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Im Aachener Umland war Dr. Franz Laumen eine der Schlüsselfiguren, um den Nationalsozialisten neue Wählerschichten im katholisch-bürgerlichen Milieu zu erschließen. Unmittelbar nachdem Franz von Papen (1879–1969) das Verbot der Mitgliedschaft in der NSDAP für Berufsbeamte aufgehoben hatte, trat er als Bürgermeister der Gemeinde Gangelt im heutigen Kreis Heinsberg der Partei bei. Nachdem Laumen im April 1933 als Landrat nach Monschau berufen wurde, geriet er jedoch mit den Parteigrößen vor Ort in Konflikte. Diese betrafen vor allem die Stellung der katholischen Kirche innerhalb der NS-Volksgemeinschaft. Seit Februar 1934 amtierte Laumen unter anderem als ‚Führer‘ der von Papen gegründeten Arbeitsgemeinschaft Katholischer Deutscher für das Bistum Aachen.
Franz Laumen wurde am 18.2.1892 als das neunte Kind des Landwirtes Peter Josef Hubert Laumen (1849-1940) und von dessen Ehefrau Anna Agnes Franziska (1850-1909), geborene Janßen, in einem katholischen Elternhaus in Waldenrath im heutigen Kreis Heinsberg geboren. Sein Studium der Philologie in Bonn unterbrach Laumen nach Kriegsausbruch, um in mehreren Reserve-Infanterie-Regimentern an der Front – unter anderem bei Verdun – zu kämpfen. Hierfür wurde Laumen mit dem Eisernen Kreuz 1. und 2. Klasse ausgezeichnet. Nach Kriegsende nahm er ein juristisches und volkswirtschaftliches Studium in Köln auf. Seine im Jahr 1920 fertiggestellte Arbeit für das Kommunalbeamtendiplom über städtische Rieselfelder erweiterte er im darauffolgenden Jahr zu einer Dissertation. Danach folgte eine kurze Lehrtätigkeit an einer städtischen Verwaltungsschule in Dortmund. Dort lernte Laumen auch die Hilfsschullehrerin Marie-Luise Schiffer (geboren 1901) kennen, die er im Mai 1924 heiratete.
Ebenfalls im Jahr 1924 wurde Laumen vom Oberpräsidenten der Rheinprovinz als hauptamtlicher Bürgermeister nach Gangelt berufen. Dort erwiesen sich vor allem die Sanierung des Haushalts und die wirtschaftliche Not der Kleinbauern nach den Inflationsjahren als Herausforderungen. Als Bürgermeister drängte er die klassenkämpferischen Agitationen des KPD-Funktionärs Werner Eggerath zurück, der die Gangelter Kleinbauern im katholisch geprägten Aachener Umland für die politischen Ideen des Kommunismus zu gewinnen versuchte. Darüber hinaus initiierte Laumen mehrere Prestigeprojekte wie den Bau eines Freibads oder einer Sport- und Erholungsanlage, um Gangelt als Fremdenverkehrsort für die benachbarten Belgier und Niederländer attraktiv zu machen. Diese Infrastrukturprojekte und sein großstädtisch geprägter Modernisierungsdrang, der wenig Rücksicht auf die dörflichen Gepflogenheiten nahm, fanden bei der Bevölkerung jedoch kaum Anklang. Berüchtigt war Laumen in Gangelt hauptsächlich für seinen autoritären und obrigkeitsstaatlichen Führungsstil. So unterhielt Laumen, der in politischer Nähe zu Papen und dem politischen Rechtskatholizismus stand, ein angespanntes Verhältnis zum Gangelter Pfarrer Leopold Schleyer (1877–1945), der wie ein Großteil der politischen und klerikalen Eliten im Bistum Aachen den Ideen des Sozialkatholizismus von Papst Leo XIII. (1810–1903) anhing. Diese Spannungen prägten im Weiteren auch die Debatten im Gemeinderat, in dem die Zentrumspartei die Mehrheit stellte. Aufgrund solcher Gegensätze in politischen Sachfragen (beispielsweise befürwortete Laumen eine Kürzung der Abgeordnetendiäten) lehnte das Heinsberger Zentrum auf Geheiß von Schleyer eine Kandidatur von Laumen für den Kreistag ab.
