Hennes Weisweiler

Fußballtrainer (1919-1983)

Helmut Rönz (Bonn)

Hennes Weisweiler, Porträtfoto. (Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln)

Hans, ge­nannt Hen­nes Weis­wei­ler war ein aus Erft­stadt-Le­che­nich stam­men­der Fuß­ball­spie­ler und -trai­ner. Er war zwi­schen 1964 und 1975 Trai­ner der le­gen­dä­ren Foh­len­elf von Bo­rus­si­a Mön­chen­glad­bach und ge­wann mit vier ver­schie­de­nen Ver­ei­nen in drei Län­dern ins­ge­samt fünf na­tio­na­le Meis­ter­schaf­ten, vier na­tio­na­le Po­ka­le so­wie ei­nen Eu­ro­pa­po­kal.

Hen­nes Weis­wei­ler wur­de am 5.12.1919 in Le­che­nich, heu­te ein Stadt­teil von Erft­stadt, ge­bo­ren. Mit neun Jah­ren be­gann er mit dem Fuß­ball­sport und spiel­te für den SC Le­che­nich, bis er 1939 in die Wehr­macht ein­ge­zo­gen wur­de. Nach dem Krieg schloss er sich zu­nächst dem VfR Fla­mers­heim (heu­te Stadt Eus­kir­chen) und spä­ter ver­schie­de­nen Köl­ner Fuß­ball­clubs an, wo er zu­erst als Mit­tel­feld­spie­ler, dann als Spie­ler­trai­ner fun­gier­te.

In der Funk­ti­on des Spie­ler­trai­ners er­kann­te er sei­ne ei­gent­li­che Be­ga­bung. So nahm er am ers­ten Trai­ner­lehr­gang der Nach­kriegs­zeit un­ter Bun­des­trai­ner Sepp Her­ber­ger (1897-1977) in Köln teil. Dort wur­de Her­ber­ger auf ihn auf­merk­sam und för­der­te ihn als sei­nen ge­leh­rigs­ten und ta­len­tier­tes­ten Schü­ler. Zu­nächst woll­te „der Al­te" den jun­gen Weis­wei­ler so­gar zu sei­nem Nach­fol­ger als Trai­ner der Deut­schen Na­tio­nal­mann­schaft auf­bau­en; die­ses Vor­ha­ben schei­ter­te je­doch an der Hei­mat­ver­bun­den­heit des jun­gen Le­che­ni­chers, der nur im Rhein­land ar­bei­ten woll­te. Von Her­ber­ger über­nahm Hen­nes Weis­wei­ler da­für 1957, mit erst 38 Jah­ren, die Lei­tung der Trai­ner­aus­bil­dung an der Deut­schen Sport­hoch­schu­le Köln, heu­te Hen­nes-Weis­wei­ler-Aka­de­mie. Die­se Auf­ga­be hat­te er bis 1970, dem Jahr sei­nes ers­ten gro­ßen na­tio­na­len Tri­um­phes – dem Ge­winn der Deut­sche Meis­ter­schaft als Trai­ner von Bo­rus­sia Mön­chen­glad­bach – in­ne.

Schon in der Früh­pha­se sei­ner Trai­ner­lauf­bahn hat­te er Er­fol­ge zu ver­zeich­nen – wenn auch noch im Ama­teur­be­reich – und mach­te sich im Rhein­land ei­nen gu­ten Na­men als kom­mu­ni­ka­ti­ver, in­no­va­ti­ver Trai­ner, der für bis da­hin noch nicht ge­kann­ten of­fen­si­ven, tech­nisch star­ken Kon­ter­fuß­ball stand. Nach­dem er mit dem Rhe­ydter SV An­fang der 1950er-Jah­re – dies­mal aus­schlie­ß­lich als Trai­ner – in die Ober­li­ga West auf­ge­stie­gen war, kam 1958 ein An­ge­bot des am­bi­tio­nier­ten Clubs Vik­to­ria Köln, wo er die hoch­ge­steck­ten Er­war­tun­gen al­ler­dings nicht er­fül­len konn­te, aber den­noch mit 81 To­ren sei­ner Mann­schaft in 30 Spie­len sei­ne Idee von An­griffs­fuß­ball auf­blit­zen lies.

