Herbert Zimmermann

Sportreporter (1917–1966)

Ralf Forsbach (Siegburg)
Veröffentlicht am 14.11.2011, zuletzt geändert am 28.08.2024

Der Sportreporter Herbert Zimmermann, Leiter der Abteilung Sport beim Norddeutschen Rundfunk, am Mikrofon, undatiert. (Westdeutscher Rundfunk, Historisches Archiv)

Die „Stim­me von Bern“ war ei­ne rhei­ni­sche. Her­bert Zim­mer­mann wur­de als Sport­re­por­ter zu ei­ner Iko­ne des nach Dik­ta­tur und Krieg wie­der zu Selbst­ver­trau­en fin­den­den Deutsch­land. Tei­le sei­ner Re­por­ta­ge vom End­spiel der Fuß­ball-Welt­meis­ter­schaft 1954 im Ber­ner Wank­dorf-Sta­di­on sind auch den nach­fol­gen­den Ge­ne­ra­tio­nen so­fort prä­sent, wenn die Re­de auf den ers­ten deut­schen Welt­meis­ter­ti­tel kommt.

Her­bert An­toi­ne Ar­thur Zim­mer­mann wur­de am 29.11.1917 in Als­dorf ge­bo­ren. Zu je­ner Zeit war sein Va­ter Aloys Sol­dat, muss­te aber nicht zur Front. Er hat­te 1908 die Kauf­mann­s­toch­ter Me­ta Francken ge­hei­ra­tet, ei­ne Fran­zö­sisch-Dol­met­sche­rin und Lek­to­rin. 1913 war als ers­tes Kind Her­berts äl­te­re Schwes­ter Ga­brie­le ge­bo­ren wor­den. Die Zim­mer­manns, die zu­nächst noch in Rhein­bach bei Bonn ge­wohnt hat­ten, ge­hör­ten zum Bil­dungs­bür­ger­tum und muss­ten kei­ne grö­ße­re ma­te­ri­el­le Not lei­den. In der Be­sat­zungs­zeit nach dem Ers­ten Welt­krieg ka­men der Fa­mi­lie die fran­zö­si­schen Sprach­kennt­nis­se der Mut­ter zu­gu­te. Sie wur­de von der Be­sat­zungs­kom­man­dan­tur als Dol­met­sche­rin ein­ge­setzt. Erik Eg­gers, der Bio­graph Her­bert Zim­mer­manns, weiß zu be­rich­ten, dass dies dem klei­nen Her­bert „Pri­vi­le­gi­en“ ein­brach­te: Die Sol­da­ten be­schenk­ten ihn mit Scho­ko­la­de und an­de­ren da­mals schwer er­hält­li­chen Din­gen.

In der Nach­kriegs­zeit zog die Fa­mi­lie er­neut um, ins na­he Aa­chen. Dort hat­te der Va­ter ei­ne An­stel­lung bei der Al­li­anz-Ver­si­che­rung er­hal­ten und muss­te dienst­lich häu­fig auf Rei­sen ge­hen. Zu­nächst be­glei­te­te ihn die Fa­mi­lie, doch er­wies sich die­se Pra­xis an­ge­sichts des Ba­bys Her­bert als pro­ble­ma­tisch. Schlie­ß­lich brach­te man Her­bert in ein Bon­ner S­äug­lings­heim. Aber bald be­reu­ten die El­tern die­ses Vor­ge­hen und hol­ten den kran­ken und ge­schwäch­ten Jun­gen wie­der heim. 

Das links­rhei­ni­sche Rhein­land präg­te das klei­ne Kind fort­an. Den von Erik Eg­gers aus­ge­wer­te­ten Auf­zeich­nun­gen der Mut­ter ist zu ent­neh­men, dass er 1920 die Herbst­fe­ri­en im Pfarr­haus des heu­te zu Alf­ter bei Bonn ge­hö­ren­den Wit­ter­schlick ver­brach­te. Den­noch blieb es nicht bei ei­ner Aa­che­ner Idyl­le mit Aus­flü­gen ins rhei­ni­sche Um­feld. Das Be­rufs­le­ben des Va­ters war wei­ter­hin mit zahl­rei­chen Rei­sen und auch Ver­set­zun­gen ver­bun­den. Ent­spre­chend bunt ver­lief Her­berts Schul­lauf­bahn. Nach zwei Volks­schul­jah­ren in Aa­chen muss­te er die Hei­mat ver­las­sen. Kas­sel, Frank­furt am Main, die In­ter­na­te Et­tal und Frei­burg im Breis­gau (Rotteck-Re­al­schu­le) so­wie Dort­mund, dem zeit­wei­li­gen Wohn­ort sei­ner El­tern, ge­hör­ten zu den Sta­tio­nen. Das Ab­itur be­stand er im Fe­bru­ar 1937 in Frei­burg. Ein­fach war die­se Ju­gend wahr­schein­lich nicht, zu­mal die Ehe der El­tern als zer­rüt­tet galt.

