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Heinrich III. gelang es in seiner über 40-jährigen erfolgreichen Herrschaft, alle anderen Mitglieder des ersten Sayner Grafenhauses an Macht, Einfluss, Besitz und Nachruhm zu übertreffen. Sein erbenloser Tod führte zu einer Zersplitterung und Verkleinerung des im Aufbau befindlichen Territoriums im Westerwald (zwischen Sieg und Saynbach) und zu einem machtpolitischen Abstieg des jüngeren Grafenhauses.
Heinrich III. wurde um 1190 als (einziger?) Sohn von Graf Heinrich II. von Sayn und Agnes von Saffenberg (urkundlich erwähnt 1173–1200) geboren. Seine Schwestern Adelheid (vor 1200–1263) und Agnes (urkundlich erwähnt 1202–1260) begründeten beziehungsweise heirateten unter anderem ein in die Dynastien der Grafen von Sponheim, Sayn (jüngeres Haus), Blieskastel, Salm, Arnsberg, von der Mark, Isenburg, Zweibrücken und Eberstein/Baden. In der jahrelangen Fehde während des staufisch-welfischen Thronstreits zwischen den Grafen von Landsberg/Sachsen-Anhalt und Sayn spielten territoriale wie reichspolitische Aspekte eine Rolle. Dabei waren die Grafenbrüder Heinrich II. und Eberhard II. von Sayn (beide urkundlich erwähnt ab 1172) vor beziehungsweise um 1202 verstorben und Heinrich III. noch unmündig. Rückhalt fand der admodum puer beim Welfenkönig Otto IV. (Regierungszeit 1198-1218) und seinem mächtigen Onkel Bruno, der ab 1205 Kölner Erzbischof war.
Papst Innozenz III. (Pontifikat 1198-1216) hatte auf Brunos Bitte hin die Eheverabredung mit Mechthild von Landsberg befürwortet, die die Fehde beendete. Mechthild hat durch ihre Ehe spätestens 1215 als Erbin des umfangreichen mütterlichen ludowingischen Fernbesitzes im Westerwald die alte Grafschaft Sayn (der Westerwald zwischen Sieg und Saynbach, das Umland von Bonn, bedeutender Fernbesitz im Sauerland usw.) zu einem der bedeutendsten im Rheinland arrondiert. Über ihre Verwandtschaft gehörte Mechthild zum erweiterten europäischen Hochadel, was das vergleichsweise junge Grafengeschlecht erheblich aufwertete. In den Urkunden ihres Gatten kommt Mechthild als Mitausstellerin oder Zeugin vor, was ihre stellenweise aktive Beteiligung an der Herrschaftsausübung belegt.
Als nunmehr treuer Gefolgsmann des Stauferkaisers Friedrich II. (Regierungszeit 1212-1250) und mit der ererbten Kölner Domvogtei konnte Graf Heinrich erfolgreich an den Ausbau seiner Landesherrschaft gehen. Und hier sind alle typischen Maßnahmen aufzufinden: „die Verlängerung und Aufrichtung von Lehnsbindungen zu niederadligen Geschlechtern, der Ankauf von Gütern, die Übernahme verpfändeter Besitzungen, eine ambitionierte Klosterpolitik sowie die – auch gewaltsame – Ausschaltung regionaler Konkurrenten“ (Halbekann 1997, S. 104). 1245 gelang ihm eine Stadtgründung vor den Toren seiner Burg und Residenz Blankenberg/Sieg. Bei alledem war sein unbelastetes bis gutes Verhältnis zu den Kölner Erzbischöfen Engelbert I. von Berg und Heinrich I. von Müllenark sicherlich auch förderlich. Unter dem Episkopat Konrads von Hochstaden, der ab 1241 einer der Hauptfeinde der Staufer am Nieder- und Mittelrhein werden sollte, kam es nach anfänglich kriegerischen Konflikten zu einer Art Neutralität. Auf Reichsebene war und blieb sein Verhältnis zu den Staufersöhnen Heinrich (VII.) (Mitkönig 1228-1235) und Konrad IV. (Regierungszeit 1237-1254) gut. Auf wichtigen Hoftagen wie etwa 1232 in Friaul oder 1235 in Mainz ist er nachweisbar.
