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Georg Freiherr von Rheinbaben war ein preußischer Verwaltungsbeamter und Politiker, der als Regierungspräsident in Düsseldorf, preußischer Staatsminister und schließlich Oberpräsident der Rheinprovinz in der rheinischen und preußisch-deutschen Politik zwischen der Mitte der 1890er Jahre und dem Ende der Monarchie 1918 eine bedeutende Rolle spielte und auch im historischen Bewusstsein der Rheinlande etwa durch Straßennamen präsent geblieben ist.
Georg Kreuzwendedich Freiherr von Rheinbaben wurde am 21.8.1855 in Frankfurt an der Oder geboren. Seine Eltern waren Major Gustav von Rheinbaben (1817–1866) und Klara geborene von Gerlach (1825–1895). Die Familie war evangelisch. Nach dem Besuch eines Gymnasiums studierte er von 1873 bis 1876 Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft in Heidelberg und Berlin und leistete dann seinen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger bei einem Ulanen-Regiment ab. Nach der Ersten juristischen Staatsprüfung absolvierte er ab 1877 als Gerichtsreferendar seinen juristischen Vorbereitungsdienst zunächst beim Kreisgericht Erfurt, ab 1879 in Frankfurt an der Oder. Die Große juristische Staatsprüfung legt er 1882 ab, war dann als Gerichtsassessor vorübergehend als Hilfsarbeiter im Preußischen Staatsministerium beschäftigt, bis er am 1.12.1882 als Regierungsassessor in die innere Verwaltung übernommen und dem Oberpräsidium in Schleswig zur Dienstleistung zugewiesen wurde. 1885 heiratete er in St. Johannis vor Schleswig Hedwig geborene von Liliencron (1854–1934); aus der Ehe gingen mehrere Kinder hervor. Zum 1.12.1885 wurde Rheinbaben in das Preußische Finanzministerium versetzt, dort 1888 zum Regierungsrat, bereits 1889 zum Geheimen Finanzrat und Vortragenden Rat und 1892 zum Geheimen Oberfinanzrat ernannt. Seinen ungewöhnlich raschen Aufstieg verdankte er der Protektion von Finanzminister Johannes von Miquel (1828–1901), dessen enger Mitarbeiter er war, etwa bei dem Einkommensteuergesetz von 1891 und der Kommunalsteuerreform von 1893.
Am 22.2.1896 trat der im Finanzministerium bewährte Freiherr von Rheinbaben als Regierungspräsident an die Spitze der Regierung in Düsseldorf. Die während seiner Amtszeit im Regierungsbezirk geschaffene staatliche Wohnungsaufsicht wurde zum Vorbild für ähnliche Behörden im restlichen Preußen. In seiner Düsseldorfer Zeit kam er auch in nähere, teils freundschaftliche Kontakte zur rheinischen Schwerindustrie, unter anderem zu Franz Haniel und Friedrich Alfred Krupp, die diese Kontakte später in seiner Amtszeit als Finanzminister persönlich oder durch ihre Nachfolger in den Firmen zu nutzen wussten. Als Regierungspräsident war Rheinbaben unter anderem an den Vorbereitungen zum Bau des Rheinhafens in Krefeld interessiert, schaltete sich im Bedarfsfall persönlich ein und sorgte für die schnelle Beseitigung von Hindernissen und die kurzfristige Bearbeitung von Genehmigungsanträgen; auch befürwortete er die Vergrößerung des Krefelder Stadtgebiets durch die 1901 erfolgte Eingemeindung der Gemeinde Linn. In Düsseldorf, einer sehr bedeutenden Stellung der preußischen Verwaltung, blieb er bis zum 9.9.1899, nachdem er am 2. September zum preußischen Staatsminister und Minister des Innern ernannt worden war. Auf Reichskanzler Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst (1819–1901) machte der neue „vom Kaiser ausgewählte Minister einen guten Eindruck“[1]. Als Minister des Innern amtierte er nur knapp zwei Jahre; in dieser Zeit baute ihn sein amtsmüder Förderer Johannes von Miquel als seinen Nachfolger an der Spitze des preußischen