Zu den Kapiteln
Schlagworte
Helmut Grashoff, als Sohn von Wilhelm (1886) und Sophie (1896-1983) Grashoff am 13.9.1928 in Lübeck geboren, wuchs zunächst in seiner Geburtsstadt auf, dann, als sein Vater 1938 versetzt wurde, in Hamburg-Blankenese. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges begann er in Hamburg eine Lehre als Textil-, speziell Wollkaufmann in dem Im- und Exportunternehmen Jessen, Eggers & Co. Im Alter von 18 Jahren, noch während seiner Lehrzeit, lernte er seine spätere Frau Helga (geboren 1929) kennen, die er 1951 heiratete. Das Ehepaar bekam zwei Töchter, Susanne und Sabine.
1955 übernahm Grashoff die Mönchengladbacher Vertretung des Im- und Exportunternehmens und machte sich als Garngrossist selbstständig. Aufgrund zahlreicher Kontakte, die er in Mönchengladbach knüpfen konnte, wurden seine Frau und er 1962 zum Karnevalsprinzenpaar gekürt. Zu seinen Bekanntschaften, man spielte häufiger gemeinsam Skat, gehörte auch der aus Mönchengladbach stammende Textilunternehmer Dr. Helmut Beyer (1925-2011), der damals kommissarisch das Präsidentenamt von Borussia Mönchengladbach übernommen hatte. Beyer suchte binnen kurzer Frist einen Vizepräsidenten für den Verein und schlug Grashoff vor, in der Mitgliederversammlung dafür zu kandidieren. Grashoff, der sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht besonders für Fußball interessiert hatte und noch nicht einmal Vereinsmitglied war, ließ sich von Beyer überreden und kandidierte für den Posten des Vizepräsidenten. Beide wurden, gemeinsam mit Lorenz Hochheim (1919-1967), dem Schatzmeister und Inhaber einer Maschinenfabrik in Mönchengladbach, in den neuen dreiköpfigen Vorstand gewählt.
Der Verein befand sich zu jenem Zeitpunkt in der damaligen Oberliga West auf einer Berg- und Talfahrt. Zwar hatte Borussia Mönchengladbach 1960 den deutschen Pokal gewinnen können, doch gelang es der Mannschaft nicht, sich auf den vorderen Plätzen der Liga zu etablieren. Zudem fehlten dem Verein die wirtschaftlichen Grundlagen, um gute Spieler halten oder neue verpflichten zu können. So verließ Albert Brülls, damals aktueller Nationalspieler, die Borussia nach der Fußballweltmeisterschaft 1962 in Chile in Richtung Italien. Dieses Transfergeschäft, eine der ersten Amtshandlungen Grashoffs, wurde legendär. Er erhielt die für damalige Verhältnisse sehr hohe Ablösesumme von 250.000 DM vom Präsidenten des FC Modena in einem Koffer in bar ausgehändigt und brachte diesen gemeinsam mit einem befreundeten Journalisten, der als Dolmetscher fungierte hatte, über die Grenze.
Bereits vor diesem Transfer hatte er festgestellt, dass der Verein kurz vor dem Bankrott stand, weil bisher offensichtlich der damals noch geltende kaufmännische Grundsatz, nicht mehr auszugeben, als eingenommen wurde, nicht befolgt worden war. Genau diese Handlungsweise sollte zur Grundlage und zur Maxime von Grashoffs Handeln zunächst als Vizepräsident, dann zusätzlich als Geschäftsführer und Manager werden.
Als am 24.8.1963 die erste Saison der Fußball-Bundesliga begann, war Mönchengladbach nicht dabei. Der Aufstieg gelang erst zur Saison 1965/1966 gemeinsam mit Bayern München. Während der Spielzeit 1963/1964 war Hans „Hennes“ Weisweiler als Trainer verpflichtet worden, der mit einer teilweise aus dem eigenen Nachwuchs rekrutierten Mannschaft, der sogenannten „Fohlenelf“, den Aufstieg schaffte.
