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Der Sohn eines vermögenden Textilfabrikanten und Freund von Karl Marx gilt als Mitbegründer des so genannten wissenschaftlichen Sozialismus. Er beteiligte sich aktiv an der Revolution von 1848, wurde von der preußischen Polizei steckbrieflich gesucht und verbrachte den größten Teil seines Lebens in England. Als unfreiwilliger „Säulenheiliger" sozialistischer Utopie hat er immer wieder Anlass zum politischen Verdruss geboten, noch 1981 gelegentlich der Aufstellung des Engels-Denkmals in Wuppertal.
Friedrich Engels wurde am 28.11.1820 als ältestes von neun Kindern des erfolgreichen Manufakturbesitzers und Fabrikanten Friedrich Engels senior (1796-1860) und seiner Ehefrau Elisabeth, geborene van Haar (1797-1873) in Barmen (heute Stadt Wuppertal) geboren. Seit 1829 war Friedrich Engels Schüler der Stadtschule Barmen und besuchte ab 1834 das Elberfelder Gymnasium, welches er 1838 – ein Jahr vor dem Abitur – auf Wunsch des Vaters verließ, um eine vierjährige Kaufmannslehre anzutreten. Diese führte ihn nach Bremen.
Mit seinem Vater geriet Engels immer wieder in Streit, weil er schon früh einen Widerspruch zwischen pietistischer Frömmigkeit und kapitalistischer Realität aus eigener Anschauung erfuhr, um daraus eigene Konsequenzen zu ziehen. So verdiente er als 19-jähriger unter dem Pseudonym Friedrich Oswald erste öffentliche Lorbeeren mit den berühmten „Briefen aus dem Wupperthal", die diese Widersprüche wortgewandt geißelten.
Gegen den Wunsch des Vaters absolvierte Friedrich Engels 1841 seinen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger beim Garde-Fußartillerie-Regiment in Berlin. Den Aufenthalt dort nutzte er, um an der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu hospitieren. So besuchte er Vorlesungen in Philosophie, orientalischen Sprachen und Finanzwesen. Er verkehrte in Berlin zudem in freigeistig-anarchisch und linkshegelianisch gesinnten Kreisen, durch die sein späteres politisches Wirken maßgeblich geprägt wurde. Ein Motto aus einem seiner Texte dieser Jahre scheint die Aufbruchstimmung einer geistigen Inkubationszeit zu beschreiben: „Leb´ ich in Zukunftsträumen, freien, dreisten".
1842 traf Engels in Köln erstmals auf Karl Marx, Chefredakteur der sich radikalisierenden „Rheinischen Zeitung". Enge Kontakte unterhielt er auch zu dem jüdischen Philosophen Moses Heß.
Von 1842 bis 1844 setzte Engels die Ausbildung in der väterlichen Baumwollspinnerei in Manchester fort. Das Jahr 1844 markiert den Beginn der intensiven, 1.400 Briefe umfassenden Korrespondenz mit dem in Paris lebenden Marx. Zur gleichen Zeit schrieb er Beiträge für die von Marx und Arnold Ruge (1802-1880) herausgegebenen „Deutsch-Französischen Jahrbücher".
Im Februar des Jahres 1845 kam es in Elberfeld zu ersten kommunistischen Versammlungen, an denen sich Engels aktiv beteiligte und wo er als Redner auftrat. 1846 übersiedelte er zu Marx nach Brüssel und unternahm mit ihm Reisen nach London und Manchester. Erstmals unter eigenem Namen erschien in diesem Jahr seine wegweisende Schrift "Die Lage der arbeitenden Klasse in England". 1847 trat Engels in London dem kommunistischen „Bund der Gerechten" bei, den er mit Marx noch im selben Jahr zum „Bund der Kommunisten" umwandelte. Im Revolutionsjahr 1848 veröffentlichte Engels das mit Marx konzipierte „Kommunistische Manifest" und war darüber hinaus als Redakteur für die Neue Rheinische Zeitung tätig.
Im Frühjahr 1849 nahm er zunächst aktiv an den Barrikadenkämpfen in Barmen und Elberfeld, dann am Badischen Aufstand teil. Nach der Niederlage der von Friedrich Hecker (1811-1881) geführten demokratisch-republikanischen Freischärlerverbände floh Engels, mittlerweile steckbrieflich gesucht, in die Schweiz. Im Herbst 1849 emigrierte er nach England, wo er ab 1850 zunächst als Prokurist wieder in das schützende väterliche Geschäft in Manchester eintrat. Hier führte er bis 1870 ein Doppelleben als geschickter Geschäftsmann mit getarnten revolutionären Absichten und kommunistischen Aktivitäten. Der Tod des Vaters im Jahre 1860 machte ihn durch die stattliche Erbschaft unabhängig, so dass sich Engels schließlich ganz vom „hündischen Commerce" abwandte, 1869 seine Firmenanteile verkaufte und nach London, in unmittelbare Nähe zu Marx, übersiedelte.
