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Hans Riegel gründete 1920 in seiner Heimatstadt Bonn den heute international bekannten Süßwarenkonzern Haribo. Im Laufe der Jahre entwickelte er bekannte Markenprodukte wie den Haribo-Goldbären oder die Haribo-Lakritzschnecke und konnte das Familienunternehmen bis zum Zweiten Weltkrieg stetig ausbauen. Unter der Leitung seiner Söhne wurde die Erfolgsgeschichte nach 1945 fortgeführt, so dass Haribo seit nahezu 90 Jahren ein wichtiger Bestandteil der Bonner Firmenwelt ist.
Hans (Johannes) Riegel wurde am 3.4.1893 als Sohn eines Handwerkers und einer Bäuerin in Friesdorf bei Bonn geboren. Nach dem Besuch der Volksschule arbeitete er zunächst als ungelernter Arbeiter in der pharmazeutischen Lakritzfabrik Kleutgen & Meier in Godesberg. Gleichzeitig begann er, sich mit Bauzeichnen zu beschäftigen. Diesen Weg schlug er auf Geheiß seines Vaters Peter Riegel ein, der für seinen Sohn ursprünglich eine Ausbildung im Bauhandwerk vorgesehen hatte. Stattdessen trieb Hans Riegel seine Beschäftigung in der Lakritzfabrik voran und absolvierte eine Ausbildung zum Bonbonkocher. Er war fünfeinhalb Jahre bei Kleutgen & Meier tätig, bevor er um 1912/1913 in einer Bonbonfabrik in Neuss die Stelle eines Facharbeiters antrat. Nach etwa einem Jahr wechselte er zu einer Süßwarenfabrik nach Osnabrück. Dort erreichte ihn 1914 der Einberufungsbefehl. Der Erste Weltkrieg zwang ihn zunächst zur Unterbrechung seines beruflichen Aufstiegs.
Als Meldebote und später als Unteroffizier erlebte Hans Riegel die Wirren des Krieges, aus dem er 1918 hoch dekoriert, aber leicht versehrt zurückkehrte. Als Folge einer Verschüttung litt er fortan an Schwerhörigkeit. Dennoch gelang ihm schnell der Wiedereinstieg ins Berufsleben. Zunächst arbeitete er vorübergehend in einer Fabrik in Oberhausen, bevor er noch im Jahr 1918 nach Bonn zurückkehrte. Hier nahm er seine Tätigkeit als Bonbonkocher wieder auf, diesmal bei der in Bonn-Kessenich ansässigen Firma Heinen. Innerhalb weniger Monate stieg er dort zum Geschäftspartner auf, weshalb die Firma bald den Namen Heinen & Riegel trug. Sie sollte die Ausgangsbasis Riegels für das später gegründete Unternehmen Haribo sein. Die Zusammenarbeit währte zwei Jahre.
1920 unternahm Hans Riegel erste Schritte in die wirtschaftliche Selbständigkeit. In einem Hinterhofgebäude in Kessenich richtete er sich eine spartanische Bonbonküche ein und gründete, ausgestattet mit einem Startguthaben von 250-300 Reichsmark, am 13. Dezember desselben Jahres offiziell seine eigene Firma. Im Februar 1921 ließ er das Unternehmen unter dem Namen Johann Riegel in das Handelsregister der Stadt Bonn eintragen. Der Name Haribo, der ein Akronym (Kunstwort) aus Hans Riegel Bonn ist, folgte wohl unmittelbar darauf. 1921 heiratete Riegel die aus Bonn-Dottendorf stammende Gertrud Vianden. Zwischen 1923 und 1926 gingen aus der Ehe drei Kinder hervor, die Söhne Johannes Peter (Hans Riegel jun., 1923-2013) und Paul (1926-2009) sowie die Tochter Agnes. Gertrud Riegel war auch die erste Arbeiterin in der kleinen Süßwarenproduktion ihres Mannes. Hinzu kam Hans Riegels jüngerer Bruder Paul, so dass Haribo in den ersten Jahren ein reines Familienunternehmen war.
