Familie Thyssen

Industriellenfamilie

Manfred Rasch (Bochum)

August Thyssen, Balbina Bicheroux geb. Thyssen, Josef Thyssen, Therese Hoo-semanns geb. Thyssen (v. r.), Familienfoto, Foto: Kurt Ernst. (Thyssenkrupp Corporate Archives, Duisburg)

Einleitung

Die ka­tho­li­schen Thys­sens ge­hör­ten seit dem 18. Jahr­hun­dert zum lo­ka­len Mit­tel­stand de­s Aa­chen-Stol­ber­ger Raums, sie stell­ten Hand­wer­ker, Händ­ler, Kle­ri­ker und städ­ti­sche Be­am­te in Aa­chen und Um­ge­bung. Als in den 1840er Jah­ren im In­de­tal zwi­schen Eschwei­ler und Stol­berg, nur 14 Ki­lo­me­ter von Aa­chen ent­fernt, ein mon­tan­in­dus­tri­el­les Zen­trum Deutsch­lands ent­stand, be­gann über zwei Ge­ne­ra­tio­nen der Auf­stieg der Thys­sens zur be­deu­tends­ten ka­tho­li­schen Un­ter­neh­mer­fa­mi­lie der Wil­hel­mi­ni­schen Epo­che. Um 1900 hät­te Au­gust Thys­sen für Max We­ber (1864-1920) als Pro­to­typ für des­sen Auf­satz über die pro­tes­tan­ti­sche Ethik und den Geist des Ka­pi­ta­lis­mus die­nen kön­nen.

Friedrich Thyssen (1804-1877)

Nach dem frü­hen Tod der El­tern hat­te Fried­rich Thys­sen aus fi­nan­zi­el­len Grün­den die Schul­aus­bil­dung ab­bre­chen müs­sen und war bei sei­nem On­kel in die Bank­leh­re ge­gan­gen. Seit 1834 lei­te­te er als Di­rek­tor und Mit­ei­gen­tü­mer das ers­te Draht­walz­werk des Rhein­lands, die 1822 in Eschwei­ler ge­grün­de­te „Draht-Fa­brik-Com­pa­gnie", über die er in Kon­takt zu zahl­rei­chen re­gio­na­len, füh­ren­den In­dus­tri­el­len­fa­mi­li­en kam. Im März 1838 be­tei­lig­te er sich an der Grün­dung der „Me­tall­ur­gi­schen Ge­sell­schaft zu Stol­berg", ei­nem Vor­läu­fer der „AG für Berg­bau, Blei- und Zink­fa­bri­ka­ti­on zu Stol­berg und in West­fa­len".

1859 mach­te sich der als Schü­ler mit­tel­lo­se Wai­se Fried­rich Thys­sen mit ei­ner Pri­vat­bank in Eschwei­ler selbst­stän­dig, die ne­ben den Aa­che­ner un­d Köl­ner Ban­ken zur Geld­ver­sor­gung der re­gio­na­len In­dus­tria­li­sie­rung dien­te. Auch Ja­kob Thys­sen (1808–1861), der Bru­der von Fried­richs Ehe­frau Ka­tha­ri­na (1814-1888) und zu­gleich sein Cou­sin, hat­te – je­doch als An­ge­stell­ter – ei­ne Af­fi­ni­tät zum Bank­we­sen. Er war Mit­ar­bei­ter des Ban­kiers, Un­ter­neh­mers und Po­li­ti­kers Da­vid Han­se­mann und lei­te­te das Zen­tral­bü­ro des „Aa­che­ner Ver­eins zur För­de­rung der Ar­beit­sam­keit", ei­ne Prä­mi­en­spar­kas­se mit breit ge­streu­tem Ri­si­ko.

Mit Fried­richs Tod 1877 wur­de des­sen Bank­haus auf­ge­löst, da sein jün­ge­rer Sohn Jo­seph (1844-1915) es nicht fort­führ­te, son­dern dem Ruf sei­nes äl­te­ren Bru­ders Au­gust (1842-1926) folg­te und die­sen bei der Füh­rung des Un­ter­neh­mens Thys­sen & Co. in Mül­heim an der Ruhr als Mit­ge­sell­schaf­ter (25 Pro­zent) un­ter­stütz­te.

August Thyssen, Balbina Bicheroux geb. Thyssen, Josef Thyssen, Therese Hoo-semanns geb. Thyssen (v. r.), Familienfoto, Foto: Kurt Ernst. (Thyssenkrupp Corporate Archives, Duisburg)

 

August Thyssen (1842-1926)

Wie sein Va­ter be­saß Au­gust Thys­sen die Dop­pel­be­ga­bung von tech­ni­schem Ver­ständ­nis und kauf­män­ni­schem Ge­schick, die sein un­ter­neh­me­ri­sches Han­deln cha­rak­te­ri­siert. Nach dem Ab­itur an der Hö­he­ren Bür­ger­schu­le in Aa­chen be­such­te Au­gust 1859/1861 die Po­ly­tech­ni­sche Schu­le in Karls­ru­he, wo sein Ver­ständ­nis für Tech­nik (Sta­tik, tech­ni­sches Zeich­nen, Bau­kon­struk­tio­nen so­wie Ma­schi­nen­bau) und Na­tur­wis­sen­schaf­ten (Che­mie, Phy­sik, Mi­ne­ra­lo­gie) ge­schult wur­de; an­schlie­ßend be­such­te er für ein Jahr die Han­dels­hoch­schu­le in Ant­wer­pen (In­sti­tut Su­pé­ri­eur du Com­mer­ce de L'État). Bei­de Schu­len ver­ließ Au­gust Thys­sen oh­ne for­mel­len Ab­schluss, da er nicht in den Staats­dienst woll­te. Nach der Mi­li­tär­zeit er­lern­te er im Bank­ge­schäft des Va­ters je­nes prak­ti­sche Wis­sen, das ihm spä­ter die Fi­nan­zie­rung sei­ner zahl­rei­chen Pro­jek­te er­mög­lich­te, oh­ne da­bei in die Ab­hän­gig­keit ei­nes ein­zel­nen Kre­dit­in­sti­tu­tes zu ge­ra­ten.