1964 wech­sel­te er auf Ver­mitt­lung sei­nen För­de­rers Sepp Her­ber­ger schlie­ß­lich zur Bo­rus­sia nach Mön­chen­glad­bach, wo sein na­tio­na­ler und in­ter­na­tio­na­ler Durch­bruch zur Trai­ner­le­gen­de be­gann. Hier form­te er aus der Elf vom Nie­der­rhein je­nes Fuß­ball­team, das mit tech­nisch star­kem Kon­ter- und Of­fen­siv­fuß­ball zu ei­nem eu­ro­päi­schen Fuß­ball­my­thos wur­de, zu ei­nem Ge­gen­ent­wurf zu den eher de­fen­siv, ra­tio­nal und er­geb­nis­ori­en­tiert auf­tre­ten­den Bay­ern aus Mün­chen. Da­bei be­dien­te er sich nicht nur neu­er Trai­nings­me­tho­den und in­no­va­ti­ver Vor­stel­lun­gen von Of­fen­siv­fuß­ball, er war vor al­lem auch ein gro­ßer Psy­cho­lo­ge, ein jun­ger Trai­ner neu­er Schu­le, der mit den Spie­lern Tak­tik und Auf­stel­lung ge­mein­sam be­riet und dis­ku­tier­te, sie zu ver­ant­wort­li­chen Per­sön­lich­kei­ten form­te und so­mit ei­nen neu­en, bis­her un­be­kann­ten Um­gangs- und Füh­rungs­stil im deut­schen Fuß­ball eta­blier­te. Er war ein Ge­gen­ent­wurf zum bis da­hin so be­lieb­ten „Schlei­fer" mit mi­li­tä­ri­scher At­ti­tü­de, ein jun­ger Do­zent, der es mit sei­ner Vor­stel­lung von Fuß­ball nicht nur in den Sport­teil der Re­gio­nal­zei­tung, son­dern in das Feuille­ton der gro­ßen Blät­ter brach­te. Er, be­zie­hungs­wei­se sei­ne Elf in­spi­rier­te mit dem von ihm ver­ord­ne­ten Fuß­ball ei­ne gan­ze Na­ti­on und be­geis­ter­te auch Künst­ler und In­tel­lek­tu­el­le für die­sen Sport.

Be­reits im ers­ten Trai­ner­jahr am Bö­kel­berg stieg die jun­ge Mann­schaft um die spä­te­ren 1974er Welt­meis­ter Jupp Heynckes, Gün­ther Net­zer und Ber­ti Vogts ge­mein­sam mit dem FC Bay­ern Mün­chen in die Ers­te Fuß­ball­bun­des­li­ga auf. Muss­te die sehr jun­ge Mann­schaft im ers­ten Jahr ih­rer Li­ga­zu­ge­hö­rig­keit noch ge­gen den Ab­stieg kämp­fen, führ­te Weis­wei­ler sie in den fol­gen­den Jah­ren nach und nach an die Spit­ze der Li­ga. Mit si­che­rem Blick für das Ta­lent jun­ger Spie­ler form­te er ei­ne Mann­schaft, die be­reits im drit­ten Jahr ih­rer Li­ga­zu­ge­hö­rig­keit hin­ter Nürn­berg und Bre­men den drit­ten Platz be­leg­te. Auf­grund der gu­ten Nach­wuchs­för­de­rung in Mön­chen­glad­bach, aber auch we­gen des of­fen­si­ven, at­trak­ti­ven, zu­wei­len un­ge­stü­men „Ju­gend­stils" des Teams sprach man schnell von der „Foh­len-Elf", ein Na­me, der auch heu­te noch auf die Bun­des­li­ga­mann­schaft der Bo­rus­sia an­ge­wandt wird. Auch 1969 be­leg­te Hen­nes Weis­wei­ler mit sei­ner Elf den drit­ten Platz in der Ers­ten Fuß­ball­bun­des­li­ga, 1970 aber ge­wann „sei­ne" Bo­rus­sia schlie­ß­lich sou­ve­rän mit vier Punk­ten Vor­sprung vor dem Vor­jah­res­meis­ter FC Bay­ern ih­re ers­te deut­sche Meis­ter­schaft. Die zwei­te folg­te be­reits ein Jahr spä­ter. Der VfL Bo­rus­sia aus Mön­chen­glad­bach war so­mit der ers­te Ver­ein in der Bun­des­li­ga­ge­schich­te, der ei­ne deut­sche Meis­ter­schaft ver­tei­di­gen konn­te. Auch wenn in den fol­gen­den Jah­ren der FC Bay­ern es der Bo­rus­sia nacht­at und mehr­mals die Meis­ter­schaft ge­wann, war Glad­bach ei­ner der er­folg­reichs­ten Ver­ei­ne des eu­ro­päi­schen Club­fuß­balls. Der von Weis­wei­ler aus­ge­bil­de­te und an in­ter­na­tio­na­le Klas­se her­an­ge­führ­te Glad­ba­cher Block um Net­zer, Vogts, Bon­hof und Heynckes bil­de­te zu­sam­men mit den Bay­ern­spie­lern das Rück­grat der wohl bes­ten deut­schen Na­tio­nal­elf al­ler Zei­ten, die 1972 ge­gen die UdSSR in Brüs­sel Eu­ro­pa­meis­ter wur­de und im glei­chen Jahr erst­mals in Wem­bley die eng­li­sche Na­tio­nal­mann­schaft schlug. Schlie­ß­lich be­sieg­te das Team 1974 – je­doch im Ver­gleich zu 1972 mit ver­än­der­ter Be­set­zung – im WM-Fi­na­le von Mün­chen mit zwei Weis­wei­l­er­zög­lin­gen vom Bö­kel­berg das Na­tio­nal­team der Nie­der­lan­de.

