Franz Buirmann

Hexenjäger (um 1590–nach 1667)

Thomas P. Becker (Bonn)
Veröffentlicht am 30.08.2016, zuletzt geändert am 02.01.2025

Nicht authentische Darstellung eines Hexenjägers, Kupferstich von Hendrik Bra, 1. Hälfte 17. Jahrhundert.

Franz Buir­mann war ei­ner der er­bar­mungs­lo­ses­ten He­xen­jä­ger der deut­schen Ge­schich­te. Als kur­k­öl­ni­scher Jus­tiz­kom­mis­sar war er an zahl­rei­chen rhei­ni­schen He­xen­pro­zes­sen be­tei­ligt. Im an­gel­säch­si­schen Raum kennt man ihn da­her un­ter der Be­zeich­nung „the witch-see­ker of Co­lo­gne“.

Buir­mann wur­de ge­gen En­de des 16. Jahr­hun­derts in Eus­kir­chen ge­bo­ren. We­der sein Ge­burts- noch sein To­des­da­tum sind be­kannt, aber da er im Jah­re 1608 an der Köl­ner Uni­ver­si­tät im­ma­tri­ku­liert wur­de, wird an­ge­nom­men, dass er um 1590 ge­bo­ren wur­de. Mög­li­cher­wei­se war er der Sohn des Eus­kir­che­ner Trom­mel­schlä­gers Stef­fen Spil­man, der um 1590 be­zeugt ist und zu die­sem Zeit­punkt noch min­des­tens ei­nen äl­te­ren Sohn ge­habt hat. Den Hin­weis auf die Ab­stam­mung von ei­nem ar­men Spiel­mann ha­ben wir, wie fast al­le An­ga­ben zu Franz Buir­mann, aus dem Buch „weh­mü­ti­ge Kla­ge der from­men Un­schül­ti­gen“ des Rhein­ba­cher Schöf­fen Her­mann Lö­her, der ein er­bit­ter­ter Feind Buir­manns war. Buir­mann schrieb sich an der Uni­ver­si­tät für Ju­ra ein, was be­deu­tet, dass er vor­her schon ei­nen aka­de­mi­schen Ab­schluss in den „sie­ben frei­en Küns­ten“ an ei­nem Kol­leg oder an ei­ner Ar­tis­ten­fa­kul­tät ge­macht ha­ben muss. Das war Kin­dern aus är­me­ren Schich­ten oh­ne ei­nen rei­chen Gön­ner oder ein Sti­pen­di­um aber nicht mög­lich. Be­kannt ist dar­über nichts, so­dass die Ab­stam­mung durch­aus in Zwei­fel ge­zo­gen wer­den kann.

Nach sei­nem Stu­di­um und sei­ner Pro­mo­ti­on zum Dok­tor der Ju­ris­pru­denz er­hielt Buir­mann ei­ne An­stel­lung beim Gra­fen Wer­ner von Salm-Reif­fer­scheidt in des­sen kur­k­öl­ni­scher Un­ter­herr­schaft Alf­ter in der Nä­he von Bonn. Von dort aus ge­lang ihm der Sprung an ei­nes der bei­den höchs­ten kur­k­öl­ni­schen Ge­rich­te, an das Ho­he Welt­li­che Ge­richt zu Bonn. Am 4.1.1628 er­hielt er sei­ne Be­stal­lung. Er war der ers­te Bon­ner Schöf­fe, der ein vol­les aka­de­mi­sches Ju­ra­stu­di­um ab­sol­viert hat­te. An­schei­nend ist Buir­mann sein gan­zes Le­ben lang in die­ser Po­si­ti­on ge­blie­ben, was un­ge­wöhn­lich ist, da das Schöf­fen­amt am Bon­ner Hoch­ge­richt für an­de­re stu­dier­te Ju­ris­ten ein Sprung­brett zu hö­he­ren Äm­tern in der kur­k­öl­ni­schen Ver­wal­tung war.

