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Franz Brandts zählt zu jenen rheinischen Unternehmern, die eine Antwort auf die mit der Industrialisierung verbundenen sozialen Problemen suchten. In seiner Textilfirma begann er in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts mit vorbildlichen sozialen Einrichtungen. Der von ihm 1890 mitgegründete „Volksverein für das katholische Deutschland" wurde mit seiner Unterstützung mit schließlich 800.000 Mitgliedern zu einer Massenorganisation, deren Ziel es war, die Arbeiter mündig zu machen, ihre Rechte zu sichern und soziale Reformen durchzusetzen.
Am 12.11.1834 wurde Brandts in Mönchengladbach (damals Gladbach genannt) als Sohn des Textilverlegers Franz Anton Brandts (1801-1876) und seiner Frau Apollonia Déhaut (1807-1889) geboren. Sein Vater beschäftigte Handweber, die bei sich zu Hause Mischgewebe aus Seide und Baumwolle herstellten, die er deutschlandweit vertrieb. Auf einer solchen Verkaufsreise in die Pfalz hatte er seine Frau kennen gelernt. Er selbst stammte aus einer alteingesessenen Gladbacher Schöffenfamilie.
Nach dem Besuch der Höheren Stadtschule in seiner Heimatstadt von 1845 bis 1849 trat Franz Brandts wie seine beiden Brüder Karl (1833-1913) und Emil (1837-1916) in das väterliche Unternehmen ein und begleitete seinen Vater auf den Geschäftsreisen durch Deutschland. 1863 ging er nach England, um die dortige Textilindustrie näher zu studieren. Er kam mit der Überzeugung zurück, dass die Handweberei keine Zukunft mehr habe. Deshalb bestellte er trotz des Widerstands seines Vaters in England mechanische Webstühle. 1865 wandelte er den väterlichen Betrieb in ein mechanische Halbwollweberei um. Es war die erste in Mönchengladbach. 1872 eröffnete er seine eigene Firma.
1867 heiratete er Maria Roosen (1838-1918), Tochter eines Gladbacher Notars, mit der er acht Kinder haben sollte. 1866 hatte Brandts vergeblich versucht, in das Preußische Abgeordnetenhaus gewählt zu werden. 1871 erhielt er einen Sitz in der Gladbacher Stadtverordnetenversammlung, den er 33 Jahre wahrnahm, bis ihm 1904 Johannes Giesberts, der spätere Reichspostminister, als erster Gladbacher Ratsherr aus der Arbeiterschicht nachfolgte.
Seine soziale Einstellung hatte er bereits 1867 unter Beweis gestellt, als er die Arbeitszeit in der väterlichen Firma auf täglich zwölf Stunden begrenzen wollte. In seinem eigenen Unternehmen richtete er 1872 eine Betriebskrankenkasse ein, zu der er einen Zuschuss von 50 Prozent der eingezahlten Beiträge leistete. Die Versicherten erhielten kostenfreie ärztliche Behandlung und Arzneimittelversorgung. Ein halbes Jahr lang wurde die Hälfte des Durchschnittslohns der letzten vier Wochen vor der Erkrankung gezahlt. Die Überschüsse verzinste Brandts mit 5 Prozent. Die Kasse wurde von den Betriebsangehörigen, die vier der sieben Sitze im Kassenvorstand hatten, weitgehend selbst verwaltet. Daraus entstand das Ältestenkollegium, das sich zum Sprachrohr der Belegschaft entwickelte und schließlich mit Brandts über die Löhne verhandelte.
Neben der Krankenkasse gab es weitere soziale Einrichtungen, die von 1872 bis 1880 entstanden sind: eine Sparkasse, ein Sparverein, ein Instrumentalverein, eine Badeeinrichtung, ein Mittagstisch, eine Bücherei, Erholungsräume, Näh- und Kochunterricht für die Arbeiterinnen und ein Kindergarten. Brandts zahlte die höchsten Löhne in Gladbach.
1880 wurde Brandts in Aachen zum Vorsitzenden des Verbands „Arbeiterwohl" gewählt, der gemäß seines Statuts „auf dem Boden des Christenthums unter Ausschluß aller politischen Zwecke die Verbesserung des Arbeiterstandes" anstrebte und sich an „Arbeiterfreunde" wandte. Das Amt des Generalsekretärs übernahm der katholische Geistliche Franz Hitze (1851-1921), der in das von Brandts bewohnte Josephhaus in Gladbach einzog, in dem auch die meisten sozialen Einrichtungen der Firma untergebracht waren. Hitze hatte sich schon als Student mit der sozialen Frage beschäftigt und 1880 ein Buch mit dem Titel „Kapital und Arbeit und die Reorganisation der Gesellschaft" herausgebracht, das sich mit Karl Marx auseinander setzte.
