Friedrich Wilhelm Argelander

Astronom (1799-1875)

Björn Thomann (Suderburg)

Abbildung von Friedrich Wilhelm Argelander, Scan aus: Stanislaus, Leopold Henrik: Finland in the Nineteenth Century by Finnish authors. Illustrated by Finnish artists, 1894.

Fried­rich Wil­helm Ar­ge­lan­der zählt zu den be­deu­ten­den As­tro­no­men des 19. Jahr­hun­derts. Aus Me­mel in Ost­preu­ßen stam­mend, folg­te er 1836 ei­nem Ruf an die Uni­ver­si­tät Bonn, wo er den Auf­bau der Stern­war­te lei­te­te und mit der „Bon­ner Durch­mus­te­run­g“ ein Stan­dard­werk der S­ter­nen­kar­to­gra­phie er­stell­te. 

Fried­rich Wil­helm Au­gust Ar­ge­lan­der wur­de am 22.3.1799 in Me­mel als Sohn des aus Finn­land stam­men­den Kauf­manns und Ree­ders Jo­hann Gott­lieb Ar­ge­lan­der und des­sen Ehe­frau Do­ro­thea Wil­hel­mi­ne Gru­en­ha­gen ge­bo­ren. Nach der Nie­der­la­ge in der Schlacht bei Je­na und Au­er­stedt am 14.10.1806 hat­te sich der preu­ßi­sche Kö­nig Fried­rich Wil­helm III. (Re­gent­schaft 1797-1840) mit sei­ner Fa­mi­lie nach Me­mel zu­rück­ge­zo­gen. Im Hau­se Ar­ge­lan­der fand Kron­prinz Fried­rich Wil­helm, der spä­te­re Kö­nig Fried­rich Wil­helm IV. (Re­gent­schaft 1840-1858) Un­ter­kunft. Zwi­schen ihm und Ar­ge­lan­der ent­wi­ckel­te sich ei­ne le­bens­lan­ge Freund­schaft. 

Nach dem Be­such des Gym­na­si­ums in Elbing und des Col­le­gi­um Fri­de­ri­cia­num in Kö­nigs­berg be­gann Ar­ge­lan­der im Jahr 1817 das Stu­di­um der Ka­me­ral­wis­sen­schaf­ten an der Kö­nigs­ber­ger Uni­ver­si­tät, be­such­te je­doch auch die Vor­le­sun­gen des re­nom­mier­ten As­tro­no­men Fried­rich Wil­helm Bes­sel (1784-1846), der sein Ta­lent er­kann­te und för­der­te. 1818 wech­sel­te Ar­ge­lan­der zur phi­lo­so­phi­schen Fa­kul­tät, um sich fort­an ganz dem Stu­di­um der As­tro­no­mie und der Ma­the­ma­tik zu wid­men. Am 1.10.1820 nahm ihn Bes­sel als Ge­hil­fen an der von ihm ge­lei­te­ten Kö­nigs­ber­ger Stern­war­te auf. Nach­dem er sich be­reits durch sei­ne Mit­ar­beit am fünf­ten Band von Bes­sels „Kö­nigs­ber­ger Be­ob­ach­tun­gen“ als ei­ner der „aus­ge­zeich­nets­ten Schü­ler“ Bes­sels be­währt hat­te, pro­mo­vier­te er am 1.4.1822 mit ei­ner kri­ti­schen Be­trach­tung der Be­ob­ach­tun­gen des eng­li­schen As­tro­no­men John Flams­teed (1646-1719) zum Dok­tor der Phi­lo­so­phie. Nur elf Ta­ge spä­ter, am 12. April, er­warb er sich mit sei­nen in Fach­krei­sen für Auf­se­hen sor­gen­den „Un­ter­su­chun­gen über die Bahn des Ko­me­ten von 1811“ auch die Lehr­er­laub­nis an der Kö­nigs­ber­ger Uni­ver­si­tät. 