Finanzministeriums auf. Nach Annahme von Miquels Rücktritt am 5.5.1901 übernahm Rheinbaben noch am selben Tage das Finanzministerium. Er leitete dieses Ressort mit großem Erfolg und gewann zunehmend politischen Einfluss. Besonders hervorzuheben ist die Neuordnung der Beamtenbesoldung sowie seine Mitwirkung an der (1909 allerdings gescheiterten) Reichsfinanzreform. Nach dem durch dieses Scheitern veranlassten Ausscheiden des Fürsten Bernhard von Bülow (1849–1929) aus dem Amt des Reichskanzlers im Juli 1909 galt Rheinbaben als durchaus chancenreicher Bewerber für dieses Amt. Obwohl dienstältester preußischer Minister, kam er nicht zum Zuge, weil er bei Wilhelm II. (Regierungszeitt 1888-1918) nicht in höchster Gunst stand. In einer „fastnachtsspielartigen Weise“[2] entschied sich der Kaiser, auf dem Sprung zu seiner jährlichen Nordlandreise, für den Staatssekretär des Reichsamts des Innern, Theobald von Bethmann Hollweg (1856–1921), dem schon 1907 das eigentlich von Rheinbaben erwartete Amt des Vizepräsidenten des preußischen Staatsministeriums übertragen worden war. In seiner Eigenschaft als preußischer Minister des Innern beziehungsweise der Finanzen war er vom 9.11.1899 bis 29.9.1910 (Daten der Protokollierung von Ein- und Austritt) auch Bevollmächtigter Preußens zum Bundesrat.
Zwei Vorgänge boten Reichskanzler von Bethmann Hollweg schließlich einen willkommenen Anlass, sich am 27.6.1910 von seinem als Konkurrenten empfundenen Finanzminister zu trennen. Zum einen das Scheitern der von Rheinbaben grundsätzlich mitgetragenen (moderaten) Reform des preußischen Dreiklassenwahlrechts 1910. Rheinbaben sprach sich beispielsweise in der Sitzung des Staatsministeriums am 22.11.1909 mit Erfolg gegen die Altersbevorrechtung aus, durch die älteren Wählern unter bestimmten Voraussetzungen ein stärkeres Stimmgewicht gegeben werden sollte. Er befürchtete „unerträgliche demokratisierende und polonisierende Folgen“, hielt sie auch deswegen für untragbar, weil dann „ein geistig und körperlich gebrechlicher Rentenempfänger auf dem Lande in der II. Abteilung wähle, der in der Vollblüte des Lebens stehende Bauer aber ev[entuell] in der III.“[3]. Besonderes Aufsehen erregte eine öffentliche Kontroverse Rheinbabens mit dem Sprecher des Vorstands der Deutschen Bank, Arthur von Gwinner (1856–1931), im Mai 1910 bei den Beratungen des Haushaltsplans für 1911 im preußischen Herrenhaus über die preußische Anleihepolitik und die Grundsätze der Staatsfinanzwirtschaft. Gwinner warf dem Minister vor, wie er in seinen Erinnerungen schreibt, dass er bereits den siebten Etat „mit scheinbarem Defizit einbrachte, während das wirkliche Auskommen allemal besser war, und in dem damals vorliegenden Falle sicherlich sehr viel günstiger werden mußte“. Gwinner ging es darum, „die Beeinträchtigung des Staatskredits durch Verkündung eines ewigen Defizits, wo gar keines war“, zu verhindern; „noch wollte ich die Knauserwirtschaft an so vielen Stellen, wo der damals reiche Staat bildend und fördernd hätte eingreifen können und sollen.“[4]
Nach dem „Ministerschub“, einem Revirement in der Leitung von Reichsämtern und preußischen Ministerien, notierte der dem Reichskanzler nahestehende Legationsrat Kurt Riezler (1882–1955), dessen Situation habe sich „stark verbessert“[5], so galt Rheinbaben bis zu seinem Ausscheiden aus dem Ministeramt als ernstzunehmender Konkurrent Bethmann Hollwegs. Er blieb jedoch nur wenige Tage ohne Beschäftigung. Bereits am 2. Juli wurde er zum Oberpräsidenten der Rheinprovinz ernannt und trat sein Amt am 4. Juli an. Sein Vorgänger im Amt, Clemens Freiherr von Schorlemer-Lieser, war am 