Nach dem Deut­schen Krieg von 1866 ver­such­te sich Au­gust Thys­sen erst­mals als Un­ter­neh­mer. Im Al­ter von 25 Jah­ren grün­de­te er zu­sam­men mit sei­nem bel­gi­schen Schwa­ger, Dé­si­ré Bi­che­roux (1839-1875), dem bel­gi­schen Walz­werk­spe­zia­lis­ten No­el Foss­oul (ge­bo­ren cir­ca 1830) und an­de­ren Geld­ge­bern in Duis­burg am Rhein ein klei­nes Pud­del- und Band­ei­sen­walz­werk un­ter dem Na­men Thys­sen, Foss­oul & Co. Sein Va­ter lieh ihm hier­für 8.000 Ta­ler.

Au­gust Thys­sen ent­schied sich so­mit für die glei­che Bran­che, in der schon sein Va­ter tä­tig ge­we­sen war: die ex­pan­die­ren­de Ei­sen- und Stahl­in­dus­trie mit über­durch­schnitt­li­chen Wachs­tums­ra­ten. Er ver­ließ das Aa­che­ner Stein­koh­len- und Erz­re­vier und wech­sel­te an den Rhein, wo Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­ge sei­nes Schwa­gers Dé­si­ré Bi­che­roux schon seit Jah­ren Walz­wer­ke be­trie­ben. Durch den Stand­ort­wech­sel schuf er ei­ne räum­li­che Dis­tanz zum El­tern­haus – na­ment­lich zum un­ter­neh­me­risch er­folg­rei­chen Va­ter –, die sei­ner ei­ge­nen Ent­wick­lung för­der­lich war.

Das neu ge­grün­de­te Un­ter­neh­men Thys­sen, Foss­oul & Co., des­sen kauf­män­ni­sche Lei­tung Au­gust Thys­sen über­nahm, flo­rier­te. 1871 lös­te er das Ver­trags­ver­hält­nis, da er sei­ne un­ter­neh­me­ri­schen Vor­stel­lun­gen zu­sam­men mit sechs Kom­man­di­tis­ten nicht rea­li­sie­ren konn­te. In nur vier Jah­ren hat­te er sei­nen Ka­pi­tal­ein­satz – ge­nau ge­nom­men den sei­ner El­tern – ver­vier­facht.

Mit dem aus­be­zahl­ten Ka­pi­tal und mit ei­nem gleich ho­hen Kom­man­dit­an­teil sei­nes Va­ters grün­de­te Au­gust Thys­sen am 1.4.1871 in Styrum bei Mül­heim an der Ruhr sein ei­ge­nes Band­ei­sen­walz­werk Thys­sen & Co. Band­ei­sen wur­de aus Pud­del­stahl ge­won­nen und fand un­ter an­de­rem Ver­wen­dung bei Ei­sen­kon­struk­tio­nen (Brü­cken, Dä­cher), im Wag­gon- und Schiff­bau, in der Bött­che­rei (als Fass­rei­fen) und in der Schlos­se­rei. Be­reits am 2.10.1871 wur­de die Pro­duk­ti­on auf­ge­nom­men. Die­ses Werk wur­de die Keim­zel­le sei­nes Kon­zerns.

Den Zu­gang zum Mül­hei­mer Bür­ger­tum eb­ne­te dem Drei­ßig­jäh­ri­gen die Hei­rat mit der 18-jäh­ri­gen Hed­wig Pel­zer (1854-1940) am 3.12.1872, de­ren El­tern (Ger­be­rei­be­sit­zer) zur wohl­ha­ben­den Ober­schicht der pro­tes­tan­ti­schen Stadt ge­hör­ten. Hed­wigs Mit­gift wur­de nicht nur in den wei­te­ren Aus­bau des Werks, son­dern auch in Bör­sen­pro­jek­te in­ves­tiert und dürf­te mit da­zu bei­ge­tra­gen ha­ben, dass das noch jun­ge Un­ter­neh­men Thys­sen & Co. die Grün­der­kri­se oh­ne grö­ße­re Schwie­rig­kei­ten über­stand.

Nach dem Tod des Va­ters 1877 trat im fol­gen­den Jahr sein Bru­der Jo­seph (1844-1915) als Mit­in­ha­ber (25 Pro­zent-An­teil) in das Un­ter­neh­men ein. Die­ser be­saß kei­ne aka­de­mi­sche Aus­bil­dung wie der Äl­te­re; er wid­me­te sich vor­nehm­lich den be­trieb­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten und schuf da­mit sei­nem Bru­der Frei­raum für wei­te­re un­ter­neh­me­ri­sche Ex­pan­sio­nen. Nun be­gann Au­gust Thys­sen mit der ver­ti­ka­len Ent­wick­lung sei­nes Band­ei­sen­werks in den vor- und nach­ge­la­ger­ten Be­rei­chen.

Den Schritt zum ei­ge­nen Ver­ti­kal­kon­zern tat Au­gust Thys­sen 1883 bei der Ge­werk­schaft Deut­scher Kai­ser, ei­nem nicht son­der­lich flo­rie­ren­den Stahl­koh­len­berg­werk in der Ge­mein­de Ham­born bei Duis­burg, das mit ei­nem ei­ge­nen Werks­ha­fen ver­kehrs­güns­tig am Rhein lag. Bis 1891 kauf­ten die bei­den Brü­der Thys­sen sämt­li­che Ku­xe der Ge­werk­schaft auf und er­wei­ter­ten im glei­chen Jahr die Stein­koh­len­ze­che um ein Stahl- und Walz­werk, dem 1895 ein Hoch­ofen­werk mit ei­ge­ner Ko­ke­rei und ei­nem Tho­mas­stahl­werk fol­gen soll­te.