1218/1219 nahm Heinrich III. – wie schon 1189 sein Vater und Onkel – zusammen mit etlichen anderen rheinischen Adligen am erfolgreichen Kreuzzug nach Damiette (Ägypten) teil. In diesem Zusammenhang sind seine Schenkungen und die späteren seiner Gattin Mechthild an den Deutschen Ritterorden – etwa für die Kommenden Ramersdorf (heute Stadt Bonn) und Waldbreitbach – zu sehen. Das Grafenehepaar kann als Mitgründer der Zisterzienserkonvente Heisterbach und Marienstatt gelten, und Mechthild sicherlich im Sinne Heinrichs nach seinem Tod 1247 als Stifterin bei den Frauenkonventen von Seine/Marienspiegel in Köln, von Herchen an der Sieg, von Drolshagen im Sauerland und von Blankenberg (später nach Zissendorf verlegt). Bedrohlich für Graf Heinrich wurde 1233 die Ketzereianklage durch den ihm wohl persönlich bekannten ehemaligen Beichtvater und Vormund der heiligen Elisabeth von Thüringen (1207-1231), Konrad von Marburg (1180/1190-1233). Dieser hatte schon mit Inquisition und Verbrennungen gemäß dem einschlägigen Reichsgesetz von 1232 im Rheinland Ketzer verfolgt. Als es Heinrich III., der beim königlichen wie kaiserlichen Hof hohes Ansehen genoss, gelungen war, sich am Hofgericht als unbescholten zu erweisen und der Inquisitor nun den Kreuzzug auch gegen die dem Sayner Grafenehepaar gut bekannten Mitangeklagten, die Gräfin Ada von Looz (urkundlich erwähnt nach 1188-1234) und Graf Gottfried III. von Arnsberg (urkundlich erwähnt 1218-1282), predigte, wurde Konrad von niederadligen Vasallen des Sayners erschlagen. Heinrich III. hat wohl noch 1233 eine Bußwallfahrt ins Preußenland unternommen, wo er bei der Gewährung der „Kulmer Handfeste“ als einfacher frater Hinricus de Seine, aber an der Spitze der Zeugenreihe des Deutschen Ritterordens genannt wird.
Realer Hintergrund der Ketzereianklage kann der Besitz oder die Benutzung volkssprachiger religiöser Bibelübersetzungen oder Weltchroniken gewesen sein. Kontakte Graf Heinrichs III. zu Vertretern der mittelhochdeutschen Dichtung sind jedenfalls belegbar, wie beispielsweise bei Eilhard von Oberge (belegt 1189-1227) am Hof Kaiser Ottos IV. , ein das Jägertalent und die Gastfreundschaft Heinrichs preisendes Gönnerzeugnis Reinmars von Zweter (um 1200–nach 1248) und Berichte des Caesarius von Heisterbach.
Den Quellen zum Ketzerprozess wie auch einigen Arengen seiner vielen Urkunden kann man zeitgenössische Charakterisierungen des Grafen entnehmen: neben tiefer Frömmigkeit, Wildheit verfügte er über eine sündhafte Grausamkeit, die durch fromme Schenkungen kompensiert werden sollte. Nachdem Heinrich III. zum Jahresende 1246/1247 verstorben war, entstand mit seiner weltlichen Grabfigur (farbig auf Holz) im Auftrag seiner Witwe ein vergleichsweise einzigartiges Kunstwerk. Auch die erst um 1300 schriftlich fixierte ’Totenklage’, in der ihn 21 hochadlige Damen seiner Verwandtschaft wie Bekanntschaft beklagen, stellt ein bedeutsames Zeugnis der höfischen Kultur ihrer Zeit dar.
Der erbenlose Tod Heinrichs III. zog jahrelange Auseinandersetzungen zwischen der kinderlosen Witwe Mechthild und seinen Sponheimer Erbneffen (Johann, Simon, Heinrich) um die von ihm testamentarisch bestimmte territoriale Integrität der gesamten Grafschaft Sayn nach sich. Dennoch erhielten sie noch 1247 die alte Grafschaft Sayn, mussten jedoch auf das ludowingische Heiratsgut verzichten, über das Mechthild als olim comitissa (einstige Gräfin) wieder verfügte. Die jüngere Linie der Grafen von Sayn ab Johann (1206-1266) konnte nicht mehr an die Bedeutung Graf Heinrichs III. heranreichen.
Literatur
Bohn, Thomas, Gräfin Mechthild von Sayn (1200/03-1285). Eine Studie zur rheinischen Geschichte und Kultur, Köln/Weimar/Wien 2002.
Halbekann, J. Joachim, Die älteren Grafen von Sayn. Personen-, Verfassungs- und Besitzgeschichte eines rheinischen Grafengeschlechts 1139-1246/47, Wiesbaden 1997.
Halbekann, J. Joachim, Besitzungen und Rechte der Grafen von Sayn bis 1246/47 und ihre Erben (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande V/5), Köln 1996.
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Bohn, Thomas, Heinrich von Sayn, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/heinrich-von-sayn/DE-2086/lido/57c829e5a9add2.82156277 (abgerufen am 14.11.2024)