Franz Pfeffer von Salomon

Oberster SA-Führer (1888-1968)

Mark Fraschka (Mosbach/Baden)

Franz Pfeffer von Salomon beim Reichsparteitag der NSDAP vom 1.-4. August 1929. (Bayerische Staatsbibliothek München/Bildarchiv)

Franz Pfef­fer von Sa­lo­mon - ge­nannt Franz von Pfef­fer - war zwi­schen 1925 und 1930 ei­ner der füh­ren­den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten und trug ma­ß­geb­lich am Auf­bau der Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Be­we­gung in der so­ge­nann­ten „Kampf­zeit“ bei. In die­ser Zeit kann er nach Adolf Hit­ler (1889-1945) und Gre­gor Stras­ser (1892-1934) als der drit­te Mann der Par­tei an­ge­se­hen wer­den. Im Ers­ten Welt­krieg als Be­rufs­of­fi­zier bis zum Haupt­mann auf­ge­stie­gen, führ­te er nach der Nie­der­la­ge von 1918 bis 1920 sein ei­ge­nes Frei­korps in West­fa­len und im Bal­ti­kum. 1923 lei­te­te er als Füh­rer der „Or­ga­ni­sa­ti­on Pfef­fer“ den ak­ti­ven Wi­der­stand ge­gen die fran­zö­si­sche Ruhr­be­set­zung. Ab 1925 war er NS-Gau­lei­ter in West­fa­len und ab 1926 im Gau Ruhr. Von 1926 bis 1930 war er Obers­ter Füh­rer der SA.

Am 19.2.1888 in Düs­sel­dorf als Sohn des Ge­hei­men Re­gie­rungs­rats Max Pfef­fer von Sa­lo­mon (1854-1918) und sei­ner Ehe­frau An­na von Cla­vé-Bo­u­ha­ben (1862-1919) ge­bo­ren, ver­brach­te Pfef­fer als äl­tes­tes von fünf Ge­schwis­tern ei­ne glück­li­che Kind­heit vor al­lem in Müns­ter. Nach dem Ab­itur stu­dier­te er Rechts­wis­sen­schaf­ten in Hei­del­berg, Mar­burg und Müns­ter. Nach dem 1910 in Hamm er­folg­reich ab­ge­schlos­se­nen Re­fe­ren­dar­ex­amen zog es ihn je­doch zum Mi­li­tär.

Pfef­fer iden­ti­fi­zier­te sich voll­stän­dig mit den Ide­en­wel­ten des wil­hel­mi­ni­schen Of­fi­ziers­korps. Im Ers­ten Welt­krieg dien­te er die meis­te Zeit als Fron­t­of­fi­zier, er­hielt zu­dem ei­ne Stabs­aus­bil­dung. Pfef­fer wur­de zwei Mal ver­wun­det, er­hielt di­ver­se Aus­zeich­nun­gen und stieg schlie­ß­lich bis zum Haupt­mann und zum Ba­tail­lons­kom­man­deur auf.

Die Re­vo­lu­ti­on 1918 hob das Fun­da­ment von Pfef­fers Welt­an­schau­ung aus den An­geln. Ei­ne mas­si­ve Ge­gen­re­ak­ti­on war die Fol­ge. Hin­zu ka­men sein in­di­vi­dua­lis­ti­scher Ha­bi­tus und sein Selbst­ver­ständ­nis als kö­nig­lich-preu­ßi­scher Of­fi­zier, die da­zu führ­ten, dass er je­den Aus­gleich mit dem Wei­ma­rer Staat ab­lehn­te und statt­des­sen von Be­ginn an der Re­vo­lu­ti­on und ih­ren Ex­po­nen­ten ak­tiv ent­ge­gen­trat. Im Früh­jahr 1919 setz­te er nach dem Auf­ruf Gus­tav No­s­kes (1868-1946, Reichs­wehr­mi­nis­ter 1919-1920) im Hand­streich ge­gen den Wi­der­stand des Müns­te­ra­ner Ge­ne­ral­sol­da­ten­ra­tes und mit ei­nem be­mer­kens­wer­ten Or­ga­ni­sa­ti­ons­ta­lent die Grün­dung ei­nes ei­ge­nen Frei­korps durch, wel­ches in den fol­gen­den Mo­na­ten bis zu 3.000 Män­ner un­ter den Fah­nen hat­te. 