In den fol­gen­den Jah­ren er­wei­ter­te Au­gust Thys­sen den Kon­zern sys­te­ma­tisch, in­dem er dar­auf ach­te­te, dass sich die Pro­duk­te der neu er­wor­be­nen oder ge­grün­de­ten Fir­men in ei­nem ver­ti­ka­len Ver­bund er­gänz­ten. Par­al­lel zur Si­che­rung ei­ner aus­rei­chen­den Erz­ba­sis für sei­ne Hoch­öfen, un­ter an­de­rem durch Be­tei­li­gun­gen an Erz­gru­ben (be­zie­hungs­wei­se lang­fris­ti­gen Lie­fer­ver­trä­gen) in Skan­di­na­vi­en, Nord­afri­ka, Spa­ni­en, Russ­land (Ukrai­ne und Kau­ka­sus) so­wie In­di­en, setz­te die In­ter­na­tio­na­li­sie­rung des Thys­sen-Kon­zerns ein. Seit 1905 bau­te die Thys­sen-Grup­pe ein ei­ge­nes Han­dels- und Schiff­fahrts­netz mit Nie­der­las­sun­gen in der ge­sam­ten Welt auf. Sie ori­en­tier­te sich da­bei zu­nächst an den Stand­or­ten der er­wor­be­nen Erz­gru­ben und de­ren Ver­schif­fungs­rou­ten und prak­ti­zier­te da­bei das Prin­zip der Rück­frach­ten und Drei­ecks­ge­schäf­te.

Au­gust Thys­sen be­für­wor­te­te ei­ne de­zen­tra­le Un­ter­neh­mens­füh­rung mit selbst­stän­di­gen Ge­sell­schaf­ten, die er vor­nehm­lich über (mo­nat­li­che) Sta­tis­ti­ken und Be­rich­te kon­trol­lier­te. Sei­ne zahl­rei­chen Ide­en hät­te Au­gust Thys­sen nicht oh­ne ei­nen Stab fä­hi­ger Mit­ar­bei­ter ver­wirk­li­chen kön­nen. Bei sei­nen lei­ten­den Mit­ar­bei­tern leg­te Thys­sen nicht aus­schlie­ß­lich auf gu­te schu­li­sche Aus­bil­dung wert, son­dern gab auch Au­to­di­dak­ten schon in jun­gen Jah­ren durch­aus ei­ne Chan­ce, so­dass meh­re­re Volks­schü­ler (un­ter an­de­rem Hein­rich Din­kel­bach (1891-1967) und Wil­helm Scheif­ha­cken (1877-1963)) na­he­zu US-ame­ri­ka­ni­sche Kar­rie­ren vom Hilfs­ar­bei­ter bis zum Vor­stands­mit­glied durch­lau­fen konn­ten.

Thys­sen, der ka­tho­li­schen Zen­trums­par­tei na­he ste­hend, ver­such­te, im Hin­ter­grund Ein­fluss auf die Po­li­tik so­wohl im In- als auch Aus­land zu neh­men, um die wirt­schaft­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen für sei­ne Un­ter­neh­mun­gen zu ver­bes­sern. Auf Be­zie­hun­gen zum pro­tes­tan­ti­schen Kai­ser­haus und auf Staats­auf­trä­ge, auf ei­ne No­bi­li­tie­rung oder auf den Ti­tel Kom­mer­zi­en­rat leg­te er – sehr zum Ver­druss sei­ner Kin­der – kei­nen Wert.

Au­gust Thys­sen war un­ter­neh­me­risch er­folg­reich; sei­ne Ge­win­ne re­inves­tier­te er in den Aus­bau sei­ner Wer­ke be­zie­hungs­wei­se in neue Pro­jek­te. Ent­ge­gen al­ler Ge­rüch­te über sei­ne Spar­sam­keit war er durch­aus be­reit, für sich und sei­ne Selbst­dar­stel­lung (Por­trät­post­kar­ten zum 80. Ge­burts­tag, Büs­ten, Por­trät­ge­mäl­de) Geld aus­zu­ge­ben.

Als Fa­mi­li­en­va­ter und Er­zie­her ver­sag­te Au­gust Thys­sen. 1885 ließ sich der Workaho­lic von sei­ner zwölf Jah­re jün­ge­ren Frau nach ei­ner Fehl­ge­burt, de­ren Va­ter­schaft er an­zwei­fel­te, schei­den und be­kam das Sor­ge­recht für die noch min­der­jäh­ri­gen Kin­der zu­ge­spro­chen. Das Ver­mö­gen der Ehe­leu­te wur­de auf die ge­mein­sa­men Kin­der über­tra­gen, Au­gust Thys­sen aber le­bens­lan­ger Nieß­brauch ein­ge­räumt. Die­se Rechts­kon­struk­ti­on ver­hin­der­te, dass Au­gust sei­nen Kin­dern früh un­ter­neh­me­ri­sche Ver­ant­wor­tung über­trug. Er woll­te, dass sie sein Le­bens­werk fort­führ­ten; sie aber woll­ten Ver­fü­gung über ihr Er­be er­lan­gen, nicht mit ge­lie­he­nem Ka­pi­tal (des Va­ters) in an­de­ren Bran­chen re­üs­sie­ren. Der Kon­flikt mit dem Va­ter es­ka­lier­te, als die Kin­der das Al­ter er­reich­ten, in dem sich Au­gust Thys­sen – aber auch schon sein Va­ter – vom El­tern­haus ab­ge­löst und ei­ge­ne un­ter­neh­me­ri­sche Ver­ant­wor­tung über­nom­men hat­te. Sei­ne drei Söh­ne ar­bei­te­ten zwar tem­po­rär im Un­ter­neh­men mit, leb­ten aber sonst von den durch­aus ho­hen Apa­na­gen des Va­ters.

