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Hanns Dieter Hüsch war einer der bekanntesten und erfolgreichsten Vertreter des deutschsprachigen literarischen Kabaretts. Er war darüber hinaus als Schauspieler, Schriftsteller, Theaterregisseur, Rundfunkmoderator und Synchronsprecher aktiv.
Hanns Dieter Hüsch wurde am 6.5.1925 in Moers am Niederrhein als Sohn des Verwaltungsbeamten Heinrich Hüsch (gestorben 1965) und dessen Frau Adelheid Auguste, genannt Adele, geborene Sonnen (1894-1935) geboren. Durch eine angeborene Fehlstellung der Füße musste Hüsch im Kindesalter zahlreiche Operationen über sich ergehen lassen. Da es ihm durch diese Missbildung kaum möglich war, mit anderen Kindern zu spielen, wurde er zum Außenseiter und entwickelte dabei eine scharfe Beobachtungsgabe, die er früh für eigene Texte zu nutzen verstand. Hüsch wuchs in kleinbürgerlichen Verhältnissen auf, einem Milieu, das er in seinen Kabarettprogrammen immer wieder satirisch parodierte. Als Hüsch zehn Jahre alt war, starb seine Mutter nach langem Leiden an Multipler Sklerose.
Nach seinem Abitur 1943 am Gymnasium Adolfinum in Moers wurde Hüsch auf Grund seiner Erkrankung für wehruntauglich erklärt und nicht zum Kriegsdienst eingezogen. Als Ausgemusterter und angehender Student wurde er jedoch zu einem Ausgleichsdienst verpflichtet, den er als Luftschutzhelfer in Braunschweig und Osnabrück ableistete. 1944 begann er auf Wunsch seines Vaters mit dem Studium der Medizin an der Universität Gießen. Als die Universität kriegsbedingt geschlossen wurde, kehrte Hüsch nach Moers zurück und arbeitete bis Kriegsende im Krankenhaus in Homberg (heute Stadt Duisburg). Im Bunkerkeller des Hospitals überlebte Hüsch einen schweren Luftangriff.
Schon in der Jugendzeit lag Hüschs Interesse auf Literatur, Theater und Musik. Nach Kriegsende gründete er mit Gleichgesinnten in Moers das „Studio 45“, einen Klub, der gemeinsam Theater spielte, Lyrikabende durchführte und Diskussionen, Feste und Ausflüge veranstaltete. Von seinem Vater hatte Hüsch die Leidenschaft zur Oper geerbt. Bereits als Jugendlicher besuchte er häufig das Opernhaus in Duisburg und entwickelte schließlich den Wunsch, Opernregisseur zu werden. Nachdem die Aufnahme an den nächstgelegenen Universitäten in Bonn und Köln gescheitert war und auch die Bewerbung in Hamburg erfolglos blieb, beschloss Hüsch, sich an der 1946 neueröffneten Universität Mainz für die Fächer Theaterwissenschaften, Literaturgeschichte und Philosophie einzuschreiben. Vorlesungen besuchte der junge Student jedoch nur selten. Er beschäftigte sich vielmehr mit dem Verfassen eigener Texte und Lieder, die er zur Freude seiner Kommilitonen auf dem Flügel in der Caféteria der Universität vortrug. Einen prägenden Eindruck hinterließ 1947 ein Besuch im neueröffneten Düsseldorfer Kabarett Kom(m)ödchen und ließ in ihm den Wunsch wachsen, selbst als Kabarettist aktiv zu werden.
