Ferdinand Freiligrath

Schriftsteller (1810-1876)

Ansgar S. Klein (Bonn)

Porträt von Ferdinand Freiligrath, von Johann Peter Hasenclever (1810-1853), Öl auf Leinwand, 1851. (CC BY-NC-SA 3.0 DE / Staatliche Museen zu Berlin)

Fer­di­nand Frei­li­grath ge­hör­te zu den be­kann­tes­ten po­li­ti­schen deut­schen Dich­tern im 19. Jahr­hun­dert. An der Sei­te von Karl Marx und Fried­rich En­gels en­ga­gier­te er sich wäh­rend der Deut­schen Re­vo­lu­ti­on 1848 und nann­te sich selbst „Trom­pe­ter der Re­vo­lu­ti­on“.

 

Fer­di­nand Her­mann Frei­li­grath kam am 17.6.1810 in Det­mold zur Welt. Sein Va­ter war der Leh­rer Jo­hann Wil­helm Frei­li­grath (1748-1829), sei­ne Mut­ter Lui­se, ge­bo­re­ne Tops (1783-1817). Zwei Schwes­tern star­ben im Kin­des­al­ter. Nach dem Tod der Mut­ter hei­ra­te­te der Va­ter 1819 Wil­hel­mi­ne Schwoll­mann aus Soest, mit der er vier wei­te­re Kin­der hat­te.

Bis 1825 be­such­te Frei­li­grath das Gym­na­si­um sei­ner Ge­burts­stadt und be­gann dann in Soest im Han­dels­haus Schwoll­mann, das den Brü­dern sei­ner Stief­mut­ter ge­hör­te, ei­ne kauf­män­ni­sche Aus­bil­dung. 1832 wech­sel­te er auf ei­ne Stel­le im Gro­ßhan­dels­haus Ja­kob Sig­rist in Ams­ter­dam. Nach fünf Jah­ren kehr­te er nach Deutsch­land zu­rück und ar­bei­te­te bis 1839 in Bar­men (heu­te Stadt Wup­per­tal) als Kon­to­rist im Gro­ßhan­dels­haus J. P. von Eynern und Söh­ne.

Be­reits in Soest hat­te Frei­li­grath sich in der Dicht­kunst ver­sucht. Die ers­ten Wer­ke er­schie­nen ab 1828 im Soes­ter Wo­chen­blatt. Mit Ver­öf­fent­li­chun­gen in dem von Adel­bert von Cha­mis­so (1781-1838) und Gus­tav Schwab (1792-1859) her­aus­ge­ge­be­nen „Deut­schen Mu­sen­al­ma­na­ch“ ge­lang es dem jun­gen Dich­ter 1835, über­re­gio­nal Auf­merk­sam­keit zu er­lan­gen. Der 1838 bei Cot­ta er­schie­ne­ne Band ei­ner ers­ten Aus­wahl sei­ner Ge­dich­te mit vor­wie­gend ori­en­ta­li­scher The­ma­tik fand ei­ne gu­te Auf­nah­me. Er über­setz­te für die Ge­samt­aus­ga­be der Wer­ke Vic­tor Hu­gos (1802-1885) Ge­dich­te und Bal­la­den. 1837 wur­de er Mit­her­aus­ge­ber des „Rhei­ni­schen Ode­on“. Mit Karl Sim­rock und Chris­ti­an Mat­z­er­ath (1815-1876) gab er 1839 das „Rhei­ni­sche Jahr­buch für Kunst und Poe­sie“ her­aus.

Im glei­chen Jahr ent­schied er sich da­zu, sei­ne An­stel­lung auf­zu­ge­ben und sich als frei­er Schrift­stel­ler in Un­kel am Rhein nie­der­zu­las­sen. Zu­sam­men mit sei­nem Freund Le­vin Schü­cking (1814-1883) über­nahm er den Auf­trag zu ei­nem Buch über „Das ma­le­ri­sche und ro­man­ti­sche West­pha­len“, für ihn ei­ne Hin­wen­dung zu Land­schaft und Re­gi­on. Zur Vor­be­rei­tung ma­chen bei­de ei­ne Rei­se durch West­fa­len. Frei­li­grath schrieb letzt­lich nur das Er­öff­nungs­ge­dicht und die Ein­lei­tung.

Ferdinand Freiligrath, Porträtfoto, 1868.

