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Unbelehrbar und ohne Reue hat es Friedrich Karl Florian noch als greiser Ex-Gauleiter geschafft, Ende der 1960er und zu Beginn der 1970er Jahre durch seine ungebrochene fanatische „Führer“-Gläubigkeit bundesweit auf sich aufmerksam zu machen, als „Der Spiegel“ berichtete, dass Florian 150 ehemalige Mitkämpfer aufgefordert hatte, dem „hohen und hehren Begriff des Nationalsozialismus wieder zu Ehren zu verhelfen“ und zu schildern, „wie es wirklich gewesen war“. Und als kurz darauf tatsächlich im Rahmen der Dissertation von Hans-Peter Görgen über den Nationalsozialismus in Düsseldorf geschildert wurde, wie es wirklich gewesen war und Florian als „der böse Geist“ Düsseldorfs bezeichnet wurde, hatte der einstige Düsseldorfer Gauleiter nichts Eiligeres zu tun, als die Stadt Düsseldorf zu verklagen und eine Streichung dieser und vieler ähnlicher Sätze gerichtlich zu verlangen, worüber dann wiederum die Wochenzeitschrift „Die Zeit“ und der Westdeutsche Rundfunk berichteten.
Eitel, egoman und als „entwurzelte Existenz“ beschrieben (Peter Hüttenberger, S. 530), war Florians Werdegang in jeder Hinsicht prototypisch für jene Frontkämpfergeneration, die dem Nationalsozialismus Gestalt und Gesicht gegeben hat. Als Sohn des Oberbahnmeisters Franz Gottfried Florian und seiner Ehefrau Wilhelmine, geborene Acktun am 4.2.1894 in Essen geboren, verbrachte er dennoch einen Teil seiner Kindheit in Ostpreußen, woher, wie Florian selbst gerne berichtete, seine hugenottischen Vorfahren stammten und wo er seit der Jahrhundertwende die Volksschule in Wehlau und Realschule und Realgymnasium besuchte, bis er 1912 eine Laufbahn als Grubenbeamter bei der Preußischen Berginspektion III im westfälischen (Gelsenkirchen-)Buer begann, die schon im August 1914 entscheidend unterbrochen wurde, als Florian sich freiwillig zum Kriegsdienst beim Grenadierregiment 1 im ostpreußischen Königsberg und 1916 beim Jagdgeschwader Richthofen verpflichtete. 1918 im Range eines Unteroffiziers im Luftkampf vom Himmel geholt und bis November 1919 für anderthalb Jahre in britischer Kriegsgefangenschaft, kehrte Florian ins Ruhrgebiet zurück und setzte von Februar 1920 bis 1929 seine Bergbeamtenkarriere fort.
Trotz dieser bürgerlichen und sicheren Stellung war Florian durch die Weltkriegsniederlage aber so weit politisiert oder politisch traumatisiert, dass er 1920 dem „Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund“ beitrat, in Buer eine Ortsgruppe des „Verbandes nationalgesinnter Soldaten“ gründete und im Zuge der französischen Besetzung des Ruhrgebiets zu Beginn des Jahres 1923 als Mitglied und Mitbegründer des „Westfälischen Treuebundes“ so aktiv am Widerstand gegen die Ruhrbesetzung teilnahm, dass ihn die Direktion des staatlichen Steinkohlenbergwerkes Buer aus den besetzten Gebieten nach Bad Oeynhausen auswies.
Seit dem 31.3.1923 mit der ebenfalls evangelischen Editha Krage (geboren 1904, Todesdatum unbekannt), Tochter eines Neuwieder Blindenlehrers verheiratet, kehrte Florian 1924 nach Buer zurück, wo er eine Ortsgruppe des „Völkisch-Sozialen Blocks“ (mit-) begründete und leitete. Diese Gruppierung rekrutierte sich aus jenen Hitler-treuen Rudimenten, die nach Scheitern und Auflösung der NSDAP durch den völlig misslungenen Staatsstreich Hitlers vom 9.11.1923 übrig geblieben waren und die sich später „Nationalsozialistische Freiheitsbewegung“ nannten.