Am 2.5.1823 hei­ra­te­te Ar­ge­lan­der die aus Kö­nigs­berg stam­men­de Ma­rie Char­lot­te So­phie Cour­tan (1801-1883). Aus der Ehe gin­gen der Sohn Hein­rich Lor­entz (1834-1908) so­wie die Töch­ter Ma­ria Wil­hel­mi­ne Ama­lie (1827-nach 1883), Ma­ria Ol­ga Eli­sa­beth (1836-1854) und An­na Mat­hil­de Au­gus­te (1838-1872) her­vor. Ma­ria hei­ra­te­te 1862 Ar­ge­lan­ders Schü­ler Carl Ni­ko­laus Al­bert Krü­ger (1832-1896), ei­nen sei­ner Nach­fol­ger als Lei­ter der Stern­war­te in Hel­sing­fors. Auch An­na ging die Ehe mit ei­nem Schü­ler und Mit­ar­bei­ter des Va­ters ein. Sie hei­ra­te­te 1865 Ju­li­us Theo­dor Wolff (1827-1899), der die Ar­bei­ten sei­nes Schwie­ger­va­ters in Bonn und spä­ter in Mün­chen fort­set­zen soll­te. 

Auf Ver­mitt­lung Bes­sels er­hielt Ar­ge­lan­der 1823 ei­ne An­stel­lung als Lei­ter der Stern­war­te in Abo (Tur­ku) in Finn­land. Nach­dem fast die ge­sam­te Stadt 1828 durch ei­ne Feu­ers­brunst zer­stört wor­den war, über­sie­del­te die Uni­ver­si­tät mit sämt­li­chen In­sti­tu­ten nach Hel­sing­fors (Hel­sin­ki). Hier be­auf­trag­te man den mitt­ler­wei­le auch hier zum Pro­fes­sor er­nann­ten Ar­ge­lan­der mit der Er­rich­tung ei­ner neu­en Stern­war­te. Die Auf­ga­be er­wies sich als schwie­rig, un­ter an­de­rem ver­zö­ger­ten Pro­ble­me mit dem Bau­grund und ei­ne ver­hee­ren­de Cho­le­ra­epi­de­mie ei­ne ra­sche Um­set­zung. Im Herbst 1835 konn­te das In­sti­tut sei­ner Be­stim­mung über­ge­ben wer­den. Ar­ge­lan­ders or­ga­ni­sa­to­ri­sches Ge­schick und sei­ne ho­he wis­sen­schaft­li­che Re­pu­ta­ti­on mach­ten ihn 1836 zum be­vor­zug­ten Kan­di­da­ten für die Neu­be­set­zung des Lehr­stuhls für As­tro­no­mie der Uni­ver­si­tät Bonn. Ar­ge­lan­der folg­te ih­rem Ruf vom 23.8.1836 un­ter der Zu­si­che­rung des preu­ßi­schen Staa­tes, den Auf­bau ei­nes mo­der­nen as­tro­no­mi­schen In­sti­tuts zu ge­währ­leis­ten – ein Wunsch, des­sen Ver­wirk­li­chung sei­nem Vor­gän­ger Karl Diet­rich Mün­chow (1778-1836) ver­wehrt ge­blie­ben war. Ar­ge­lan­der wuss­te sich bei den Ver­hand­lun­gen nicht zu­letzt der Un­ter­stüt­zung sei­nes Ju­gend­freun­des Fried­rich Wil­helm si­cher. Für den Ent­wurf der Stern­war­te zeich­ne­ten die re­nom­mier­ten preu­ßi­schen Ar­chi­tek­ten Pe­ter Jo­seph Ley­del (1783-1845) und Karl Fried­rich Schin­kel (1781-1841) ver­ant­wort­lich. 1845 konn­te sie - da­mals ei­ne der mo­derns­ten An­la­gen ih­rer Art - ein­ge­weiht wer­den. Das Ge­bäu­de mit sei­nen cha­rak­te­ris­ti­schen vier Tür­men an der Pop­pels­dor­fer Al­lee im Bon­ner Sü­den, zur Bau­zeit noch weit au­ßer­halb des Stadt­ge­bie­tes lie­gend, über­stand als ei­nes der we­ni­gen Uni­ver­si­täts­in­sti­tu­te die Bom­bar­die­run­gen im Zwei­ten Welt­krieg und be­her­berg­te noch bis 1973 das as­tro­no­mi­sche In­sti­tut der Uni­ver­si­tät Bonn.  

