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Franz Pfeffer von Salomon - genannt Franz von Pfeffer - war zwischen 1925 und 1930 einer der führenden Nationalsozialisten und trug maßgeblich am Aufbau der Nationalsozialistischen Bewegung in der sogenannten „Kampfzeit“ bei. In dieser Zeit kann er nach Adolf Hitler (1889-1945) und Gregor Strasser (1892-1934) als der dritte Mann der Partei angesehen werden. Im Ersten Weltkrieg als Berufsoffizier bis zum Hauptmann aufgestiegen, führte er nach der Niederlage von 1918 bis 1920 sein eigenes Freikorps in Westfalen und im Baltikum. 1923 leitete er als Führer der „Organisation Pfeffer“ den aktiven Widerstand gegen die französische Ruhrbesetzung. Ab 1925 war er NS-Gauleiter in Westfalen und ab 1926 im Gau Ruhr. Von 1926 bis 1930 war er Oberster Führer der SA.
Am 19.2.1888 in Düsseldorf als Sohn des Geheimen Regierungsrats Max Pfeffer von Salomon (1854-1918) und seiner Ehefrau Anna von Clavé-Bouhaben (1862-1919) geboren, verbrachte Pfeffer als ältestes von fünf Geschwistern eine glückliche Kindheit vor allem in Münster. Nach dem Abitur studierte er Rechtswissenschaften in Heidelberg, Marburg und Münster. Nach dem 1910 in Hamm erfolgreich abgeschlossenen Referendarexamen zog es ihn jedoch zum Militär.
Pfeffer identifizierte sich vollständig mit den Ideenwelten des wilhelminischen Offizierskorps. Im Ersten Weltkrieg diente er die meiste Zeit als Frontoffizier, erhielt zudem eine Stabsausbildung. Pfeffer wurde zwei Mal verwundet, erhielt diverse Auszeichnungen und stieg schließlich bis zum Hauptmann und zum Bataillonskommandeur auf.
Die Revolution 1918 hob das Fundament von Pfeffers Weltanschauung aus den Angeln. Eine massive Gegenreaktion war die Folge. Hinzu kamen sein individualistischer Habitus und sein Selbstverständnis als königlich-preußischer Offizier, die dazu führten, dass er jeden Ausgleich mit dem Weimarer Staat ablehnte und stattdessen von Beginn an der Revolution und ihren Exponenten aktiv entgegentrat. Im Frühjahr 1919 setzte er nach dem Aufruf Gustav Noskes (1868-1946, Reichswehrminister 1919-1920) im Handstreich gegen den Widerstand des Münsteraner Generalsoldatenrates und mit einem bemerkenswerten Organisationstalent die Gründung eines eigenen Freikorps durch, welches in den folgenden Monaten bis zu 3.000 Männer unter den Fahnen hatte.
Die Einsätze in Münster, im Sennelager, in Mannheim sowie an der polnischen Grenze zeigen die enthemmte Gewaltbereitschaft sowie die strikt antikommunistische wie auch antirepublikanische Ausrichtung von Pfeffers Korps. Anfang April erreichte das Korps das Baltikum. Hier erlangte Pfeffer im Rahmen des lettischen Staatsstreichs vom 20.4.1919 reichsweite Aufmerksamkeit, als er mit der, ohne Rücksprache mit den deutschen Behörden erfolgten Entwaffnung der lettischen Besatzung Libaus (heute Liepāja) das Fanal zum Staatsstreich gab.
Während Pfeffer beim Kapp-Putsch nur eine untergeordnete Rolle spielte, trat sein Korps im Zuge des Aufstands der „Roten Ruhrarmee“ im März 1920 erneut in den Dienst der Reichswehr. Nach Abschluss des mit unerbittlicher Härte geführten Bürgerkriegs war jedoch die Auflösung des Freikorps nicht mehr zu verhindern.
In den kommenden Jahren unternahm Pfeffer mehrere Anläufe zur Gründung antirepublikanischer Nachfolgeorganisationen, die jedoch allesamt scheiterten. Ideen und Handlungsmuster glichen dabei denen der Freikorpsgründung. So versuchte er durch Zusammenfassung der militärisch starken Freikorpsklientel das staatliche Gewaltmonopol zu unterlaufen und die Reichsregierung vor vollendete Tatsachen zu stellen. Es ging ihm darum durch den Aufbau einer autonomen paramilitärischen Organisation einen politischen Faktor zu schaffen. Sein mittelfristiges Ziel war der Sturz der Regierung.
