Hans Riegel

Unternehmer und Gründer der Firma „Haribo" (1893-1945)

Christoph Kaltscheuer (Bonn)

Hans Riegel, Porträtfoto. (Firma Haribo)

Hans Rie­gel grün­de­te 1920 in sei­ner Hei­mat­stadt Bonn den heu­te in­ter­na­tio­nal be­kann­ten Süß­wa­ren­kon­zern Ha­ri­bo. Im Lau­fe der Jah­re ent­wi­ckel­te er be­kann­te Mar­ken­pro­duk­te wie den Ha­ri­bo-Gold­bä­ren oder die Ha­ri­bo-La­kritz­schne­cke und konn­te das Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men bis zum Zwei­ten Welt­krieg ste­tig aus­bau­en. Un­ter der Lei­tung sei­ner Söh­ne wur­de die Er­folgs­ge­schich­te nach 1945 fort­ge­führt, so dass Ha­ri­bo seit na­he­zu 90 Jah­ren ein wich­ti­ger Be­stand­teil der Bon­ner Fir­men­welt ist.

Hans (Jo­han­nes) Rie­gel wur­de am 3.4.1893 als Sohn ei­nes Hand­wer­kers und ei­ner Bäue­rin in Fries­dorf bei Bonn ge­bo­ren. Nach dem Be­such der Volks­schu­le ar­bei­te­te er zu­nächst als un­ge­lern­ter Ar­bei­ter in der phar­ma­zeu­ti­schen La­kritz­fa­brik Kleut­gen & Mei­er in Go­des­berg. Gleich­zei­tig be­gann er, sich mit Bau­zeich­nen zu be­schäf­ti­gen. Die­sen Weg schlug er auf Ge­heiß sei­nes Va­ters Pe­ter Rie­gel ein, der für sei­nen Sohn ur­sprüng­lich ei­ne Aus­bil­dung im Bau­hand­werk vor­ge­se­hen hat­te. Statt­des­sen trieb Hans Rie­gel sei­ne Be­schäf­ti­gung in der La­kritz­fa­brik vor­an und ab­sol­vier­te ei­ne Aus­bil­dung zum Bon­bon­ko­cher. Er war fünf­ein­halb Jah­re bei Kleut­gen & Mei­er tä­tig, be­vor er um 1912/1913 in ei­ner Bon­bon­fa­brik in Neuss die Stel­le ei­nes Fach­ar­bei­ters an­trat. Nach et­wa ei­nem Jahr wech­sel­te er zu ei­ner Süß­wa­ren­fa­brik nach Os­na­brück. Dort er­reich­te ihn 1914 der Ein­be­ru­fungs­be­fehl. Der Ers­te Welt­krieg zwang ihn zu­nächst zur Un­ter­bre­chung sei­nes be­ruf­li­chen Auf­stiegs.

Als Mel­de­bo­te und spä­ter als Un­ter­of­fi­zier er­leb­te Hans Rie­gel die Wir­ren des Krie­ges, aus dem er 1918 hoch de­ko­riert, aber leicht ver­sehrt zu­rück­kehr­te. Als Fol­ge ei­ner Ver­schüt­tung litt er fort­an an Schwer­hö­rig­keit. Den­noch ge­lang ihm schnell der Wie­der­ein­stieg ins Be­rufs­le­ben. Zu­nächst ar­bei­te­te er vor­über­ge­hend in ei­ner Fa­brik in Ober­hau­sen, be­vor er noch im Jahr 1918 nach Bonn zu­rück­kehr­te. Hier nahm er sei­ne Tä­tig­keit als Bon­bon­ko­cher wie­der auf, dies­mal bei der in Bonn-Kes­se­nich an­säs­si­gen Fir­ma Hei­nen. In­ner­halb we­ni­ger Mo­na­te stieg er dort zum Ge­schäfts­part­ner auf, wes­halb die Fir­ma bald den Na­men Hei­nen & Rie­gel trug. Sie soll­te die Aus­gangs­ba­sis Rie­gels für das spä­ter ge­grün­de­te Un­ter­neh­men Ha­ri­bo sein. Die Zu­sam­men­ar­beit währ­te zwei Jah­re.