Laumen verließ in der Folge die Zentrumspartei und trat im Jahr 1932 als einer der wenigen Berufsbeamten und Katholiken der NSDAP bei. In den Versprechungen Hitlers – so äußerte Laumen im Rahmen seines späteren Entnazifizierungsverfahrens – habe er die letzte Möglichkeit [gesehen], die wirtschaftliche Depression zu überwinden und die politische Zerrissenheit des Volkes zu beseitigen und eine aufbauwillige Front ehrlicher Deutscher zu schaffen. Inhaltlich dürfte der Rechtskatholik Laumen große Hoffnungen in das Führerprinzip gesetzt haben, um die politischen Probleme und Herausforderungen seiner Zeit zu bewältigen. Des Weiteren bündelte die NSDAP in ihrem Parteiprogramm moderne sowie antimoderne Inhalte, was seinem eigenen politischen Weltbild und seiner Amtsausübung in Gangelt entsprach. Im Oktober 1933 – die früheren Konflikte mit der Dorfbevölkerung gerieten nach der Machtübernahme in Vergessenheit – wurde er zum Ehrenbürger Gangelts ernannt.
Nach seinem Übertritt zur NSDAP sollte Laumen als Gauredner bürgerliche und katholische Wähler an die Partei heranführen. Insbesondere im Heinsberger Land konnte die NSDAP aufgrund der katholischen Milieubindung nur mühsam Fuß fassen. Aus diesem Grund rückte er als bürgerlich-katholischer Repräsentant zwischenzeitlich an die Spitze des NSDAP-Kreisverbandes. Er ersetzte zwischen Februar und April 1933 den aus einem rheinischen Arbeitermilieu stammenden Konrad Volm (1897–1958) als Kreisleiter im neu gebildeten Großkreis Geilenkirchen-Heinsberg. Dass ein Katholik zum NSDAP-Kreisleiter ernannt wurde, war auch in denjenigen Landkreisen, in denen Katholiken die Bevölkerungsmehrheit stellten, eine Ausnahme. Im Jahr 1933 hielt Laumen in Aachen und Umgebung mehrere Wahlkampfreden über seine Abwendung vom Zentrum und seine anschließende Hinwendung zum Nationalsozialismus. Bei diesen Auftritten wurde er vom Gangelter Polizeibeamten Peter König (geboren 1898) adjutiert. Als NSDAP-Kreisleiter war Laumen maßgeblich an der gescheiterten Boykottbewegung gegen jüdische Geschäfte in Heinsberg-Geilenkirchen beteiligt. Bereits seine im Jahr 1921 fertiggestellte Dissertation enthielt einige antisemitische Aussagen. Wie die Wahlergebnisse aus dem Jahr 1933 zeigen, gelang es Laumen allerdings nicht, in größerem Umfang neue Wählerschichten für die NSDAP zu erschließen.
Als Wunschkandidat von Gauleiter Josef Grohé wurde Laumen im April 1933 zum Landrat von Monschau ernannt. Eine Amtsübernahme des Landratsamtes in Geilenkirchen-Heinsberg hatte er noch zugunsten des Amtsinhabers Alexander Czéh (1876–1955) abgelehnt. In Monschau sollte Laumen als ausgewiesener Verwaltungsfachmann und eifriger Parteigänger die Arbeitslosigkeit bekämpfen und den angespannten Kommunalhaushalt sanieren. Ähnlich wie in Gangelt setzte er auch in Monschau lange geplante Infrastrukturprojekte wie zum Beispiel die Errichtung eines Kreiswasserwerks und den Bau von Talsperren um. Diese Erfolge in Verbindung mit seiner politischen Beurteilung als ‚alter Kämpfer‘ immunisierten ihn vorübergehend gegen die anschwellenden Konflikte mit den Parteirepräsentanten vor Ort. Insbesondere mit dem NSDAP-Kreisleiter Fritz Bergerhoff (1896–1956) und dem SA-Obersturmführer Paul Fahnenschreiber (1903–1947) geriet Laumen zunehmend in Dissens. In den beständigen Eigenermächtigungen und Gewaltexzessen der SA um Fahnenschreiber sah Laumen eine Gefahr für die Zustimmung der mehrheitlich katholischen Bevölkerung zum nationalsozialistischen Staat. Des Weiteren sah Laumen die Machtsphäre des Staates gegenüber den Parteiorganisationen bedroht.