Viele frühe Werke Hüschs hatten den Charakter von Chansons, die er anfangs mit Unterstützung der studentischen Jazzband „Die Uni-Rhythmiker“ vortrug. Sein literarisch-musikalisches Talent sprach sich bald an der Universität herum und so bat ihn Elmar Tophoven (1923-1989), der eine Fastnachtsrevue in der Aula der Universität Mainz organisierte, sich daran mit einem Beitrag zu beteiligen. Der Auftritt bei der Revue „Der B(r)ettlstudent“ mit dem Lied „Ich bin ja so unmuskulös“ am 22.2.1948 gilt als erster „offizieller“ Auftritt Hüschs. Aus der Gruppe um Elmar Tophoven bildete sich im Wintersemester 1948/1949 das Ensemble die Tol(l)eranten nach dem Vorbild der Kieler Kabarettgruppe „Die Amnestierten“ und des Düsseldorfer Kom(m)ödchens. 1949 lernte Hüsch auf einem Fastnachtsball Marianne Lüttgenau kennen, die er noch als Student heiratete. 1951 kam die gemeinsame Tochter Anna zur Welt.
Rudolf Jürgen Bartsch (1921-2000), ein Mitglied der Tol(l)eranten, gründete 1950 das Mainzer Zimmertheater, an dem sich auch Hüsch als Schauspieler beteiligte. Zur Eröffnung wurde Kafkas Gruftwächter mit Hüsch in der Titelrolle aufgeführt. Neben seinen Aktivitäten als Schauspieler und Kabarettist arbeitete Hüsch für den Südwestfunk in Baden-Baden. Bereits mit den Tol(l)eranten hatte Hüsch erste Rundfunkaufnahmen für den SWF durchgeführt. Zu Beginn der 1950er Jahre war er unter Guy Walter (1909-1992) regelmäßig für den Rundfunk tätig.
In den 1950er Jahren etablierte sich Hüsch als Kabarettist. Mit dem Programm „Das literarische Klavier“ präsentierte er 1954 sein erstes abendfüllendes Soloprogramm. 1956 gründete er mit Rudolf Jürgen Bartsch die Arche Nova, ein Kabarettensemble, das erstmals eine feste Spielstätte in der Hinteren Bleiche in Mainz erhielt. Die Arche Nova konnte große Erfolge feiern, wurde sogar in die Schweiz eingeladen, wo das Ensemble im Basler Fauteuil auftrat. 1960 wurde der Kabarettkeller der Arche Nova gekündigt, das Ensemble blieb jedoch als Reisekabarett weiterhin bestehen.
Neben die Tätigkeit als Kabarettist traten für Hüsch nun zunehmend auch andere Aktivitäten. Ende der 50er Jahre veröffentlichte er mit „Frieda auf Erden“ und „Von Windeln verweht“ seine ersten Werke in gedruckter Form. 1963 erschien eine Schallplatte mit vier Liedern, von 1966 bis 1969 moderierte Hüsch die monatliche Radiokabarettsendung „Zoll und Haben“. Zur gleichen Zeit drehte er für das ZDF elf satirische Reisefeuilletons. Daneben war er als Schauspieler im Frankfurter Theater im Turm tätig.
Ende der 50er Jahre wurden die Kabarettprogramme Hüschs zunehmend politischer. 1959 bezog er mit dem Tonspiel „Carmina urana - 4 Gesänge gegen die Bombe“ erstmals deutlich politisch Stellung. Der Beitrag erschien den Verantwortlichen damals so heikel, dass er erst 1965 gesendet wurde. Mit der Gründung des Mainzer Unterhauses 1966 fand Hüsch eine neue Bühnenheimat. Regelmäßig gastierte Hüsch im Unterhaus und präsentierte häufig seine Programme dort zum ersten Mal der Öffentlichkeit. Maßgeblich trug Hüsch damit zur Entwicklung des Unterhauses zu einem der führenden deutschen Kleinkunstzentren bei. In den späten 1960er Jahren verstärkte sich das politische Engagement Hüschs. 1967 gründete er mit Franz Josef Degenhard (1931-2011) und Dieter Süverkup (geboren 1934) das Trio 67, das ein Jahr später durch Wolfgang Neuß (1923-1989) zum Quartett 68 erweitert wurde. Mit dem Lied „Komm heißer Herbst und mache“ wurde die neue politische Ausrichtung Hüschs deutlich.