Die Ein­sät­ze in Müns­ter, im Sen­nela­ger, in Mann­heim so­wie an der pol­ni­schen Gren­ze zei­gen die ent­hemm­te Ge­walt­be­reit­schaft so­wie die strikt an­ti­kom­mu­nis­ti­sche wie auch an­ti­re­pu­bli­ka­ni­sche Aus­rich­tung von Pfef­fers Korps. An­fang April er­reich­te das Korps das Bal­ti­kum. Hier er­lang­te Pfef­fer im Rah­men des let­ti­schen Staats­streichs vom 20.4.1919 reichs­wei­te Auf­merk­sam­keit, als er mit der, oh­ne Rück­spra­che mit den deut­schen Be­hör­den er­folg­ten Ent­waff­nung der let­ti­schen Be­sat­zung Li­baus (heu­te Lie­pāja) das Fa­nal zum Staats­streich gab. 

Wäh­rend Pfef­fer beim Kapp-Putsch nur ei­ne un­ter­ge­ord­ne­te Rol­le spiel­te, trat sein Korps im Zu­ge des Auf­stands der „Ro­ten Ruhr­ar­mee“ im März 1920 er­neut in den Dienst der Reichs­wehr. Nach Ab­schluss des mit un­er­bitt­li­cher Här­te ge­führ­ten Bür­ger­kriegs war je­doch die Auf­lö­sung des Frei­korps nicht mehr zu ver­hin­dern.

In den kom­men­den Jah­ren un­ter­nahm Pfef­fer meh­re­re An­läu­fe zur Grün­dung an­ti­re­pu­bli­ka­ni­scher Nach­fol­ge­or­ga­ni­sa­tio­nen, die je­doch al­le­samt schei­ter­ten. Ide­en und Hand­lungs­mus­ter gli­chen da­bei de­nen der Frei­korps­grün­dung. So ver­such­te er durch Zu­sam­men­fas­sung der mi­li­tä­risch star­ken Frei­korps­kli­en­tel das staat­li­che Ge­walt­mo­no­pol zu un­ter­lau­fen und die Reichs­re­gie­rung vor voll­ende­te Tat­sa­chen zu stel­len. Es ging ihm dar­um durch den Auf­bau ei­ner au­to­no­men pa­ra­mi­li­tä­ri­schen Or­ga­ni­sa­ti­on ei­nen po­li­ti­schen Fak­tor zu schaf­fen. Sein mit­tel­fris­ti­ges Ziel war der Sturz der Re­gie­rung.

Trotz die­ser Um­trie­be griff die Reichs­re­gie­rung im Zu­ge der fran­zö­sisch-bel­gi­schen Ruhr­be­set­zung er­neut auf Pfef­fer zu­rück. In de­ren Auf­trag und mit Un­ter­stüt­zung der Reichs­wehr or­ga­ni­sier­te Pfef­fer von Müns­ter aus den ak­ti­ven Wi­der­stand ge­gen die fran­zö­si­sche Be­sat­zung. Sei­ne In­ten­ti­on ging je­doch dar­über hin­aus. Durch ei­ne Es­ka­la­ti­on des Kon­flikts an der Ruhr woll­te Pfef­fer die Ber­li­ner Reichs­re­gie­rung de­sta­bi­li­sie­ren. Als dies im Früh­som­mer 1924 im­mer of­fen­sicht­li­cher wur­de, ent­zo­gen je­doch so­wohl die Reichs­re­gie­rung als auch die Reichs­wehr ihm die Un­ter­stüt­zung.