Aufgrund zunehmender regionaler Bekanntheit und damit verbundener steigender Nachfrage nach seinen Erzeugnissen expandierte Hans Riegel bereits in den folgenden Jahren. Bis Mitte der 1920er Jahre kaufte und baute der Unternehmer in den umliegenden Gemeinden neue Produktions- und Lagerstätten. Diese Entwicklung setzte sich bis in die 1930er Jahre Jahre kontinuierlich fort, so dass bereits 1938 der Hauptteil der heutigen Fabrikanlagen existierte. Bis zum Zweiten Weltkrieg konnte Haribo weiter wachsen und mit einer Fabrikationsstätte in Dänemark 1935 sogar im Ausland Fuß fassen. Anfang der 1940er Jahre war Haribo ein stabiles mittelständisches Unternehmen mit circa 400 Mitarbeitern. Es hatte sich zu einem wichtigen Arbeitgeber in Bonn entwickelt. Der auch über die Krisenjahre der Weimarer Republik anhaltende Erfolg basierte in erster Linie auf einer klugen Geschäftspolitik und einer wachsenden Produktpalette, die von Lakritz und Weichgummierzeugnissen bis hin zu pharmazeutischen Artikeln wie beispielsweise Salmiak-Pastillen reichte. Bereits im zweiten Jahr der Existenz von Haribo war Hans Riegel die Entwicklung eines Produktes gelungen, das heutzutage wie kein zweites für das Unternehmen steht: die der Gummi- beziehungsweise Goldbären. Zunächst waren sie allerdings nur eine Ware unter vielen.
Die ersten Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft überstand die prosperierende Bonner Firma schadlos. Dem politisch und weltanschaulich der katholischen Zentrumspartei nahe stehenden Riegel gelang es, seine Geschäfte trotz der politischen Stürme der Zeit erfolgreich fortzuführen. Die Organisation seines Unternehmens richtete er soweit an den Vorgaben des Regimes aus, wie es unvermeidlich war. Unter anderem wurde die gesamte Haribobelegschaft in die DAF (Deutsche Arbeitsfront) und die NSBO (Nationale Betriebszellen-Organisation) integriert. Hans Riegel selbst unterhielt zwar Kontakte zum nationalsozialistischen Bonner Bürgermeister Ludwig Rickert (1897-1963), distanzierte sich jedoch politisch von diesem. Auch gelang es ihm, sich bis 1944 einem Eintritt in die NSDAP zu entziehen.
Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs änderten sich neben den politischen auch die wirtschaftlichen Umstände spürbar. Die Produktion konnte aufgrund von Rohstoffknappheit nicht dauerhaft auf Vorkriegsniveau gehalten werden; auch die Nachfrage brach ein. Zudem kam der Auslandshandel vollständig zum Erliegen. Das Fortbestehen Haribos sicherte unter anderem die Tatsache, dass die Lakritzprodukte als Nahrungs- und Arzneimittel benötigt wurden. Hinzu kam, dass die Produktionsstätten den Krieg weitgehend unbeschadet überstanden.
Hans Riegel sen. starb kurz vor Kriegsende, am 31.3.1945, vermutlich an Herzversagen im Alter von 52 Jahren und wurde auf dem Bonner Südfriedhof beigesetzt. Seine beiden Söhne, Hans jun. und Paul, bauten die zu diesem Zeitpunkt verkleinerte Firma nach ihrer Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft ab 1946 wieder auf. Sie kauften die Bonbonfabrikation Kleutgen & Meier auf und vergrößerten Haribo zielstrebig. Seit den 1960er Jahren expandierten sie in weitere europäische Länder und internationale Märkte. Inzwischen fabriziert oder vertreibt Haribo seine Produkte in über 100 Ländern. Dabei behielt der Konzern seine Wurzeln in den südlichen Vororten Bonns, wenngleich es inzwischen (2008) Tendenzen für einen Wegzug von Teilen der Produktion aus der Stadt Bonn gibt.
Literatur
Böger, Helmuth/Gerhard Krüger, Berühmte und Berüchtigte Bonner. Vierzig Porträts, Wuppertal 1991, S. 139-142.
Grosse de Cosnac, Bettina, Die Riegels. Die Geschichte der Kultmarke Haribo und ihrer Gründerfamilie, Bergisch Gladbach 2006.
Schultheiss, Jutta, Hans Riegel. Der Herr der Bärchen, in: Monika Schuch (Hg.), Denker und Macher. Deutsche Wirtschaftsgrößen im Porträt, München 2002, S. 202-208.
Online
Geschichte von Haribo (Website der Firma Haribo). [Online]
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Kaltscheuer, Christoph, Hans Riegel, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/hans-riegel/DE-2086/lido/57cd1fee5e53a6.38269037 (abgerufen am 12.10.2024)