1920 un­ter­nahm Hans Rie­gel ers­te Schrit­te in die wirt­schaft­li­che Selb­stän­dig­keit. In ei­nem Hin­ter­hof­ge­bäu­de in Kes­se­nich rich­te­te er sich ei­ne spar­ta­ni­sche Bon­bon­kü­che ein und grün­de­te, aus­ge­stat­tet mit ei­nem Start­gut­ha­ben von 250-300 Reichs­mark, am 13. De­zem­ber des­sel­ben Jah­res of­fi­zi­ell sei­ne ei­ge­ne Fir­ma. Im Fe­bru­ar 1921 ließ er das Un­ter­neh­men un­ter dem Na­men Jo­hann Rie­gel in das Han­dels­re­gis­ter der Stadt Bonn ein­tra­gen. Der Na­me Ha­ri­bo, der ein Akro­nym (Kunst­wort) aus Hans Rie­gel Bonn ist, folg­te wohl un­mit­tel­bar dar­auf. 1921 hei­ra­te­te Rie­gel die aus Bonn-Dot­ten­dorf stam­men­de Ger­trud Vi­an­den. Zwi­schen 1923 und 1926 gin­gen aus der Ehe drei Kin­der her­vor, die Söh­ne Jo­han­nes Pe­ter (Hans Rie­gel jun., 1923-2013) und Paul (1926-2009) so­wie die Toch­ter Agnes. Ger­trud Rie­gel war auch die ers­te Ar­bei­te­rin in der klei­nen Süß­wa­ren­pro­duk­ti­on ih­res Man­nes. Hin­zu kam Hans Rie­gels jün­ge­rer Bru­der Paul, so dass Ha­ri­bo in den ers­ten Jah­ren ein rei­nes Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men war.

Auf­grund zu­neh­men­der re­gio­na­ler Be­kannt­heit und da­mit ver­bun­de­ner stei­gen­der Nach­fra­ge nach sei­nen Er­zeug­nis­sen ex­pan­dier­te Hans Rie­gel be­reits in den fol­gen­den Jah­ren. Bis Mit­te der 1920er Jah­re kauf­te und bau­te der Un­ter­neh­mer in den um­lie­gen­den Ge­mein­den neue Pro­duk­ti­ons- und La­ger­stät­ten. Die­se Ent­wick­lung setz­te sich bis in die 1930er Jah­re Jah­re kon­ti­nu­ier­lich fort, so dass be­reits 1938 der Haupt­teil der heu­ti­gen Fa­brik­an­la­gen exis­tier­te. Bis zum Zwei­ten Welt­krieg konn­te Ha­ri­bo wei­ter wach­sen und mit ei­ner Fa­bri­ka­ti­ons­stät­te in Dä­ne­mark 1935 so­gar im Aus­land Fuß fas­sen. An­fang der 1940er Jah­re war Ha­ri­bo ein sta­bi­les mit­tel­stän­di­sches Un­ter­neh­men mit cir­ca 400 Mit­ar­bei­tern. Es hat­te sich zu ei­nem wich­ti­gen Ar­beit­ge­ber in Bonn ent­wi­ckelt. Der auch über die Kri­sen­jah­re der Wei­ma­rer Re­pu­blik an­hal­ten­de Er­folg ba­sier­te in ers­ter Li­nie auf ei­ner klu­gen Ge­schäfts­po­li­tik und ei­ner wach­sen­den Pro­dukt­pa­let­te, die von La­kritz und Weich­gum­mier­zeug­nis­sen bis hin zu phar­ma­zeu­ti­schen Ar­ti­keln wie bei­spiels­wei­se Sal­mi­ak-Pas­til­len reich­te. Be­reits im zwei­ten Jahr der Exis­tenz von Ha­ri­bo war Hans Rie­gel die Ent­wick­lung ei­nes Pro­duk­tes ge­lun­gen, das heut­zu­ta­ge wie kein zwei­tes für das Un­ter­neh­men steht: die der Gum­mi- be­zie­hungs­wei­se Gold­bä­ren. Zu­nächst wa­ren sie al­ler­dings nur ei­ne Wa­re un­ter vie­len.

