Heinz Bello

Opfer des NS-Regime (1920-1944)

Jennifer Striewski (Bonn)

Heinz Bello, Porträtfoto. (Stadtarchiv Wesel)

Der Me­di­zin­stu­dent Heinz Bel­lo war ein Op­fer des na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Re­gime und ein ka­tho­li­scher Mär­ty­rer.

Ge­bo­ren am 5.9.1920 in Bres­lau als Sohn des Steu­er­be­am­ten Jus­tin Bel­lo (1885-1967) und des­sen Frau Eli­sa­beth Gro­eger (1888-1967), ver­leb­te Heinz Bel­lo seit 1926 sei­ne Ju­gend im nie­der­rhei­ni­schen We­sel in ei­nem ka­tho­lisch ge­präg­ten Um­feld. In We­sel be­such­te er die Volks­schu­le und das Gym­na­si­um und en­ga­gier­te sich in der ka­tho­li­schen Ju­gend­be­we­gung. Er war ak­ti­ves Mit­glied im „Bund Neu­deutsch­land" und ge­hör­te vom 24.4.1934 bis zum 2.4.1939 der Hit­ler­ju­gend (HJ) an. Nach dem Ab­itur im März 1939 und dem Reichs­ar­beits­dienst wur­de er nach Aus­bruch des Krie­ges zum Wehr­dienst ein­be­ru­fen.

Im Win­ter­se­mes­ter 1939/ 1940 war Bel­lo zum Me­di­zin­stu­di­um an der Uni­ver­si­tät Müns­ter frei­ge­stellt und ge­hör­te seit dem 1.5.1940 dem Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Stu­den­ten­bund (NS­DStB) an, ehe er im Ok­to­ber des­sel­ben Jah­res zum Kriegs­dienst ab­kom­man­diert wur­de. Für sei­ne Ver­diens­te an der Ost­front in den Jah­ren 1941 und 1942 wur­den ihm das Ei­ser­ne Kreuz II. Klas­se so­wie die Ost­me­dail­le ver­lie­hen.

Zur Fort­füh­rung sei­nes Me­di­zin­stu­di­ums wur­de Bel­lo im Mai 1942 er­neut nach Müns­ter ver­setzt. Hier wur­de er zum Sa­ni­täts­feld­we­bel und Of­fi­ziers­an­wär­ter be­för­dert und war ab No­vem­ber 1942 Fah­nen­jun­ker­feld­we­bel der Re­ser­ve. Wäh­rend der Ber­gungs­ar­bei­ten beim Luft­an­griff auf Müns­ter am 10.10.1943 zog sich Bel­lo durch ei­nen Bom­ben­split­ter ei­ne schwe­re Kopf­ver­let­zung zu. Für sei­nen Ein­satz wur­de er mit dem Ver­wun­de­ten­ab­zei­chen aus­ge­zeich­net.

Heinz Bel­lo, der als Wehr­machts­an­ge­hö­ri­ger zum wö­chent­li­chen Ap­pell an­tre­ten und re­gel­mä­ßig Luft­schutz­wach­dienst leis­ten muss­te, wur­de im Ju­li 1943 ge­ne­rell vom Wach­dienst be­freit, um sich auf sein Ex­amen vor­be­rei­ten zu kön­nen. Ei­nen Tag vor dem me­di­zi­ni­schen Vor­ex­amen, am 20.7.1943, wur­de er je­doch auf­grund ei­nes Pla­nungs­feh­lers kurz­fris­tig zum Dienst ab­kom­man­diert. Als sein Vor­ge­setz­ter den Feh­ler be­merk­te und Bel­lo von der Dienst­lis­te strich, er­schien Bel­lo ver­geb­lich auf dem ihm ur­sprüng­lich zu­ge­dach­ten Dienst­pos­ten. Da er, um sei­nen Wach­dienst leis­ten zu kön­nen, ei­nen Mu­si­zier­abend ab­ge­sagt hat­te, mach­te er in hef­ti­ger Er­re­gung sei­nem Är­ger Luft und schimpf­te auf die schlech­te Dienstein­tei­lung, die rück­sichts­lo­sen Be­feh­le des Hit­ler-Re­gimes, die kor­rup­te Par­tei­spit­ze, den Mi­li­ta­ris­mus wie auf die gan­ze na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Be­we­gung und ih­re Füh­rungs­rie­ge.