Zunächst war Brandts noch stark von der Idee geprägt, durch die Wiederherstellung der Moral, durch eine „Rechristianisierung der Gesellschaft" und durch sozial-caritative Einrichtungen die soziale Frage lösen zu können. Doch auch von Anfang an setzte er auf eine Mitwirkung der Arbeiter und wandte sich gegen ihre Bevormundung. Eine bloße Steigerung der Bildung der Arbeiter hielt er für nicht ausreichend. Den Arbeitgebern gab er eine Mitschuld an den sozialen Problemen. Brandts verstand seine Firma als eine erweiterte christliche Familie, deren Vater er war. Er feierte Feste mit seinen Betriebsangehörigen und hatte ein offenes Ohr für ihre Sorgen und Nöte. Persönlich litt er unter dem Kulturkampf: Einer seiner Töchter musste als Klosterschwester Deutschland verlassen.
1890 gehörte er mit Hitze und dem Zentrumspolitiker Ludwig Windthorst (1812-1891) zu den Gründern des „Volksvereins für das katholische Deutschland", da sie, um die religiösen Gegensätze nicht zu verschärfen, eine geplante, die katholischen Belange verteidigende „Katholische Liga" ablehnten. Stattdessen gründeten sie einen Massenverein, der soziale Reformen propagieren sollte. Unter dem Einfluss der führenden Köpfe des „Volksvereins" wurde Brandts immer mehr zu einem Wegbereiter einer auf Partnerschaft beruhenden modernen Wirtschaft. Staatliches Eingreifen hielt er für erforderlich, um Reformen durchzusetzen. Die Bildung von Gewerkschaften bejahte er als Möglichkeit der Arbeitnehmer, ihre Rechte durchzusetzen.
Während des Gewerkschaftsstreits im deutschen Katholizismus von 1900 bis 1914 setze er sich für christlich-interkonfessionelle Gewerkschaften ein. Er bekannte sich zu einer kapitalistisch-industriellen Wirtschaftsordnung und stand auf der Seite Carl Muths (1867-1944), dem Herausgeber der katholischen Monatszeitschrift „Hochland", als er versuchte, die Katholiken aus kirchlicher und bürgerlicher Enge herauszuführen. Die Idee des Klassenkampfs lehnte Brandts ab. Das Dreiklassenwahlrecht hielt er für falsch, weil es die Arbeitnehmer von der politischen Mitwirkung ausschloss. In der Stadtverordnetenversammlung gehörte er der Zentrumsminderheit an, die sich gegen die Mehrheit der Liberalen bis 1912 nicht durchsetzen konnte.
Trotz seiner großen wirtschaftlichen Erfolge wurde er von Preußen bewusst nicht mit dem Titel eines Kommerzienrats geehrt. 1896 erhielt er als Ausgleich den selten verliehenen Wilhelmorden.
Am 5.10.1914 starb Brandts in Mönchengladbach. Begraben wurde er neben der Aloysiuskapelle, die er 1889 mitten in seiner Arbeitersiedlung für seinen mit 18 Jahren an Lungentuberkulose verstorbenen ersten Sohn hatte errichten lassen.
Quellen
Hohn, Wilhelm, Franz Brandts (Führer des Volkes 12), 2. Aufllage, Mönchengladbach 1920 [Biographie Brandts, darin eine Sammlung seiner Reden].
Löhr, Wolfgang (Hg.), Die Fabrikordnung der Firma F. Brandts zu Mönchengladbach, Mönchengladbach 1974.
Literatur
Klein, Gotthard, Der Volksverein für das katholische Deutschland, Paderborn u.a. 1996.
Löhr, Wolfgang, Die Fabrikordnung der Firma Franz Brandts in Mönchengladbach, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 178 (1976), S. 145-157.
Löhr, Wolfgang, Franz Brandts, in: Zeitgeschichte in Lebensbilder, Band 3, Mainz 1979, S. 91-105, 286.
Online
Apelt, Kurt, Artikel "Brandts, Franz", in: Neue Deutsche Biographie 2 (1955), S. 534. [Online]
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Löhr, Wolfgang, Franz Brandts, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franz-brandts-/DE-2086/lido/57c586ef47c951.08060900 (abgerufen am 15.10.2024)