 

Über­stei­ger­te mi­li­tä­ri­sche At­ti­tü­de und Selbst­be­wusst­sein, die Un­be­dingt­heit sei­nes Han­delns, die Ge­walt­be­reit­schaft, das dau­er­haf­te Stre­ben nach Au­to­no­mie so­wie die la­ten­te Sub­ord­i­na­ti­ons­pro­ble­ma­tik – zwi­schen den Jah­ren 1919 und 1923 kann Pfef­fer als Pro­to­typ ei­nes ra­di­ka­len Frei­korps­füh­rers gel­ten. Zen­tra­le welt­an­schau­li­che Merk­ma­le wa­ren sein un­be­ding­ter An­ti­re­pu­bli­ka­nis­mus und die Fi­xie­rung auf die Kon­ter­re­vo­lu­ti­on. Pfef­fers Han­deln war auf ei­nen po­li­ti­schen Um­sturz aus­ge­legt. Da­bei ver­moch­te er es al­ler­dings – eben­falls ty­pisch für je­ne Ge­ne­ra­ti­on von Frei­korps­füh­rern – nicht, der be­ste­hen­den Ord­nung ei­ne ei­ge­ne Staats­idee ge­gen­über­zu­stel­len, die über dif­fu­se Be­griff­lich­kei­ten wie deutsch, hier­ar­chisch und gleich­zei­tig doch ega­li­tär, an­ti­se­mi­tisch usw. hin­aus­reich­te.

Von den Er­eig­nis­sen des 9. No­vem­ber 1923 in Mün­chen ging für Pfef­fer ein Fa­nal aus. Das Schei­tern des Hit­ler-Put­sches be­stä­tig­te ihn in der Ein­sicht, dass es ei­nes Me­tho­den­wech­sels, hin zur in­ner­sys­te­mi­schen Fun­da­men­tal­op­po­si­ti­on, be­durf­te, um ef­fek­ti­ven Wi­der­stand ge­gen die Re­pu­blik zu leis­ten.

Ab dem Som­mer 1924 eta­blier­te Pfef­fer un­ter Ein­brin­gung sei­ner Ge­folg­schaft zu­nächst den Völ­kisch-So­zia­len-Block (VSB) und die Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Frei­heits­be­we­gung (NS­FB) in West­fa­len. Auch wenn die Wahl­er­geb­nis­se un­ter­durch­schnitt­lich blie­ben, form­te Pfef­fer un­ter pro­vi­so­ri­schen Be­din­gun­gen und mit mi­li­tä­ri­schem Sach­ver­stand ei­nen strikt hier­ar­chisch or­ga­ni­sier­ten Vor­bild­gau in der rech­ten Par­tei­en­land­schaft. 

Nach Hit­lers Haft­ent­las­sung un­ter­stell­te er sei­nen Gau Hit­ler. Pfef­fer for­der­te und för­der­te fort­an den Füh­rer­nim­bus um Hit­ler nach Kräf­ten und trug ent­schei­dend zu des­sen Durch­set­zung nörd­lich des Mains bei. Der per­sön­li­chen Au­ra des Par­tei­füh­rers ver­fiel er, an­ders als vie­le an­de­re, je­doch nicht.

Sei­nen Gau bau­te er zum NS­DAP-Vor­bild­gau nörd­lich des Mains aus. Er eta­blier­te ei­ne straf­fe Hier­ar­chie und über­nahm das Drei­tei­lungs­prin­zip. Zu­dem be­müh­te er sich um den Auf­bau ei­ner par­tei­ei­ge­nen Ju­gend­or­ga­ni­sa­ti­on und for­der­te bei Hit­ler die Bil­dung ei­ner NS-Ge­werk­schaft. Die Idee der Kon­struk­ti­on der Volks­ge­mein­schaft aus be­rufs­stän­di­schen NS-Sub­or­ga­ni­sa­tio­nen im­por­tier­te er aus der Frei­korps­zeit. 

Mit dem von Karl Kauf­mann (1900-1969) und Jo­seph Go­eb­bels (1897-1945) ge­führ­ten Gau Rhein­land-Nord ko­ope­rier­te er in­ten­siv. Bei­de Gaue bil­de­ten denn auch den Nu­kle­us für die von Gre­gor Stras­ser 1925 ent­wor­fe­ne Ar­beits­ge­mein­schaft Nord-West der NS­DAP. 