Bel­lo ließ sich zu der Aus­sa­ge hin­rei­ßen, die La­ter­nen­pfäh­le Müns­ters reich­ten nicht aus, um „die Na­zis und die Kom­mi­ß­köp­fe dar­an auf­zu­hän­gen", was ihm spä­ter zum Ver­häng­nis wer­den soll­te. Denn ob­wohl die bei­den Haupt­zeu­gen von Bel­los Auf­tritt, die an sei­ner Stel­le ein­ge­setz­ten Luft­schutz­dienst­ha­ben­den, der Sa­ni­täts­un­ter­of­fi­zier Hans Bern­rei­ter und der Fah­nen­jun­ker­feld­we­bel Karl Jo­sef Evers­mann, ver­ein­bar­ten, über das Vor­komm­nis Still­schwei­gen zu be­wah­ren, wur­de Heinz Bel­lo im März 1944 von Bern­rei­ter wäh­rend ei­nes Kom­pa­nie­fes­tes bei sei­nem NS-Füh­rungs­of­fi­zier de­nun­ziert und im April 1944 vor das Mi­li­tär-Zen­tral­ge­richt nach Ber­lin-Char­lot­ten­burg zi­tiert.

Die ihm vor­ge­leg­ten Aus­sa­gen un­ter­schrieb Bel­lo in völ­li­ger Ver­wir­rung. Rat­schlä­ge zur Flucht und das mehr­fa­che An­ge­bot, ei­nen er­fah­re­nen Ver­tei­di­ger zu Ra­te zu zie­hen, schlug er aus. Bis zur Pro­zess­er­öff­nung blieb er auf frei­em Fuß. Die An­kla­ge er­folg­te am 18.4.1944. Ob­wohl die Sit­zung öf­fent­lich war, ver­wehr­ten die Rich­ter Heinz Bel­los Va­ter, der sei­nen Sohn nach Ber­lin-Char­lot­ten­burg be­glei­tet hat­te, den Zu­tritt zum Ge­richts­saal. Die Ver­hand­lung wur­de je­doch be­reits kurz nach der Er­öff­nung auf­grund ei­nes Flie­ger­alarms un­ter­bro­chen. Ob­wohl Bel­lo wäh­rend des zwei­stün­di­gen Alarms mehr­fach Mög­lich­keit zur Flucht ge­habt hät­te und ihm dies von Sei­ten sei­nes An­walts auch drin­gend ge­ra­ten wur­de, lehn­te er es aus Furcht vor Re­pres­sio­nen ge­gen­über sei­ner Fa­mi­lie ab, sich der Ver­hand­lung und dem zu er­war­ten­den Ur­teil durch Flucht zu ent­zie­hen.

Bel­lo wur­de noch am glei­chen Tag we­gen „Wehr­kraft­zer­set­zung" für wehr­un­wür­dig, der bür­ger­li­chen Eh­ren­rech­te auf Le­bens­zeit für ver­lus­tig er­klärt und zum To­de ver­ur­teilt. Straf­ver­schär­fend wirk­ten so­wohl Bel­los Hin­weis auf den ge­kreu­zig­ten Chris­tus, der die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten in ih­re Schran­ken wei­sen wer­de, als auch die Tat­sa­che, dass die ge­sam­te Jus­tiz durch die kur­ze Zeit in Mün­chen vor­aus­ge­gan­ge­nen Un­ru­hen, ver­ur­sacht durch die Ge­schwis­ter So­phie (1921-1943) und Hans Scholl (1918-1943), auf­ge­bracht war.