Nachdem der haftentlassene Hitler im Februar 1925 die NSDAP wiederbegründet hatte, trat Florian am 18.8.1925 mit der Mitgliedsnummer 16699 der Partei bei und reüssierte rasch – nach genau einer Woche am 25.8.1925 – zum SA-Sturmführer und Ortsgruppenleiter der NSDAP in (Gelsenkirchen-)Buer, wo er 1927 als einziges NSDAP-Mitglied einen Sitz im Stadtrat inne hatte. In diesem Jahr avancierte Florian auch zum Leiter des NSDAP-„Bezirks“ Emscher-Lippe, einem jener zehn „Bezirke“, in die der im März 1926 von Dr. Joseph Goebbels und Gregor Strasser (1892-1934) gegründete „NSDAP-(Groß-)Gau Ruhr“ zu dieser Zeit aufgeteilt war. Nachdem Hitler diesen aus den Gauen Rheinland-Nord und Westfalen gebildeten „Groß-Gau Ruhr“ im Sommer 1928 aufgelöst und in einen Gau Westfalen-Süd (unter Josef Wagner, 1899-1945) und die beiden Bezirke Essen (unter Josef Terboven) und Bergisches Land/Niederrhein (unter dem Bezirksleiter des Bergischen Landes Fritz Härtl, geboren 1892, Todesdatum unbekannt) dreigeteilt hatte und letztgenannter Fritz Härtl 1929 aus beruflichen Gründen resignierte, schlug die Stunde des NSDAP-Kreisleiters von Gelsenkirchen-Buer, Friedrich Karl Florian, der – notabene mit seinem Kreis dem NSDAP-Bezirk (Essen) seines späteren Intimfeindes Josef Terboven zugehörig! – am 1.10.1929 zum Bezirksleiter („mit den Parteizuständigkeiten eines Gauleiters“) Bergisches Land/Niederrhein ernannt wurde und am 1.8.1930 die Umbenennung dieses NSDAP-„Bezirkes“ in den „Gau Düsseldorf“ erreichte, dessen Leiter er bis zum Ende des „Dritten Reiches“ bleiben sollte.
Sechs Wochen später durch den „Erdrutsch“-Wahlsieg der NSDAP am 14.9.1930 auch Reichstagsmitglied, begann nun die eigentliche Gauleiter-Karriere von Friedrich Karl Florian, der bezeichnenderweise erst 1929 seine sichere Bergbeamtenstelle aufgegeben hatte, nach Düsseldorf umgesiedelt war und nun, analog zur gesamten nationalsozialistischen „Bewegung“, von der Agonie der Weimarer Republik, die spätestens seit dem „Schwarzen Freitag“ im Oktober 1929 eingesetzt hatte, profitierte. So wuchs, um nur ein Beispiel von vielen möglichen zu nennen, die NSDAP-Ortsgruppe Düsseldorf in jener Zeit der „Auflösung der Weimarer Republik“ von 750 Mitglieder im September 1930 bis April 1932 auf 6.500 an, derweil Florian schon im Juni 1930 durch Gründung der nationalsozialistischen Zeitung „Volksparole“, die ab März 1931 täglich erschien, propagandistisches Öl in die bürgerkriegsähnlichen Brände in „seinem“ Gau zu gießen verstand.
Nach dem 30.1.1933 ging Florian – ähnlich wie in vielen anderen Orten im damaligen Deutschen Reich und in frappanter Analogie zum benachbarten Gau Köln-Aachen, wo der dortige Gauleiter Josef Grohé den langjährigen Kölner Oberbürgermeister Dr. Konrad Adenauer mit allen Mitteln aus dem Amt drängte – sofort daran, den Oberbürgermeister seiner „Gauhauptstadt“ Düsseldorf, Dr. Robert Lehr, mittels ebenso dubioser Methoden durch den willfährigen „Alten Kämpfer“ Dr. Hans Wagenführ (1886-1944) abzulösen und die gesamte Düsseldorfer Stadtverwaltung nationalsozialistisch zu durchdringen, was, auch dies in Analogie zum reichsweiten „Gleichschaltungs“-Prozess, in ebenso rasantem wie radikalem Maße gelang.
Nachdem der Konflikt zwischen dem seit dem 25.9.1933 selbst im Range eines SA-Gruppenführers stehenden Florian im Verein mit dem SS-Gruppenführer und späteren Polizeipräsidenten Fritz Weitzel (1904-1940) und dem Düsseldorfer SA-Standartenführer Lohbeck durch die Ereignisse des 30.6.1934 zugunsten des Gauleiters entschieden worden war, richtete sich die „Gauclique“ um Florian in ihrem „Reich“ dergestalt ein, dass man, um es mit den Worten des Düsseldorfer Historikers Peter Hüttenberger zu formulieren, „(…) Stufenleitern von Privilegien und Rängen, die in Wirklichkeit keine waren, ersann, und einen Sternenhimmel von Symbolen, die für Nichtigkeiten standen, entwarf.“ (Hüttenberger, S. 509)
Die Tatsache, dass Florians alter Feind Josef Terboven 1935 neben seinem Essener Gauleiteramt auch noch zum Oberpräsidenten der Rheinprovinz ernannt und damit den übrigen drei rheinischen Gauleitern zumindest auf staatlicher Ebene vorgesetzt wurde, traf den eitlen Düsseldorfer Gauleiter an einer empfindlichen Stelle und konnte durch seine Ernennung zum Preußischen Staatsrat im Sommer 1933 oder seine Anfang 1937 erfolgte Beförderung zum SA-Obergruppenführer nicht kompensiert werden. Es mag eben dieser verletzten und besonderen Eitelkeit Florians geschuldet gewesen sein, dass die Düsseldorfer Gauleitung es für notwendig erachtete, ihren Sitz 1937 in das repräsentative Schloß Jägerhof zu verlegen, indem man dem dort residierenden evangelischen Landesbischof Heinrich Josef Oberheid kurzerhand die Tür wies.
