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Gustav Regler war ein am 25.5.1898 im saarländischen Merzig geborener Schriftsteller, der aus persönlichen und politischen Gründen ein sehr bewegtes Leben führte. In Romanen, Erzählungen, politischen Schriften, Gedichten und autobiographischen Aufzeichnungen verarbeitete er die vielfältigen Eindrücke seines Lebens. 1958 erschien seine Autobiographie unter dem Titel „Das Ohr des Malchus“. Ein Großteil seiner Publikationen wurde in fremde Sprachen übersetzt (namentlich ins Englische, Französische, Russische, Spanische). Er blieb seiner Heimat nicht nur aus familiären Gründen verbunden, sondern nahm lebhaften Anteil an ihrem politischen Schicksal, insbesondere im Kontext der Saarabstimmung des Jahres 1935, in der 90 Prozent der Wahlberechtigten für die Wiedervereinigung mit Deutschland stimmten. Damals und auch 1955, als ein eigenständiges Saarland mit einem europäischen Statut zur Option stand, befand sich Regler auf der Seite der Gegner einer Wiedervereinigung.
Gustav Regler wuchs mit zwei Geschwistern in einem streng katholischen Elternhaus auf. Der Vater Michael Georg Regler (1867-1937), Sohn eines Landwirts, war Buchhändler, die Mutter, Tochter eines Oberbahnassistenten, hieß Helene Gertrud geborene Steinmetz (1871-1958). In den Schulferien wurde Gustav zu Exerzitien in das Trierer bischöfliche Konvikt geschickt. Als Erwachsener trat er aus ideologischen Gründen in Distanz zur Kirche, insbesondere verurteilte er nach Hitlers Machtergreifung die Selbstauflösung des Zentrums und das Konkordat des Papstes Pius XI. (Pontifikat 1922-1939) mit dem „Dritten Reich“. Das Verhältnis zur Familie blieb trotz religiöser Differenzen von herzlicher Verbundenheit gekennzeichnet. Den Besuch der Gymnasien in Merzig und Dillingen schloss Regler im Jahre 1916 als Klassenbester ab. Der 18-jährige wurde zum Militär eingezogen und diente in Königsberg und an der Westfront, an der er sich eine Kriegsverwundung zuzog, die zur Wehruntauglichkeit führte. Nach einem monatelangen Lazarettaufenthalt in Waldbröl (Oberbergischer Kreis) wurde er im Februar 1918 aus der Armee entlassen. Der junge Regler ließ sich in diesen Jahren von der verbreiteten Kriegsbegeisterung mitreißen und verehrte den Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg (1847-1934). Als französische Truppen nach dem Ersten Weltkrieg im Zuge der Übernahme der Völkerbundsherrschaft über das Saargebiet Merzig besetzten, empörte er sich darüber mit nationalistischen und chauvinistischen Gefühlsausbrüchen.
Nach der Entlassung aus der Armee studierte Gustav Regler in Heidelberg und München die Fächer Germanistik, Philosophie und Politische Wissenschaften. 1922 promovierte er in Germanistik bei Franz Muncker (1855-1926) in München. Seine Doktorarbeit über „Die Ironie im Werk Goethes“ wurde 1923 im Leipziger Bruno-Dietze-Verlag gedruckt. Im gleichen Jahr heiratete er Charlotte Dietze (1898-1941), die Tochter des Großhändlers und Textilfabrikanten Bruno Dietze , die er als Verkäuferin in einer Münchener Buchhandlung kennengelernt hatte, und wurde der Sohn Dieter (1923-1942) geboren. Regler betätigte sich einige Jahre als Geschäftsmann im Warenhauskonzern des Schwiegervaters und als Journalist. Mit der Ehescheidung am 23.08. 1927 fand diese Lebensepisode ein rasches Ende. Der Sohn Dieter wuchs bei der Mutter auf. Zum Militär eingezogen starb dieser 1942 an einer Diphtherieinfektion in einem Münchener Lazarett.
Ende der 1920er Jahre begann der literarische Aufstieg von Gustav Regler. Mit dem Roman „Zug der Hirten“ (1928) errang er seinen ersten schriftstellerischen Erfolg. Im gleichen Jahr lernte er in Worpswede Marieluise (genannt Mieke) Vogeler (1901-1945), die Tochter des Malers Heinrich Vogeler (1872-1942) kennen. Mieke wurde seine zweite Ehefrau (Heirat der langjährigen Lebensgefährtin 1940 in New York). Heinrich Vogeler stand Pate bei Reglers Rezeption der kommunistischen Ideologie, die zur Mitgliedschaft der Kommunistischen Partei Deutschlands führte. Von 1929 bis 1933 lebte er mit Marieluise in einer Berliner Künstlerkolonie, die Anfang März 1933 von der Gestapo aufgelöst wurde. Es folgten unruhige, geradezu abenteuerliche Jahre im Exil, zunächst in Frankreich und in seinem saarländischen Heimatland.
