der „Kgl. Preu­ßi­schen Tuch­fa­bri­que“ un­ter Fried­rich dem Gro­ßen (Re­gie­rungs­zeit 1740-1786). Al­le Söh­ne Jo­hann Hein­richs, die zeit­wei­se in der vä­ter­li­chen Fir­ma tä­tig wa­ren, be­grün­de­ten ei­ge­ne Un­ter­neh­men, teil­wei­se au­ßer­halb des Rur­städt­chens. Bern­hard Ge­org er­rich­te­te Tuch­ma­nu­fak­tu­ren in Ha­gen und Her­de­cke, sein Sohn Bern­hard Paul (1758-1805) wur­de Tuch­fa­bri­kant in Mons­chau und Eu­pen. 1793 oder 1797 ließ er in Mons­chau ei­ne ge­schlos­se­ne Fa­bri­ka­ti­ons­an­la­ge („Fa­bri­k“) mit Was­ser­an­trieb er­rich­ten, in der al­le Pro­duk­ti­ons­schrit­te vom Spin­nen bis zur App­re­tur ver­ei­nigt wa­ren.

Der kauf­män­ni­sche Er­folg zog wei­te­re Ver­wand­te nach, so Jo­hann Hein­richs Nef­fen Pe­ter Chris­toph (1752-1809) so­wie Jo­hann Karl Wil­helm (1783-1847), ein ent­fern­ter Ver­wand­ter, des­sen Sohn Karl Wil­helm (1820-1881) 1854 in Lódź die ers­te und die ab 1867 grö­ß­te me­cha­ni­sche Baum­woll­we­be­rei Po­lens grün­de­te. In Mons­chau or­ga­ni­sier­ten die di­ver­sen Schei­bler-Nach­kom­men ab cir­ca 1807 in Zu­sam­men­ar­beit mit den ver­schwä­ger­ten Co­cke­rills die Ma­schi­ni­sie­rung der Woll­spin­ne­rei und Tuch­pro­duk­ti­on. Die di­rek­ten Nach­kom­men von Jo­hann Hein­richs Sohn Wil­helm be­trie­ben in Mons­chau Tuch­her­stel­lung bis 1908 (Fir­ma Louis Schei­bler Sohn) be­zie­hungs­wei­se wa­ren als Tex­til­in­dus­tri­el­le (Reiß­wol­le) tä­tig bis 1957 (Wal­ter Schei­bler, 1880-1965).

3. Die Scheiblers – ein Beispiel für geschäftliche und familiäre Netzwerke

Be­reits für das 17. und be­gin­nen­de 18. Jahr­hun­dert lässt sich an Hand der Schei­bler­schen Stamm­bäu­me die Exis­tenz ei­nes aus­ge­dehn­ten Fa­mi­li­en- und Ver­wand­ten-Netz­wer­kes er­ken­nen. In der pro­tes­tan­ti­schen Dia­spo­ra der Mons­chau-Im­gen­broi­cher Fein­tuch­ma­cher hat­te sich be­reits vor dem Zu­zug von Jo­hann Hein­rich Schei­bler ein so­zi­al-öko­no­mi­sches Netz­werk ent­wi­ckelt, mit dem sich sei­ne Fa­mi­lie so­fort mehr­fach ver­band: Be­schränkt auf die pro­tes­tan­ti­sche Kon­fes­si­on und fi­xiert auf die in­ner­fa­mi­liä­re Si­che­rung des un­ter­neh­me­ri­schen Ka­pi­tals, das prin­zi­pi­ell durch die prak­ti­zier­te Re­a­lerb­tei­lung ge­fähr­det war, wa­ren die pro­tes­tan­ti­schen Un­ter­neh­mer­fa­mi­li­en mehr­fach mit­ein­an­der und dar­über hin­aus mit an­de­ren pro­tes­tan­ti­schen Kauf­manns­fa­mi­li­en in der Re­gi­on (Ei­sen- und Kup­fer­ver­ar­bei­tung, Tex­til­ge­wer­be un­ter an­de­rem in Aa­chen, Dü­ren, Stol­berg, im Schlei­de­ner Tal usw.) ver­sippt und ver­schwä­gert.