Noch vor dem 20. Le­bens­jahr war Zim­mer­manns Lei­den­schaft für die Sport­be­richt­er­stat­tung ge­weckt. Er hat­te früh Zu­gang zu Rund­funk­ge­rä­ten und wohl schon 1928 als Zehn­jäh­ri­ger die Re­por­ta­gen von den Olym­pi­schen Spie­len in Ams­ter­dam ver­folgt. Da­mals schied die deut­sche Fuß­ball-Na­tio­nal­mann­schaft im Vier­tel­fi­na­le aus, 1934 aber wur­de der Sieg im WM-Spiel um Platz drei ge­gen das zu­vor um den Ein­zug ins Fi­na­le be­tro­ge­ne und de­mo­ti­vier­te Ös­ter­reich zum „Wun­der von Nea­pel“. Mit den Olym­pi­schen Spie­len 1936 in Gar­misch-Par­ten­kir­chen und Ber­lin er­reich­te die So­zia­li­sa­ti­on zum künf­ti­gen Sport­re­por­ter ih­ren Hö­he­punkt – durch Män­ner wie Rolf Wer­ni­cke (1903–1953), dem Chef­spre­cher der Wo­chen­schau und Spre­cher in den Olym­pia­fil­men Le­ni Rie­fen­stahls (1902–2003), Paul La­ven (1902–1979) und dem über­zeug­ten Na­tio­nal­so­zia­lis­ten Ar­no Hell­mis (1901-1940), der 1936 Max Schme­lings (1905–2005) Sieg über Joe Louis (1914–1981) aus New York über­trug.

Doch ge­rad­li­nig ver­lief der Weg zum Sport­re­por­ter nicht. Dem Ab­itur folg­ten Reich­ar­beits­dienst und Wehr­macht. Den Krieg ver­brach­te Zim­mer­mann an der West- wie an der Ost­front. Im No­vem­ber 1941 wur­de er als Leut­nant der Re­ser­ve bei Ka­li­nin durch Gra­nat­split­ter am Bein so schwer ver­letzt, dass er von nun an sein rech­tes Bein et­was nach­zog. Für sei­nen wohl ge­fähr­lichs­ten Kriegs­ein­satz mel­de­te sich Zim­mer­mann im De­zem­ber 1944 frei­wil­lig in den „Kur­land-Kes­sel“, der ihm das Rit­ter­kreuz ein­brach­te. Knapp ent­kam er der rus­si­schen Kriegs­fan­gen­schaft und floh über die Ost­see. In Neu­müns­ter fiel er in eng­li­sche Hän­de. Weih­nach­ten 1945 konn­te er be­reits wie­der im fa­mi­liä­ren Kreis ver­brin­gen, bei sei­ner im west­fä­li­schen Marl woh­nen­den Schwes­ter.

Wäh­rend des Kriegs hat­te sich Zim­mer­manns Be­rufs­ziel wei­ter ver­fes­tigt. Zur Jah­res­wen­de 1942/1943 ge­lang es ihm – mög­li­cher­wei­se mit Hil­fe sei­ner neu­en Freun­din, der UFA-Pro­du­zen­tin Au­gus­te Reuß-Barth – den wich­ti­gen Kon­takt zu Rolf Wer­ni­cke zu knüp­fen. Bald dar­auf lie­fer­te Zim­mer­mann ei­ne Pro­be­re­por­ta­ge vom Städ­te­fuß­ball­spiel Ber­lin ge­gen Wien ab und be­rich­te­te vom Le­ben an der Front. Zim­mer­mann ab­sol­vier­te ein kur­zes Vo­lon­ta­ri­at, an des­sen En­de er ei­ne be­stan­de­ne Re­por­ter-Prü­fung vor­wei­sen konn­te.