Obwohl Friedrich Engels spätestens nach dem Tod von Karl Marx zur führenden geistigen Persönlichkeit des internationalen Sozialismus aufstieg, sah er sich selbst zeitlebens in der Rolle des im Hintergrund agierenden Organisators. In den Mittelpunkt stellte er sich nie. Allein seine uneigennützigen Dienste für Marx reichten fast bis zur Selbstverleugnung. Engels unterstützte seinen Freund nicht nur finanziell, sondern stand ihm auch bei seinen wissenschaftlichen Publikationen mit kritischem Rat zur Seite.
Als praktizierender Kapitalist war Engels der versierte Ökonom und Pragmatiker. Seine rasche Auffassungsgabe, seine flinke, prägnante, auch polemische, ja gelegentlich verletzende Feder, seine Vielsprachigkeit und sein Gespür für Öffentlichkeitswirkung kamen hinzu. Engels stellte Zeitpläne auf, drängte Marx, Abgabetermine einzuhalten. Er selbst schrieb säumige Artikel unter Marxens Namen. Es gibt Passagen im Marx-Engels-Gesamtwerk, wo die Anteile beider nicht genau zu unterscheiden sind. Mit viel Akribie widmete sich Engels in seinen letzten Lebensjahren der Herausgabe der Werke des 1883 verstorbenen Freundes.
Engels habe gerne, wie er erklärte, die „zweite Violine" gespielt, weil er neidlos die erste, nämlich die von Marx, als „so eine famose erste Violine" anerkannte. Als das Äußerste an Freundschaftsdienst aber muss wohl eine Inszenierung der besonderen Art gelten. Bis kurz vor seinem Tod am 1895 in London gab sich Engels als Vater von Frederick Demuth (1851-1929) aus, dem unehelichen Sohn von Marx und seiner Haushälterin Helena Demuth (1823-1890). Aus Rücksicht auf seine Frau und aus Furcht vor einem öffentlichen Skandal hatte Marx die Vaterschaft geleugnet.
War Engels im Vergleich zu Marx der freiere Bürgerssohn und unabhängigere Kritiker des Kapitalismus? Sicherlich unterschätzten die radikalen Kritiker die Fähigkeit des Kapitalismus, auf Krisen zu reagieren. Dafür überschätzten sie den revolutionären Elan der Arbeiterschaft. Die Rolle des Staates in einer kapitalistischen Gesellschaft wurde nicht angemessen analysiert, auch nicht die Lernfähigkeit einer Gesellschaft erkannt. Marx und Engels sahen nicht die strategischen Optionen und die befriedenden Wirkungen der modernen Konsumgesellschaft voraus, geschweige denn das Repertoire an Möglichkeiten medial stimulierter Bedürfnisformung beziehungsweise -manipulation. Sie erahnten nicht die Konsequenzen einer „zunehmenden Virtualisierung der Ökonomie" (Achatz von Müller). Die Analysen von Marx und von „Dear Fred" sind, so Iring Fetscher, als „Orientierungsmittel innerhalb der heutigen Welt partiell obsolet und ergänzungsbedürftig geworden".
Viel Skepsis und Realismus steckt in Engels´ Rückblick auf den Sozialutopisten Charles Fourier (1772-1837): „Er spricht es zuerst aus, daß in einer gegebenen Gesellschaft der Grad der weiblichen Emancipation das natürliche Maß der allgemeinen Emancipation ist". Engels´ Schrift „Der Ursprung der Familie" von 1884 gilt vielen noch immer als eines der einflussreichen Dokumente der Weltliteratur zugunsten der Emanzipation der Frauen.
Ganz im Widerspruch zu Engels´ gelegentlich ungestümen Begeisterung für die Fortschritte in Naturwissenschaft und Technik beschrieb er im „Anti-Dühring" von 1878 die für die Natur verheerenden Folgen der Industrialisierung: dass nämlich Fabrikstädte „alles Wasser in stinkende Jauche" verwandeln. Es klingt so nachdenklich wie grundsätzlich, wenn er in der nachgelassenen Schrift „Dialektik der Natur" festhält: „Schmeicheln wir uns indes nicht zu sehr mit unsern menschlichen Siegen über die Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns." So brachte auch die „zweite Violine" bedeutende Werke hervor, die deutlich genug geistige Eigenständigkeit dokumentieren.