Ähnlich großmannssüchtig, ja geradezu megaloman waren Florians geplante Prachtbauten und die Realisierung von Prestigevorhaben wie die 1937 veranstaltete „Reichsausstellung Schaffendes Volk“, die den Düsseldorfer Haushalt gnadenlos belastete und dennoch kaum darüber hinwegtäuschen konnte, dass in eben diesem Jahr 1937 der Düsseldorfer Gauleiter durch die Vorgänge rund um den „Esch-Skandal“ politisch angeschlagen war, weil der Oberbürgermeister von Florians Gnaden, Dr. Hans Wagenführ, im Strudel des Korruptionsskandals um den (nationalsozialistischen) Stadtsteuerdirektor Erich Esch nicht mehr zu halten gewesen war und gegen den Willen und den Widerstand Florians, aber auf Betreiben von Oberpräsident Terboven im Frühjahr 1937 abgesetzt und durch den von Florian abgelehnten Dr. Otto Liederley ersetzt worden war. Zwar starb der missliebige Dr. Liederley nach nur siebenmonatiger Amtszeit Anfang November 1937, doch der dann von Florian selbst als neuer Düsseldorfer Oberbürgermeister vorgeschlagene Dr. Dr. Helmut Otto (1892-1974) beging die aus Sicht Florians unverzeihlichen Fehler, an einer Jagdgesellschaft Terbovens teilzunehmen und die vom Düsseldorfer Gauleiter gewünschte (riesige) „Schlageterhalle“ mit Blick auf die Stadtfinanzen nicht bauen zu wollen, weshalb in letzter Konsequenz Hitler selbst in die Düsseldorfer Oberbürgermeister-Querelen einzugreifen gezwungen war und zugunsten der Gauleitung und damit im Sinne Florians entschied, dass am 1.10.1939 Dr. Carl Haidn (1903-nach 1988) neuer Oberbürgermeister von Düsseldorf wurde.
Obwohl nach Kriegsbeginn in der Parteizentrale der NSDAP sogar erwogen worden war, aufgrund der ständigen schweren Streitigkeiten im Rheinland einen der vier rheinischen Gauleiter – allem Anschein nach Florian – nach Hannover zu versetzen, blieb dieser bis 1945 Gauleiter in Düsseldorf, wo er am 16.4.1945 in den letzten Stunden des „Dritten Reiches“ dafür sorgte, dass vier Düsseldorfer Bürger und der Schutzpolizeikommandeur Franz Jürgens (1895-1945) standrechtlich erschossen wurden, weil sie zwecks Verhinderung weiterer Bombardements Übergabeverhandlungen mit den US-Truppen initiiert hatten. Tags darauf geriet Florian in amerikanische Gefangenschaft und blieb bis 1951 in etlichen Lagern und Gefängnissen interniert, wobei das im Frühjahr 1949 gegen ihn angestrengte Strafverfahren wegen seiner eben erwähnten letzten „Kriegshandlung“ mit einem ebenso bezeichnenden wie skandalösen Freispruch für Florian endete.
Obgleich selbst NSDAP-intern umstritten und beispielsweise von Goebbels zumindest in dessen Tagebuch (unter dem 6.4.1937) harsch krisitiert „arbeitet nichts, setzt nur Kreaturen ein! – blieben Florians Gewissen und Selbstvertrauen bis zu seinem Tode am 24.10.1975 in Mettmann zumindest äußerlich unbelastet und ungebrochen, wie die eingangs geschilderten Begebenheiten klar erkennen lassen.
Quellen
Nachlass im Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland.
Literatur
Baumann, Hermann, „Brauner im Bunker. Ex-Gauleiter Florian klagt gegen Düsseldorf“, in: „Die Zeit“ Nr. 19 vom 7.5.1971.
Först, Walter, Die rheinischen Gauleiter, in: Först, Walter (Hg.), Städte nach zwei Weltkriegen, Köln [u.a.] 1984, S.121-139, 229-230.
Görgen, Hans-Peter, Düsseldorf und der Nationalsozialismus, Köln 1968.
Hüttenberger, Peter, Die Industrie- und Verwaltungsstadt (20. Jahrhundert) (Düsseldorf. Geschichte von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert. Band 3), Düsseldorf 1989.
Lichtenstein, Heiner, Gauleiter ohne Gedächtnis. Die Prozesse der Friedrich Karl Florian [Manuskript einer WDR-Sendung vom 3.6.1972].
Lilla, Joachim (Bearb.), Statisten in Uniform. Die Mitglieder des Reichstags 1933-1945. Ein biographisches Handbuch, Düsseldorf 2004.
„Der Spiegel“ Nr. 20 (1967), S.81.
Romeyk, Horst, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz, Düsseldorf 1994, S. 445.
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Wallraff, Horst, Friedrich Karl Florian, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/friedrich-karl-florian-/DE-2086/lido/57c6ae52069cf3.26220086 (abgerufen am 05.11.2024)