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Am Kölner Rathausturm befindet sich eine im Jahr 1988 von der Frankfurter Bildhauerin Marianne Lüdicke (1919-2012) geschaffene Skulptur der Kölner Postmeisterin Katharina Henot, die im Jahr 1627 als Hexe verbrannt wurde und vor allem im 20. Jahrhundert als Opfer eines Unrechtsregimes zu neuen Ehren gekommen ist. Eine offizielle Rehabilitierung durch den Rat der Stadt Köln erfolgte am 28.6.2012 – fast 400 Jahre, nachdem der erste Versuch zur Reinwaschung des Namens von ihrem Bruder Hartger Henot unternommen worden war, der dafür seine erfolgreiche Karriere als Diplomat und im Kirchendienst beendete.
Die Eltern der Geschwister Henot waren der Postmeister Jakob Henot (um 1545-1625) und seiner Frau Adelheid de Haen (gestorben 1604). Die Familie war 1571 kurz nach Ausbruch des Aufstandes aus den Niederlanden geflohen und hatte sich in Köln niedergelassen, wo sie 1576 die Bürgerrechte erwarb. Ein Jahr später wurde Jakob Henot Assistent des Postverwalters Johann Menzinger, der im Dienste der das Postmonopol haltenden Familie von Taxis stand. Ein Jahr später folgte Henot Menzinger nach und überzeugte durch seine geschickte Organisation des Postwesens den Kaiser so sehr, dass dieser ihn 1580 zum von Taxis unabhängigen Kölner Postmeister ernannte.
Während der folgenden beiden Jahrzehnte trugen die beiden Familien ihren Streit um die Vormachtstellung im Reichspostwesen aus, in dessen Verlauf auch Hartger Henot erstmals in Erscheinung tritt. Im Dezember 1595 begleitete er seinen Vater nach Innsbruck und Norditalien, wo die beiden ihre Position zu stärken versuchten – mit Erfolg, denn im Jahr 1600 erkannte der Generalpostmeister Leonhard von Taxis (um 1522-1612) nicht nur das lebenslange Postmeisteramt Jakob Henots in Köln an, sondern stimmte auch der erblichen Übertragung desselben auf Hartger Henot zu.
Dieser hatte allerdings bereits 1597 die Priesterweihe empfangen, nachdem er am Kölner Jesuitenkolleg studiert und sich dann nach Stationen in Speyer, Prag und Löwen zum Doktor beider Rechte promoviert hatte. Im Jahr 1600 erhielt er eine Domstiftspfründe als einer der acht gelehrten Priesterherren. Traditionell stammte ein Teil der hohen erzbischöflichen Beamten aus dieser Runde, und so wurde Henot im 1603 zunächst zum Siegelbewahrer – ein Berater ohne eigenen Geschäftsbereich und ein Amt, das vor ihm bekannte Größen wie etwa Johannes Gropper oder Bernhard von Hagen bekleidet hatten – und kurz darauf auch zum kurfürstlichen Rat bestellt.
Seiner durchaus steilen Karriere tat auch die Abberufung des Vaters als Postmeister im Jahr 1603 keinen Abbruch. Im Gegenteil blieb durch die guten und engen Beziehungen der Familie zum Kaiserhof auch dort das Talent des jungen Gelehrten nicht verborgen, und Henot wurde im Jahr 1608 zum kaiserlichen Hofrat ernannt. Flankierend erhielt er zahlreiche Pfründen und Ämter, die ihn zum gleichermaßen vermögenden wie vielbeschäftigten Mann machten: so wurde er 1607 Dechant am Kölner Andreasstift, an dem er bereits seit Jugendtagen ein Kanonikat besessen haben soll, 1609 folgte ein Kanonikat am Freisinger Dom, 1610 die Ernennung zum Auditor an der Rota romana, das heißt zum Richter am apostolischen Appellationsgericht. 1612 trat er auch in bayrische Dienste, ein naheliegender Schritt, war das Kölner Erzstift doch seit der Wahl Ernst von Bayerns im Jahr 1583 zur faktischen Sekundogenitur der Münchener Wittelsbacher geworden. Weitere Pfründen und Dignitäten waren die Propsteien an Mariengraden in Mainz, am Kölner Severinsstift und in Prag. Auch an der römischen Kurie, wo er sich als Sondergesandter der Kölner Erzbischöfe einen exzellenten Ruf erarbeitet hatte, stieg er auf und wurde im Oktober 1618 zum päpstlichen Protonotar ernannt.
Henot wurde von seinen verschiedenen Dienstherren vor allem mit heiklen diplomatischen Missionen betraut, für die er sich wegen seines ausgleichenden Wesens und seiner taktvollen Gewandtheit wohl besonders eignete. So vertrat er etwa im jülich-klevischen Erbfolgestreit die kaiserlichen Interessen gegen die beiden possedierenden Fürsten Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg und Johann Sigismund von Brandenburg (1572-1620).