Als am Ende der ersten Bundesligasaison der bisherige Geschäftsführer Georg (Schorsch) Hoffmann überraschend verstarb, erledigte Grashoff auch dessen Aufgaben zunächst kommissarisch. Schließlich wurde er Mitte 1966 mit der endgültigen Übernahme der Geschäftsführung zum ersten Manager eines deutschen Fußballvereins. Die Hintergründe, die dazu führten, lassen sich nicht mehr rekonstruieren. Vertraglich und finanziell geregelt wurde dies erst mehrere Jahre später, als Grashoff sein eigentliches Geschäft vor allem aus Zeitgründen nicht mehr führen konnte und sich wie schon einige Jahre zuvor wiederum die Möglichkeit bot, zum Sportartikelhersteller Puma zu wechseln, dessen Beirat er später angehörte sollte. Erst Ende der 1970er Jahre erreichten seine Bezüge ein „geschäftsführerähnliches“ Niveau, wie Grashoff wohl nicht ohne Ironie bemerkte.
Im März 1968 wurde neben Beyer und Grashoff der Mannschaftsarzt Dr. Alfred Gerhards (1920-2000) zum neuen Schatzmeister und damit zum dritten Vorstandsmitglied gewählt. Diese drei Männer sollten den Verein in den folgenden gut 20 Jahren in „überaus harmonischer Zusammenarbeit“ leiten, die „nur im letzten Jahr gemeinsamer Amtszeit, 1989/90, einen Knacks bekam.“ (Grashoff, Meine launische Diva, S. 60).
Nach drei gewonnenen Meisterschaften wechselte Trainer Hennes Weisweiler nach der Saison 1974/1975 zum FC Barcelona. Ihm folgte Udo Lattek (1935-2015), der noch zweimal die Meisterschale nach Mönchengladbach holte. Grashoff erkannte relativ früh, wie wichtig eine umfassende Vermarktung des Vereins in der Bundesliga war, deren Möglichkeiten allerdings angesichts der unmittelbaren Konkurrenz an Rhein und Ruhr recht begrenzt waren. Eines der größten Probleme für Borussia Mönchengladbach war das Stadion, der „Bökelberg“, ein relativ kleines Fußballstadion, in dem nur 34.500 Zuschauer Platz fanden, wobei es nur 9.500 Sitzplätze gab. Zudem lag die Arena mitten in einem Wohngebiet, so dass sich An- und Abfahrt schwierig gestalteten und Möglichkeiten eines Ausbaus kaum gegeben waren.
Anfang 1975 gelang es Grashoff, der die wirtschaftliche Basis des Vereines schwinden sah, nach zähen Gesprächen mit der Stadt, eine Herabsetzung der Stadionmiete, die im Vergleich zu anderen Städten recht hoch war, zu erreichen. Zugleich forderte er schon damals den Bau eines neuen Großstadions oder zumindest eine aufwändige Renovierung des Bökelbergs mit Überdachung und mehreren tausend neuen Sitzplätzen. Diese Anliegen wurden in den folgenden Jahren immer wieder kontrovers diskutiert. Teilweise wich der Verein seit der Mitte der 1970er Jahre bei Europapokalspielen in das benachbarte Düsseldorfer Rheinstadion aus, in dem rund 60.000 Zuschauer Platz fanden und somit erheblich höhere Einnahmen erzielt werden konnten. Diese Streitigkeiten, die teilweise in der Öffentlichkeit ausgetragen wurden, belasteten das Verhältnis zwischen Verein und Stadt in den späten 1970er und 1980er Jahren schwer.
Grashoff versuchte als Repräsentant des Vereins, den städtischen Ansprechpartnern zu verdeutlichen, dass Mönchengladbach in hohem Maße von der Bekanntheit und Popularität des fünfmaligen Meisters profitiert habe, ohne entsprechende Gegenleistungen, wie etwa eine grundlegende Renovierung des Stadions „Bökelberg“ oder einen entsprechenden Neubau an geeigneter Stelle erbracht zu haben. Stattdessen musste sich Grashoff, als die großen sportlichen Erfolge des Vereins ausblieben, immer wieder an die Stadtverwaltung wenden, um eine Senkung der Stadionmiete oder eine Beteiligung an den Erlösen aus der Bandenwerbung zu erreichen. Inzwischen gab es kaum noch hochklassige Spieler, die der Verein verkaufen konnte, um finanzielle Defizite auszugleichen, und mancher Spielereinkauf erfüllte nicht die Erwartungen. So kam es in jenen Jahren häufiger vor, dass das Geschäftsjahr des Vereins im Soll endete, wofür Grashoff auch die Stadtverwaltung Mönchengladbachs verantwortlich machte, von der er sich im Stich gelassen fühlte.