Die oh­ne­hin schon ho­hen ma­te­ri­el­len Wün­sche der Kin­der stie­gen nach dem Ver­kauf der Ge­werk­schaft ver. Glad­beck 1902 noch­mals. Hat­ten sie den Un­ter­neh­mens­wert bis­her nicht rich­tig ein­ge­schätzt, so woll­ten sie nun ab so­fort an dem ih­nen for­mal ge­hö­ren­den Fir­men­ver­mö­gen be­tei­ligt wer­den, so ih­re In­ter­pre­ta­ti­on des Schei­dungs­ver­trags. Sie wünsch­ten sich ein auf­wän­di­ges Le­ben mit Land­gut und Jagd so­wie re­prä­sen­ta­ti­ver Stel­lung im Un­ter­neh­men, oh­ne je­doch ent­spre­chen­de un­ter­neh­me­ri­sche Ver­ant­wor­tung über­neh­men zu wol­len. So ging Au­gusts mitt­le­rer Sohn Au­gust (1874-1943) An­fang des 20. Jahr­hun­derts mit sei­nem Rit­ter­gut Rü­ders­dorf bei Ber­lin in Kon­kurs, weil ihn die Be­zie­hun­gen zum Adel mehr als das ei­ge­ne Un­ter­neh­men in­ter­es­sier­ten. Der Va­ter kauf­te das Gut ver­deckt auf und führ­te es an­schlie­ßend zum Ge­winn (Kalk- und Mör­tel­wer­ke).

August Thyssen, Gemälde von Franz Josef Klemm (1883-1959), um 1917. (ThyssenKrupp AG)

 

Au­gust Thys­sen über­trug sei­nen Söh­nen Fritz und Hein­rich 1919 zu­nächst die Fir­ma Thys­sen & Co. und 1921 auch die Fir­ma Au­gust Thys­sen-Hüt­te, Ge­werk­schaft (Nach­fol­ge­un­ter­neh­men der Ge­werk­schaft Deut­scher Kai­ser). Sei­nen bei­den an­de­ren Kin­dern hat­te er den Erb­ver­zicht ge­gen ho­he Ein­mal­zah­lun­gen und Apa­na­gen ab­ge­kauft. We­gen der de­zen­tra­len Un­ter­neh­mens­struk­tur des Kon­zerns wur­de die­ser Ei­gen­tü­mer­wech­sel nicht all­zu deut­lich, zu­mal Au­gust Thys­sen ver­such­te als „Pa­tron" wei­ter­hin die be­stim­men­de Per­sön­lich­keit in al­len Un­ter­neh­mens­gre­mi­en zu blei­ben.

In den 1920er Jah­ren ver­warf Au­gust Thys­sen sei­nen Dy­nas­tie-Plan, da ihm we­der sein Sohn Fritz, noch sein Nef­fe Hans (1890-1943) – letz­te­rer aus ge­sund­heit­li­chen Grün­den – für die Lei­tung sei­nes kom­ple­xen Kon­zerns ge­eig­net er­schie­nen. Trotz ei­nes Al­ters­starr­sinns, der bei dem über 80-äh­ri­gen zu­neh­mend fest­stell­bar war, dürf­te die­se Ent­schei­dung rich­tig ge­we­sen sein. Da ein an­ge­stell­ter Ma­na­ger im­mer von den Ei­gen­tü­mern, nach sei­nem Tod al­so von sei­nen Kin­dern, ab­hän­gig war, ent­schied sich Au­gust Thys­sen an­ge­sichts schlech­ter wirt­schaft­li­cher Rah­men­be­din­gun­gen, sei­nen Kon­zern in ei­ne von Al­bert Vög­ler und Hu­go Stin­nes seit En­de des Ers­ten Welt­kriegs vor­ge­schla­ge­ne In­ter­es­sen­ge­mein­schaft ein­zu­brin­gen. Oh­ne Fritz Thys­sen zu brüs­kie­ren, der sich seit Jahr­zehn­ten auf die Nach­fol­ge im Un­ter­neh­men vor­be­rei­tet hat­te, konn­te er die­sen auf den Vor­sitz im Auf­sichts­rat be­schrän­ken und ge­wann den da­mals bes­ten deut­schen Stahl­ma­na­ger, Al­bert Vög­ler, für die Lei­tung ei­nes noch weit­aus grö­ße­ren Kon­zerns (Ver­ei­nig­te Stahl­wer­ke AG) und zu des­sen not­wen­di­ger wei­te­rer Ra­tio­na­li­sie­rung. Dass die­ses Un­ter­neh­men nicht mehr sei­nen Na­men trug, ak­zep­tier­te er, war doch auch das Bank­ge­schäft sei­nes Va­ters Fried­rich bei des­sen Tod li­qui­diert wor­den. Un­mit­tel­bar nach Au­gust Thys­sens Tod brach­te sein Sohn Fritz mit sei­ner Zu­stim­mung den grö­ß­ten Teil des da­ma­li­gen Thys­sen-Kon­zerns in die Ver­ei­nig­te Stahl­wer­ke AG ein.