Die welt­an­schau­li­che He­te­ro­ge­ni­tät in­ner­halb der AG war je­doch all­ge­gen­wär­tig. So des­avou­ier­te Pfef­fer na­he­zu je­de von den „na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Lin­ken“ an­ge­streb­te pro­gram­ma­ti­sche Po­si­ti­on. Auch die Kri­tik an Hit­ler teil­te er nicht. Als Ant­wort auf den von ihm ab­ge­lehn­ten Pro­gramm­ent­wurf Stras­sers ver­fass­te er ei­ne Denk­schrift – „Zuch­t“ – die ei­ne uto­pi­sche, nach ras­sis­tisch-so­zi­al­dar­wi­nis­tisch-to­ta­li­tä­ren Prin­zi­pi­en auf­ge­bau­te Ge­sell­schafts­idee pro­kla­mier­te. 

Der pri­mä­re Grund für Pfef­fers Be­tei­li­gun­gen an der Ar­beits­ge­mein­schaft lag je­doch auf or­ga­ni­sa­to­ri­scher Ebe­ne. Hier sah er die Mög­lich­keit zur Ver­ein­heit­li­chung der Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren und, da­mit ein­her­ge­hend, auch zu sei­ner ei­ge­nen Pro­fi­lie­rung. Die am 16.1.1927 voll­zo­ge­ne Fu­si­on der Gaue West­fa­len und Rhein­land-Nord zum Gro­ßgau Ruhr ent­stamm­te Pfef­fers In­ten­ti­on der or­ga­ni­sa­to­ri­schen Wei­ter­ent­wick­lung. Zu­dem woll­te er der „lah­me[n] Münch­ner Lei­tun­g“ ein Ge­gen­ge­wicht ent­ge­gen­stel­len. 

Als die kol­lek­ti­ve Gau­lei­tung – Pfef­fer, Kauf­mann, Go­eb­bels – nur we­ni­ge Mo­na­te spä­ter durch in­ter­ne Kon­flik­te schei­ter­te, nutz­te Hit­ler die Chan­ce und in­stal­lier­te mit Karl Kauf­mann den macht­po­li­tisch schwächs­ten als al­lei­ni­gen Gau­lei­ter. Pfef­fer hin­ge­gen rück­te als Obers­ter SA-Füh­rer in Hit­lers un­mit­tel­ba­res Um­feld auf. 

In den kom­men­den Jah­ren schuf Pfef­fer in der bis­lang de­zen­tral or­ga­ni­sier­ten SA mit der Obers­ten SA-Füh­rung (OSAF) ei­nen Füh­rungs­ap­pa­rat, der es rasch ver­moch­te, die he­te­ro­ge­nen Struk­tu­ren zu ver­ein­heit­li­chen und aus der SA ei­ne zen­tra­li­sier­te, strikt hier­ar­chisch auf­ge­bau­te Or­ga­ni­sa­ti­on zu ma­chen. Be­son­de­ren Schwer­punkt leg­te er da­bei auf die Her­aus­bil­dung ei­ner ei­ge­nen SA-Iden­ti­tät, die den Wi­der­spruch zwi­schen den ho­hen An­for­de­run­gen an den ein­zel­nen SA-Mann und der Frei­wil­lig­keit des Diens­tes über­de­cken soll­te. Ein sich ste­tig ver­dich­ten­des Netz an Un­ter­or­ga­ni­sa­tio­nen (SS, HJ, NS­DStB, NSAK) soll­te in mög­lichst brei­ten Schich­ten Af­fi­ni­tä­ten zur SA we­cken und de­ren Wachs­tum för­dern. Auf welt­an­schau­li­che Schu­lung der SA-Män­ner ver­zich­te­te Pfef­fer wei­test­ge­hend, statt­des­sen stand die aus­schlie­ß­li­che Fi­xie­rung auf Hit­ler im Mit­tel­punkt der SA-Ideo­lo­gie.