1635 hei­ra­te­te Buir­mann ei­ne Ka­tha­ri­na Wal­ra­vens. Die Fa­mi­lie der Wal­ra­vens ist in Bonn seit dem 15. Jahr­hun­dert nach­weis­bar, ih­re Häu­ser be­fan­den sich im­mer in der bes­se­ren Wohn­ge­gend der so­ge­nann­ten „Stifts­stadt“. Nach Her­mann Lö­her war Buir­mann, den er als ha­ger und kahl­köp­fig be­schreibt, zwar sehr um das weib­li­che Ge­schlecht be­müht, ha­be aber al­lent­hal­ben ei­nen Korb er­hal­ten. Da­her ha­be er schlie­ß­lich in Bonn die Toch­ter ei­nes ar­men Sal­pe­ter­grä­bers hei­ra­ten müs­sen. Es gab aber um 1635 kei­nen Sal­pe­ter­ma­cher in Bonn mit Na­men Wal­ra­vens. Das ist des­we­gen von Be­deu­tung, weil in ame­ri­ka­ni­schen Buch­ver­öf­fent­li­chun­gen und In­ter­net-Sei­ten die an­geb­li­che Un­at­trak­ti­vi­tät Buir­manns als psy­cho­lo­gi­sche Er­klä­rung für sein sa­dis­ti­sches Vor­ge­hen ge­gen Frau­en in sei­nen He­xen­pro­zes­sen dient. Dies ist wohl nicht stich­hal­tig.

Das Paar hat­te min­des­tens vier Kin­der, von de­nen ei­nes 1644 starb. Die Über­le­ben­den wa­ren Jo­han­nes (ge­bo­ren 1635), Jo­hann Adolph (ge­bo­ren 1636), und ei­ne Toch­ter na­mens Ca­tha­ri­na, de­ren Ge­burts­jahr un­be­kannt ist. Sie wird ver­mut­lich das äl­tes­te Kind ge­we­sen sein, denn als Franz Buir­mann im Jah­re 1652 in Meh­lem im Sü­den von Bonn ei­nen un­ehe­li­chen Sohn tau­fen ließ, den er mit ei­ner Magd ge­zeugt hat­te, war sei­ne Toch­ter die Pa­tin. Die letz­te Nach­richt über Franz Buir­mann stammt aus dem Jah­re 1667, in dem er in Bonn das Haus „zum gol­de­nen Rin­g“ dem Vogt zu Mon­heim ver­kauf­te. Viel­leicht ist hier der An­lass für das Ge­rücht über sei­ne Ab­stam­mung zu fin­den, denn das Haus „zum gol­de­nen Rin­g“ hat­te um 1620 dem Sal­pe­ter­grä­ber Jo­hann Bo­eß­gen ge­hört.