In Paris war Regler Mitbegründer und Vorstandsmitglied des „Schutzverbandes deutscher Schriftsteller im Exil“. Das Saargebiet wurde bei der für 1935 anberaumten Abstimmung über seine politische Zukunft zu einem Thema europäischen Ranges. Regler kritisierte, dass die vom Völkerbund eingesetzte Saarregierung eine zu große Toleranz gegenüber Nationalsozialisten ausübte, während sie Aktionen der Kommunisten unterdrückte. Im Abstimmungskampf standen sich zwei Blöcke gegenüber: die Deutsche Front und die heterogene Gruppe von Antifaschisten (Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter, auch Kirchenvertreter). Im September 1934 riefen emigrierte Intellektuelle und Künstler, darunter Gustav Regler, dazu auf, zu Gunsten des Status Quo zu stimmen. Der Schriftsteller verarbeitete die politischen Ereignisse und Verhältnisse an der Saar literarisch in dem Roman „Im Kreuzfeuer“, der Anfang Juni 1934, auf dem Höhepunkt des Saarkampfes, in Paris veröffentlicht wurde. Das Ziel des Buches war es, mit der Diffamierung der Gegner das deutsche Grenzland vor der faschistischen Diktatur zu retten. Im Januar 1935 sollten allerdings nur 8,8 Prozent für den Status Quo stimmen, 0,4 Prozent für den Anschluss an Frankreich und überwältigende 90,8 Prozent für den Anschluss an Deutschland.
Fortan kam das Saarland als Exilland für Gustav Regler nicht mehr in Frage. Frankreich wurde für einige Jahre die Drehscheibe seines Wirkens. In Paris setzte er seine schriftstellerische Tätigkeit fort. 1936 erschien der viel besprochene Roman „Die Saat“, in dem der Bauernkrieg als historische Folie dient, um den antifaschistischen Kampf zu propagieren. Mehrfach besuchte Regler die Sowjetunion, die er bis zum Abschluss des Hitler-Stalin-Paktes (1939) glorifizierte.
Im Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) kämpfte der Schriftsteller in einer Auslandsbrigade auf der Seite der Volksfrontregierung gegen General Franco (1892-1975). Eine Verwundung fesselte ihn monatelang ans Krankenlager, eine Falschmeldung sprach sogar von seinem Tod. 1938 begab er sich in die Vereinigten Staaten von Amerika, um für die spanische Republik zu werben. In Florida suchte er bei dieser Gelegenheit Ernest Hemingway (1899-1961) auf. Francos Sieg über die Republikaner, der Hitler-Stalin-Pakt und nicht zuletzt die französische Niederlage im Blitzkrieg gegen Deutschland brachte die Emigranten in ärgste Bedrängnis. Die französische Regierung internierte 18.- 20.000 von ihnen in Sammellagern. Gustav Regler kam ins Stadion von Roland Garros, dann ins Lager Le Vernet im Departement Ariège. Einflussreiche Freunde (André Malraux, Ernest Hemingway, Eleanor Roosevelt) erwirkten die Freilassung von Marieluise Vogeler und Gustav Regler, die im Mai 1940 den Atlantik mit dem Ziel New York überquerten.
Zwar brach Regler zum Ärger seiner früheren Genossen nach dem Hitler-Stalin-Pakt mit dem Kommunismus, doch erhielt er nicht in den Vereinigten Staaten, sondern in Mexiko Asyl. In Mexiko arbeitete Regler die im spanischen Bürgerkrieg gesammelten Erfahrungen in Romanen auf, veröffentlichte Gedichtbände und befasste sich eingehend mit der Kultur und Geschichte seines Asyllandes. Nach dem Tod Marieluises heiratete er 1946 die Amerikanerin Margaret (Peggy) Irwin geborene Paul (1904-2000). 1949 erhielt er die mexikanische Staatsbürgerschaft, hielt sich aber viel in Europa auf (Paris, London, Rom oder Worpswede).
Kritisch beobachtete und bewertete er die deutsche Nachkriegspolitik. Die Entnazifizierung war für ihn eine Farce. Er erklärte sich gegen eine deutsche Wiederbewaffnung. Im Jahre 1960 erhielt er den mit 5.000 DM dotierten „Kunstpreis des Saarlandes“, das ihn damit als ‚Landeskind‘ anerkannte. Sein unstetes Leben endete auf einer Indienreise am 14.1.1963 in Neu Dehli. Bestattet wurde die von seiner Ehefrau aus Indien mitgebrachte Asche in seiner Heimatstadt Merzig, wo ein Gedenkstein an ihn erinnert, wie überhaupt das Gedächtnis an ihn im Saarland besonders gepflegt wird. Dazu gehört die auf 15 Bände geplante Edition des Gesamtwerkes mit zum Teil unveröffentlichten Schriften.
In Neunkirchen trägt eine Straße seinen Namen, in Saarwellingen ein Weg und in Saarbrücken und Merzig sind Plätze nach ihm benannt. Die Nichte Annemay Regler-Repplinger verwaltet in Merzig das Gustav-Regler-Archiv.
Werke
Regler schrieb auch unter den Pseudonymen C. A., El observador d'Artagnan, T. M., [Thomas] Michel, [Gustav bzw. Joachim oder L.] Saarländer.
Regler, Gustav, Werke, hg. von Gerhard Schmidt-Henkel, Basel u.a. 1994-2007 (bislang 11 Bände).
Einzeltitel
Wasser, Brot und blaue Bohnen, 1932.
Im Kreuzfeuer. Ein Saar-Roman, 1934.
Das Ohr des Malchus. Eine Lebensgeschichte, 1958.
Literatur
Schock, Ralph, Gustav Regler – Literatur und Politik (1933-1940), Frankfurt (Main) 1984.
Scholdt, Günter, Gustav Regler. Odysseus im Labyrinth der Ideologien. Eine Biographie in Dokumenten, St. Ingbert 1998.
Online
Saarländische Universitäts- und Landesbibliothek, Saarbrücken, Gustav-Regler-Bibliographie. [Online]
Scholdt, Günter, „Regler, Gustav“, in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 272-273. [Online]
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Burg, Peter, Gustav Regler, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/gustav-regler/DE-2086/lido/57cd1d574199b7.51040602 (abgerufen am 05.12.2024)