Nach der Ur­teils­ver­kün­dung wur­de Heinz Bel­lo in Haft ge­nom­men und in das Mi­li­tär­ge­fäng­nis Ber­lin, Lehr­ter Stra­ße 61, ge­bracht, wo er noch bis Ju­ni 1944 auf sei­ne Hin­rich­tung war­ten muss­te. Gna­den­ge­su­che – so hat­te Bel­lo selbst am 20.4.1944 hand­schrift­lich ein Gna­den­ge­such ge­schrie­ben und um Um­wand­lung der To­des- in ei­ne Haft­stra­fe ge­be­ten – wur­den ab­ge­lehnt, ins­be­son­de­re we­gen der Kir­chen­treue der Fa­mi­lie Bel­lo und ih­rer Nä­he zum po­li­ti­schen Ka­tho­li­zis­mus. Am 10.6.1944 wur­de das Ur­teil end­gül­tig durch Stel­lung­nah­men des Reichs­stu­den­ten­füh­rers Dr. Gus­tav Adolf Scheel (1907-1979) und des Be­fehls­ha­bers des Er­satz­hee­res, Ge­ne­ral­oberst Fried­rich Fromm (1888-1945), be­stä­tigt. Wäh­rend der Haft in Ber­lin be­rei­te­te sich Bel­lo ein­ge­hend auf sei­nen Tod vor und fand star­ken Halt in sei­nem ka­tho­li­schen Glau­ben.

Am 29.6.1944 wur­de Heinz Bel­lo auf dem Schiess­stand Ber­lin-Te­gel durch ein Hin­rich­tungs­kom­man­do der Wehr­macht er­schos­sen. Zu­nächst auf dem Sankt Hed­wigs-Fried­hof in Ber­lin be­stat­tet, wur­den sei­ne Ge­bei­ne am 1960 nach We­sel über­führt, 1966 ex­hu­miert und am 3.9.1966, als die Kryp­ta des Xan­te­ner Do­mes als Ge­denk­stät­te für neu­zeit­li­che Mär­ty­rer ein­ge­weiht wur­de, ne­ben Karl Leis­ner und Ger­hard Storm bei­ge­setzt.

In We­sel ist ei­ne Stra­ße nach Heinz Bel­lo be­nannt.

Literatur

Coe­nen, Ma­ri­an­ne, Heinz Bel­lo – Ein Schick­sal im Drit­ten Reich, in: Ot­to van de Locht, 700 Jah­re St. Ma­riä Him­mel­fahrt We­sel - Vom Do­mi­ni­ka­ner­klos­ter zur Pfarr­ge­mein­de, We­sel 1990, S. 242-245.
Kloi­dt, Franz, Ver­rä­ter oder Mär­ty­rer? Do­ku­men­te ka­tho­li­scher Blut­zeu­gen der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Kir­chen­ver­fol­gung ge­ben Ant­wort, Düs­sel­dorf 1962, S. 19-29.
Le­ber, An­ne­do­re, Das Ge­wis­sen steht auf - 64 Le­bens­bil­der aus dem deut­schen Wi­der­stand 1933-1945, Ber­lin / Frank­furt am Main 1954, S. 25-27.
Moll, Hel­mut, Zeu­gen für Chris­tus. Das deut­sche Mar­ty­ro­lo­gi­um des 20.Jahr­hun­derts, Pa­der­born 1999, S. 455-459.
Prieur, Jut­ta, We­gen „Wehr­kraft­zer­set­zung" hin­ge­rich­tet, in: Jut­ta Prieur (Hg.), We­sel 1933-1945, Köln 1983, S. 80-81.__
See­ger, Hans-Karl, Ar­ti­kel „Bel­lo, Heinz", in: Bio­gra­phisch-Bi­blio­gra­phi­sches Kir­chen­le­xi­kon 21 (2003), Sp. 91-95.
See­ger, Hans-Karl, Heinz Bel­lo, in: Rund­brief In­ter­na­tio­na­ler Karl-Leis­ner-Kreis 37 (1998), S. 53-57.

 
Zitationshinweis

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Striewski, Jennifer, Heinz Bello, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/heinz-bello-/DE-2086/lido/57c57b385ebee8.23645009 (abgerufen am 05.12.2024)