Auch bei der von Hit­ler ge­wünsch­ten Re­du­zie­rung der Macht­po­si­ti­on der Gau­lei­ter kam Pfef­fer rasch vor­an. So ent­zog er die SA, ge­mäß sei­ner Kon­zep­ti­on ei­ner ne­ben der Par­tei-Or­ga­ni­sa­ti­on ei­gen­stän­di­gen Teil­or­ga­ni­sa­ti­on un­ter dem Dach der NS­DAP, dem Zu­griff der Gau­lei­ter. Auch die sich ab 1928 aus­wei­ten­de Wirt­schafts­tä­tig­keit der SA war Aus­druck die­ses Au­to­no­mie­be­stre­bens der SA und ih­rer Füh­rer. Pfef­fers streit­ba­rer Cha­rak­ter und sein di­rek­tes Auf­tre­ten sorg­ten da­bei je­doch dau­ernd für Kon­flik­te. In Mün­chen, wo er sich eben­falls in ste­ti­ger Aus­ein­an­der­set­zung mit der Par­tei­lei­tung be­fand, ver­moch­te er es nicht, sich ei­ne Haus­macht auf­zu­bau­en. 

In punc­to Pro­pa­gan­da war die SA un­ter Pfef­fer für die Par­tei in­zwi­schen al­ler­dings un­ent­behr­lich ge­wor­den. Den Hö­he­punkt und gleich­zei­tig vor­läu­fi­gen Ab­schluss des or­ga­ni­sa­to­ri­schen Wir­kens Pfef­fers stell­te der Reichs­par­tei­tag 1929 in Nürn­berg dar.

Nach Ab­schluss der Or­ga­ni­sa­ti­ons­pha­se ver­schärf­ten sich ab 1929 die Kon­flik­te. Zum ei­nen ten­dier­te Hit­ler in Pfef­fers per­ma­nen­ten Kon­flik­ten mit den Gau­lei­tern mehr und mehr zu letz­te­ren. Auf der an­de­ren Sei­te wur­de im­mer of­fen­sicht­li­cher, dass Pfef­fer das SA-in­ter­ne Span­nungs­ver­hält­nis zwi­schen der, nach sei­nem ei­ge­nen Emp­fin­den, un­ab­ding­ba­ren re­vo­lu­tio­nä­ren Dy­na­mik und der Le­ga­li­täts­for­de­rung der Par­tei-Or­ga­ni­sa­ti­on, im­mer schwe­rer über­win­den konn­te. Im­mer mehr dräng­te die SA-Ba­sis auf ei­ne re­vo­lu­tio­nä­re­re Aus­rich­tung der NS­DAP – Pfef­fer be­fand sich zu­neh­mend in ei­nem Di­lem­ma. Un­ter­drück­te er die­se For­de­rung, wi­der­sprach das nicht nur sei­ner Über­zeu­gung, viel­mehr droh­te die Ge­fahr, dass ihm Tei­le der SA ent­glit­ten. Gab er den For­de­run­gen nach, wur­de der Ver­dacht der Ab­kehr von Hit­lers Le­ga­li­täts­vor­ga­be nur zu ger­ne von Öf­fent­lich­keit und in­ner­par­tei­li­chen Geg­nern auf­ge­wor­fen. Zu­meist blieb Pfef­fer nur noch der Ap­pell an die Dis­zi­plin der SA-Män­ner. 

Im Som­mer 1930 wur­de der Punkt er­reicht, an dem Pfef­fer die la­ten­te Span­nung zwi­schen Le­ga­li­tät und Re­vo­lu­ti­on nicht mehr ab­sor­bie­ren konn­te. Im Vor­feld der Reichs­tags­wah­len hat­te er der SA ei­ne Rei­he von si­che­ren Lis­ten­plät­zen zu­ge­sagt. Die­se soll­ten hel­fen, die Fi­nanz­pro­ble­me der SA zu lin­dern und gleich­zei­tig das Re­nom­mee der SA in der Be­we­gung auf­zu­bes­sern. Als je­doch klar wur­de, dass Hit­ler nur be­reit war, die­ser For­de­rung nach­zu­ge­ben, wenn die SA-Füh­rer als Reichs­tags­ab­ge­ord­ne­te nicht dem OSAF, son­dern der Frak­ti­ons­füh­rung un­ter­stellt sein wür­den, lehn­te Pfef­fer ab. Nach­dem auch der Ver­such ge­schei­tert war, Hit­ler un­ter Druck zu set­zen, blieb, zu­mal Pfef­fer par­al­lel er­neut in ei­ne Fi­nanz­af­fä­re ver­wi­ckelt war, nur die De­mis­si­on.