 

Grö­ße­re Be­kannt­heit er­lang­te Frei­li­grath durch die Ret­tung ei­nes ro­man­ti­schen Denk­mals. Nach­dem in der Nacht vom 28. auf den 29.12.1839 der Schwib­bo­gen des letz­ten auf­recht ste­hen­den Ge­bäu­de­res­tes der ehe­ma­li­gen Burg Ro­lands­eck, der so ge­nann­te Ro­lands­bo­gen, ein­ge­stürzt war, ver­öf­fent­lich­te Frei­li­grath am 12.1.1840 in der Köl­ni­schen Zei­tung ei­nen Spen­den­auf­ruf in Vers­form zum Wie­der­auf­bau der ro­man­ti­schen Rui­ne. Der Zu­spruch für das Pro­jekt war im­mens. Für die vie­len Geld­be­trä­ge wur­den Sam­mel­stel­len beim Ver­le­ger in Köln, beim Buch­händ­ler Ba­ede­ker in Ko­blenz und bei Frei­li­grath in Un­kel ein­ge­rich­tet. Die Ak­ti­on schien zu schei­tern, als be­kannt wur­de, dass die Prin­zes­sin Ma­ri­an­ne von Preu­ßen (1785-1846), die Ei­gen­tü­me­rin der Rui­ne war, be­ab­sich­tig­te, die Wie­der­her­stel­lung selbst zu fi­nan­zie­ren. Durch Ver­mitt­lung von Si­byl­le Mer­tens-Schaaff­hau­sen ge­lang es, die Zu­stim­mung der Prin­zes­sin zu er­hal­ten, die zum Wie­der­auf­bau ge­sam­mel­ten Gel­der für die­sen Zweck auch zu ver­wen­den. Die Prin­zes­sin stif­te­te statt­des­sen ei­nen glei­chen Be­trag für die Schu­le in Ro­lands­werth. Für die Bau­lei­tung der Wie­der­her­stel­lung des ein­ge­stürz­ten Schwib­bo­gens zeich­ne­te im­mer­hin der spä­te­re Dom­bau­meis­ter Ernst Fried­rich Zwir­ner ver­ant­wort­lich. Das von Frei­li­grath im Som­mer 1840 her­aus­ge­ge­be­ne „Ro­land­sal­bum“ stand im Zei­chen der Spät­ro­man­tik und ver­sam­mel­te Ge­dich­te zum The­ma der Ro­land­sa­ge.

Eben­falls 1840 lern­te er in Un­kel Ida Me­los (1817-1899), die Toch­ter ei­nes Wei­ma­rer Gym­na­si­al­pro­fes­sors, ken­nen. Die bei­den ver­lob­ten sich und reis­ten nach Stutt­gart und Wei­mar. 1841 hei­ra­te­ten sie in Groß-Neu­hau­sen bei Wei­mar und sie­del­ten nach Darm­stadt über. Ein Jahr spä­ter ließ sich das Ehe­paar wie­der am Rhein, in St. Goar, nie­der. Auf Ver­an­las­sung von Alex­an­der von Hum­boldt (1769-1859) er­hielt Frei­li­grath vom preu­ßi­schen Kö­nig Fried­rich Wil­helm IV. (Re­gent­schaft 1840-1858) ei­nen Eh­ren­sold ge­zahlt.

Ab 1843 ge­riet Frei­li­grath mit sei­nen Ver­öf­fent­li­chun­gen mit der Zen­sur in Kon­flikt. Die­se Aus­ein­an­der­set­zung ließ aus dem spät­ro­man­ti­schen Dich­ter erst den po­li­ti­schen Dich­ter wer­den, der in sei­nem Werk im­mer mehr rea­lis­ti­sche und so­zi­al ge­präg­te The­men an­sprach und bald auch ta­ges­po­li­tisch Stel­lung be­zog.

Der Rolandsbogen, Lithographie nach einer unbekannten Vorlage, vor 1837.

 

1844 zog er nach Ass­manns­hau­sen, wo er die Ar­bei­ten an der Samm­lung sei­ner po­li­ti­schen Ge­dich­te „Ein Glau­bens­be­kennt­ni­ß“ ab­schloss. Sie er­schien noch im glei­chen Jahr. Der nun als po­li­ti­scher Dich­ter be­kann­te Frei­li­grath ver­zich­te­te auf die vom preu­ßi­schen Kö­nig ver­lie­he­ne Pen­si­on, um sich nicht zu kom­pro­mit­tie­ren. Aus Furcht vor po­li­ti­scher Ver­fol­gung ver­ließ er Deutsch­land und ließ sich in Bel­gi­en nie­der. In Brüs­sel be­geg­ne­te er erst­mals Karl Marx. Nur ein Jahr spä­ter, 1845, zog er in die Schweiz. Der 1846 dort er­schie­ne­ne Ge­dicht­band „Ça ira!“ ver­sam­mel­te po­li­ti­sche Lie­der, in de­nen er Pres­se­frei­heit for­der­te und ve­he­ment zur Ab­schaf­fung der Adels­herr­schaft auf­rief. Wie­der­um ein Jahr spä­ter zog Frei­li­grath nach Eng­land (Lon­don). Der Dich­ter ar­bei­te­te jetzt als Kor­re­spon­dent des Han­dels­hau­ses Fred. Huth und lehr­te als deut­scher Do­zent an der Lon­do­ner Uni­ver­si­tät. 1848 plan­te Frei­li­grath die Aus­wan­de­rung nach Ame­ri­ka. Doch mit dem Aus­bruch der Re­vo­lu­ti­on in Deutsch­land än­der­te er sei­ne Plä­ne und kehr­te wie Marx und En­gels nach Deutsch­land zu­rück. In Düs­sel­dorf nahm er ak­tiv am re­vo­lu­tio­nä­ren po­li­ti­schen Ge­sche­hen teil, war Mit­glied der de­mo­kra­ti­schen Ver­ei­ne. Die Le­sung und der Druck sei­nes Ge­dich­tes „Die Tod­ten an die Le­ben­den“ führ­ten zu ei­ner An­kla­ge we­gen „Auf­rei­zung zu hoch­ver­räthe­ri­schen Un­ter­neh­mun­gen“ vor dem As­sis­en­hof in Düs­sel­dorf. Der am 3.10.1848 statt­fin­den­de Pro­zess en­de­te mit ei­nem Frei­spruch des Dich­ters.