1973 ge­wann Hen­nes Weis­wei­ler auch den DFB-Po­kal. Das Fi­na­le ging in die Fuß­ball­ge­schich­te ein und of­fen­bar­te zu­gleich, dass Weis­wei­ler zwar ein über­ra­gen­der Trai­ner war, aber zu­wei­len De­fi­zi­te im Um­gang mit in­di­vi­dua­lis­ti­schen Stars hat­te: Weil Gün­ther Net­zer zu­vor sei­nen Wech­sel zu Re­al Ma­drid be­kannt ge­ge­ben hat­te, ließ ihn Weis­wei­ler wäh­rend des Fi­nal­spiels ge­gen den FC Köln, den man zu­vor in der ers­ten Run­de des UE­FA-Po­kals mit Net­zer noch 5:1 ge­schla­gen hat­te, auf der Bank. Zu En­de der zwei­ten Halb­zeit stand es 1:1, doch der zu­wei­len auch stu­re und un­be­herrsch­te Trai­ner mach­te zu­nächst kei­ne An­stal­ten, sei­nen Mit­tel­feld­re­gis­seur ein­zu­wech­seln. So nahm Net­zer in der 91. Mi­nu­te das Zep­ter selbst in die Hand. Mit den an Weis­wei­ler ge­rich­te­ten Wor­ten: „Ich spiel' dann jetzt!" wech­sel­te er sich für Chris­ti­an Ku­lik ein und schoss in der 94. Mi­nu­te „aus der Tie­fe des Rau­mes" kom­mend den 2:1 Sieg­tref­fer.

1975, im letz­ten Jahr sei­nes En­ga­ge­ments am Nie­der­rhein, er­reich­te Hen­nes Weis­wei­ler mit der Bo­rus­sia sei­nen in­ter­na­tio­na­len Kar­rier­ehö­he­punkt. Zu­erst ge­wann er sei­ne drit­te deut­sche Meis­ter­schaft – dies­mal gar mit sechs Punk­ten Vor­sprung vor Her­tha BSC Ber­lin. Im Mai 1975 sieg­te sei­ne Mann­schaft schlie­ß­lich auch in den Fi­nal­spie­len des UE­FA-Po­kals ge­gen Twen­te En­sche­de (0:0, 5:1), nach­dem sie be­reits 1973 ins Fi­na­le vor­ge­sto­ßen, dort aber dem FC Li­ver­pool knapp un­ter­le­gen war.

Nach sei­ner er­folg­rei­chen Zeit am Bö­kel­berg folg­te Hen­nes Weis­wei­ler dem Ruf nach Spa­ni­en. Dort wur­de „Don Hen­nes" Trai­ner des ka­ta­la­ni­schen Vor­zei­ge­clubs FC Bar­ce­lo­na, bei dem auch der nie­der­län­di­sche Star Jo­han Cruyff kick­te. Al­ler­dings kam er we­der mit der spa­ni­schen Men­ta­li­tät noch mit Cruyff klar und wech­sel­te nach dem Ge­winn der Vi­ze-Meis­ter­schaft in der Pri­me­ra Di­vi­si­on wie­der nach Deutsch­land. In Glad­bach war in­zwi­schen Udo Lat­tek als Trai­ner über­aus er­folg­reich und setz­te die Ti­tel­samm­lung sei­nes Vor­gän­gers fort. So über­nahm er schlie­ß­lich den Trai­ner­pos­ten beim FC Köln, mit dem er 1977 DFB-Po­kal­sie­ger wur­de und 1978 das Dou­ble ge­wann.

