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Heinrich Hüpper, der in der Weimarer Zeit in Neuss, später in Krefeld als Oberbürgermeister tätig war, ist im historischen Bewusstsein beider Städte insgesamt nicht sehr präsent geblieben. Seine berufliche Laufbahn wurde während des „Dritten Reiches“ zwar unsanft, aber nicht existentiell unterbrochen. Während des Zweiten Weltkrieges fand er als Dienstverpflichteter wieder Verwendung im öffentlichen Dienst und konnte danach seine Karriere in der Finanzverwaltung im neugebildeten Land Rheinland-Pfalz fortsetzen.
Heinrich Johannes Hüpper wurde am 30.8.1886 in Heiligenstadt (Regierungsbezirk Erfurt) als Sohn des katholischen Gymnasialprofessors Peter Hüpper und seiner Frau Maria, geborene Hirschmann, geboren. Er besuchte das Gymnnasium in Coesfeld, wo er Ostern 1906 die Reifeprüfung ablegte. Anschließend studierte er in Münster Rechts- und Staatswissenschaften; am 7.5.1906 trat er der CV-Verbindung Sauerlandia Münster bei. Die erste juristische Staatsprüfung legte er am 6.6.1910 ab, den juristischen Vorbereitungsdienst als Gerichtsreferendar leistete er in Aachen, Coesfeld und in Hamm/Westf. Nach Ablegung der Großen juristischen Staatsprüfung am 6.8.1914 und der Ernennung zum Gerichtsassessor war er bis Januar 1915 Weltkriegsteilnehmer. Am 1.4.1915 erfolgte seine Bestellung zum Anwaltsvertreter beim Oberlandesgericht in Hamm. Aus dieser Stellung wurde er am 1.3.1918 zum kommissarischen Bürgermeister in Dingelstädt (Kreis Heiligenstadt, heute Landkreis Eichsfeld) ernannt und am 1.12.1918 defintiv in diese Stelle eingewiesen.
Persönlich-familäre Gründe - er hatte am 12.8 1919 in Kleve die von dort gebürtige Martha Fleischhauer (1896-1947) geheiratet - ließen ihn im Rheinland einen neuen beruflichen Wirkungskreis suchen. Am 23.2.1920 wählte ihn die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Neuss zum besoldeten Beigeordneten; in dieses Amt wurde er (nach der am 1. April erfolgten Bestätigung) am 27. April eingewiesen. Knapp ein Jahr später wurde er in Neuss auf zwölf Jahre zum Bürgermeister gewählt und nach erfolgter Bestätigung unter gleichzeitiger Verleihung des Titels Oberbürgermeister am 4.4.1921 als Oberbürgermeister der Stadt Neuss in sein Amt eingeführt.
In Neuss lebte Hüpper von April 1920 bis zu seiner Abmeldung nach Krefeld im August 1930; als Oberbürgermeister wohnte er im so genannten Bürgermeisterhaus an der Kaiser-Friedrich-Straße 86. Bei seinem Ausscheiden aus dem Dienst der Stadt Neuss im Jahr 1930 wurden besonders seine Verdienste um den Bebauungsplan von 1924, die Förderung des Verkehrs, die Verbesserung und den Ausbau des Hafens, den Ausbau der städtischen Grünanlagen, die Erschließung neuer Industriegelände, vor allem aber „die Verdoppelung des städtischen Vermögens“ herausgestellt. Zu weiteren Verdiensten um die Stadt Neuss zählten auch der bürgerschaftliche Zusammenhalt in den schwierigen Zeiten der Besatzung, der Inflation und des Separatismus sowie der erfolgreiche „Kampf um die Selbständigkeit der Stadt“ im Vorfeld der kommunalen Neugliederung des Jahres 1929.
1930 endete auch in Krefeld, als letzter rheinischer Großstadt, die Ära der überparteilichen Oberbürgermeister (der nationalliberal gesinnte Oberbürgermeister Dr. Johansen war noch 1922 mehrheitlich wiedergewählt worden), da damals auch in Krefeld niemand mehr das Recht der stärksten Fraktion, des Zentrums, den Oberbürgermeister zu stellen, bestreiten konnte. Über die alleinige Kandidatur Hüppers hatten sich bereits Anfang 1930 das Zentrum und die Wirtschaftspartei in Krefeld verständigt, unter tatkräftiger Mitwirkung des scheidenden Oberbürgermeisters Dr. Johansen. So wählte die Stadtverordnetenversammlung der im Jahr zuvor neu gebildeten Stadt Krefeld-Uerdingen a. Rh. Hüpper am 30.4.1930 zu ihrem neuen Oberbürgermeister, am selben Tag wählte ihn die Bezirksverordnetenversammlung des Stadtteils Krefeld auch zum Oberbürgermeister des Stadtteils; dieses doppelte Amt war ein Ausfluss des komplizierten kommunalverfassungsrechtlichen Gebildes der Gesamtstadt Krefeld-Uerdingen a.Rh. mit ihren beiden weitgehend autonomen Stadtteilen Krefeld und Uerdingen nach der Neugliederung 1929 und der Umgemeindung der Stadt Uerdingen.
