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Heinrich Band war Musiker, Musiklehrer und ab seinem 21. Lebensjahr auch Instrumentenhändler. Er verkaufte in seinem Krefelder Geschäft die ganze Bandbreite herkömmlicher Instrumente, darunter die deutsche Konzertina, eine Erfindung aus Sachsen. Aus diesem Harmonika-Instrument entwickelte er ab 1845 das nach ihm benannte Bandonion.
Das Bandonion machte als „Klavier der kleinen Mannes“ Karriere, doch diese endete spätestens Mitte des 20. Jahrhunderts. Als Volksmusikinstrument setzte sich das Akkordeon durch. Als Bandoneón (in dieser Schreibweise) aber nimmt das Instrument ab etwa 1900 die dominierende Rolle im argentinischen Tango ein, den es zu Bands Lebzeiten noch gar nicht gab. Durch den Tango hat sein Instrument bis in die heutige Zeit überlebt.
Der Großvater Adam Band (geboren 1765) und der Vater Peter Band (1796-1863) waren Seidenweber – ein typischer Beruf für die Seidenstadt Krefeld. Dort wurde Heinrich Band am 4.4.1821 als zweitältester Sohn von Peter Band und seiner Frau Catharina, geborene Meyers (geboren 1797), geboren. Die Familie war katholisch. Der „fruchtbaren Ehe“ sollen 16 Kinder entsprungen sein, von denen jedoch die meisten in jungen Jahren starben.
Ein „Musikus“ lenkte das Leben der Familie in andere Bahnen. 1824 heiratete Maria Gertrud Meyer, die Schwester von Heinrichs Mutter, Jacob Geul (geboren 1797) aus Hattersheim am Main. Der geschätzte Geiger Geul leitete das erste Berufsmusikerorchester Krefelds und unterrichtete als Musiklehrer die Kinder wohlhabender Bürger im Violinspiel. Der Vater Peter Band gab 1838 als 42-Jähriger die Weberei auf, um sich und seine Familie als „Musikus und Instrumentenhändler“ zu ernähren. Dies kann nur auf den Einfluss Geuls zurückzuführen sein. Sein Geschäft führte Peter Band im Wohnhaus der Familie am Dionysiusplatz. Er selbst soll „gern auf Kirmessen mit seiner Geige zum Tanz aufgespielt“ haben; seine Söhne wurden alle Berufsmusiker. Heinrich erlernte Cello und konzertierte nachweislich gemeinsam mit seinem Bruder Conrad im November 1837 und im Februar 1841.
Als 21-Jähriger, also mit Erreichen der Volljährigkeit, übernahm Heinrich Band das Geschäft seines Vaters. Am 6.9.1844 inserierte er zum ersten Mal 40 und 56tönige Accordions (Harmonikas). Bei dem Instrument handelte es sich um die von dem Chemnitzer Carl Friedrich Uhlig (1789–1874) in den 1830er Jahren erfundene deutsche Konzertina, die in Krefeld „Accordion“ genannt wurde. Diese Bezeichnung ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass Uhlig seine Konzertina auf der Grundlage des Accordions des Wieners Cyrill Demian (1772-1847) entwickelte.
1890/1891 wurde in der „Zeitschrift für Instrumentenbau“ ein Artikel von Uhligs Schwiegersohn Johann David Wünsch (1814–1895) aus dem Leipziger Tageblatt nachgedruckt, worin dieser schreibt: „1836 wurde das Instrument [gemeint ist die Konzertina] mehr vervollkommnet, indem jeder Seite 5 weitere Tasten hinzugefügt wurden. Diese 40 Töne haben sich in ihrer Form bis heute erhalten. ... 1840 fingen wir an, eine dreireihige mit 56 Tönen zu bauen ... Abnehmer dieser Instrumente war auch Heinrich Band in Crefeld, der bald Noten und Schulen zur Concertina herausgab. Auf Veranlassung von Band sowie einiger Spieler wurden nun auch Instrumente mit 88 Tönen gebaut, an denen Band einige Töne umstimmte und ein Schild mit dem Namen Bandonion anbrachte. Unter diesem Namen wurde das Instrument mehr und mehr bekannt.“
Wünschs Formulierung: „an denen Band einige Töne umstimmte“, bedeutet, dass Heinrich Band einigen Tasten andere Töne zuwies; diese veränderte Tabulatur wurde später „rheinische Tonlage“ genannt. Sie ist zu unterscheiden von der Chemnitzer und auch von der Carlsfelder Tonlage der Konzertina.