Büsten von August Thyssen, 1923, Bildhauer: Georg Kolbe (1877-1947) und von Fritz Thyssen, 1965, Bildhauerin: Gwendolyn Blume. (ThyssenKrupp AG)

 

Fritz Thyssen (1873-1951)

Nach dem Ab­itur an ei­ne­m Düs­sel­dor­fer Gym­na­si­um hat­te Fritz Thys­sen zu­nächst ein ein­jäh­ri­ges Prak­ti­kum in der vä­ter­li­chen Fa­brik als Ar­bei­ter ab­sol­viert, dann wie sein Va­ter oh­ne Ab­schluss in Lon­don, Lüt­tich und Char­lot­ten­burg (heu­te Ber­lin) stu­diert, 1896/1897 bei dem 5. West­fä­li­schen Ula­nen-Re­gi­ment ge­dient und ge­gen den Wil­len des Va­ters 1900 Amé­lie zur Hel­le (1877–1965) ge­hei­ra­tet. Er ar­bei­te­te sich zu­nächst in das Erz­han­dels­ge­schäft und die an­de­ren Be­lan­ge des Hüt­ten­werks ein, dien­te im Ers­ten Welt­krieg als kriegs­frei­wil­li­ger Re­ser­ve­of­fi­zier, be­vor er sich 1916 wie­der für das Un­ter­neh­men en­ga­gier­te und dem Bruck­hau­se­ner Hüt­ten­werk sei­nen Stem­pel auf­drück­te. In der Wei­ma­rer Re­pu­blik wur­de durch den Pro­zess der fran­zö­si­schen Mi­li­tär­ver­wal­tung ge­gen ihn und an­de­re Ruhr­in­dus­tri­el­le be­kannt, weil er sich aus na­tio­na­len Grün­den wei­ger­te, den ge­gen Deutsch­land ge­rich­te­ten An­wei­sun­gen bei der Ruhr­be­set­zung Fol­ge zu leis­ten. Er wur­de vom fran­zö­si­schen Kriegs­ge­richt in Mainz frei­ge­spro­chen und in ei­nem Tri­umph­zug in sei­ne Hei­mat­stadt Mül­heim an der Ruhr be­glei­tet. Die ju­ris­ti­sche Fa­kul­tät der Uni­ver­si­tät Frei­burg ver­lieh ihm dar­auf­hin die Eh­ren­dok­tor­wür­de. Dies hin­der­te Fritz Thys­sen 1928 nicht dar­an, mit fran­zö­si­schen Stahl­in­dus­tri­el­len die In­ter­na­tio­na­le Roh­stahl­ge­mein­schaft, ein Kar­tell, zu grün­den.

Sei­ne na­tio­nal-kon­ser­va­ti­ve Ge­sin­nung brach­te ihn früh in Kon­takt mit Erich Lu­den­dorff (1865-1937) und vor al­lem mit Adolf Hit­ler (1889-1945), des­sen Par­tei er fi­nan­zi­ell un­ter­stütz­te, un­ter an­de­rem durch ein (nicht zu­rück­ge­zahl­tes) Dar­le­hen für den Bau des Brau­nen Hau­ses in Mün­chen. Die­se Fi­nanz­bei­trä­ge wa­ren nicht so be­deu­tend wie sie oft­mals nach dem Krieg dar­ge­stellt wur­den, sie er­reich­ten nur ei­nen Bruch­teil der Jah­res­bei­trä­ge der Par­tei­mit­glie­der. In die NS­DAP trat Fritz Thys­sen erst im Mai 1933 ein, un­ter an­de­rem we­gen der in­ner­halb der Par­tei pro­pa­gier­ten Stän­de­staat-Ideo­lo­gie. Ein ent­spre­chen­des, für Fritz Thys­sen er­rich­te­tes In­sti­tut exis­tier­te 1933/1934 in Düs­sel­dorf, be­vor Ro­bert Ley und die Deut­sche Ar­beits­front (DAF) die­se Kon­kur­renz aus­schal­te­ten und ei­ni­ge ehe­ma­li­ge Mit­ar­bei­ter ver­folg­ten. Da­mit setz­te die sich all­mäh­lich ent­wi­ckeln­de Dis­tanz Fritz Thys­sens zur NS­DAP ein, die ihn 1933 noch zum Staats­rat und zum Mit­glied des Reichs­tags ge­macht hat­te. Sei­ne Hal­tung blieb zu­nächst zwie­späl­tig, so in­ter­es­sier­te er sich für ei­ne Ari­sie­rungs­ge­sell­schaft, för­der­te aber an­de­rer­seits das jü­di­sche Bank­haus Si­mon Hirsch­land in Es­sen.

Auf die Un­ter­neh­mens­po­li­tik der (VSt) scheint Fritz Thys­sen kei­nen gro­ßen Ein­fluss ge­nom­men zu ha­ben. War er bei Grün­dung der VSt 1926 mit fast 26 Pro­zent Ka­pi­tal­an­teil der grö­ß­te Ein­zel­ak­tio­när (for­mal zu­sam­men mit sei­nem Bru­der Hein­rich), so ver­lor er die­se Be­deu­tung zeit­wei­se an Fried­rich Flick, oh­ne dass bis­her ent­spre­chen­de Kon­flik­te zwi­schen die­sen bei­den Un­ter­neh­mer­per­sön­lich­kei­ten pu­blik ge­wor­den wä­ren.

