Zu den Kapiteln
Heinz Sielmann war ein bedeutender Tierfilmer und prägte die Verhaltensforschung bei Tieren in Deutschland im 20. Jahrhundert entscheidend mit.
Heinz Sielmann wurde am 2.6.1917 in Rheydt (heute Stadt Mönchengladbach) geboren. Der Vater, Dr. Paul Sielmann, ein gebürtiger Ostpreuße, war dort Chemiker in einem Kabelwerk, die Mutter stammte aus dem französischsprachigen Teil der Schweiz. 1924 übersiedelte die Familie nach Königsberg, wo der Vater eine Elektro-, Radio und Baustoff-Firma gründete.
Früh entdeckte Heinz Sielmann auf ausgedehnten Spaziergängen und Angelausflügen mit seinem Vater in die masurische Landschaft seine Leidenschaft für die Natur. Er verbrachte jede freie Minute damit, das Verhalten der Vögel zu studieren und zu fotografieren. Schon als Schüler verfügte er über solch ausgezeichnete Kenntnisse der Vogelwelt, dass er darüber Vorträge an der Universität halten konnte. Zum Abitur im Jahre 1938 schenkten ihm seine Eltern die lang ersehnte Filmausrüstung.
Anders als seine Mitschüler musste Sielmann nach dem Abitur nicht zum Arbeitsdienst, sondern wurde für zwei Monate freigestellt, um einen Film über seine heimatkundlichen Forschungen zu drehen. Da er mit diesem Film großen Erfolg in der Fachwelt hatte, beschloss er, Biologie zu studieren mit dem Ziel, Filme für Schule und Forschung zu drehen. 1939 wurde er zur Wehrmacht eingezogen, wo er Funklehrer für Bordfunker wurde. Dort lernte er den Rekruten Joseph Beuys kennen. Beide verband fortan bis zum Tode von Beuys eine enge Freundschaft. Sielmann gab jedoch später zu, dass er nie so recht verstanden habe, wie Beuys sich in der Kunst ausdrückte.
Sielmann erhielt 1941 die Genehmigung, vier Semester Biologie an der neu gegründeten „Reichsuniversität Warthegau“ in Posen zu studieren. Nach eigener Aussage kannte er in den ersten Kriegsjahren den “Krieg nur aus der Zeitung“. 1943 sollte er wieder an die Front geschickt werden, wovor ihn jedoch ein Auftrag des Reichsjagdamtes, die Vogelwelt der von den Deutschen besetzten Insel Kreta zu erforschen und filmisch zu dokumentieren, bewahrte. Nach längerer Vorbereitung ging es im Frühjahr 1944 nach Kreta, wo Sielmann bis Anfang Juli 1944 rund 5.000 Meter Film belichtete. Als die Engländer Kreta eroberten, ließen sie ihn bis Mai 1945 unter großen Schwierigkeiten weiter filmen. Nach Kriegsende kam Sielmann, nachdem er seine Filme und seine Vogelbalgsammlung dem englischen „Central Office for Information“ übergeben hatte, in englische Kriegsgefangenschaft nach Ägypten und wurde im Herbst 1945 nach Kairo in das Britische Hauptquartier Middle East überstellt. Er war zwar offiziell Kriegsgefangener, genoss aber viele Privilegien und konnte sich vergleichsweise frei bewegen. Ende 1945 brachte man ihn nach London, wo er in einer Produktionsfirma an der Aufbereitung seines Filmmaterials für einen Dokumentarfilm arbeitete. Seine Sammlung von Vogelbälgen aus Kreta befand sich mittlerweile im British Museum.
Da seine Eltern den Krieg nicht überlebt hatten, zog es Heinz Sielmann zunächst nicht nach Deutschland zurück, sondern er blieb bis 1947 in London. Inzwischen hatte er sich nicht nur als Tierfilmer, sondern auch als Autor einen Namen gemacht. Bereits 1943 war in Königsberg sein Buch „Vögel über Haff und Wiesen“ erschienen. Jetzt erhielt er die Chance, seinen Traumberuf zu verwirklichen: Er wurde Regisseur und Kameramann von biologischen Unterrichtsfilmen. Die Engländer hatten ihm eine Stelle in Hamburg in der ehemaligen „Reichsanstalt für den Unterrichtsfilm“, die nun „Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht“ hieß, verschafft.