In der Fol­ge prak­ti­zier­te die Fa­mi­lie der Schei­bler vor al­lem im 18. und 19. Jahr­hun­dert ei­ne ge­ra­de­zu dy­nas­tisch an­mu­ten­de, plan­vol­le Hei­rats­po­li­tik, hier­in kei­nes­wegs un­ty­pisch für vie­le rhei­nisch-west­fä­li­sche (pro­tes­tan­ti­sche) Un­ter­neh­mer­fa­mi­li­en: Über-Kreuz-Ehe­schlie­ßun­gen, Dop­pel­hei­ra­ten von Ge­schwis­ter­paa­ren, Ehen zwi­schen Cou­si­nen und Cou­sins der nach­fol­gen­den Ge­ne­ra­ti­on be­zie­hungs­wei­se zwi­schen Ver­schwä­ger­ten nach dem Tod ei­nes Ehe­gat­ten so­wie Hei­rats­be­zie­hun­gen zwi­schen be­stimm­ten Fa­mi­li­en über Ge­ne­ra­tio­nen hin­weg soll­ten die ne­ga­ti­ven Fol­gen von Erb­gän­gen mi­ni­mie­ren oder gar ver­hin­dern, an­de­rer­seits wur­den ka­pi­tal­kräf­ti­ge Fa­mi­li­en „ein­ge­hei­ra­te­t“ be­zie­hungs­wei­se Ge­schäfts­ver­bin­dun­gen ze­men­tiert. So ent­stan­den di­rek­te Ver­wandt­schafts­be­zie­hun­gen über­wie­gend zu rhei­nisch-west­fä­li­schen, aber auch zu süd­deut­schen pro­tes­tan­ti­schen Fa­mi­li­en, so den Hoesch (Dü­ren), Moll (Ha­gen), Co­cke­rill, Harkort, Claus (Aa­chen) und Pas­tor (Aa­chen-Burt­scheid), den Vir­mond (Dü­ren-Blu­men­thal),  Ru­pé (Iser­lohn), An­d­reae (Mül­heim am Rhein, heu­te Stadt Köln), von der Ley­en und Heydweil­ler (Kre­feld). Mehr­fach ver­sippt war man auch mit der Trar­ba­cher Kauf­manns­fa­mi­lie Bö­cking.

4. Unternehmerisch-kaufmännische Mentalität

Die Schei­blers wur­den Kauf­leu­te und Un­ter­neh­mer nicht als Hand­wer­ker aus dem pro­du­zie­ren­den Ge­wer­be her­aus, son­dern aus dem Mi­lieu der pro­tes­tan­ti­schen Geist­li­chen und Ge­lehr­ten. Ein Grund­merk­mal der Fa­mi­lie war die ho­he Be­reit­schaft zur Mo­bi­li­tät. Dies galt be­reits für den Pfar­rer­zweig: Amts­stel­len wur­den über das fa­mi­liä­re und kon­fes­sio­nel­le Netz in­ner­halb ganz Deutsch­lands ge­sucht und ge­fun­den.