Am Ende der Saison 1986/1987 wechselte der langjährige Spieler, Trainer und Rekordtorschütze des Vereins, Josef „Jupp“ Heynckes (geboren 1945), als Trainer zu Bayern München. Ihm folgte sein Assistent Wolf Werner (geboren 1942). In den beiden kommenden Spielzeiten erreichte die Mannschaft zwar Platzierungen in der oberen Tabellenhälfte, konnte sich jedoch nicht für einen internationalen Wettbewerb qualifizieren. Grashoff dachte angesichts dieser „Misserfolge“ daran, Werner in der Winterpause der Saison 1988/1989 zu entlassen und nahm Kontakt mit Hannes Bongartz (geboren 1951) auf. Doch wollte insbesondere Schatzmeister Gerhards eine vorzeitige Entlassung nicht mittragen, sodass die vertraglich vereinbarte Option für eine weitere Spielzeit mit Werner als Trainer griff. Als am Ende der Saison das Ziel der Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb erneut verpasst wurde, begann es im Verein, unter den Fans und in den Medien zu rumoren. Die negative Entwicklung, insbesondere der Substanzverlust bei den Spielern, wurde dem Vorstand, insbesondere Grashoff angelastet. Die folgende Spielzeit 1989/1990 verlief für Borussia Mönchengladbach besonders schlecht. Erstmals entließ der Verein einen Trainer im Laufe der Saison, aber auch die Neuverpflichtung von Igor Belanov (geboren 1960) aus Kiev erwies sich als Missgriff. Die Mannschaft spielte gegen den Abstieg und belegte am Ende der Saison nur den 15. Tabellenplatz.
In dieser Phase kam es offensichtlich innerhalb des Präsidiums, vor allem zwischen Grashoff und Gerhards, zum Zerwürfnis, nachdem Gerhards öffentlich gemacht hatte, dass im Präsidium Uneinigkeit herrschte, als er nunmehr doch die Entlassung des Trainers forderte. Nach den persönlichen Querelen mit Gerhards sowie der Eskalation der Angriffe einiger Vereinsmitglieder und der Presse entschloss sich Grashoff, seine Position als Manager aufzugeben und als seinen Nachfolger den ehemaligen Schalker und Dortmunder Spieler Rolf Rüßmann (1950-2009) zum 1.4.1990 zu verpflichten, der sich unter seiner Anleitung in diese Position einarbeiten sollte. Allerdings kam der Verein in jener Phase nicht zur Ruhe. Zwar wurde Grashoff Ende März 1990 auf einer Mitgliederversammlung mehrheitlich in seinem Amt bestätigt, doch die Grabenkämpfe vor und hinter den Kulissen setzten sich fort, sodass Grashoff zum 15.1.1991 aus dem Vorstand ausschied. Seiner „launischen Diva“ hielt er allerdings auch danach weiterhin die Treue. Er starb am 28.3.1997 an einem Krebsleiden. Nach ihm ist eine Straße in der Nähe des neuen Stadions, dem Borussen-Park, benannt.
Grashoff hatte als Manager maßgeblichen Anteil an den großen Erfolgen von Borussia Mönchengladbach in den 1970er Jahren, als die Mannschaft fünf deutsche Meisterschaften, je einen Sieg im DFB-Pokal und im Deutschen Supercup errang, zweimal Vizemeister wurde, zweimal den UEFA-Pokal gewann, dazu noch einmal das Finale im Europapokal der Landesmeister und zweimal das Finale des UEFA-Pokals erreichte.