Nach dem Zweiten Weltkrieg standen für die Menschen in Deutschland zunächst Überlebensstrategien im Vordergrund, der Zustand von Wald, Feld und Flur schien eher Nebensache zu sein. Es bestand Mangel an Fleisch und Brennmaterial und so wurde recht hemmungslos gewildert und abgeholzt. 1947 erhielt Sielmann vom Niedersächsischen Ministerium für Landwirtschaft und Forsten den Auftrag, in einem Dokumentarfilm zu zeigen, welche Schäden der Krieg und seine Begleiterscheinungen in der Natur angerichtet hatten. Der 1949 uraufgeführte Film „Lied der Wildbahn“ wurde ein Kinoerfolg und war gleichzeitig Werbung für den Tierschutz. Neben dem Kinofilm produzierte Sielmann Filme für den Naturkundeunterricht, beispielsweise über Greifvögel, das Wild der einheimischen Wälder, über Füchse, Wasserwild und Wiesensommer. Im Zuge dieser Dreharbeiten lernte er Inge Witt kennen, die er am 22.12.1951 in Hamburg heiratete. Schon am Tag nach der Hochzeit übersiedelte das Paar nach München, wo sich das erweiterte „Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht“ inzwischen niedergelassen hatte.
Sielmanns ausgedehnte Expeditionen hielten ihn oft monatelang von zu Hause fern. Seine längste Expedition dauerte ununterbrochen zwei Jahre, sodass seine Frau den 1954 geborenen Sohn praktisch allein großziehen musste. Nur selten begleitete sie ihren Mann auf seinen Reisen, assistierte ihm aber bei der Aufarbeitung des Filmmaterials zu Hause. Mit 24 Jahren verunglückte der Sohn, der in die Fußstapfen seines Vaters treten wollte, bei Aufnahmen in Kenia tödlich. 1957 beauftragte König Baudoin von Belgien (Regentschaft 1951-1993) ein internationales Filmteam, für die Weltausstellung in Brüssel 1958 einen Film über die noch unberührte Natur der damaligen Kolonie Belgisch-Kongo zu drehen. Die Regie wurde Heinz Sielmann übertragen. Die Expedition dauerte 18 Monate und fand unter schwierigen Bedingungen statt, da man sich nur zu Fuß oder im Jeep durch die Wildnis bewegen konnte. Gedreht wurde im Urwald und in der Savanne. Hierbei kamen durch Sielmanns einzigartige Filmtechnik phantastische Tieraufnahmen zustande, die später in dem Kinofilm „Lord of the Forest“ (Herrscher des Urwalds) weltweit gezeigt und ein großer Erfolg wurden.
1960 machte Sielmann sich selbständig mit dem Ziel, Filmexpeditionen für Unterrichtsfilme, für eine Sendereihe im englischen und deutschen Fernsehen und abendfüllende Farbfilme fürs Kino zu unternehmen. Diese Expeditionen führten ihn auf die Galapagos-Inseln, nach Australien, Papua-Neuguinea, in die Arktis und Antarktis. Sielmann gelangen mit der für ihn typischen geduldigen und sorgsamen Arbeitsweise nicht nur Aufnahmen von allgemeinem Interesse, sondern zugleich Dokumentationen von Tierverhalten, die sowohl für den Unterricht als auch für die Forschung neu und wertvoll waren. Dabei machte er sich auch als Natur- und Tierschützer einen Namen.
Durch seine beliebte Sendereihe „Expeditionen ins Tierreich“, die in 179 Folgen bis 1991 in der ARD lief, wurde er sehr populär. Als Herausgeber brachte er 1981 die Buchreihe „Knaurs Tierleben“ zum Abschluss und wurde 1982 neben Dr. Bernhard Grzimek (1909-1987), dem langjährigen Direktor des Frankfurter Zoos (1945-1974), Mitherausgeber der Zeitschrift „Das Tier“.