Die sich dar­in ma­ni­fes­tie­ren­de Ri­si­ko­freu­de, ba­sie­rend auf ei­nem tief ver­wur­zel­ten Gott­ver­trau­en, die grund­sätz­li­che Auf­ge­schlos­sen­heit für Wis­sen­schaft, Kunst und Spra­chen bil­de­ten idea­le Vor­aus­set­zun­gen für den gro­ßen Er­folg im Tuch­ma­cher­ge­wer­be mit sei­nem ho­hen Be­darf an In­for­ma­tio­nen über Märk­te und Mo­den, un­ver­zicht­ba­ren Fremd­spra­chen­kennt­nis­sen so­wie dem stän­di­gen Zwang zur fle­xi­blen An­pas­sung an den wech­seln­den Ge­schmack der Kund­schaft. Cha­rak­te­ris­tisch und prä­gend für die Mons­chau­er Tuch­ma­cher­dy­nas­ti­en des 18. Jahr­hun­derts war da­her ein un­ter­neh­me­ri­scher Kauf­manns­sinn, der rasch über den en­gen be­schränk­ten Rah­men des Rur­städt­chens be­zie­hungs­wei­se der da­ma­li­gen klein­staat­li­chen Si­tua­ti­on hin­aus dräng­te; er be­inhal­te­te ei­ne grund­sätz­li­che Be­reit­schaft zu un­ter­neh­me­ri­schen Ri­si­ken und ei­ne Auf­ge­schlos­sen­heit ge­gen­über tech­ni­schen Neue­run­gen, so auch der die Woll­tuch­her­stel­lung ab dem aus­ge­hen­den 18. Jahr­hun­dert er­fas­sen­den Ma­schi­ni­sie­rung. Die männ­li­chen Nach­kom­men be­weg­ten sich im Rah­men ih­rer kauf­män­ni­schen Aus­bil­dung wie selbst­ver­ständ­lich im Be­reich der in­ner- und au­ßer­eu­ro­päi­schen Ab­satz­ge­bie­te, ein wich­ti­ges Merk­mal die­ser frü­hen kauf­män­ni­schen Glo­ba­li­sie­rung. Ein Wech­sel von Fa­mi­li­en­mit­glie­dern in ver­wand­te wie völ­lig an­de­re Un­ter­neh­mens­zwei­ge und Tä­tig­keits­fel­der war da­her al­les an­de­re als über­ra­schend.

5. Berufliche/geographische Diversifizierung

Be­reits im letz­ten Drit­tel des 18. Jahr­hun­derts wi­chen die Söh­ne von Jo­hann Hein­rich, aber auch an­de­re Mons­chau-Im­gen­broi­cher Tuch­fa­bri­kan­ten in be­nach­bar­te Re­gio­nen aus, um dort zoll­po­li­ti­sche und tech­ni­sche Stand­ort­vor­tei­le - zum Bei­spiel für die neu­es­ten tech­no­lo­gi­schen Mög­lich­kei­ten (Was­ser­kraft für die ein­set­zen­de Ma­schi­ni­sie­rung der Tuch­her­stel­lung) - zu nut­zen. Zu­gleich wand­ten sich Mit­glie­der der Fa­mi­lie an­de­ren Ge­wer­be­zwei­gen, aber auch künst­le­ri­schen Be­ru­fen zu. Un­ter den Nach­kom­men fin­den sich im 19. Jahr­hun­dert be­deu­ten­de Che­mi­ker, Ma­schi­nen- und Au­to­mo­bil­bau­er, Mu­sik­wis­sen­schaft­ler oder Bild­hau­er. Da­zu zählt Wil­helm Wi­mars Ur­en­kel, der be­deu­ten­de Ber­li­ner Zu­cker­che­mi­ker Prof. Dr. Carl Bern­hard Wil­helm (1827-1899). Sein Bru­der Fried­rich Ja­cob („Frit­z“, 1845-1921), Ma­schi­nen­bau­er in Burt­scheid (heu­te Stadt Aa­chen), stell­te in der 1900 ge­grün­de­ten „Fritz Schei­bler Mo­tor­wa­gen­fa­bri­k“ Au­to­mo­bi­le und Nutz­fahr­zeu­ge her. 1907 wan­del­te er mit sei­nem Sohn Kurt (ge­bo­ren 1875) den Be­trieb in die „Mo­to­ren- und Last­wa­gen AG (MU­LAG)“ um, die als „Man­nes­mann-MU­LA­G“ bis 1928 Nutz­fahr­zeu­ge pro­du­zier­te. Jo­hann Hein­rich Schei­blers gleich­na­mi­ger En­kel (1777-1837), auch Er­fin­der ei­nes Mu­sik­in­stru­ments so­wie ei­nes phy­si­ka­li­schen Ton­mess­ge­rä­tes, be­grün­de­te 1834 in Kre­feld die Samt- und Sei­den­ma­nu­fak­tur „Schei­bler & Co.“ (1965 in die heu­te noch be­ste­hen­de Schei­bler Pelt­zer Gmb­H“ ein­ge­gan­gen) und da­mit die so ge­nann­te Kre­fel­der Li­nie der Schei­bler­schen Sei­den­fa­bri­kan­ten und –händ­ler. Aus ihr ging Carl Jo­hann Hein­rich (1852-1920) her­vor, ei­ner der Mit­be­grün­der der che­mi­schen Gro­ß­in­dus­trie in Köln („Che­mi­sche Fa­brik Kalk Gmb­H“), in der sein Sohn Hans Carl (1887-1963) eben­falls lei­tend tä­tig war. Bei­de, Be­grün­der des so ge­nann­ten Köl­ner Zwei­ges, wid­me­ten sich dar­über hin­aus in­ten­siv der Fa­mi­li­en­for­schung.