Die Konflikte zwischen Laumen und den NSDAP-Akteuren vor Ort entzündeten sich vor allem an der Frage, welchen Stellenwert die katholische Kirche in der ‚Volksgemeinschaft‘ einnehmen sollte. Im September 1933 schrieb Laumen an Bergerhoff: Ich gestatte mir […] den Hinweis, dass unser aller Ziel die Volksgemeinschaft ist. 75–80 % der Einwohner des Kreises Monschau waren Zentrumsanhänger, was an Marxisten da war, dürfte ziemlich restlos zur SA und politischen Partei übergetreten sein. Wie wollen wir nun eine Volksgemeinschaft aufbauen, wenn 80 % zurückgehalten werden. Das Volk ist hier so, dass es mitmacht, wenn es die richtigen Führer hat. Im Februar 1934 wurde Laumen von Rudolf zur Bonsen (1886–1952) und im Einvernehmen mit Grohé zum ‚Führer‘ der von Papen gegründeten Arbeitsgemeinschaft Katholischer Deutscher für das Bistum Aachen ernannt. Die Organisation diente vor allem als Zubringerorganisation für die NSDAP. Als die SA um Fahnenschreiber im Mai 1934 den Pfadfinder Hermann Miessen (1914-1999) sowie den Kaplan Josef Brosch (1907–1978) aufgrund vermeintlicher Auflehnung gegen die Staatsgewalt verhaften und öffentlich misshandeln ließ, versuchte Laumen, beide mithilfe der Aachener Regierung zu schützen. Rückendeckung in diesem Konflikt erhielt Laumen zunächst auch von Grohé, der ihm weiterhin seine Verdienste als ‚alter Kämpfer‘ anrechnete. Sowohl Fahnenschreiber als auch Bergerhoff verloren in der Folge ihre Machtstellung in Monschau.
Später soll Grohé jedoch eine Versetzung von Laumen in das protestantisch geprägte Gummersbach erwogen haben. Gegen diese Pläne protestierten Eggert Reeder (1894–1959) als Aachener Regierungspräsident und Hermann Freiherr von Lüninck als Oberpräsident der Rheinprovinz, die beide eine Kontinuität im Landratsamt Monschau wünschten. Dennoch wurde Laumen im September 1934 aufgrund seiner anhaltenden Kritik an der Ungeeignetheit und dem Verhalten der SA-Führer in den endgültigen Ruhestand versetzt. In der Begründung des Preußischen Innenministeriums heißt es, dass Laumen es leider nicht verstanden [habe], mit den Dienststellen der NSDAP die enge Fühlung zu gewinnen, die zur gedeihlichen Führung der Dienstgeschäfte als Landrat unerläßlich ist. Politische Gründe wurden, anders als bei vielen anderen Kommunalbeamten während der Abberufungswelle im Jahr 1933, nicht angeführt.
Möglicherweise führte der sogenannte Röhm-Putsch im Juni 1934, bei dem auch einige Mitarbeiter aus dem politischen Umfeld von Papen exekutiert wurden, zu einem wachsenden Misstrauen Laumens gegenüber den handelnden politischen Akteuren in Berlin. So behauptete Laumen später, dass er selbst auf einer Liste zur Liquidation gestanden habe. Nach eigenen Angaben war bei ihm nach dem Überfall auf Polen der letzte Funken von Vertrauen zur Staatsführung ausgelöscht. Im März 1943 wurde aufgrund abfälliger Äußerungen über führende Parteifunktionäre ein Parteiausschlussverfahren gegen Laumen eingeleitet, das im August 1944 mit dem Ausschluss aus der NSDAP endete. Unter anderem soll Laumen die hohen Einkommen von Adolf Hitler (1889–1945), Joseph Goebbels (1897–1945) und Hermann Göring (1893–1946) kritisiert haben. Bezüglich der Ermordung der SA-Führung um Ernst Röhm (1887–1934) soll er sinngemäß gesagt haben, dass man in Italien kein Kolonialministerium mehr brauche, da keine Kolonien mehr vorhanden seien und in Deutschland kein Justizministerium [sic!].