Fritz Thyssen, Porträtfoto, um 1936. (ThyssenKrupp AG)

 

Hat­te Fritz Thys­sen noch zu den Ju­den-Po­gro­men der „Reichs­kris­tall­nacht" öf­fent­lich ge­schwie­gen, so wand­te er sich bei der deut­schen Kriegs­er­klä­rung an Po­len in ei­nem of­fe­nen Brief an Reichs­tags­prä­si­dent Her­mann Gö­ring (1893-1946) und Reichs­kanz­ler Adolf Hit­ler und pro­tes­tier­te als ein­zi­ger deut­scher Gro­ß­in­dus­tri­el­ler ge­gen den Krieg. Gleich­zei­tig setz­te er sich mit sei­ner Fa­mi­lie in die Schweiz ab. Von dort, wo er nicht bei sei­nem Bru­der Hein­rich Thys­sen-Bor­n­emis­za leb­te, woll­te er über Frank­reich nach Ar­gen­ti­ni­en aus­wan­dern, wo er schon vor dem Ers­ten Welt­krieg gro­ße Gü­ter be­saß und des­sen In­dus­tria­li­sie­rung er ent­spre­chend ver­folgt hat­te. Bei sei­nem Auf­ent­halt an der Cô­te d’Azur über­re­de­te ihn der US-ame­ri­ka­ni­sche Jour­na­list Eme­ry Re­ves (1904-1981), zu ei­nem Buch­pro­jekt ge­gen Hit­ler und führ­te aus­führ­li­che In­ter­views mit ihm. Der in fran­zö­si­scher Spra­che ab­ge­fass­te, von Fritz Thys­sen nur zum Teil au­to­ri­sier­te Text wur­de 1941 in New York in eng­li­scher Spra­che un­ter dem Ti­tel „I paid Hit­ler" ver­öf­fent­licht - zu ei­nem Zeit­punkt, als sich Fritz Thys­sen schon in deut­schem Ge­wahr­sam be­fand. We­gen des im Mai 1940 be­gon­ne­nen deut­schen West­feld­zugs hat­te Fritz Thys­sen nicht mehr emi­grie­ren kön­nen und wur­de zu­sam­men mit sei­ner Frau als ei­ner der Ers­ten von Vichy-Frank­reich an Deutsch­land aus­ge­lie­fert. Das Land Preu­ßen hat­te Fritz Thys­sen nach sei­nem of­fe­nen Brief im De­zem­ber 1939 aus­ge­bür­gert und sein Ver­mö­gen be­schlag­nahmt. Zu­nächst zu­sam­men mit sei­ner Frau in ei­ne psych­ia­tri­sche Ab­tei­lung ei­nes Pri­vat­sa­na­to­ri­ums, dann un­ter an­de­rem in die Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Sach­sen­hau­sen und Bu­chen­wald ge­bracht, wi­der­rief er sei­nen of­fe­nen Brief nicht, son­dern blieb trotz To­des­dro­hung stand­haft. US-ame­ri­ka­ni­sche Trup­pen be­frei­ten ihn und an­de­re „Edel­ge­fan­ge­ne" des NS-Re­gimes bei Kriegs­en­de aus der so ge­nann­ten Al­pen­fes­tung in Süd­ti­rol, wo­hin Hein­rich Himm­ler (1900-1945) sei­ne ver­meint­li­chen Faust­pfän­der hat­te brin­gen las­sen.

Nach sei­ner Ver­fol­gung durch die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten wur­de er nun von den US-Ame­ri­ka­nern – vor al­lem we­gen der Pu­bli­ka­ti­on „I paid Hit­ler" – als Un­ter­stüt­zer der NS­DAP vor Ge­richt ge­stellt und erst 1947 in Wies­ba­den zu teil­wei­sem Ver­mö­gens­ein­zug ver­ur­teilt. Da die Thys­sen­hüt­te auf der De­mon­ta­ge­lis­te stand und der grö­ß­te Ar­beit­ge­ber der Re­gi­on war, woll­te Fritz Thys­sen das Werk zeit­wei­se dem deutsch-fran­zö­si­schen Ju­gend­werk über­eig­nen, um ei­ne De­mon­ta­ge zu ver­hin­dern.

Im Ja­nu­ar 1950 wan­der­te er zu­sam­men mit sei­ner Frau schlie­ß­lich nach Ar­gen­ti­ni­en aus, wo sei­ne Toch­ter mit ih­rem Mann leb­te und wo er am 8.2.1951 starb. Sei­ne Wit­we und die ge­mein­sa­me Toch­ter Ani­ta Zichy-Thys­sen (1909-1990) grün­de­ten 1959 die ers­te gro­ße deut­sche Wis­sen­schafts­stif­tung mit ei­nem no­mi­nel­len Ver­mö­gen von 100 Mil­lio­nen DM in Ak­ti­en der Au­gust Thys­sen-Hüt­te AG, die sie ihm zu Eh­ren Fritz Thys­sen Stif­tung nann­ten.

Heinrich Thyssen-Bornemisza (1875-1947)