Doch den Linken der 68er-Bewegung waren Hüschs Texte nicht politisch genug. Hüschs stete Weigerung, sich für ein bestimmtes politisches Lager vereinnahmen zu lassen, führte zur Ablehnung seiner Programme in den Kreisen der linken Protestbewegung. 1968 wurde Hüsch auf dem Festival Chanson Folklore International auf Burg Waldeck im Hunsrück ausgepfiffen, so dass er seinen Auftritt abbrechen musste. Hüsch durchlebte nach den Anfeindungen auf Burg Waldeck eine tiefe künstlerische Krise und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück. Er konzentrierte sich wieder auf die ihm näherliegende poetisch-literarische Form des Kabaretts und beschränkte seine Bühnenauftritte in den nächsten Jahren auf die Schweiz. Mit seinem Programm „Enthauptungen“, das 1970 in der Schweiz uraufgeführt und in Deutschland nur im Mainzer Unterhaus präsentiert wurde, rechnet Hüsch mit den Linken der 68er-Bewegung ab.
Anfang der 1970er Jahre kehrte Hüsch auf die deutschen Kabarettbühnen zurück. 1972 wurde ihm im Unterhaus der erste deutsche Kleinkunstpreis verliehen. Im gleichen Jahr las er zum ersten Mal einen Text von Thomas Bernhard (1931-1989), dessen atemlose, verschachtelte Sätze ihn tief beeindruckten und nachhaltig beeinflussten. Gerade in Hüschs Hagenbuch-Geschichten ist der Einfluss Bernhards auffällig. Ende der 70er Jahre inszenierte Hüsch am Staatstheater Darmstadt auf eigenen Wunsch Bernhards „Immanuel Kant“. Zu einem Treffen mit dem bewunderten Autor ist es jedoch trotz mehrerer Versuche Hüschs nie gekommen.
Spätestens mit der Verleihung des deutschen Kleinkunstpreises 1972 war Hüsch einer der bekanntesten deutschen Kabarettisten. Durch sein Wirken als Synchronsprecher in Stummfilmklassikern wie Dick und Doof oder Pat und Pattachon sowie durch seine Rolle als Vater in „Der Goldene Sonntag“, einer Kleinserie des SDR-Fernsehens, wurde er zudem auch über die Kabarettszene hinaus bekannt. 1977 wurde er anlässlich der 500-Jahrfeier der Universität Mainz zu deren Ehrenbürger ernannt, 1982 erhielt er erneut den deutschen Kleinkunstpreis.
Sein Privatleben entwickelte sich in den 1970er Jahren turbulent. 1973 lernte er in der Schweiz die Schauspielerin Silvia Jost (geboren 1945) kennen und zog zu ihr in die Schweiz. Doch es kam nicht zu einer endgültigen Trennung von seiner Familie. 1976 kehrte er versuchsweise, 1979 dann endgültig zu Frau und Tochter nach Mainz zurück. Marianne Hüsch, die seit langem an einer Niereninsuffizienz litt, erkrankte zu Beginn der 80er Jahre zudem an Krebs und starb am 11.5.1985.
Nach dem Tod seiner Frau zog Hüsch einen Schlussstrich unter sein Leben in Mainz. Er „wechselte den Dom“, wie er selbst sagte, und zog nach Köln. Dort lernte er wenig später Christiane Rasche kennen, die er 1991 heiratete. In den 80er Jahren wandte sich Hüsch verstärkt religiösen Themen zu. Hüsch verstand sich seit jeher als überzeugter Protestant und war schon 1956 vom Südwestfunk beauftragt worden, eine Aschermittwochspredigt zu schreiben. Nun trat er regelmäßig auf Kirchentagen auf, schrieb und hielt Predigten und veröffentlichte Bücher mit Gedanken zu biblischen Texten.