Pfef­fers Be­ru­fung wart für Hit­ler den­noch zwei­fels­oh­ne ein Glücks­fall. Die SA bau­te der OSAF zu ei­nem ve­ri­ta­blen Macht­in­stru­ment auf, die nach au­ßen und in­nen gro­ße Bin­de­wir­kung ent­fach­te und oh­ne die die spä­te­re „Macht­er­grei­fung“ kaum denk­bar ge­we­sen wä­re. Gleich­zei­tig si­cher­te er durch die Be­schrän­kung der Macht der Gau­lei­ter, aber auch durch die Pro­vo­ka­ti­on stän­di­ger Kon­flik­te un­ter den Pa­la­di­nen, Hit­lers Dik­ta­tur über die Be­we­gung. 

En­de 1932 wur­de Pfef­fer in den Reichs­tag ge­wählt, blieb aber dar­über hin­aus oh­ne of­fi­zi­el­le Funk­ti­on. Es soll­te bis ins Früh­jahr 1934 dau­ern, bis sich Hit­ler wie­der Pfef­fers Kom­pe­ten­zen er­in­ner­te. Mit­te März 1934 wur­de er zum „Be­auf­trag­ten des Füh­rers in Kir­chen­an­ge­le­gen­hei­ten“ er­nannt. Sei­ne Stra­te­gie, durch Es­ka­la­ti­on die Gleich­schal­tung der Kir­che vor­an­zu­trei­ben, schei­ter­te je­doch auf gan­zer Li­nie und sorg­te statt­des­sen für ei­ne Ver­schär­fung des Wi­der­stands der Be­ken­nen­den Kir­che ge­gen das Re­gime. 

Im Rah­men des Ju­li­putschs in Ös­ter­reich kam Pfef­fer die Rol­le ei­nes „Ver­bin­dungs­mann­s“ Hit­lers zu. Je­doch auch hier ver­kal­ku­lier­te er sich dra­ma­tisch. So be­kräf­tig­te er ei­gen­mäch­tig die ös­ter­rei­chi­schen Na­tio­nal­so­zia­lis­ten in ih­ren Put­schab­sich­ten und ver­kann­te nach de­ren Schei­tern die po­li­tisch-di­plo­ma­ti­sche Si­tua­ti­on der Reichs­lei­tung voll­kom­men. In der Fol­ge ver­lor Pfef­fer mehr und mehr den Zu­gang zu Hit­ler. Vom „Röhm­putsch“ war Pfef­fer al­ler­dings nicht be­trof­fen. Ob­gleich der Nacht der lan­gen Mes­ser meh­re­re Be­kann­te und Weg­ge­fähr­ten Pfef­fers zum Op­fer fie­len und in der Fol­ge die SA de fac­to zer­schla­gen wur­de, äu­ßer­te er kei­ner­lei Pro­test.