Fritz jüngs­ter Bru­der Hein­rich hat­te 1899/1900 eben­falls mit ei­ge­nem Pferd und Bur­schen bei den Ula­nen in Düs­sel­dorf ge­dient. Er blieb auf räum­li­cher Dis­tanz zu sei­nem Va­ter, stu­dier­te in Hei­del­berg Che­mie und wur­de bei dem an­ge­se­he­nen Che­mi­ker Theo­dor Cur­ti­us (1857-1928), dem On­kel des spä­te­ren Mi­nis­ter­s Ju­li­us Cur­ti­us, mit ei­ner Ar­beit über „Hy­dra­zid der α-Thio­phen­c­ar­bon­säu­re" pro­mo­viert, ver­öf­fent­lich­te aber kei­ne wei­te­ren che­mi­schen Ar­bei­ten, son­dern leb­te ei­ni­ge Zeit in Lon­don. Ob dies mit Be­mü­hun­gen um ei­ne An­stel­lung im di­plo­ma­ti­schen Dienst zu­sam­men­hing, ist an­zu­zwei­feln. In die­ser Zeit leb­te er mit ei­ner US-Ame­ri­ka­ne­rin zu­sam­men, be­reis­te mit ihr so­gar die USA, woll­te sie aber nicht ehe­li­chen, was zu ei­nem in der in­ter­es­sier­ten, deut­schen Klatsch­pres­se wahr­ge­nom­me­nen Pro­zess in Lon­don führ­te. Die Bri­sanz lag dar­in, dass Hein­rich Thys­sen mitt­ler­wei­le ge­hei­ra­tet hat­te und er mit die­sem Pro­zess jeg­li­chen Er­pres­sungs­ver­su­chen ent­ge­gen­tre­ten woll­te. 1906 hat­te Hein­rich Thys­sen in Wien die un­ga­ri­sche Ba­ro­ness Mar­ga­re­ta Bor­n­emis­za von Kás­zon (1887-1971) ge­hei­ra­tet, de­ren Mut­ter im Üb­ri­gen ei­ne US-Ame­ri­ka­ne­rin war. Er lern­te die un­ga­ri­sche Spra­che, leb­te in Un­garn, nahm aber ein­mal jähr­lich an den Ge­wer­ken­ver­samm­lun­gen der Ge­werk­schaft Deut­scher Kai­ser teil. Weil sein Schwie­ger­va­ter kei­ne männ­li­chen Er­ben be­saß, ließ er sich von die­sem ad­op­tie­ren und be­kam von Kai­ser Franz Jo­seph I. (Re­gie­rungs­zeit 1848-1916) den frei­herr­li­chen Rang ver­lie­hen mit dem Recht, den Na­men Thys­sen-Bor­n­emis­za von Kás­zon füh­ren zu dür­fen. Vor den so­zia­lis­ti­schen Nach­kriegs­un­ru­hen in Un­garn floh er in die Nie­der­lan­de, wo er ab 1919 die dor­ti­gen Thys­sen’schen Kon­zern­un­ter­neh­men lei­te­te.

Vor­nehm­lich ver­wal­te­te er die Va­lu­ta des Kon­zerns, was an­ge­sichts der Hy­per­in­fla­ti­on in Deutsch­land von gro­ßer Be­deu­tung war. Er hat­te mehr die Ban­kiers-In­ter­es­sen sei­nes Va­ters ge­erbt und – ob­wohl er erst im fünf­ten Le­bens­jahr­zehnt ei­ge­ne un­ter­neh­me­ri­sche Ver­ant­wor­tung über­nahm – soll­te er der ein­zi­ge von Au­gust Thys­sens Söh­nen sein, der über den Tod des Va­ters hin­aus ei­nen Kon­zern selbst­stän­dig und ei­gen­ver­ant­wort­lich lei­te­te.

Hein­rich lehn­te 1925 die Grün­dung der Ver­ei­nig­te Stahl­wer­ke AG (VSt) ab und brach­te den auf ihn an­fal­len­den Er­b­an­teil in ei­ne selbst­stän­di­ge Hol­ding­ge­sell­schaft, die Au­gust Thys­sen’sche Un­ter­neh­mun­gen des In- und Aus­lan­des GmbH, ein. Hier­zu ge­hör­te un­ter an­de­rem die Press- und Walz­werk AG, die Ge­werk­schaft Wal­s­um, die Thys­sen’sche Gas- und Was­ser­wer­ke GmbH, die Bank voor Han­del en Scheep­vaart N.V. und die N.V. Han­dels- en Trans­port-Maats­ch­ap­pij „Vul­ca­an". Bis 1933 saß er auch im Auf­sichts­rat der VSt, da zu­nächst der in die VSt ein­ge­brach­te An­teil des Thys­sen-Kon­zerns grö­ßer war als das auf sei­nen Bru­der Fritz ent­fal­le­ne Er­be.

Hein­rich führ­te mit den Ma­na­gern sei­nes Va­ters des­sen Un­ter­neh­mens­po­li­tik fort, oh­ne je­doch ei­nen wie bei sei­nem Va­ter ver­ti­kal durch­struk­tu­rier­ten Kon­zern zu or­ga­ni­sie­ren. Er ver­stärk­te die Bank­ak­ti­vi­tä­ten, be­trieb aber auch die an­de­ren ge­erb­ten Ge­schäfts­fel­der wei­ter, mit de­nen er zum Teil in Ab­hän­gig­keit zur VSt als Ab­neh­mer/Lie­fe­rant stand (Thys­sen­gas).

Den Wohn­sitz ver­leg­te er, nach­dem sich sei­ne ers­te Frau von ihm ge­trennt hat­te, nach Lu­ga­no, wo er die Vil­la Fa­vo­ri­ta von Fried­rich Leo­pold Prinz von Preu­ßen (1895-1959) ge­kauft hat­te, und wid­me­te sich nun vor­nehm­lich dem Auf- und Aus­bau ei­ner ex­zel­len­ten Kunst­samm­lung, mit der er schon 1930 erst­mals in Mün­chen un­ter dem Be­griff „Samm­lung Schloß Ro­honcz" an die Öf­fent­lich­keit ge­tre­ten war und de­ren Schwer­punkt auf der eu­ro­päi­schen Ma­le­rei des 15. bis 19. Jahr­hun­derts, den „Al­ten Meis­tern", lag und de­ren ein­zel­ne Kunst­wer­ke zu­nächst in Pa­ris, Den Haag, Lon­don und an­de­ren Städ­ten zer­streut auf­be­wahrt wor­den wa­ren. Das be­sag­te Schloss, einst sein un­ga­ri­scher Wohn­sitz im un­ga­ri­schen Teil des Bur­gen­lan­des, war bei Grenz­re­gu­lie­run­gen nach dem Ers­ten Welt­krieg an Ös­ter­reich ge­fal­len und wur­de nun Rech­nitz ge­nannt. Die­ses Schloss ver­mach­te er 1938 sei­ner Toch­ter Mar­git von Bat­thyá­ny (1911-1989). 1932 ließ sich das Ehe­paar Thys­sen-Bor­n­emis­za schei­den, um im fol­gen­den Jahr an­de­re Part­ner zu hei­ra­ten. Die Ehe mit der Künst­le­rin Maud Fel­ler (1909-1977) hielt nur fünf Jah­re. Auch die drit­te Ehe mit Gun­hild von Fa­bri­ce (1908-2008), ei­nem Man­ne­quin aus ei­ner re­for­mier­ten Nürn­ber­ger Pa­tri­zi­er­fa­mi­lie, kri­sel­te schnell und es folg­te ein lang­jäh­ri­ger Schei­dungs­pro­zess.