Frei­li­grath zog nach Köln und ar­bei­te­te als Re­dak­teur bei der von Karl Marx her­aus­ge­ge­be­nen „Neu­en Rhei­ni­schen Zei­tun­g“. Zu­sam­men mit Marx und En­gels war er zeit­wei­se Mit­glied des Bun­des der Kom­mu­nis­ten. Als die „Neue Rhei­ni­sche Zei­tung“ im Mai 1849 ihr Er­schei­nen ein­stell­te, floh er in die Nie­der­lan­de. 1850 kehr­te er nach Deutsch­land zu­rück und wohn­te in Bilk bei Düs­sel­dorf.

Um ei­ner Ver­haf­tung zu ent­ge­hen, die nach der Ver­öf­fent­li­chung ei­ner Samm­lung „Neu­er po­li­ti­scher und so­cia­ler Ge­dich­te“ droh­te, wähl­te er 1851 er­neut die Emi­gra­ti­on und sie­del­te nach Lon­don über. Hier ar­bei­te­te er zu­nächst wie­der als kauf­män­ni­scher An­ge­stell­ter in ei­nem Han­dels­haus. Von 1856 bis zu de­ren Schlie­ßung 1865 lei­te­te er die Lon­do­ner Fi­lia­le ei­ner Schwei­zer Bank. 1857 nahm er die bri­ti­sche Staats­bür­ger­schaft an. Sei­ne li­te­ra­ri­sche Ar­beit im Exil be­stand aus Ge­le­gen­heits­ge­dich­ten, vor al­lem aber aus Über­set­zun­gen von Pro­sa und Ly­rik eng­li­scher und ame­ri­ka­ni­scher Au­to­ren, un­ter an­de­rem Hen­ry Wadsworth Long­fel­low (1807-1882) und Walt Whit­man (1819-1892).

An­läss­lich des preu­ßisch-ös­ter­rei­chi­schen Krie­ges 1866 nahm Frei­li­grath ei­ne deut­lich an­ti­preu­ßi­sche Stel­lung ein. 1867 rief Emil Rit­ters­haus (1834-1897) in der „Gar­ten­lau­be“ zu ei­ner Na­tio­nal­spen­de für den in fi­nan­zi­el­ler Be­dräng­nis ge­glaub­ten Dich­ter auf und si­cher­te auf die­se Wei­se die Rück­kehr nach Deutsch­land. In Köln wur­de Frei­li­grath 1868 ein be­geis­ter­ter Emp­fang be­rei­tet. Da er nach wie vor ei­ne po­li­ti­sche Ver­fol­gung fürch­te­te, ließ er sich nicht in Preu­ßen nie­der, son­dern wähl­te das li­be­ra­le­re würt­tem­ber­gi­sche Stutt­gart. 1869 be­reis­te er noch ein­mal West­fa­len, be­such­te Bie­le­feld, Det­mold und Soest.

Die spä­ten po­li­ti­schen Ge­dich­te, die an­läss­lich des Deutsch-Fran­zö­si­schen Krie­ges 1870/1871 ent­stan­den, wei­sen ei­ne star­ke pa­trio­ti­sche Be­geis­te­rung auf („Hur­ra, Ger­ma­nia!“), aber dann auch ein Be­kla­gen der To­ten („Die Trom­pe­te von Vi­on­vil­le“).

Ein letz­tes Mal wech­sel­te er 1874 den Wohn­ort und sie­del­te nach Cann­statt über. Hier starb er am 18.3.1876. Sei­ne Grab­stät­te be­fin­det sich auf dem dor­ti­gen Uff-Kirch­hof. Ob­wohl nach Frei­li­grath in Deutsch­land zahl­rei­che Stra­ßen und Plät­ze so­wie meh­re­re Schu­len be­nannt sind, ist er heu­te weit­ge­hend in Ver­ges­sen­heit ge­ra­ten.

Der Rolandsbogen, 2011, Foto: Ansgar Klein.

 
Zitationshinweis

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Klein, Ansgar S., Ferdinand Freiligrath, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/ferdinand-freiligrath/DE-2086/lido/57c6bf3887a909.06971757 (abgerufen am 06.11.2024)