Die ers­ten Jah­re in Bonn ver­brach­te Ar­ge­lan­der, un­ter ein­fa­chen Ver­hält­nis­sen im Gar­ten­haus Pe­ter Jo­seph Len­nés am Al­ten Zoll le­bend und ar­bei­tend, mit der Er­stel­lung der „Neu­en Ur­a­no­me­trie“, ei­nem 17 Kar­ten ent­hal­ten­den At­las sämt­li­cher mit blo­ßem Au­ge in Mit­tel­eu­ro­pa sicht­ba­ren Fix­ster­ne mit An­ga­be ih­rer Hel­lig­keits­ver­hält­nis­se. Ar­ge­lan­der hat­te ein prä­zi­ses vi­su­el­les Ver­fah­ren zur Hel­lig­keits­be­stim­mung ver­än­der­li­cher Ster­ne ent­wi­ckelt, de­ren An­wen­dung er im be­son­de­ren auch Ama­teur­as­tro­no­men emp­fahl, die nicht die Mög­lich­keit nut­zen konn­ten, den Him­mel mit den mo­der­nen tech­ni­schen Mit­teln zu be­ob­ach­ten. Die Grund­la­ge die­ser und sei­ner fol­gen­den Ar­bei­ten zur Ver­mes­sung und Orts­be­stim­mung bil­de­te das von sei­nem Lehr­meis­ter Bes­sel ent­wi­ckel­te Ver­fah­ren zur Be­stim­mung von Stern­po­si­tio­nen im äqua­to­ria­len Ko­or­di­na­ten­sys­tem. Das neue Bon­ner as­tro­no­mi­sche In­sti­tut mit sei­ner höchs­ten An­sprü­chen ge­nü­gen­den Aus­stat­tung – es ver­füg­te un­ter an­de­rem über ei­nen Me­ri­di­an­kreis zur Be­stim­mung von Stern­po­si­tio­nen und ein He­lio­me­ter zur Win­kel­be­stim­mung und der Mes­sung von Ster­nen­ab­stän­den – bot Ar­ge­lan­der ab 1845 die idea­len Vor­aus­set­zun­gen zur In­ten­si­vie­rung sei­ner For­schungs­tä­tig­keit. 

Die Ent­wick­lung neu­er Be­ob­ach­tungs­in­stru­men­te und die dar­aus re­sul­tie­ren­de Ent­de­ckung neu­er Ster­ne im 19. Jahr­hun­dert hat­ten ei­ne ein­heit­li­che Ver­mes­sung und Kar­tie­rung des Ster­nen­him­mels not­wen­dig ge­macht – ei­ne Auf­ga­be, für die Ar­ge­lan­der ge­ra­de­zu prä­des­ti­niert war. Vom 25.2.1852 bis zum 27.3.1859 wid­me­te er sich in Ko­ope­ra­ti­on mit dem Ber­li­ner As­tro­no­men Jo­hann Fried­rich Ju­li­us Schmidt (1825-1884) so­wie mit sei­nen As­sis­ten­ten Fried­rich Thor­mann (1831-1882), Edu­ard Schön­feld (1828-1891) und Adal­bert Krü­ger der Ver­wirk­li­chung sei­nes Haupt­wer­kes, der 1863 ver­öf­fent­lich­ten, drei­bän­di­gen „Bon­ner Durch­mus­te­run­g“. Ar­ge­lan­der und sei­nen Mit­ar­bei­tern ge­lang es da­bei, ins­ge­samt 324.198 Ster­ne mit den Po­si­tio­nen und Hel­lig­kei­ten der­sel­ben zu er­fas­sen. Das 48 Kar­ten um­fas­sen­de Werk soll­te zum Vor­bild und Maß­stab künf­ti­ger Durch­mus­te­run­gen des nörd­li­chen und süd­li­chen Ster­nen­him­mels wer­den. 