Trotz dieser Umtriebe griff die Reichsregierung im Zuge der französisch-belgischen Ruhrbesetzung erneut auf Pfeffer zurück. In deren Auftrag und mit Unterstützung der Reichswehr organisierte Pfeffer von Münster aus den aktiven Widerstand gegen die französische Besatzung. Seine Intention ging jedoch darüber hinaus. Durch eine Eskalation des Konflikts an der Ruhr wollte Pfeffer die Berliner Reichsregierung destabilisieren. Als dies im Frühsommer 1924 immer offensichtlicher wurde, entzogen jedoch sowohl die Reichsregierung als auch die Reichswehr ihm die Unterstützung.
Übersteigerte militärische Attitüde und Selbstbewusstsein, die Unbedingtheit seines Handelns, die Gewaltbereitschaft, das dauerhafte Streben nach Autonomie sowie die latente Subordinationsproblematik – zwischen den Jahren 1919 und 1923 kann Pfeffer als Prototyp eines radikalen Freikorpsführers gelten. Zentrale weltanschauliche Merkmale waren sein unbedingter Antirepublikanismus und die Fixierung auf die Konterrevolution. Pfeffers Handeln war auf einen politischen Umsturz ausgelegt. Dabei vermochte er es allerdings – ebenfalls typisch für jene Generation von Freikorpsführern – nicht, der bestehenden Ordnung eine eigene Staatsidee gegenüberzustellen, die über diffuse Begrifflichkeiten wie deutsch, hierarchisch und gleichzeitig doch egalitär, antisemitisch usw. hinausreichte.
Von den Ereignissen des 9. November 1923 in München ging für Pfeffer ein Fanal aus. Das Scheitern des Hitler-Putsches bestätigte ihn in der Einsicht, dass es eines Methodenwechsels, hin zur innersystemischen Fundamentalopposition, bedurfte, um effektiven Widerstand gegen die Republik zu leisten.
Ab dem Sommer 1924 etablierte Pfeffer unter Einbringung seiner Gefolgschaft zunächst den Völkisch-Sozialen-Block (VSB) und die Nationalsozialistische Freiheitsbewegung (NSFB) in Westfalen. Auch wenn die Wahlergebnisse unterdurchschnittlich blieben, formte Pfeffer unter provisorischen Bedingungen und mit militärischem Sachverstand einen strikt hierarchisch organisierten Vorbildgau in der rechten Parteienlandschaft.
Nach Hitlers Haftentlassung unterstellte er seinen Gau Hitler. Pfeffer forderte und förderte fortan den Führernimbus um Hitler nach Kräften und trug entscheidend zu dessen Durchsetzung nördlich des Mains bei. Der persönlichen Aura des Parteiführers verfiel er, anders als viele andere, jedoch nicht.
Seinen Gau baute er zum NSDAP-Vorbildgau nördlich des Mains aus. Er etablierte eine straffe Hierarchie und übernahm das Dreiteilungsprinzip. Zudem bemühte er sich um den Aufbau einer parteieigenen Jugendorganisation und forderte bei Hitler die Bildung einer NS-Gewerkschaft. Die Idee der Konstruktion der Volksgemeinschaft aus berufsständischen NS-Suborganisationen importierte er aus der Freikorpszeit.
Mit dem von Karl Kaufmann (1900-1969) und Joseph Goebbels (1897-1945) geführten Gau Rheinland-Nord kooperierte er intensiv. Beide Gaue bildeten denn auch den Nukleus für die von Gregor Strasser 1925 entworfene Arbeitsgemeinschaft Nord-West der NSDAP.
Die weltanschauliche Heterogenität innerhalb der AG war jedoch allgegenwärtig. So desavouierte Pfeffer nahezu jede von den „nationalsozialistischen Linken“ angestrebte programmatische Position. Auch die Kritik an Hitler teilte er nicht. Als Antwort auf den von ihm abgelehnten Programmentwurf Strassers verfasste er eine Denkschrift – „Zucht“ – die eine utopische, nach rassistisch-sozialdarwinistisch-totalitären Prinzipien aufgebaute Gesellschaftsidee proklamierte.
Der primäre Grund für Pfeffers Beteiligungen an der Arbeitsgemeinschaft lag jedoch auf organisatorischer Ebene. Hier sah er die Möglichkeit zur Vereinheitlichung der Organisationsstrukturen und, damit einhergehend, auch zu seiner eigenen Profilierung. Die am 16.1.1927 vollzogene Fusion der Gaue Westfalen und Rheinland-Nord zum Großgau Ruhr entstammte Pfeffers Intention der organisatorischen Weiterentwicklung. Zudem wollte er der „lahme[n] Münchner Leitung“ ein Gegengewicht entgegenstellen.