In dem Jahr, in dem Dr. Franz Buir­mann sei­ne Be­stal­lung als Schöf­fe am Ho­hen Welt­li­chen Ge­richt zu Bonn er­hielt, er­reich­te die eu­ro­päi­sche He­xen­ver­fol­gung ih­ren Hö­he­punkt. Auch in Bonn sind für die Jah­re 1628 und 1629 zahl­rei­che He­xen­pro­zes­se nach­weis­bar, die zu min­des­tens 50 To­des­ur­tei­len führ­ten. Pro­zess­ak­ten die­ser Ver­fol­gung sind nicht er­hal­ten, aber aus ei­ner No­tiz in ei­ner Tes­ta­ment­s­an­ge­le­gen­heit lässt sich schlie­ßen, dass der neue Schöf­fe an die­sen Ver­fah­ren be­tei­ligt war. Nach der kur­k­öl­ni­schen He­xen­ge­richts­ord­nung war es not­wen­dig, in al­len Fäl­len, bei de­nen die ört­li­chen Schöf­fen­ge­rich­te Pro­ble­me mit He­xen­pro­zes­sen hat­ten, ei­nen aka­de­misch aus­ge­bil­de­ten Ju­ris­ten als „un­par­tei­ischen Rechts­ge­lehr­ten“ von ei­nem der bei­den Hoch­ge­rich­te in Köln oder Bonn als Fach­mann hin­zu­zu­zie­hen. Buir­mann hat sich an­schei­nend als ein sol­cher „com­mis­sa­ri­us“ in He­xen­fra­gen be­son­ders pro­fi­liert, so dass er spä­tes­tens seit 1630 im­mer wie­der an­ge­for­dert wur­de. Schon 1629 wur­de Buir­mann als ju­ris­ti­scher Fach­be­ra­ter zu He­xen­pro­zes­sen nach Fre­chen in der Nä­he von Köln ge­ru­fen und 1630 nahm er an He­xen­pro­zes­sen in den Herr­schaf­ten Vi­lich und Schwarz-Rhein­dorf ge­gen­über von Bonn teil. Ver­mut­lich im sel­ben Jahr wur­de er auch in die Herr­schaft Heim­erz­heim be­or­dert, um bei den dor­ti­gen He­xen­pro­zes­sen zu as­sis­tie­ren, ob­wohl dies kei­ne kur­k­öl­ni­sche Herr­schaft war. 1631 be­gann die He­xen­ver­fol­gung im be­nach­bar­ten Städt­chen Rhein­bach, zu der Franz Buir­mann als He­xen­kom­mis­sar ge­ru­fen wur­de. Mit äu­ßers­ter Skru­pel­lo­sig­keit ge­lang es Buir­mann, die wi­der­stre­ben­den Schöf­fen zu sei­nem Werk­zeug bei der Ver­fol­gung un­schul­di­ger Rhein­ba­cher Bür­ger zu ma­chen. Mit Über­re­dun­gen und Dro­hun­gen brach­te er die Schöf­fen da­zu, ihm Blan­ko-Haft­be­feh­le aus­zu­stel­len. Die dar­auf­hin ver­haf­te­ten Ver­däch­ti­gen wa­ren die An­ge­hö­ri­gen ei­ni­ger Schöf­fen. Erst das un­ge­setz­li­che Vor­ge­hen ge­gen die rei­che Kauf­manns­wit­we Chris­ti­na Böff­gens führ­te zur Ab­lö­sung Buir­manns. Buir­mann hat­te ge­gen den Ein­spruch des Hen­kers die Frau über das er­laub­te Maß hin­aus fol­tern las­sen, wes­halb sie auf der Fol­ter starb. Un­mit­tel­bar da­nach war er mit ei­ni­gen sei­ner An­hän­ger in ihr Haus ein­ge­drun­gen und hat­te Bar­geld und Wert­pa­pie­re an sich ge­bracht. Bei­des war streng ver­bo­ten. Buir­mann tauch­te nach 1631 für ei­ni­ge Jah­re nicht mehr in rhei­ni­schen He­xen­pro­zes­sen auf. Aber 1636 be­gann er wie­der mit sei­nen Ak­ti­vi­tä­ten, dies­mal im rechts­rhei­ni­schen Sieg­burg. Auch dies war kei­ne kur­k­öl­ni­sche Stadt, son­dern un­ter­stand dem Abt von Sieg­burg und war ei­ne Vog­tei des Her­zogs von Berg. Aber der am­tie­ren­de Abt war amts­mü­de und hat­te sich nach Köln zu­rück­ge­zo­gen. Der Sieg­bur­ger Bür­ger­meis­ter nutz­te die Gunst der Stun­de, um sei­ne Macht zu ver­grö­ßern, in­dem er He­xen­pro­zes­se an das Sieg­bur­ger Schöf­fen­ge­richt zog, das ei­gent­lich nicht da­für zu­stän­dig war. Franz Buir­mann, der erst nach ei­ni­ger Zeit hin­zu­ge­zo­gen wur­de, fach­te auch hier die Ver­fol­gung enorm an. In den bei­den Jah­ren zwi­schen 1636 und 1638 war er ver­ant­wort­lich für den Tod von mehr als 50 Per­so­nen in Sieg­burg.