Als Sielmann Jahrzehnte später die Gebiete seiner früheren Expeditionen wieder besuchte, musste er die schmerzliche Erfahrung machen, dass sich die Bedingungen für die Tierwelt auf allen Kontinenten verschlechtert hatten. Am 3.8.1994 gründeten Heinz und Inge Sielmann die „Heinz-Sielmann-Stiftung“, die die Ziele hat, Menschen, insbesondere Kinder und Jugendliche, an einen bewussten Umgang mit Natur und Umwelt heranzuführen, letzte Refugien für seltene Tier- und Pflanzenarten zu erhalten, die Öffentlichkeit für den Naturschutz zu sensibilisieren und ein Heinz Sielmann-Archiv des Naturfilms aufzubauen.
Sielmanns wissenschaftliche Leistungen wurden 1994 mit einer Honorarprofessur an der Ludwig-Maximilians-Universität München gewürdigt. Als Wissenschaftler, Tierfilmer und Kameramann, aber auch wegen seines Engagements für den Natur- und Tierschutz hat Sielmann zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter fünf Bundesfilmpreise, das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, den Großen Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland das Große Verdienstkreuz mit Stern. Eine Reihe von Schulen trägt seinen Namen.
Heinz Sielmann starb am 6.10.2006 in München.
Filme (Auswahl)
Vögel über Haff und Wiesen, 1938.
Lied der Wildbahn, 1949.
Quick das Eichhörnchen, 1952.
Konzert am Tümpel, 1954.
Wiesensommer, 1955.
Zimmerleute des Waldes, 1955.
Herrscher des Urwalds (Les Seigneurs de la Forêt, Lord of the Forest), 1959.
Expeditionen ins Tierreich (TV), 1960-1991.
Galapagos – Landung in Eden, 1962.
Grönland – Pforte zum ewigen Eis (Greenland and beyond), 1962.
In der Savanne Ostafrikas, 1964.
In die Bergdschungel Neuguineas, 1965.
Lockende Wildnis – Durch die Wildbahnen von Nordamerika, 1974.
Tiere im Schatten der Grenze, 1988.
Sielmann 2000 (TV), 1991.
Der Heinz-Sielmann-Report (TV), 1993, 1994.
Werke (Auswahl)
Lockende Wildnis, 1970.
Mein Weg zu den Tieren, 1971.
Expeditionen ins Tierreich, 1980.
Das Abenteuer, Tiere zu retten, 1980.
Die stille Jagd mit der Kamera, 1986.
Mit Heinz Sielmann im Zoo, 1991.
Mein Leben – Abenteuer Natur“, hg. von Wolfgang B. Rölle, München/Berlin 1995
Herausgeberschaft
Knaurs Tierleben in Fluss und Strom, 1981.
Das Tier, ab 1982 (zusammen mit Bernhard Grzimek).
Sielmanns Tierwelt, 1991.
Auszeichnungen (Auswahl)
Bundesfilmpreis für den Film „Quick das Eichhörnchen“, 1952.
Bundesfilmpreis für den Film „Konzert am Tümpel“, 1954.
Bundesfilmpreis für den Film „Zimmerleute des Waldes“, 1955.
Goldener Bär der Internationalen Filmfestspiele für „Zimmerleute des Waldes“, 1955.
Cherry Kearton Medaille der Royal Geographic Society, London 1966.
Christoper Award, USA 1972.
Goldener Bildschirm, 1975.
Franz von Assisi-Medaille, 1978.
Goldene Kamera, 1982.
Bambi, 1983 und 1990.
Ehrenurkunde für besondere Verdienste von Seiner Königlichen Hoheit, Prinz Philip, Präsident des WWF, 1992.
Orden „Goldene Arche“ vom Stiftungspräsidenten des WWF, seiner Königlichen Hoheit, Prinz Bernhard der Niederlande, 1993.
Niedersächsischer Ehrenpreis für Leistungen um Jagd und Natur, 1994.
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Steinhausen, Erika, Heinz Sielmann, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/heinz-sielmann/DE-2086/lido/57c94fbcd7b3b3.41256877 (abgerufen am 06.12.2024)