Seine Vertrauensposition am Kaiserhof nutzte Henot, um sich für seinen Vater einzusetzen. Nach beinahe 20 Jahren erreichte er im März 1623 die kaiserliche Bestätigung, dass dieser, immerhin schon 80-jährig, das Postmeisteramt auf Lebzeiten bekleiden und an ihn selbst vererben dürfe. Über den von der Familie von Taxis angestrengten Berufungsprozess verstarb Jakob Henot im November 1625, und der Reichshofrat vollzog eine überraschende Kehrtwende zugunsten der Taxis und ihres Kandidaten Johann von Coesfeld, der bereits nach der ersten Entlassung Henots von 1604 bis 1623 das Kölner Postmeisteramt bekleidet hatte.
Mitten in dem von Hartger und seiner Schwester als Erben ihres Vaters angestrengten Revisionsprozess kamen nun die von einer Nonne des Klarissenklosters vorgebrachten Vorwürfe der Hexerei gegen Katharina Henot auf den Tisch. Zwar fehlen Belege; jedoch erscheint die in Forschung und populärwissenschaftlicher Literatur vielfach geäußerte Vermutung, dass dieser Hexenprozess zur Schwächung der Geschwister im schwebenden Verfahren zumindest nützlich war, durchaus nachvollziehbar. Jedenfalls konnten ihre Schadenersatzforderungen gegen die Taxis infolge des Prozesses gegen Katharina nicht geltend gemacht werden. Dieser vollzog sich binnen weniger Monate und im Mai 1627 wurde sie, obwohl das Reichskammergericht, das als ständisches Gericht eine gewisse Unabhängigkeit vom Kaiserhof genoss, zu ihren Gunsten geurteilt hatte, als Hexe verbrannt.
Henot muss sich von seinem kaiserlichen Dienstherren furchtbar im Stich gelassen gefühlt haben. Er resignierte alle Ämter und konzentrierte sich nur noch auf die Rehabilitierung seiner Schwester. Ergebnis seiner Bemühungen war, dass er von der Denunziantin Christina Plum (gestorben 1630) der Hexerei bezichtigt wurde. Während allerdings Plums Weg 1630 selbst auf den Scheiterhaufen führte, setzten sich alte und einflussreiche Weggefährten wie der Generalvikar Johannes Gelenius und schließlich auch der Kurfürst und Erzbischof Ferdinand von Bayern persönlich für Henot ein, der eine neuerliche Anklage gegen Henot und andere angesehene Kölner Bürger unterband.
Möglicherweise hat der Fall Henot den Erzbischof, der bis dahin als Freund der Hexenverfolgungen galt, für die Problematik des Denunziantentums sensibilisiert. Die Welle der Hexenprozesse, die ihren Scheitelpunkt in den Jahren 1626 bis 1630 erreicht hatte, ebbte jedenfalls nach der Einstellung des Prozesses gegen Henot im Jahr 1631 spürbar ab. Allerdings kehrte Henot, verbittert und enttäuscht, nicht wieder in die Öffentlichkeit zurück und starb vereinsamt am 4.12.1637.
Literatur
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Behringer, Wolfgang, Köln als Kommunikationszentrum um 1600. Die Anfänge des Kölner Post- und Zeitungswesens im Rahmen der frühneuzeitlichen Medienrevolution, in: Mölich, Georg/Schwerhoff, Gerd (Hg.), Köln als Kommunikationszentrum, Köln 2000, S. 183-210.
Franken, Irene/Hoerner, Ina (Hg.), Hexen. Verfolgung in Köln, Köln 2000.
Schormann, Gerd, Hexenverfolgung in einer frühneuzeitlichen Großstadt. Das Beispiel der Reichsstadt Köln, in: Lennartz, Stephan (Hg.), Hexenverfolgung im Rheinland, Bergisch Gladbach 1996, S. 13-56.
Schwerhoff, Gerd, Hexenverfolgung in einer frühneuzeitlichen Großstadt - das Beispiel der Reichsstadt Köln in: Hexenverfolgung im Rheinland. Ergebnisse neuerer Lokal- und Regionalstudien, Bensberg 1996, S. 13-56.
Online
Becker, Thomas, Henot, Katharina, in: historicum.net. [Online]
Becker, Thomas, Hexenverfolgung im Erzstift Köln [Online]
Ennen, Leonard, „Henot, Harther“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 11 (1880), S. 782. [Online]
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Bock, Martin, Hartger Henot, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/hartger-henot/DE-2086/lido/57e275d39ee5e7.67594637 (abgerufen am 06.12.2024)