Nach seiner Bestätigung durch das preußische Staatsministerium wurde Hüpper am 11.6.1930 in beide Ämter eingeführt. Sein Stellvertreter in der Gesamtstadt als Erster Beigeordneter wurde der Bürgermeister des Stadtteils Uerdingen, Dr. Wilhelm Warsch, Erster Beigeordneter des Stadtteils Krefeld (mit der Amtsbezeichnung zweiter Bürgermeister) wurde Stadtkämmerer Dr. Paul Witten (1887-1954). Hiermit waren alle Spitzenpositionen in der Gesamtstadt und den beiden Stadtteilen mit Zentrumsleuten besetzt. Oberbürgermeister Hüpper machte allerdings, etwa in der Stadtverordnetenversammlung am 24.9.1931, deutlich, dass er sich „nicht als Erfüllungsgehilfe des Zentrums verstehe.
Im Mittelpunkt seiner Amtsführung in Krefeld stand neben der Umsetzung der kommunalen Neugliederung, vor allem der kommunalverfassungsrechtlichen Besonderheiten der Stadt, in zunehmendem Maße die Bekämpfung der wirtschaftlichen Not, unter der weite Kreise unserer Bürgerschaft leiden. Es [gilt] Arbeitsgelegenheit für die arbeitswilligen Erwerbslosen zu beschaffen und Mittel bereitzustellen zur Behebung oder doch wenigstens Milderung von Massennotständen, einer Aufgabe, die leider immer mehr den Gemeinden zugeschoben wird, ohne daß ihnen von Reich und Staat die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden. – so Hüpper in der Bezirksverordnetenversammlung des Stadtteils Krefeld am 26.3.1931. Das blieb nicht ohne Auswirkungen auf die bisher meistens geordneten städtischen Finanzen. In seinem letzten, am 17.3.1932 in der Bezirksverordnetenversammlung Krefeld erstatteten Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten musste er darauf hinweisen, daß wir […] unsere dringendsten Aufgaben, so vor allem auf dem Wohlfahrtsgebiete, fürderhin in der bisherigen Weise mit geordneten Finanzen nicht durchführen können. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß die Wohlfahrtsausgaben nun schon einen Betrag von 84 Prozent des gesamten Steueraufkommens erreicht haben und der Zuschuß zur gesamten Wohlfahrtspflege 73 Prozent des gesamten Steueraufkommens verschlingt.
Gegenüber dem auch in Krefeld erstarkenden Nationalsozialismus - die NSDAP war in Stadt- und Bezirksverordnetenversammlung Krefeld mit je einem Stadtverordneten vertreten - verhielt sich Hüpper auffallend schwach. So erklärte er im Zusammenhang mit einer Anfrage der NSDAP - mit einem provozierenden antisemitischen Akzent - in der Bezirksverordnetenversammlung Krefeld am 5.3.1931 lediglich, er werde Anfragen mit derartigen Ausdrücken, die einen Teil der Bevölkerung beleidigten, nicht mehr verlesen. Ein Antrag des Zentrums, solche „Anfragen und Anträge weder zu beantworten noch zu beraten“ wurde gegen Stimmen von KPD und NSDAP gebilligt. Als der NSDAP-Vertreter ungeniert erklärte: Ich stelle fest, daß Juden nicht zu den deutschen Bürgern gezählt werden, hatte er mehr als einen Ordnungsruf seitens des Oberbürgermeisters nicht zu gewärtigen.