Die ers­ten Jah­re der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Herr­schaft über­stand die pros­pe­rie­ren­de Bon­ner Fir­ma schad­los. Dem po­li­tisch und welt­an­schau­lich der ka­tho­li­schen Zen­trums­par­tei na­he ste­hen­den Rie­gel ge­lang es, sei­ne Ge­schäf­te trotz der po­li­ti­schen Stür­me der Zeit er­folg­reich fort­zu­füh­ren. Die Or­ga­ni­sa­ti­on sei­nes Un­ter­neh­mens rich­te­te er so­weit an den Vor­ga­ben des Re­gimes aus, wie es un­ver­meid­lich war. Un­ter an­de­rem wur­de die ge­sam­te Ha­ri­bo­b­e­leg­schaft in die DAF (Deut­sche Ar­beits­front) und die NS­BO (Na­tio­na­le Be­triebs­zel­len-Or­ga­ni­sa­ti­on) in­te­griert. Hans Rie­gel selbst un­ter­hielt zwar Kon­tak­te zum na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Bon­ner Bür­ger­meis­ter Lud­wig Ri­ckert (1897-1963), dis­tan­zier­te sich je­doch po­li­tisch von die­sem. Auch ge­lang es ihm, sich bis 1944 ei­nem Ein­tritt in die NS­DAP zu ent­zie­hen.

Nach dem Aus­bruch des Zwei­ten Welt­kriegs än­der­ten sich ne­ben den po­li­ti­schen auch die wirt­schaft­li­chen Um­stän­de spür­bar. Die Pro­duk­ti­on konn­te auf­grund von Roh­stoff­knapp­heit nicht dau­er­haft auf Vor­kriegs­ni­veau ge­hal­ten wer­den; auch die Nach­fra­ge brach ein. Zu­dem kam der Aus­lands­han­del voll­stän­dig zum Er­lie­gen. Das Fort­be­ste­hen Ha­ri­bos si­cher­te un­ter an­de­rem die Tat­sa­che, dass die La­kritz­pro­duk­te als Nah­rungs- und Arz­nei­mit­tel be­nö­tigt wur­den. Hin­zu kam, dass die Pro­duk­ti­ons­stät­ten den Krieg weit­ge­hend un­be­scha­det über­stan­den.

Hans Rie­gel sen. starb kurz vor Kriegs­en­de, am 31.3.1945, ver­mut­lich an Herz­ver­sa­gen im Al­ter von 52 Jah­ren und wur­de auf dem Bon­ner Süd­fried­hof bei­ge­setzt. Sei­ne bei­den Söh­ne, Hans jun. und Paul, bau­ten die zu die­sem Zeit­punkt ver­klei­ner­te Fir­ma nach ih­rer Rück­kehr aus der Kriegs­ge­fan­gen­schaft ab 1946 wie­der auf. Sie kauf­ten die Bon­bon­fa­bri­ka­ti­on Kleut­gen & Mei­er auf und ver­grö­ßer­ten Ha­ri­bo ziel­stre­big. Seit den 1960er Jah­ren ex­pan­dier­ten sie in wei­te­re eu­ro­päi­sche Län­der und in­ter­na­tio­na­le Märk­te. In­zwi­schen fa­bri­ziert oder ver­treibt Ha­ri­bo sei­ne Pro­duk­te in über 100 Län­dern. Da­bei be­hielt der Kon­zern sei­ne Wur­zeln in den süd­li­chen Vor­or­ten Bonns, wenn­gleich es in­zwi­schen (2008) Ten­den­zen für ei­nen Weg­zug von Tei­len der Pro­duk­ti­on aus der Stadt Bonn gibt.

Literatur

Bö­ger, Hel­muth/Ger­hard Krü­ger, Be­rühm­te und Be­rüch­tig­te Bon­ner. Vier­zig Por­träts, Wup­per­tal 1991, S. 139-142.
Gros­se de Cosnac, Bet­ti­na, Die Rie­gels. Die Ge­schich­te der Kult­mar­ke Ha­ri­bo und ih­rer Grün­der­fa­mi­lie, Ber­gisch Glad­bach 2006.
Schult­heiss, Jut­ta, Hans Rie­gel. Der Herr der Bär­chen, in: Mo­ni­ka Schuch (Hg.), Den­ker und Ma­cher. Deut­sche Wirt­schafts­grö­ßen im Por­trät, Mün­chen 2002, S. 202-208.

Online

Ge­schich­te von Ha­ri­bo (Web­site der Fir­ma Ha­ri­bo). [On­line]

 
Zitationshinweis

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Kaltscheuer, Christoph, Hans Riegel, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/hans-riegel/DE-2086/lido/57cd1fee5e53a6.38269037 (abgerufen am 20.04.2024)