Schon ein Jahr spä­ter zog es die in­zwi­schen welt­weit be­kann­te Trai­ner­le­gen­de Weis­wei­ler wie­der fort aus der Bun­des­li­ga. Dies­mal wech­sel­te er in die USA, zu Cosmos New York, wo er mit ei­ni­gen eu­ro­päi­schen Stars der Fuß­ball po­pu­lär ma­chen soll­te. Ge­mein­sam mit Franz Be­cken­bau­er ge­wann er dort 1980 die US-Meis­ter­schaft. Sei­ne letz­te Trai­ner­sta­ti­on war ab 1982 Gra­shop­pers Zü­rich. Auch in der Schweiz hat­te er gro­ßen Er­folg und ge­wann mit dem Tra­di­ti­ons­club 1983 das Dou­ble aus Meis­ter­schaft und Po­kal.

Noch im glei­chen Jahr ver­starb der Er­folgs­trai­ner an Herz­ver­sa­gen. Er hin­ter­ließ sei­nen 22 Mo­na­te al­ten, noch in New York ge­bo­re­nen Sohn John aus zwei­ter Ehe mit sei­ner jün­ge­ren Frau Gi­se­la. Die an­schlie­ßen­de Trau­er­mes­se fand im Ho­hen Dom zu Köln statt und glich ei­nem Staats­be­gräb­nis. Mehr als 20.000 Men­schen be­glei­te­ten den Trai­ner auf sei­nem letz­ten Weg, dar­un­ter al­le sei­ne Schütz­lin­ge aus den gro­ßen Ta­gen des rhei­ni­schen Fuß­balls: Ber­ti Vogts, Wolf­gang Over­ath, Jupp Heynckes, Wolf­gang We­ber, Rai­ner Bon­hof, Franz Be­cken­bau­er, Jo­han­nes („Hen­nes") Löhr, Hel­mut Schön (1915-1996), Jupp Der­wall (1927-2007), Udo Lat­tek und vie­le mehr.

Hen­nes Weis­wei­ler war ne­ben Udo Lat­tek der wohl er­folg­reichs­te deut­sche Trai­ner der 1970er-Jah­re und nach Mei­nung sei­nes Glad­ba­cher Mit­tel­feld­stars Gün­ter Net­zer der „bes­te Trai­ner der Welt." Nach ihm ist die Trai­ner­aka­de­mie auf dem Ge­län­de der Deut­schen Sport­hoch­schu­le Köln be­nannt. An der Hen­nes-Weis­wei­ler-Al­lee im Mön­chen­glad­ba­cher Nord­park sind die weit­läu­fi­gen An­la­gen der Bo­rus­sia so­wie das 2004 fer­tig ge­stell­te „Sta­di­on im Bo­rus­sia-Park" be­hei­ma­tet. Von den Fans der Foh­len­elf wur­de Hen­nes Weis­wei­ler zum Trai­ner des Jahr­hun­derts ge­wählt.

Werke

Hen­nes Weis­wei­ler, Der Fuss­ball. Tak­tik, Trai­ning, Mann­schaft, Schorn­dorf 1980.
Hen­nes Weis­wei­ler, Mei­ne ge­hei­men Fuss­ball-Tricks, Mün­chen u.a. 1978.

Literatur

Gün­ter Net­zer, Aus der Tie­fe des Rau­mes. Mein Le­ben, Rein­bek 2004.

Online

Hen­nes Weis­wei­ler. Der "Foh­len-Va­ter" (Kurz­por­trät auf der Web­site von VfL Bo­rus­sia Mön­chen­glad­bach1900 e.V.). [On­line]
„Meis­ter zu wer­den ist mein Schick­sal" (Ko­lum­ne zu Hen­nes Weis­wei­ler von Dirk Bit­zer auf ge­schich­te.nrw.de der Lan­des­zen­tra­le für Po­li­ti­sche Bil­dung Nord­rhein-West­fa­len). [On­line]

 
Zitationshinweis

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Rönz, Helmut, Hennes Weisweiler, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/hennes-weisweiler/DE-2086/lido/57c92be91ea6e7.00211709 (abgerufen am 14.11.2024)