Es wäre wohl zu harmlos gedacht, dass neben der in Berlin studierten Dialektik auch rheinisches Temperament Engels´ Zuspitzungen und Übertreibungen begünstigt hätten, die ihn ebenso für Dogmatiker attraktiv machten. Der Materialist Engels aber hat sich selbst als Aufklärer im Sinne von Humanität und Vernunft verstanden und ist dafür oft über Gebühr beansprucht worden. So bleibt im Rückblick auf dieses von Antagonismen bestimmte Leben vielleicht der Wink, mit Widersprüchen zu leben, um „frei und dreist" daraus zu lernen.
Gelegenheit zur Prüfung dieser These bietet neben umfangreichem Schriftgut auch die kleine Dauerausstellung im Wuppertaler Historischen Zentrum, Museum für Frühindustrialisierung. Im Engelshaus in der Engelsstraße und in Reichweite des umstrittenen Engels-Denkmals ist sie dem berühmt-berüchtigten Sohn der Stadt gewidmet.
Obwohl Friedrich Engels den größten Teil seines Lebens in England verbrachte, blieb er seiner rheinischen Heimat stets eng verbunden. Seine durch den Biographen Gustav Meyer (1871-1948) überlieferte wehmütige Liebeserklärung an das Rheinland legt davon Zeugnis ab: „ … als er die Türme des Kölner Doms vor sich aufsteigen sah, äußerte er bekümmert zu seinen Begleitern: „Dies schöne Land, wenn man darin nur leben könnte!"
Friedrich Engels starb am 5.8.1895 in seiner Londoner Wohnung. Auf eigenen Wunsch hin wurde seine Asche einige Meilen vor der englischen Küste nahe der Stadt Eastbourne im offenen Meer verstreut.
Werke (Auswahl)
Briefe aus dem Wuppertal (1839), in: Marx/Engels Gesamtausgabe (MEGA), 1. Abteilung, Band 3, Berlin 1985, S. 32-51.
Siegfrieds Heimath (1840), in: MEGA, 1. Abteilung, Band 3, Berlin 1985, S. 203-207.
Die Lage der arbeitenden Klasse in England. Nach eigner Anschauung und authentischen Quellen (1845), Berlin 1979.
Grundsätze des Kommunismus (1847), in: Karl Marx/Friedrich Engels. Manifest der Kommunistischen Partei, Stuttgart 1986, S. 61-83.
Herrn Eugen Dühring´s Umwälzung der Wissenschaft. Philosophie. Politische Ökonomie. Sozialismus, (Anti-Dühring) (1878), in: MEGA, 1. Abteilung, Band 27, Berlin 1988, S. 220-483.
Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft (1882), in: MEGA, 1. Abteilung, Band 27, Berlin 1988, S. 586-627.
Dialektik der Natur (1873-1882), in: MEGA, 1. Abteilung, Band 26, Berlin 1985.
Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates (1884), in: MEGA, 1. Abteilung, Band 29, Berlin 1990.
Literatur
Bolz, Norbert, Das konsumistische Manifest, München 2002.
Fetscher, Iring, Karl Marx, Friedrich Engels. Prognose und Utopie, Berlin 2004.
Fetscher, Iring, Überlebensbedingungen der Menschheit, München 1980.
Habermas, Jürgen, Zur Rekonstruktion des Historischen Materialismus, Frankfurt a. M. 1973.
Hirsch, Helmut, Friedrich Engels in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek 1968.
Knieriem, Michael, „Gewinn unter Gottes Segen". Ein Beitrag zur Firmengeschichte und geschäftlichen Situation von Friedrich Engels. Aus dem Archiv der Firma „Ermen & Engles" in Engelskirchen, Neustadt an der Aisch 1987.
Sayers, Janet, Evans, Mary, Redclift, Nanneke, Engels Revisited. New Feminist Essays, London and New York 1987.
Schleper, Thomas, Mit Engels ins Industriezeitalter. Von Wasserkraft, Fabrikarbeit und Baukunst, Köln 1991.
Schleper, Thomas, Ermen & Engels in Engelskirchen. Industrialisierung einer ländlichen Region, Köln 1987.
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Schleper, Thomas, Friedrich Engels, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/friedrich-engels-/DE-2086/lido/57c6a47a7acd29.48753425 (abgerufen am 09.10.2024)