Dieter Hangebruch hat herausgefunden, dass mehrchörige Konzertinas vor 1850 nicht nachweisbar sind, und wirft die Frage auf, ob das Instrument Band nicht nur mehr Töne und eine veränderte Tastatur, sondern auch schon die Oktavstimmung zu verdanken hat. Johann Schmitz, ein lokaler Konkurrent von Band als Instrumentenhändler, pries jedenfalls 1856 Bandonions … mit Octavdruck an. Hangebruch (S. 4) folgert: „erst durch Heinrich Band erhält das ‚Accordion’ den charakteristischen Klang, der so viel Zustimmung findet, dass eine Namensgebung ‚Bandonion’ als Unterscheidungsmerkmal notwendig wird.
In Serie gebaut hat Band die Instrumente selbst nie, eine Produktionsstätte ist in Krefeld nicht nachweisbar. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Band und seine Geschäftsnachfolger wenigstens über eine Werkstatt verfügten, in der sie vorgefertigte Teile zu einem Instrument zusammensetzen konnten. Auch ist wahrscheinlich, dass Band zumindest den Prototyp des Instruments mit 88 Tasten selbst hergestellt hat. Handwerkliches Geschick kann man bei dem Sohn eines Seidenwebers, der ein komplexes Produktionsinstrument wie einen Webstuhl bedienen und zur Not auch selbst reparieren können musste, voraussetzen.
Das Sortiment, das Band neben dem Accordion sonst noch anbot, ist weit gefächert. In einer Zeitungsanzeige vom 1.11.1845 ist die Rede von Fortepianos, Guitarren, Violinen, Flöten, Clarinetten und aller Art Ventil-Blechinstrumenten. Immer wieder schaltete er Anzeigen für Accordions, oft bot er Schulen zum Selbststudium an. In einer Anzeige vom 27.2.1845 etwa heißt es: n_ebst leicht und kurz gefaßter Anweisung, welche auch für Diejenigen eingerichtet ist welche die Noten nicht kennen_. Die Tasten des Instruments waren nummeriert, die Tastenzahlen standen in den Schulen über und unter den Noten. Diese Vorgehensweise richtete sich ausdrücklich an den musikalischen Laien und erklärt den Erfolg des Bandonions als „Klavier des kleinen Mannes“. Das gebildete Bürgertum konnte sich hingegen nie für das Instrument erwärmen.
In einem bisher nicht bekannten Katalog, der offenbar noch zu Lebzeiten Heinrich Bands gedruckt wurde, gibt er an, er habe seit dem Jahre 1845 daran gearbeitet, das „Accordion“ zu verbessern. Dem verbesserten Instrument sei der Name Bandonion beigelegt worden. Am 10.12.1850 ist in einer Zeitungsanzeige Heinrich Bands erstmals von einer Erfindung und neuer Construction die Rede.
In einer bisher in der Literatur nicht erwähnten Zeitungsanzeige vom 12.8.1855 bewirbt Band Bandaninos. Nur taucht ein solches Instrument in der Literatur nirgends auf. Band wollte hier wohl erstmals den Begriff Bandonion in einem Inserat benutzen, jedoch hat wohl der Setzer der Zeitung in der zweiten Silbe des Wortes ein „a“ statt ein „o“ gesetzt und in der letzten Silbe die Buchstabenfolge „on“ zu „no“ gedreht. Der Setzer hat also in den für ihn neuen Begriff zwei Fehler eingebaut.
Band hat seine Instrumentenhandlung zunächst wie sein Vater im Haus am Dionysiusplatz betrieben; in einer Anzeige vom 16.5.1846 verkündete er den Umzug zur Königstraße. In den Folgejahren betrieb er das Geschäft offenbar so erfolgreich, dass er 1853 für 4.400 Taler ein Haus auf der Breitestraße 45 kaufen konnte, das er mit seiner Familie 1854 bezog. Hier befand sich laut Adressbuch der Stadt Krefeld auch Bands Geschäft.