Darüber hinaus trat Laumen nach seiner Abberufung als Landrat von Monschau nicht mehr politisch in Erscheinung. Ab Januar 1935 arbeitete er bei der Aachener Regierung als Finanzprüfer. Eine von Grohé und Reeder unterstützte Bewerbung um ein Landratsamt in Andernach scheiterte. Im Januar 1936 wurde Laumen an das Gemeindeprüfungsamt bei der Regierung in Kassel versetzt. Zwischen April 1942 und Mai 1943 stand er wieder als Oberleutnant der Wehrmacht beim Bau-Ersatz-Bataillon 9 in Langensalza im Dienst. Die Entlassung aus dem Dienst erfolgte aufgrund des laufenden Parteiausschlussverfahrens. Gegen die Einberufung in den Volkssturm im Oktober 1944 widersetzte er sich, indem er zunächst seine Wiedereinberufung in die Wehrmacht forderte.

Landrat Franz Laumen beim Bau der Quellenleitung für den letzten Teilbereich der Stadt Monschau, 1934. (Geschichtsverein des Monschauer Landes e.V./CCI13022025_00002)
Nach Kriegsende wurde Laumen zwischen April und Mai 1945 vom alliierten Ortskommandanten Louis Tyroler (Lebensdaten unbekannt) für wenige Tage als Landrat in Korbach eingesetzt. Auf Druck der Alliierten Militärregierung musste Laumen aufgrund seiner NS-Belastung jedoch wieder von diesem Posten abgesetzt werden. Stattdessen wurde er in das Internierungslager Schwarzenborn eingewiesen. Im Januar 1947 wurde Laumen durch die Spruchkammer in Kassel in die Gruppe 5 der Entlasteten eingereiht. Mehrere Entschädigungsklagen gegen seine Abberufung als Landrat in Monschau scheiterten nach Kriegsende ebenso wie Bewerbungen um Landratsämter in Korbach und Wolfhagen. Eine Wiederverwendung im Staatsdienst blieb ihm aufgrund seiner als schwierig eingeschätzten Persönlichkeit seitens der Regierung in Kassel und des hessischen Innenministeriums verwehrt. Bis zu seinem endgültigen Eintritt in den Ruhestand im Jahr 1954 arbeitete Laumen als Ausbildungsleiter für Inspekteure und Sekretäre in Korbach, Kassel und Fulda. Politisch war Laumen in den 1950er Jahren lediglich noch als CDU-Kreisvorsitzender in Waldeck aktiv. Dem Kreis Heinsberg blieb er bis zu seinem Tod am 7.5.1984 verbunden.
Werke
Das städtische Rieselfeld, Köln 1921.
Nachlass
Der Geschichtsverein Monschau verwahrt den Nachlass Dr. Franz Laumen.
Archivquellen
Bischöfliches Diözesanarchiv Aachen, GvO-K A 1086.
Bischöfliches Diözesanarchiv Aachen, GvS L 13.
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 77, Nr. 4367.
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 90 A, Nr. 1046.
Gemeindearchiv Gangelt, Nr. 32. Gemeindearchiv Gangelt, Nr. 9.
Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, 518, Nr. 60508.
Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, 520/22, Nr. 7283.
Hessisches Staatsarchiv Marburg, 401, 11/66.
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland, BR 0001.
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland, BR 0005.
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland, BR 1005.
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland, BR 1011.
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland, NW 130.
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland, NW 652.
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland, RW 0058.
Stadtarchiv Korbach, Nr. 58, Nachlass Dr. Paul Zimmermann.
Literatur
Ohlenforst, Sascha, Deutungskämpfe um die „Volksgemeinschaft“. Franz Laumen als Rechtskatholik, Verwaltungsbeamter und NSDAP-Kreisleiter in einer rheinischen Grenzregion (1924–1934), in: Rheinische Vierteljahrsblätter 88 (2024), S. 150–185.

Aufnahme des Ehepaars Laumen bei der Fertigung eines Porträts durch Willi Tilmans im Dorf Kleinern (Hessen), 1959. (Geschichtsverein des Monschauer Landes e.V./CCI13022025_00005)
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Ohlenforst, Sascha, Franz Laumen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franz-laumen/DE-2086/lido/67c6fde08e8752.47586228 (abgerufen am 28.03.2025)
Veröffentlicht am 05.03.2025, zuletzt geändert am 11.03.2025