18. Juni im Rahmen des genannten „Ministerschubs“ als preußischer Staatsminister und Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten berufen worden. Der Wechsel von einem Ministeramt in die Stelle eines Oberpräsidenten war übrigens keine Seltenheit, und Freiherr von Rheinbaben führte weiterhin den Titel eines (inaktiven) preußischen Staatsministers. Am 3.7.1911 wurde er durch Allerhöchsten Erlass auf Präsentation des Domkapitels zu Merseburg, dem er als Domdechant vorstand, in das Herrenhaus berufen; am 27.3.1912 trat er dort ein. Ab 1912 war er Gründungsvorsitzender des Vereins Rhein-Museum Koblenz. Im Frühjahr 1913 wählte ihn die Goethe-Gesellschaft zu ihrem Präsidenten, in dieser Funktion war er aber nicht unumstritten. Die Gründe für seine Wahl sind unklar, zumal man ihn nicht mit literarischen Ambitionen in Verbindung bringen konnte; vermutlich sollte er der Gesellschaft zu größerer gesellschaftlicher Reputation verhelfen. So wirkten seine Worte in der Generalversammlung der Goethe-Gesellschaft am 5. Juni 1914 zwar ehrenwert, aber auch verschwommen. Der Dienst am Geiste Goethes sei „nicht nur eine Ehre und Freude, sondern überhaupt eine hohe Aufgabe“, oder die Goethe-Gesellschaft dürfe „sich nicht nur an einen kleinen Kreis Eingeweihter wenden, sondern an den großen, breiten Kreis der Gebildeten und nach Bildung Strebenden“, wobei auch „die Jugend wieder in den geheiligten Geist Goethes [zu] ziehen sei“ (Golz, S. 126). Rheinbaben blieb im Amt, ohne dass von ihm nennenswerte Impulse für die Gesellschaft ausgingen, bis am 21. Mai 1921 der Berliner Germanist Gustav Roethe (1859–1926) als sein Nachfolger gewählt wurde.
Seine Tätigkeit in der Rheinprovinz verlief zunächst im Rahmen des üblichen Verwaltungshandelns und der Repräsentation. Beispielsweise eröffnete er am 24.5.1911 die Gewerbe-, Industrie- und Kunstausstellung für den Niederrhein (veranstaltet von der Handwerkskammer Düsseldorf, Abteilung VI) auf dem Gelände am Sprödental Krefeld. Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges hatte die Verwaltung gerade in der Rheinprovinz mit ihrer Grenzlage besondere Herausforderungen zu bewältigen. Angesichts der sich verschärfenden Ernährungskrise wurden Anfang 1917 Kriegswirtschaftsämter in den Provinzen errichtet, die sich um die Förderung der landwirtschaftlichen Produktion kümmern sollten. Das Kriegswirtschaftsamt für die Rheinprovinz einschließlich des oldenburgischen Landesteils Birkenfeld hatte seinen Sitz zunächst in Koblenz, im April 1917 wurde es zur Landwirtschaftskammer für die Rheinprovinz verlegt. Ende 1917 gab es Hinweise, dass Oberpräsident von Rheinbaben einen Rücktritt vom Amt erwäge, mutmaßlich im Zusammenhang mit der erneut entbrannten Diskussion über die Reform des preußischen Dreiklassenwahlrechts. Spekulationen, dass Amtsvorgänger Freiherr von Schorlemer-Lieser (im August 1917 als Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten ausgeschieden) ihm auch nachfolgen sollte, wurden Anfang 1918 dementiert. Zutreffend war aber, dass Rheinbaben in den Ruhestand treten wollte. Die Regelung seiner Nachfolge war nicht einfach, weil sie im Zusammenhang mit der sich abzeichnenden politischen Neuordnung zu sehen war. Freiherr von Schorlemer-Lieser verzichtete schließlich offiziell auf eine erneute Berufung, auch unter Hinweis auf die Wahlrechtsfrage (er trat aber am 17.7.1918 erneut an die Spitze der Landwirtschaftskammer für die Rheinprovinz). Als neuer Oberpräsident wurde dann ziemlich unerwartet zum 1.4.1918 der langjährige Landrat in Rheinbach, Rudolf von Groote, ernannt. Dieser war katholisch und galt als zentrumsnahe.