Ei­ni­ge Schei­blers mach­ten beim Mi­li­tär Kar­rie­re, so der En­kel von Jo­hann Hein­rich, der Frei­herr und Feld­mar­schall-Leut­nant Carl Wil­helm von Schei­bler (1772-1843), 1814 in Ös­ter­reich zum Frei­herrn er­ho­ben. Ne­ben ihm wur­den min­des­tens zehn wei­te­re Fa­mi­li­en­mit­glie­der von ver­schie­de­nen eu­ro­päi­schen Herr­schern in den ein­fa­chen Adels-, Frei­her­ren- oder Gra­fen­stand er­ho­ben, dar­un­ter Bern­hard Ge­org (1724-1786), ein Sohn von Jo­hann Hein­rich, 1781 ge­adelt als kur­pfäl­zi­scher „Ed­ler von Schei­bler“, dann Jo­hann Chris­ti­an (1754-1787), 1783 aus­ge­zeich­net mit dem per­sön­li­chen ös­ter­rei­chi­schen Adels­ti­tel, Karl Schei­bler in Lodz, 1910 ge­adelt vom hes­si­schen Gro­ßher­zog Ernst Lud­wig (Re­gie­rungs­zeit 1892-1918), so­wie Fe­lix Emil (1856-1921), der 1896 in Ita­li­en Graf wur­de. Wei­te­re Adels­er­he­bun­gen fan­den in Preu­ßen statt: 1757 un­ter Fried­rich dem Gro­ßen bei Wil­helm Wi­mar Ger­hard, 1794 bei Jo­hann Fried­rich (1750-1810) und 1798 bei Jo­hann Da­ni­el (1745-1812). 

Gleich­zei­tig ver­zweig­te sich die Fa­mi­lie bis in die Zeit nach dem Zwei­ten Welt­krieg weit über die bis­he­ri­gen Re­gio­nen hin­aus: Nach­kom­men wan­der­ten un­ter an­de­rem nach Russ­land, Ös­ter­reich, Po­len, Dä­ne­mark, Bel­gi­en, Frank­reich, Ita­li­en, Bra­si­li­en, Ar­gen­ti­ni­en, in die Schweiz und in die USA aus.

Wilhelm Scheibler, Porträt, Ölgemälde, um 1780. (Stiftung Scheibler-Museum Rotes Haus Monschau)

 