Knapp 40 Jah­re wirk­te Ar­ge­lan­der in Bonn; in den Jah­ren 1854 und 1860 be­klei­de­te er das Amt des Rek­tors der Uni­ver­si­tät und war von 1864 bis 1871 Vor­sit­zen­der der von ihm mit­be­grün­de­ten As­tro­no­mi­schen Ge­sell­schaft. Zu den zahl­rei­chen in­ter­na­tio­na­len Aus­zeich­nun­gen zählt der be­reits 1838 ver­lie­he­ne De­mi­dow-Preis der rus­si­schen Aka­de­mie und die Gold­me­dail­le der Roy­al As­tro­no­mi­cal So­cie­ty in Lon­don im Jahr 1863. 1866 wur­de Ar­ge­lan­der in den Rang ei­nes preu­ßi­schen Ge­heim­rats er­ho­ben und 1874 zum Rit­ter des Or­dens pour le Mé­ri­te er­nannt. Aus den Be­schrei­bun­gen sei­ner Zeit­ge­nos­sen er­gibt sich das Bild ei­nes äu­ßerst um­gäng­li­chen Wis­sen­schaft­lers, der sich die ju­gend­li­che Be­geis­te­rung für die As­tro­no­mie bis ins ho­he Al­ter er­hielt und die­se auch im Um­gang mit sei­nen Stu­den­ten zu ver­mit­teln und wei­ter­zu­ge­ben ver­moch­te. 

Fried­rich Wil­helm Ar­ge­lan­der starb am 17.2.1875 in Bonn. Sein Grab be­fin­det sich auf dem Al­ten Fried­hof. An al­ter Wir­kungs­stät­te wur­de ei­ne Stra­ße nach ihm be­nannt, dar­über hin­aus wur­de er zum Na­mens­ge­ber des Ar­ge­lan­der-In­sti­tuts für As­tro­no­mie der Uni­ver­si­tät in Bonn-En­de­nich. 

Werke (Auswahl)

De ob­ser­va­tio­ni­bus as­tro­no­mi­cis a Flams­tee­dio in­sti­tu­tis, Dis­ser­ta­ti­ons­schrift, Kö­nigs­berg 1822.
Un­ter­su­chun­gen über die Bahn des Ko­me­ten von 1811, Ha­bi­li­ta­ti­ons­schrift, Kö­nigs­berg 1822,
Ur­a­no­me­tria No­va, Bonn 1843.
Auf­for­de­rung an die Freun­de der As­tro­no­mie zur Be­ob­ach­tung der ver­än­der­li­chen Ster­ne, Bonn 1844.
Bonn Ster­nen­ver­zeich­nis, 3 Bän­de, Bonn 1862.

Literatur

Be­cker, Fried­rich, Fried­rich Wil­helm Au­gust Ar­ge­lan­der 1799-1875, in: Bon­ner Ge­lehr­te. Bei­trä­ge zur Ge­schich­te der Wis­sen­schaf­ten in Bonn, Band 7: Ma­the­ma­tik und Na­tur­wis­sen­schaf­ten, Bonn 1970, S. 73-78.
Nie­sen, Jo­sef, Bon­ner Per­so­nen­le­xi­kon, 3. ver­bes­ser­te und er­wei­ter­te Auf­la­ge, Bonn 2011, S. 25-26.
Schmidt, Hans, As­tro­no­men der Rhei­ni­schen Fried­rich-Wil­helms-Uni­ver­si­tät. Ihr Le­ben, Bonn 1990, S. 36.
Sti­cker, Bern­hard, Fried­rich Wil­helm Ar­ge­lan­der und die As­tro­no­mie vor hun­dert Jah­ren, Bonn 1944.

Online

Zin­ner, Ernst, Ar­ti­kel "Ar­ge­lan­der, Fried­rich Wil­helm Au­gust", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 1 (1953), S. 350. [On­line]

 
Zitationshinweis

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Thomann, Björn, Friedrich Wilhelm Argelander, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/friedrich-wilhelm-argelander/DE-2086/lido/57adb119eb2cc6.84427907 (abgerufen am 03.12.2024)