Der Pfeifenraucher Grashoff mochte Kunst, Bücher und gutes Essen. Er galt als Organisationstalent, war jedoch, wie er selbst schrieb, kein Fußballfachmann, aber dennoch diesem Sport und seinem Verein mit Leib und Seele verbunden. Es habe, um Grashoff erneut zu zitieren, keine wirkliche Trennung zwischen Privatheit und Geschäft, zwischen Dienst und Freizeit gegeben. Der Verein sei für alle, dies schloss nicht nur die Vorstandsmitglieder und Trainer, sondern offensichtlich auch die Familien mit ein, das A und O gewesen. Günter Netzer (geboren 1944), der ihm in seinen aktiven Zeiten als Spieler und Manager und auch später nahestand, charakterisierte ihn als hanseatischen Kaufmann durch und durch, der im Umgang ein äußerst angenehmer Mensch gewesen sei. Grashoffs Handeln sei stets von Klarheit sowie Verlässlichkeit geprägt gewesen, und man habe sich auf sein Wort verlassen können. Risiken allerdings habe er gescheut. In jedem Falle genoss Grashoff wohl die Achtung eines Großteils seiner Kollegen, auch wenn sie, wie Uli Hoeneß (geboren 1952), erheblich jünger waren. Eine besonders enge Freundschaft verband Grashoff mit Emanuel „Eddy“ Schaffer“ (1923-2012), Israels Nationaltrainer in den 1970er Jahren, den der damalige Borussentrainer Weisweiler seit den 1950er Jahren kannte. Ab 1970 trug Borussia Mönchengladbach mehrere Freundschaftsspiele in Israel aus, und die Mannschaft hatte auf diese Weise, als „Diplomaten in kurzen Hosen“, ihren Anteil an der Verbesserung der deutsch-israelischen Beziehungen. Die enge Verbindung des Vereins zum israelischen Fußballverband besteht bis heute.
Quellen
Zu danken hat der Verfasser Günter Netzer für ein Telefoninterview am 4.2.2014 und Sabine Grashoff-Reiter und Helga Grashoff für schriftliche Auskünfte vom 13.12.2013.
Der Verein VfL Borussia Mönchengladbach war leider mit seinen Informationen über Helmut Grashoff, der den Verein in seinen erfolgreichsten Jahrzehnten managte, sehr zurückhaltend. Außer einigen Ausgaben des Fohlen Echos, in denen einige Beiträge Grashoffs abgedruckt waren, wurden dem Verfasser mit dem Hinweis darauf, dass es kein Material gebe, keine weiteren Informationen zur Verfügung gestellt. Falls es ein Archiv des Vereins geben sollte, so ist es jedenfalls für Außenstehende offensichtlich nicht zugänglich.
Literatur
Grashoff, Helmut, Meine launische Diva. 30 Jahre mit Borussia Mönchengladbach, ergänzte Neuauflage, Norderstedt 2005.
Havemann, Nils, Samstags um halb 4. Die Geschichte der Fussballbundesliga, München 2013.
Jakobs, Werner, Borussia Mönchengladbach. Die Elf vom Niederrhein. Borussen-Chronik. 100 Jahre Borussia, Kaarst 1999.
Kohlhass, Carl A., 75 Jahre Borussia Mönchengladbach. Der Weg einer europäischen Spitzenmannschaft, Breckenheim 1975.
Netzer, Günter mit Helmut Schümann, Aus der Tiefe des Raumes. Mein Leben, Reinbek bei Hamburg 2004.
Wark, Oskar, Die Fohlen 11. Borussia Mönchengladbach Deutscher Meister 1970. Mit einer Einleitung von Gerd Krämer, Bad Honnef 1970.
Einige Nummern der Stadionzeitschrift „Fohlen Echo“ von Borussia Mönchengladbach aus den Spielzeiten 1980/81, 1988/89, 1990/91 und 1996/97.
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Dahlmann, Dittmar, Helmut Grashoff, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/helmut-grashoff/DE-2086/lido/57c6d5d17afd20.97989993 (abgerufen am 06.12.2024)