Schon im Adressbuch von 1842 wird Band auch als Musiklehrer geführt; diesem Beruf ging er neben seiner Händlertätigkeit wohl bis zu seinem Tod nach. Für seine Instrumentenhandlung hat Band in Anzeigen immer mal wieder auch als „H. Band & Cie.“ oder auch als „Heinr. Band & Comp“. gezeichnet. In den Adressbüchern taucht er jedoch immer als alleiniger Inhaber auf.
Am 2.12.1860 starb Heinrich Band an den Folgen „einer Abnehmungskrankheit“ - man kann von Tuberkulose ausgehen. Bereits am 28.12.1860 schloss seine Witwe Johanna Band, geborene Siebourg (1818–1889), mit Jacob Dupont, Musiklehrer und Zigarrenhändler, einen Gesellschaftsvertrag zur Fortführung der Instrumentenhandlung. Dupont soll ein guter Freund der Familie gewesen sein.
Mit der auf Heinrich Band zurückzuführenden rheinischen Tonlage wurde erst nach seinem Tod jenes 142-tönige Instrument entwickelt, das in Argentinien zum Hauptinstrument des Tangos werden sollte. Dieses Instrument ist zudem zweichörig in Oktavstimmung, das heißt beim Drücken einer Taste erklingen zwei Töne im Abstand einer Oktave. Der Großteil der nach Argentinien in den 1920er und 1930er Jahren exportierten Bandonions stammte ausschließlich aus sächsischer Produktion, und zwar überwiegend von der Carlsfelder Firma Alfred Arnold.
Quellen
Ehemalige Sammlung Harry Geuns (Belgien), jetzige Sammlung Norbert Seidel (München): Band, Heinrich: Bandonion-Fabrik von H. Band. Crefeld, o.J. [Ein Katalog. Zugänglich ist im Moment nur eine fotografische Reproduktion.]
Landesarchiv NRW, Abteilung Rheinland: Notare Rep. 3792 Nr. 4956 (Vertrag zwischen der Witwe Heinrich Bands, Johanna, geborene Siebourg, und Jacob Dupont vom 28.12.1860); Notare Rep. 4033 Nr. 565 (Vertrag über den Hauskauf von Heinrich Band vom 17.10.1853 zum 16.5.1845).
Stadtarchiv Krefeld
Adressbücher der Stadt Krefeld von 1827 bis 1922. [Im Text zitiert wird eine Anzeige des Instrumentenhändlers Johann Schmitz aus dem Adressbuch 1856.]
Band, Heinrich. Siegel 70/63. [Sammlung verschiedenster Dokumente zu Heinrich Band]
Crefelder Kreis und Intelligenzblatt, 6.9.1844; 27.2.1845; 1.11.1845.
Crefelder Zeitung, 10.12.1850; 12.8.1855.
Intelligenzblatt für Crefeld und die umliegende Gegend, 31.1.1841.
Literatur
Dunkel, Maria, Bandonion und Konzertina. Ein Beitrag zur Darstellung des Instrumententyps, 2. Auflage, München/Salzburg 1996.
Graf, Hans-Peter, Entwicklungen einer Instrumentenfamilie: Der Standardisierungsprozeß des Akkordeons. Frankfurt am Main 1998.
Hangebruch, Dieter, Biographische Daten zu Heinrich Band, Krefeld 1986. [Unveröffentlichtes Manuskript, in: Stadtarchiv Krefeld: Band, Heinrich. Siegel 70/63.]
Oriwohl, Karl, Das Bandonion. Ein Beitrag zur Geschichte der Musikinstrumente mit durchschlagenden Zungen, 2. Auflage, Berlin 2004.
Rembert, Karl, Das Krefelder „Bandonion“ und seine Entwicklung. Vom Heimatschaffen zur Weltgeltung, in: Die Heimat. Zeitschrift für niederrheinische Heimatpflege 19, Heft 1-2, 15. April 1940, S. 115-118.
Roth, August, Geschichte der Harmonika Volksmusikinstrumente, Essen 1954. Wünsch, J. D, Zur Geschichte des Bandonions, in: Zeitschrift für Instrumentenbau, 11 (1890/91), S. 19-20.
Online
Informationen Bandonion. [Online]
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Schmidt-Hertzler, Klaus, Heinrich Band, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/heinrich-band/DE-2086/lido/57c572d176c723.71235931 (abgerufen am 03.12.2024)