In der NS-Zeit pfleg­te er – wie sein Bru­der – Kon­tak­te zu ho­hen Par­tei­funk­tio­nä­ren, un­ter an­de­rem zu Her­mann Gö­ring. Hein­rich Thys­sen-Bor­n­emis­z­as Un­ter­neh­men wirk­ten an der NS-Aut­ar­kie- und Kriegs­wirt­schaft mit, was je­doch nicht ver­hin­der­te, dass er we­gen De­vi­sen­ver­ge­hen an­ge­klagt wur­de. Das ope­ra­ti­ve Ge­schäft er­le­dig­ten in den Nie­der­lan­den und im Deut­schen Reich sei­ne Ge­ne­ral­di­rek­to­ren. Nach dem Krieg wur­den sei­ne Un­ter­neh­men kon­fis­ziert und bis zu sei­nem Tod nicht wie­der frei­ge­ge­ben. Das un­ter­neh­me­ri­sche Er­be soll­te nicht sein äl­tes­ter Sohn Ste­phan (1907-1981), ein pro­mo­vier­ter Elek­tro­che­mi­ker mit na­tur- und in­ge­nieur­wis­sen­schaft­li­chen In­ter­es­sen (Thys­sen-Gravime­ter zur La­ger­stät­ten­er­kun­dung), über­neh­men, son­dern sein jüngs­ter Sohn Hans Hein­rich Thys­sen-Bor­n­emis­za (1921-2002).

Literatur

Eglau, Hans Ot­to, Fritz Thys­sen. Hit­lers Gön­ner und Gei­sel, Ber­lin 2003.
Fe­ar, Jef­frey Ro­bert, Or­ganz­ing Con­trol. Au­gust Thys­sen and the Con­struc­tion of Ger­man Cor­po­ra­te Ma­nage­mant, Cam­bridge (Mass.) 2005.
Le­sc­zen­ski, Jörg, Au­gust Thys­sen 1842–1926. Le­bens­welt ei­nes Wirt­schafts­bür­gers, Düs­sel­dorf 2008.
Rasch, Man­fred, Au­gust Thys­sen. Der ka­tho­li­sche Gro­ß­in­dus­tri­el­le der Wil­hel­mi­ni­schen Epo­che, in: Rasch, Man­fred/Feld­man, Ge­rald D. (Hg.), Au­gust Thys­sen und Hu­go Stin­nes. Ein Brief­wech­sel 1898–1922, Mün­chen 2003, S. 13–107.
Rasch, Man­fred: Au­gust Thys­sen und sein Sohn Hein­rich Thys­sen-Bor­n­emis­za. Die zwei­te und drit­te Un­ter­neh­mer­ge­ne­ra­ti­on Thys­sen, in: Rasch, Man­fred (Hg.): Au­gust Thys­sen und Hein­rich Thys­sen-Bor­n­emis­za. Brie­fe ei­ner In­dus­tri­el­len­fa­mi­lie 1919-1926, Es­sen 2010, S. 9–78.
We­ge­ner, Ste­phan (Hg.), Au­gust und Jo­seph Thys­sen. Die Fa­mi­lie und ih­re Un­ter­neh­men, 2.,über­ar­bei­te­te und er­wei­ter­te Auf­la­ge, Es­sen 2008.

Online

Au­gust Thys­sen (17. Mai 1842–4. April 1926) (Bio­gra­phi­sche In­for­ma­ti­on auf der Home­page des Thys­sen­Krupp Kon­zerns). [On­line]
Fritz Thys­sen (9. No­vem­ber 1873-8.Fe­bru­ar 1951), Amé­lie Thys­sen (11. De­zem­ber 1877-25. Au­gust 1965), und Ani­ta Grä­fin Zichy-Thys­sen (13. Mai 1909-20 Au­gust 1990) (Bio­gra­phi­sche In­for­ma­ti­on auf der Home­page des Thys­sen­Krupp Kon­zerns). [On­line]
Fritz Thys­sen in der Da­ten­bank der deut­schen Par­la­ments­ab­ge­ord­ne­ten (In­for­ma­ti­ons­por­tal der Baye­ri­schen Staats­bi­blio­thek). [On­line]
Hein­rich Thys­sen-Bor­n­emis­za (31.Ok­to­ber 1875-26. Ju­ni 1947) (Bio­gra­phi­sche In­for­ma­ti­on auf der Home­page des Thys­sen­Krupp Kon­zerns). [On­line]
Thys­sen­Krupp Kon­zernar­chiv Be­stands­über­sicht (In­for­ma­ti­on auf der Home­page des Thys­sen­Krupp Kon­zerns). [On­line]

Fritz Thyssen bei einer Ansprache im Stahlhof in Düsseldorf anlässlich einer Mitarbeiterversammlung der Vereinigte Stahlwerke AG, Mitte der 1930er Jahre. (ThyssenKrupp AG)

 
Zitationshinweis

Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Rasch, Manfred, Familie Thyssen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/familie-thyssen/DE-2086/lido/57c93eda1220e8.71868134 (abgerufen am 08.12.2024)