Als die kollektive Gauleitung – Pfeffer, Kaufmann, Goebbels – nur wenige Monate später durch interne Konflikte scheiterte, nutzte Hitler die Chance und installierte mit Karl Kaufmann den machtpolitisch schwächsten als alleinigen Gauleiter. Pfeffer hingegen rückte als Oberster SA-Führer in Hitlers unmittelbares Umfeld auf.
In den kommenden Jahren schuf Pfeffer in der bislang dezentral organisierten SA mit der Obersten SA-Führung (OSAF) einen Führungsapparat, der es rasch vermochte, die heterogenen Strukturen zu vereinheitlichen und aus der SA eine zentralisierte, strikt hierarchisch aufgebaute Organisation zu machen. Besonderen Schwerpunkt legte er dabei auf die Herausbildung einer eigenen SA-Identität, die den Widerspruch zwischen den hohen Anforderungen an den einzelnen SA-Mann und der Freiwilligkeit des Dienstes überdecken sollte. Ein sich stetig verdichtendes Netz an Unterorganisationen (SS, HJ, NSDStB, NSAK) sollte in möglichst breiten Schichten Affinitäten zur SA wecken und deren Wachstum fördern. Auf weltanschauliche Schulung der SA-Männer verzichtete Pfeffer weitestgehend, stattdessen stand die ausschließliche Fixierung auf Hitler im Mittelpunkt der SA-Ideologie.
Auch bei der von Hitler gewünschten Reduzierung der Machtposition der Gauleiter kam Pfeffer rasch voran. So entzog er die SA, gemäß seiner Konzeption einer neben der Partei-Organisation eigenständigen Teilorganisation unter dem Dach der NSDAP, dem Zugriff der Gauleiter. Auch die sich ab 1928 ausweitende Wirtschaftstätigkeit der SA war Ausdruck dieses Autonomiebestrebens der SA und ihrer Führer. Pfeffers streitbarer Charakter und sein direktes Auftreten sorgten dabei jedoch dauernd für Konflikte. In München, wo er sich ebenfalls in stetiger Auseinandersetzung mit der Parteileitung befand, vermochte er es nicht, sich eine Hausmacht aufzubauen.
In puncto Propaganda war die SA unter Pfeffer für die Partei inzwischen allerdings unentbehrlich geworden. Den Höhepunkt und gleichzeitig vorläufigen Abschluss des organisatorischen Wirkens Pfeffers stellte der Reichsparteitag 1929 in Nürnberg dar.
Nach Abschluss der Organisationsphase verschärften sich ab 1929 die Konflikte. Zum einen tendierte Hitler in Pfeffers permanenten Konflikten mit den Gauleitern mehr und mehr zu letzteren. Auf der anderen Seite wurde immer offensichtlicher, dass Pfeffer das SA-interne Spannungsverhältnis zwischen der, nach seinem eigenen Empfinden, unabdingbaren revolutionären Dynamik und der Legalitätsforderung der Partei-Organisation, immer schwerer überwinden konnte. Immer mehr drängte die SA-Basis auf eine revolutionärere Ausrichtung der NSDAP – Pfeffer befand sich zunehmend in einem Dilemma. Unterdrückte er diese Forderung, widersprach das nicht nur seiner Überzeugung, vielmehr drohte die Gefahr, dass ihm Teile der SA entglitten. Gab er den Forderungen nach, wurde der Verdacht der Abkehr von Hitlers Legalitätsvorgabe nur zu gerne von Öffentlichkeit und innerparteilichen Gegnern aufgeworfen. Zumeist blieb Pfeffer nur noch der Appell an die Disziplin der SA-Männer.
Im Sommer 1930 wurde der Punkt erreicht, an dem Pfeffer die latente Spannung zwischen Legalität und Revolution nicht mehr absorbieren konnte. Im Vorfeld der Reichstagswahlen hatte er der SA eine Reihe von sicheren Listenplätzen zugesagt. Diese sollten helfen, die Finanzprobleme der SA zu lindern und gleichzeitig das Renommee der SA in der Bewegung aufzubessern. Als jedoch klar wurde, dass Hitler nur bereit war, dieser Forderung nachzugeben, wenn die SA-Führer als Reichstagsabgeordnete nicht dem OSAF, sondern der Fraktionsführung unterstellt sein würden, lehnte Pfeffer ab. Nachdem auch der Versuch gescheitert war, Hitler unter Druck zu setzen, blieb, zumal Pfeffer parallel erneut in eine Finanzaffäre verwickelt war, nur die Demission.
Pfeffers Berufung wart für Hitler dennoch zweifelsohne ein Glücksfall. Die SA baute der OSAF zu einem veritablen Machtinstrument auf, die nach außen und innen große Bindewirkung entfachte und ohne die die spätere „Machtergreifung“ kaum denkbar gewesen wäre. Gleichzeitig sicherte er durch die Beschränkung der Macht der Gauleiter, aber auch durch die Provokation ständiger Konflikte unter den Paladinen, Hitlers Diktatur über die Bewegung.
