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Franz Pokorny gehört zu den zahlreichen Funktionären der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften, die nur wenig Spuren hinterlassen haben. Sein Werdegang vom Volksschüler zum Arbeiter und später zum „Arbeiterbeamten“ und Abgeordneten zur Nationalversammlung 1919 legt nahe, ihn als einen typischen Vertreter der mittleren sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Funktionärsschicht zu bezeichnen.
Über die persönlichen Verhältnisse des am 21.3.1874 in Schwelm geborenen Franz Pokorny ist wenig zu erfahren. Es ist lediglich bekannt, dass er verheiratet war, drei Kinder hatte und seine Ehefrau am 23.3.1920 verstarb. Wie viele andere rheinische Sozialdemokraten war er katholisch getauft, aber aus der Kirche ausgetreten und wurde als „Dissident“ geführt.
Mit 16 Jahren begann Pokorny seine Tätigkeit als Bergmann im Ruhrgebiet und trat sowohl der SPD als auch dem Bergarbeiterverband bei. Von 1897 bis 1911 war er Sekretär des Bergarbeiterverbands und Redakteur der „Bergarbeiter-Zeitung“ und ihrer Vorgänger in Bochum. Diese Tätigkeit war mit zahlreichen Schikanen seitens der Behörden verbunden, die mehrere Geld- und Gefängnisstrafen nach sich zogen.
Politisch erstmals öffentlich in Erscheinung trat er zur Reichstagswahl 1907, als er von der SPD für den Wahlkreis Recklinghausen, Borken im Regierungsbezirk Münster nominiert wurde. Ein Reichstagsmandat konnte er bei der für die SPD schwierigen „Hottentottenwahl“ nicht erringen, jedoch war in dieser Hochburg des politischen Katholizismus für die Sozialdemokratie auch nichts zu holen: Von 1871 bis 1912 gingen alle vier münsterländischen Reichstagsmandate stets an das Zentrum, Zustimmungsraten von bis zu 90 Prozent waren dabei durchaus üblich. Pokorny verlor schon in der ersten Wahlrunde haushoch gegen Karl Matthias Schiffer (1867-1930), den damals wohl wichtigsten christlichen Gewerkschafter Deutschlands. Im Kaiserreich und bis in die 1950er Jahre war das Ruhrgebiet, entgegen mancher Legende, gerade nicht die „rote Herzkammer“ des Rheinlands oder Westfalens, im Rheinland war dies eindeutig das Bergische Land.
1911-1916 war Franz Pokorny als Ressortleiter im Düsseldorfer Pressebüro der SPD beschäftigt. In dieser Funktion wurde er in die harten innerparteilichen Auseinandersetzungen hineingezogen, die schließlich zur Spaltung der Sozialdemokratie führten. In diesem Machtkampf unterstützte Pokorny die Haltung des Parteivorstands und war an der Übernahme der „Niederrheinischen Arbeiter-Zeitung“ seitens der vorstandsloyalen Sozialdemokraten beteiligt, deren Redaktion vom Parteivorstand um Otto Braun abgesetzt wurde. Dennoch setzte sich in Düsseldorf letztlich die Opposition durch wurde schlussendlich eine der Hochburgen der USPD, später auch der KPD.
Nachdem die SPD das Pressebüro in Düsseldorf kurz darauf aufgelöst hatte, wurde Pokorny wieder für den Bergarbeiterverband aktiv und in das Saargebiet beordert. Im September 1917 organisierte er Massenstreiks im Raum Neunkirchen und Sulzbach mit bis zu 20.000 Streikenden, die sich vor allem gegen die Verteuerung der Kartoffelpreise richtete. Zur Disziplinierung wurde Pokorny schließlich zum Militär eingezogen, auch wenn die Einberufung später wieder zurückgezogen werden musste.
Bei der Wahl zur Nationalversammlung wurde Franz Pokorny schließlich als einer von zwei sozialdemokratischen Kandidaten für den Wahlkreis Koblenz-Trier gewählt, der 1919 insgesamt zwölf Abgeordnete nach Weimar entsandte. Auch hier kandidierte er wiederum in einer Hochburg des Zentrums, setzte in der Nationalversammlung selbst aber keine eigenen Akzente. Kurz nach seiner Wahl siedelte er vermutlich aus familiären und gesundheitlichen Gründen wieder nach Westfalen über. Er starb am 17.4.1923 nach langer Krankheit in Aplerbeck (heute Stadt Dortmund). Obwohl sein Tod in der deutschen Öffentlichkeit keine größere Resonanz hervorrief, gedachten seine ehemaligen Kollegen von der Bergarbeiter-Zeitung seiner mit einem langen Artikel auf der ersten Seite: „Was gab ihm Weg und Ziel? Seine unmittelbar quellende Menschlichkeit und sozialistische Ueberzeugung, die Erkenntnis, daß die Befreiung der Arbeit vom Joche des Kapitals nur das Werk der Arbeiter selbst sein kann. Ein Sohn des Volkes wollt er sein und bleiben!“[1]
Literatur
Franz Pokorny †, in Bergarbeiter-Zeitung vom 23.4.1923. [online]
Online
Pokorny, Franz, in: Sozialdemokratischen Parlamentarier in den deutschen Reichs– und Landtagen 1867–1933, BIOSOP-Online. [online]
Pokorny, Franz, in: Datenbank der deutschen Parlamentsabgeordneten. [online]
Pokorny, Franz, in: Rheinland-Pfälzische Personendatenbank. [online]
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Kühne, Tobias, Franz Pokorny, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franz-pokorny/DE-2086/lido/5dd2a576c3d273.81748553 (abgerufen am 07.10.2024)