Ein letz­tes Mal er­hielt Pfef­fer 1936 im Rah­men der Mi­xed Claim Re­la­ti­ons um die ame­ri­ka­ni­schen Ent­schä­di­gungs­an­sprü­che in Fol­ge des Ers­ten Welt­kriegs ei­ne Be­wäh­rungs­chan­ce. Doch auch hier kam es zum di­plo­ma­ti­schen Af­front. Es soll­te sein letz­ter Auf­tritt auf grö­ße­rem po­li­ti­schem Par­kett ge­we­sen sein. Pfef­fers macht­po­li­ti­scher Zu­gang ver­sieg­te nun voll­ends. Zu oft hat­te sich ge­zeigt, dass es für sei­ne Kom­pe­ten­zen, sei­ne Mit­tel und Me­tho­den, das Kon­spi­ra­ti­ve, die Win­kel­zü­ge, die Ta­schen­spie­ler­tricks, die mi­li­tä­ri­sche At­ti­tü­de, die man­geln­de Ko­or­di­na­ti­ons-, Ko­ope­ra­ti­ons- und Kom­pro­miss­be­reit­schaft so­wie sei­ne Ei­gen­mäch­tig­kei­ten, nach der Macht­über­nah­me kei­ne ad­äqua­te Ver­wen­dung mehr gab. Viel­mehr stell­te Pfef­fer ein la­ten­tes Ri­si­ko für den sich kon­so­li­die­ren­den NS-Staat dar. 

Der Flug sei­nes Ver­trau­ten und För­de­rers Ru­dolf Heß (1894-1987) vom 5.5.1941 nach Schott­land ver­än­der­te Pfef­fers Si­tua­ti­on noch ein­mal nach­hal­tig. Ob­wohl ihm kei­ne Mit­wis­ser­schaft nach­ge­wie­sen wer­den konn­te, kam be­reits zeit­ge­nös­sisch der Ver­dacht ei­ner Mit­ver­ant­wor­tung Pfef­fers auf. Er ver­lor sein Reichs­tags­man­dat und wur­de für meh­re­re Mo­na­te von der Ge­sta­po in­haf­tiert. In Fol­ge des 20. Ju­li 1944 wur­de Pfef­fer er­neut ver­haf­tet. Nach sei­ner Ent­las­sung er­kann­te er die Zei­chen der Zeit und floh auf ein Gut sei­ner Ver­wandt­schaft nach Pom­mern. Im Zu­ge des Vor­marschs der Ro­ten Ar­mee kehr­te er zu sei­ner Fa­mi­lie nach Mün­chen zu­rück. Dort er­leb­te er das Kriegs­en­de un­ver­sehrt.

Nach Kriegs­en­de wur­de Pfef­fer von den Ame­ri­ka­nern vor­über­ge­hend in­ter­niert. Man war auf ihn auf­merk­sam ge­wor­den, als er der ame­ri­ka­ni­schen Stadt­kom­man­dan­tur Mün­chens ei­ne mehr­sei­ti­ge Denk­schrift vor­leg­te, die mit der Bit­te ver­bun­den war, ihm an­ge­sichts der ho­hen Kri­mi­na­li­tät die Er­laub­nis zur Grün­dung ei­ner Art Heim­wehr zu er­tei­len. Im Zug der Ent­na­zi­fi­zie­rung wur­de der ehe­mals drit­te Mann der NS­DAP als Mit­läu­fer ein­ge­stuft und galt da­mit als weit­ge­hend ent­las­tet. Weit­ge­hend ge­sell­schaft­lich iso­liert, ver­brach­te er die kom­men­den Jah­re in Mün­chen.

In der jun­gen Bun­des­re­pu­blik fand er po­li­tisch kei­ne Hei­mat. An­ti­se­mi­tis­mus, ra­di­ka­ler Na­tio­na­lis­mus und An­ti­kom­mu­nis­mus blie­ben bis zu­letzt die Fun­da­men­te sei­ner Welt­an­schau­ung. Franz von Pfef­fer starb am 12.4.1968 im Al­ter von 80 Jah­ren in Mün­chen. 

Literatur

 Frasch­ka, Mark A., Franz Pfef­fer von Sa­lo­mon. Hit­lers ver­ges­se­ner Obers­ter SA-Füh­rer, Göt­tin­gen 2016.

Porträt Franz Pfeffer von Salomon in Uniform, ca. 1920. (Bundesarchiv, Bild 119-1587A / CC-BY-SA 3.0)

 
Zitationshinweis

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Fraschka, Mark, Franz Pfeffer von Salomon, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franz-pfeffer-von-salomon-/DE-2086/lido/602bd4bf825e57.58172290 (abgerufen am 18.04.2024)