6. Traditionsbewusstsein

In­ner­halb we­ni­ger Ge­ne­ra­tio­nen war der Schei­bler­sche Fa­mi­li­en­sinn so­weit er­starkt, dass 1791 ein ers­tes Ge­schlechts­re­gis­ter ent­stand, dem zwei wei­te­re folg­ten (1874, 1895). Es ver­wun­dert kaum, dass Tat­kraft und En­er­gie der „Sip­pe Schei­bler“ - auch weil sie gut er­forscht und be­legt war - nach 1933 das In­ter­es­se na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Ras­sen­for­schung weck­te. Die Auf­fäl­lig­keit der Häu­fung be­deu­ten­der, weil er­folg­rei­cher Un­ter­neh­mer und Wis­sen­schaft­ler in der weit ver­zweig­ten Fa­mi­lie in­ner­halb we­ni­ger Ge­ne­ra­tio­nen ließ die Schei­blers als ein ge­eig­ne­tes Vor­zei­ge­ob­jekt der ras­sisch ar­gu­men­tie­ren­den Füh­rer- und Eli­ten­for­schung er­schei­nen. „Hin­ter der Ver­schwä­ge­rung der Sip­pen steht kein Zu­fall, son­dern or­ga­ni­sches Wer­den“, schrieb Hans Carl Schei­bler 1937. So flos­sen die Er­geb­nis­se der ei­ge­nen Fa­mi­li­en­for­schung in ei­ne Nut­zung durch die na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Ras­sen­kun­de ein, 1937 pu­bli­ziert im ers­ten und ein­zi­gen Band der „West­deut­schen Ah­nen­ta­feln“ von Hans Carl Schei­bler und dem von ihm fi­nan­zi­ell un­ter­stütz­ten „Sip­pen- und Volks­kör­per­for­scher“ Karl Wülfrath (1904-1981).

Literatur

Nay-Schei­bler, Eli­sa­beth, Die Ge­schich­te der Fa­mi­lie Schei­bler, in: Das Ro­te Haus in Mons­chau, hg. von der Stif­tung Schei­bler-Mu­se­um Ro­tes Haus Mons­chau, Köln 1994, S. 78-95 (mit klei­ne­ren Un­ge­nau­ig­kei­ten).
Schei­bler, Jo­hann Hein­rich Carl (Hg.), Ge­schich­te und Ge­schlechts-Re­gis­ter der Fa­mi­lie Schei­bler, Köln 1895.
Schei­bler, Wal­ter, Ge­schich­te und Schick­sals­weg ei­ner Fir­ma in 6 Ge­ne­ra­tio­nen 1724-1937, Aa­chen 1937.
Schei­bler, Hans Carl Schei­bler/Wülfrath, Karl (Hg.), West­deut­sche Ah­nen­ta­feln, Band 1, Wei­mar 1939, S. 328ff.
Schei­bler, Wal­ter, 300 Jah­re Fa­mi­lie Schei­bler im Rhein­land, in: Mit­tei­lun­gen der West­deut­schen Ge­sell­schaft für Fa­mi­li­en­kun­de 18 (1956), Heft 6/7, S. 257–266; Heft 8, S. 346-350; 19 (1957), Heft 1, S. 1-6.Lieb­mann, Ot­to, „Ue­ber­weg", in: All­ge­mei­ne Deut­sche Bio­gra­phie 39 (1895), S. 119-121. [On­line]

Online

Ramm, Hans-Joa­chim, Ar­ti­kel Schei­bler, in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 22 (2005), S. 224-227. [On­line ]
Stif­tung Schei­bler Mu­se­um Ro­tes Haus Mons­chau (In­for­ma­ti­on auf der Web­site des LVR). [On­line]

Wappen einiger Zweige der Scheibler-Familie. Die älteste bekannte Darstellung eines Scheibler-Wappens enthält auf dem Grabstein von Arnold Scheibler (+ 1621) einen nach rechts schauenden, das rechte Vorderbein aufhebenden (= aufsteigenden) Widder; hier im Wappen der Familie Scheibler in Hessen, Westfalen und am Rhein nach der Beschreibung in der Wappensammlung 'Armorial général précédé d'un dictionnaire des termes du blason' von Jean Baptiste Rietstap, 1884-1887.

 
Zitationshinweis

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Offermann, Toni, Familie Scheibler, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/familie-scheibler/DE-2086/lido/57c943dc3d5788.33449081 (abgerufen am 07.10.2024)