Rheinbaben wurde zum 1.4.1918 in den Ruhestand versetzt. Im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden verliehen ihm einige rheinische Großstädte (Duisburg, Düsseldorf und Krefeld) im März 1918 ihr Ehrenbürgerrecht. Die Krefelder Stadtverordneten fassten den entsprechenden Beschluss am 27.3.1918. Am 24.8.1918 wurde dem neuen Ehrenbürger ein provisorischer Ehrenbürgerbrief ausgehändigt. Der endgültige Ehrenbürgerbrief wurde erst 1922, zeitbedingt in einfacher Form, auf Wunsch der Familie für das Familienarchiv gefertigt. Weitere Ehrungen wurden ihm zuerkannt: Die Universität Berlin ernannt ihn zum Dr. med. h.c., die Technische Hochschule Aachen zum Dr.-Ing.E. h. Der König von Preußen verlieh ihm 1907 den höchsten preußischen Orden, den Schwarzer Adler-Orden, ein Jahr darauf auch die Kette hierzu. Rheinbaben war Inhaber zahlreicher weiterer preußischer Orden und weiterer Orden der Bundestaaten. Mehrere Straßen wurden nach ihm benannt, unter anderem 1908 die Hauptverkehrsstraße des Krefelder Stadtteils Linn, die diesen Namen bis heute führt. Auch die während des Ersten Weltkriegs nicht zuletzt auf Rheinbabens Initiative gebaute und 1917 in Betrieb genommene Straßenbrücke über den Rhein bei Wesel trug bis zu ihrer Zerstörung 1945 seinen Namen.
Georg Freiherr von Rheinbaben starb am 25.3.1921 in Düsseldorf und wurde auf dem dortigen Nordfriedhof begraben.
Quellen
Geheimes Staatsarchiv Stiftung Preußischer Kulturbesitz Rep. 90 Nr. 990.
Landeshauptarchiv Koblenz Best. 403 Nr. 14475.
Literatur
Golz, Jochen: Klassisches Erbe und deutsches Nationalempfinden. Die Kulturpolitik der Goethe-Gesellschaft, in: Ilm-Kakanien. Weimar am Vorabend des Ersten Weltkrieges, Göttingen 2014, S. 117–135.
Gwinner, Arthur von, Lebenserinnerungen, hg. von Manfred Pohl im Auftrag der Historischen Gesellschaft der Deutschen Bank, 2. Auflage, Frankfurt am Main 1992.
Handbuch für das preussische Herrenhaus 1911, S. 353.
Handbuch über den Königlich Preußischen Hof und Staat für das Jahr 1914, Berlin 1913.
Hohenlohe-Schillingsfürst, Fürst Chlodwig zu, Denkwürdigkeiten der Reichskanzlerzeit, hg. von Karl Alexander von Müller, Stuttgart/Berlin 1931.
Kühne, Thomas, Dreiklassenwahlrecht und Wahlkultur in Preußen 1867–1914. Landtagswahlen zwischen korporativer Tradition und politischem Massenmarkt, Düsseldorf 1994.
Lilla, Joachim, Der Bundesrat 1867-1919 – ein biographisches Handbuch [in Vorbereitung].
Riezler, Kurt, Tagebücher, Aufsätze, Dokumente. Eingeleitet und hg. von Karl Dietrich Erdmann, Göttingen 1972.
Röhl, John C.G., Wilhelm II. Der Weg in den Abgrund 1900–1941, München 2008.
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Winzen, Peter, Reichskanzler Bernhard von Bülow. Mit Weltmachtphantasien in den Ersten Weltkrieg. Eine politische Biographie, Regensburg 2013.
Online
Aldenhoff, Rita, „Miquel, Johannes von“, in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 553-554 [Onlinefassung]; URL: http-blank://www.deutsche-biographie.de/pnd11873413X.html
Zilch, Reinhold, „Rheinbaben, Georg Kreuzwendedich Freiherr“, in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 487-488 [Onlinefassung]; URL: http-blank://www.deutsche-biographie.de/pnd116499184.html
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Lilla, Joachim, Georg Freiherr von Rheinbaben, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/georg-freiherr-von-rheinbaben/DE-2086/lido/5db70ffeaf4618.29246068 (abgerufen am 06.12.2024)