Ende 1932 wurde Pfeffer in den Reichstag gewählt, blieb aber darüber hinaus ohne offizielle Funktion. Es sollte bis ins Frühjahr 1934 dauern, bis sich Hitler wieder Pfeffers Kompetenzen erinnerte. Mitte März 1934 wurde er zum „Beauftragten des Führers in Kirchenangelegenheiten“ ernannt. Seine Strategie, durch Eskalation die Gleichschaltung der Kirche voranzutreiben, scheiterte jedoch auf ganzer Linie und sorgte stattdessen für eine Verschärfung des Widerstands der Bekennenden Kirche gegen das Regime.
Im Rahmen des Juliputschs in Österreich kam Pfeffer die Rolle eines „Verbindungsmanns“ Hitlers zu. Jedoch auch hier verkalkulierte er sich dramatisch. So bekräftigte er eigenmächtig die österreichischen Nationalsozialisten in ihren Putschabsichten und verkannte nach deren Scheitern die politisch-diplomatische Situation der Reichsleitung vollkommen. In der Folge verlor Pfeffer mehr und mehr den Zugang zu Hitler. Vom „Röhmputsch“ war Pfeffer allerdings nicht betroffen. Obgleich der Nacht der langen Messer mehrere Bekannte und Weggefährten Pfeffers zum Opfer fielen und in der Folge die SA de facto zerschlagen wurde, äußerte er keinerlei Protest.
Ein letztes Mal erhielt Pfeffer 1936 im Rahmen der Mixed Claim Relations um die amerikanischen Entschädigungsansprüche in Folge des Ersten Weltkriegs eine Bewährungschance. Doch auch hier kam es zum diplomatischen Affront. Es sollte sein letzter Auftritt auf größerem politischem Parkett gewesen sein. Pfeffers machtpolitischer Zugang versiegte nun vollends. Zu oft hatte sich gezeigt, dass es für seine Kompetenzen, seine Mittel und Methoden, das Konspirative, die Winkelzüge, die Taschenspielertricks, die militärische Attitüde, die mangelnde Koordinations-, Kooperations- und Kompromissbereitschaft sowie seine Eigenmächtigkeiten, nach der Machtübernahme keine adäquate Verwendung mehr gab. Vielmehr stellte Pfeffer ein latentes Risiko für den sich konsolidierenden NS-Staat dar.
Der Flug seines Vertrauten und Förderers Rudolf Heß (1894-1987) vom 5.5.1941 nach Schottland veränderte Pfeffers Situation noch einmal nachhaltig. Obwohl ihm keine Mitwisserschaft nachgewiesen werden konnte, kam bereits zeitgenössisch der Verdacht einer Mitverantwortung Pfeffers auf. Er verlor sein Reichstagsmandat und wurde für mehrere Monate von der Gestapo inhaftiert. In Folge des 20. Juli 1944 wurde Pfeffer erneut verhaftet. Nach seiner Entlassung erkannte er die Zeichen der Zeit und floh auf ein Gut seiner Verwandtschaft nach Pommern. Im Zuge des Vormarschs der Roten Armee kehrte er zu seiner Familie nach München zurück. Dort erlebte er das Kriegsende unversehrt.
Nach Kriegsende wurde Pfeffer von den Amerikanern vorübergehend interniert. Man war auf ihn aufmerksam geworden, als er der amerikanischen Stadtkommandantur Münchens eine mehrseitige Denkschrift vorlegte, die mit der Bitte verbunden war, ihm angesichts der hohen Kriminalität die Erlaubnis zur Gründung einer Art Heimwehr zu erteilen. Im Zug der Entnazifizierung wurde der ehemals dritte Mann der NSDAP als Mitläufer eingestuft und galt damit als weitgehend entlastet. Weitgehend gesellschaftlich isoliert, verbrachte er die kommenden Jahre in München.
In der jungen Bundesrepublik fand er politisch keine Heimat. Antisemitismus, radikaler Nationalismus und Antikommunismus blieben bis zuletzt die Fundamente seiner Weltanschauung. Franz von Pfeffer starb am 12.4.1968 im Alter von 80 Jahren in München.
Literatur
Fraschka, Mark A., Franz Pfeffer von Salomon. Hitlers vergessener Oberster SA-Führer, Göttingen 2016.
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Fraschka, Mark, Franz Pfeffer von Salomon, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franz-pfeffer-von-salomon-/DE-2086/lido/602bd4bf825e57.58172290 (abgerufen am 05.12.2024)