Die An­zahl der Ver­fol­gungs­op­fer im Städt­chen Rhein­bach und den in sei­ner Nä­he lie­gen­den Ort­schaf­ten Me­cken­heim und Flerz­heim ist nicht mit Si­cher­heit an­zu­ge­ben, aber sie dürf­te bei mehr als 100 Per­so­nen ge­le­gen ha­ben. Be­kannt sind je­doch die 50 Op­fer in Sieg­burg, die zehn Per­so­nen in Heim­erz­heim, die zehn oder mehr Per­so­nen im „Dra­chen­fel­ser Länd­chen“ in der heu­ti­gen Ge­mein­de Wacht­berg und die min­des­tens 50 Op­fer in Bonn; da­mit liegt die Ge­samt­zahl der Men­schen, die durch die Ak­ti­vi­tä­ten Franz Buir­manns zu To­de ge­kom­men sind, bei min­des­tens 220. We­gen der nicht un­er­heb­li­chen Dun­kel­zif­fer ist eher mit über 300 To­ten zu rech­nen. Franz Buir­mann war bei­lei­be nicht der ein­zi­ge He­xen­kom­mis­sar im Kur­fürs­ten­tum Köln, aber so­weit wir wis­sen, war er der ver­bis­sens­te und grau­sams­te.

Literatur

Be­cker, Tho­mas P., He­xen­ver­fol­gung im Erz­stift Köln, in: Lenn­artz, Ste­fan/Tho­mé, Mar­tin (Hg.), He­xen­ver­fol­gung im Rhein­land. Er­geb­nis­se neue­rer Lo­kal- und Re­gio­nal­for­schun­gen, Ber­gisch Glad­bach 1996, S. 89-136.
Be­cker, Tho­mas P., Her­mann Lö­her als Au­gen­zeu­ge der He­xen­ver­fol­gung in Rhein­bach, in: An­na­len des His­to­ri­schen Ver­eins für den Nie­der­rhein 206 (2003), S. 129-157.
Be­cker, Tho­mas P., Krä­mer, Krie­cher, Kom­mis­sar. De­zen­tra­li­sie­rung als Mit­tel kur­k­öl­ni­scher Herr­schafts­pra­xis in He­xe­rei­an­ge­le­gen­hei­ten, in: Volt­mer, Ri­ta (Hg.), He­xen­ver­fol­gung und Herr­schafts­pra­xis, Trier 2005, S. 183-204.
Be­cker, Tho­mas P., Ar­ti­kel "Buir­mann, Franz", in: En­cy­clo­pe­dia of Witch­craft. The Wes­tern Tra­di­ti­on, Vol. I, ed. by Ri­chard Gol­den, San­ta Bar­ba­ra 2006, S. 149.
Heu­ser, Pe­ter Ar­nold, Pro­so­po­gra­fie der kur­k­öl­ni­schen Zen­tral­be­hör­den, Die ge­lehr­ten rhei­ni­schen Rä­te 1550-1600: Stu­di­en- und Kar­rie­re­ver­läu­fe, so­zia­le Ver­flech­tung, Teil I/1, in: Rhei­ni­sche Vier­tel­jahrs­blät­ter 66 (2002), S. 264-319, Teil I/2, in: Rhei­ni­sche Vier­tel­jahrs­blät­ter 67 (2003), S. 37-103.

 
Zitationshinweis

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Becker, Thomas P., Franz Buirmann, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franz-buirmann-/DE-2086/lido/57c58aeac90997.51257110 (abgerufen am 18.01.2025)