Charakteristisch für den Kabarettisten Hüsch waren seine pointierten Betrachtungen des Alltags. „Zuhören Zugucken Aufschreiben Vortragen“, so beschrieb er selbst seine Arbeitsweise. Neben den großen gesellschaftlichen Konflikten waren es immer auch die Eigenheiten seiner Mitmenschen, die Hüsch zu Themen seiner Programme machte. Mit seiner hintersinnigen Wortakrobatik war er eher ein „literarischer Entertainer“ als ein tagespolitischer Kabarettist, denn „Kleinkunst muss Mut machen, muss trösten, [...] muss auch Lebenshilfe sein.“
Hüsch erhielt zahlreiche Auszeichnungen für seine Arbeit, unter anderem das Bundesverdienstkreuz, die Gutenberg-Plakette der Stadt Mainz, den Ehrenring der Stadt Moers, die Carl Zuckmayer-Medaille des Landes Rheinland-Pfalz und den Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen.
1998 wurde bei Hüsch Lungenkrebs diagnostiziert. Er musste sich einer längeren Behandlung unterziehen und konnte erst Ende 1999 wieder auf die Kabarettbühne zurückkehren. Im Jahr 2000 ging er 75-jährig auf seine Abschiedstournee „Wir sehen uns wieder“. Im November 2001 erlitt Hüsch einen Schlaganfall, von dem er sich nie wieder völlig erholte. Zu seinem 80. Geburtstag wurde ihm 2005 auf dem Mainzer Walk of fame des Kabaretts ein Stern gewidmet, der vom bekennenden Hüsch-Fan Johannes Rau enthüllt wurde. Hüsch selbst konnte an der Ehrung schon nicht mehr teilnehmen. Am 6.12.2006 starb Hüsch in Windeck-Werfen, wo er zuletzt mit seiner Ehefrau zurückgezogen lebte. Er wurde auf dem Hülsdonker Zentralfriedhof in Moers am Niederrhein bestattet.
Mit über 70 Bühnenprogrammen war Hanns Dieter Hüsch einer der aktivsten und zugleich bekanntesten deutschen Kabarettisten. Dem Niederrhein blieb er Zeit seines Lebens tief verbunden. Sein Ausspruch „Alles, was ich bin, ist niederrheinisch“ ist symptomatisch für seine enge Verbundenheit mit seiner Heimat, auf die er in vielen seiner Programme immer wieder Bezug nahm. Seine Heimatstadt Moers benannte 2007 einen Platz nach ihrem berühmten Sohn; ein 2010 dort eröffneter Neubau für Stadtbibliothek, VHS und Stadtarchiv heißt Hanns-Dieter-Hüsch-Bildungszentrum. Auch auf dem Campus der Mainzer Universität ist eine Straße nach Hüsch benannt.
Werke (Auswahl)
Frieda auf Erden, Zürich 1959.
Von Windeln verweht. Neue Frieda-Geschichten, Zürich 1961.
Enthauptungen, Ahrensburg, Paris 1971.
Das schwarze Schaf vom Niederrhein. Texte und Lieder vom flachen Land, München 1986.
Du kommst auch drin vor. Gedankengänge eines fahrenden Poeten, München 1990.
Das Schwere leicht gesagt, Freiburg 1994.
Wir sehen uns wieder. Geschichte zwischen Himmel und Erde, München 1997.
Ein gültiges Machtwort. Alle meine Predigten, Düsseldorf 2001.
Zugabe. Unveröffentlichte Texte aus fünf Jahrzehnten. Gedanken und Essays von Hanns Dieter Hüsch, hg. v. Georg Bungter, Köln 2003.
Literatur (Auswahl)
Buchholz, Martin, Was machen wir hinterher? Hanns Dieter Hüsch. Bekenntnisse eines Kabarettisten, Moers 2000.
Frühling, Elke, Hanns Dieter Hüsch. Ein Mainzer Kabarettist, Mainz 1983.
Kessler, Jürgen (Hg.), Hanns Dieter Hüsch. Kabarett auf eigene Faust. 50 Bühnenjahre, München 1997.
Schroeder, Bernd, Hanns Dieter Hüsch hat jetzt zugegeben ... Eine Collage, Zürich 1985.
Stalla, Bernhard Josef, Hüsch, Hanns Dieter, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Band 27, Sp.700-704.
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George, Christian, Hanns Dieter Hüsch, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/hanns-dieter-huesch-/DE-2086/lido/57c92632247257.37109929 (abgerufen am 05.12.2024)