Die nationalsozialistische Machtübernahme in Krefeld erfolgte sukzessive. Die Verwaltungsspitze blieb auch nach dem Wahlerfolg der NSDAP am 12.3.1933 zunächst weitgehend unangetastet, abgesehen von der Beurlaubung von Dr. Warsch und dem Selbstmord eines Beigeordneten. Das große Revirement erfolgte im Juli 1933 - irgendwie zeittypisch wurden die Personalien während eines Pferderennens in Krefeld zwischen dem Staatssekretär im preußischen Ministerium des Innern, Ludwig Grauert (1891-1964), dem Regierungspräsidenten in Düsseldorf, Carl-Christian Schmid (1886-1955) - beide als Renngäste anwesend -, und den Spitzen der Krefelder NSDAP ausgehandelt: Oberbürgermeister Hüpper wurde mit Wirkung vom 9.7.1933 beurlaubt, der erst zwei Tage zuvor zum Beigeordneten gewählte Syndikus Dr. Alois Heuyng (1890-1973), der der NSDAP angehörte, zum kommissarischen Oberbürgermeister der Stadt Krefeld und des Stadtteils Krefeld ernannt.
Hiermit sollte wohl auch verhindert werden, dass der Krefelder NSDAP-Kreisleiter Wilhelm Becker (1891-1957) seine Ambitionen auf das Amt des Oberbürgermeisters verwirklichen konnte. Zugleich wurde auch die Nachfolge von Dr. Warsch als Bürgermeister in Uerdingen und Erster Beigeordneter der Gesamtstadt geklärt: Um diese Stelle auf Dauer mit dem 67-jährigen früheren Uerdinger Bürgermeister Friedrich Aldehoff (1866-1951), der seit Anfang April bereits kommissarisch tätig war, besetzen zu können, sollte ein besonderes Gesetz zur Aufhebung der Altersgrenze erlassen werden.
Der beurlaubte Oberbürgermeister Hüpper wurde mit Wirkung vom 1.1.1934 gemäß § 6 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums („im Interesse des Dienstes“) in den Ruhestand versetzt; im Oktober 1934 erhielt er seine Zulassung als Rechtsanwalt in Krefeld. Vom 14.4.1942 bis zum 28.3.1945 war er - mit der Amtsbezeichnung Oberbürgermeister - dienstverpflichtet, zunächst beim staatlichen Wiederaufbauamt Saarburg, dann als Dezernent bei der Regierung Trier. Am 29.3.1945 wurde er zum Landrat des Kreises Saarburg ernannt, ab 1.5.1945 auch für den Landkreis Wadern. Am 1.2.1946 trat er beim Oberpräsidium von Rheinland-Hessen-Nassau in Koblenz als Präsidialdirektor und Leiter der Abteilung Finanzen ein. Aus dieser Stellung wurde er am 1. Oktober Leiter des Landesfinanzamts Rheinland-Hessen-Nassau im Range eines Präsidialdirektors, am 17.6.1947 Präsident des Landesfinanzamts Koblenz, am 20.3.1950 nach Zusammenlegung der Landesfinanzämter Koblenz und Neustadt/Haardt Präsident der neugebildeten Behörde, schließlich am 14.9.1950 Oberfinanzpräsident Koblenz. Nach Erreichen der Altersgrenze und Versetzung in den Ruhestand am 1.9.1951 blieb Hüpper bis zum 31.1.1953 als Angestellter mit der Weiterführung der Dienstgeschäfte des Oberfinanzpräsidenten Koblenz beauftragt.
Heinrich Hüpper starb am 26.12.1965 in Koblenz und wurde auf dem dortigen Hauptfriedhof beigesetzt.
Quellen
Personalakten Oberbürgermeister Hüpper in den Stadtarchiven Neuss und Krefeld.
Houben, Heribert (Bearb.), Quellen zur Geschichte Krefelds in der Zeit der Weimarer Republik, Krefeld 2011 [Druck in Vorbereitung].
Neuss-Grevenbroicher Nachrichten 14.2.1930 und 7.6.1930.
Stadtarchiv Krefeld (Zeitungsausschnittsammlung).
Literatur
CV-Gesamtverzeichnis 1931, S. 539.
Houben, Heribert, Die Zeit der Weimarer Republik 1918-1933, in: Feinendegen, Reinhard/Vogt, Hans (Hg.), Krefeld. Geschichte der Stadt, Band 5,, Krefeld 2010, S. 15-173.
Houben, Heribert (Bearb.), Quellen zur Geschichte Krefelds in der Zeit der Weimarer Republik (Krefelder Archiv NF 7), Krefeld 2012.
Romeyk, Horst, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz 1816–1945, Düsseldorf 1994, S. 545-546.
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Lilla, Joachim, Heinrich Hüpper, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/heinrich-huepper/DE-2086/lido/57c92602123308.23055313 (abgerufen am 14.11.2024)