Au­gus­te Reuß-Barth konn­te ih­rem Freund auch nach dem Krieg durch ih­re Kon­tak­te be­hilf­lich sein. Das Paar war nach Ham­burg ge­zo­gen, von wo aus der Nord­west­deut­sche Run­dung (NW­DR) sein Rund­funk­pro­gramm für Ham­burg, Ber­lin, Schles­wig-Hol­stein, Nie­der­sach­sen und Nord­rhein-West­fa­len aus­strahl­te. Wich­tig dürf­te vor al­lem die Be­kannt­schaft zu dem ein­fluss­rei­chen po­li­ti­schen Re­dak­teur Axel Eg­ge­brecht (1899–1991) ge­we­sen sein, wenn­gleich Zim­mer­mann zu­nächst nur kurz in Hör­spie­len auf­tre­ten konn­te so­wie Was­ser­stands­mel­dun­gen und Such­dienst­lis­ten ver­le­sen durf­te. Bald ge­hör­te Zim­mer­mann „da­zu“: Fast täg­lich be­geg­net er da­ma­li­gen Rund­funk­stars wie Max H. Reh­bein (ge­bo­ren 1918), Jür­gen Ro­land (1925–2007), Her­mann Rock­mann (1917–1997), Hel­ga Nor­den (ge­bo­ren 1924), Ro­se­ma­rie Schwe­rin und Gün­ther Schwer­mer (1911-2005). Ein Glücks­fall war für Zim­mer­mann, dass im Jahr 1946 Lud­wig Mai­bohm (1914–1997), eben­falls ein Schü­ler Wer­ni­ckes, von Ham­burg nach Frank­furt wech­sel­te. Mai­bohm hat­te zu­nächst ge­mein­sam mit dem für den Wes­ten zu­stän­di­gen Bern­hard Ernst (1899–1957) sämt­li­che Sport­über­tra­gun­gen über­nom­men. In das Va­ku­um konn­te Zim­mer­mann vor­sto­ßen und am 1.12.1946 das ers­te grö­ße­re Sport­er­eig­nis kom­men­tie­ren. Es han­del­te sich um ei­ne leicht zeit­ver­setz­te Über­tra­gung der zwei­ten Halb­zeit ei­nes Fuß­ball­spiels zwi­schen zwei Aus­wahl­mann­schaf­ten aus Nord- und Süd­deutsch­land.

Zim­mer­mann war nun in der pro­vi­so­ri­schen Sport­re­dak­ti­on des NW­DR un­ter dem frü­he­ren Leicht­ath­le­ten Walt­her von Adel­son (1896–1963) und Pe­ter Ul­brich eta­bliert. Ob­wohl der Sport in der wirt­schaft­lich schwie­ri­gen Nach­kriegs­zeit auch nicht an­nä­hernd den heu­te ge­wohn­ten Raum in der Rund­funk­be­richt­er­stat­tung ein­nahm, wur­de Zim­mer­mann bald be­kannt. Für ei­ne Zi­ga­ret­te oder an­de­re Schwarz­markt­pro­duk­te er­hoff­te man sich von ihm Nach­rich­ten aus der Sport­welt. Da es auch sei­ner Freun­din nicht an auch wirt­schaft­lich wich­ti­gen Kon­tak­ten man­gel­te, ging es dem Paar früh ver­gleichs­wei­se gut.

1947 tön­te Zim­mer­manns „rhei­ni­scher Pa­thoss­oun­d“ (Hel­mut Böt­ti­ger, ge­bo­ren 1956) im­mer öf­ter über den Äther. Erik Eg­ger hat un­ter an­de­rem die fol­gen­den von Zim­mer­mann über­tra­ge­nen Sport­er­eig­nis­se ver­zeich­net: Fuß­ball­städ­te­spiel Ham­burg ge­gen Köln (5.1.); die Mann­schafts­fuß­ball­spie­le Ham­bur­ger Sport­ver­ein (HSV) ge­gen For­tu­na Düs­sel­dorf (4.4.) und HSV ge­gen Bo­rus­sia Dort­mund (13.7.), das End­spiel um die in­of­fi­zi­el­le Zo­nen­meis­ter­schaft; der Box­kampf Hein ten Hoff (1919–2003) ge­gen Ri­chard Gru­pe (1915–1988) (10.5.); das Ho­ckey­städ­te­spiel Ham­burg ge­gen Köln (11.5.). Im Fe­bru­ar 1947 druck­te die „Hör­zu“ auf Wunsch der Le­ser un­ter der Ru­brik „Den möch­te ich sehn!“ ein Pho­to von Zim­mer­mann.

Im Ja­nu­ar/Fe­bru­ar 1948 ge­hör­te Zim­mer­mann mit sei­nem eins­ti­gen Men­tor Wer­ni­cke, der jetzt für den Süd­west­funk ar­bei­te­te, und Jo­sef Kir­mai­er (1897–1967) vom Baye­ri­schen Rund­funk zu der drei­köp­fi­gen De­le­ga­ti­on, die von den Olym­pi­schen Win­ter­spie­len in Sankt Mo­ritz be­rich­ten konn­te. Ob­wohl kei­ne deut­schen Ath­le­ten teil­neh­men durf­ten und die zwei abend­li­chen Schal­tun­gen man­ches Mal aus tech­ni­schen Grün­den schei­ter­ten, wur­de die Be­richt­er­stat­tung zu ei­nem gro­ßen Er­folg in der Hei­mat. Vor Ort ge­noss Zim­mer­mann die Vor­zü­ge ei­ner in ver­gleichs­wei­se gro­ßem Wohl­stand le­ben­den Ge­sell­schaft in ele­gan­ter Um­ge­bung.

Dar­über ver­lor Zim­mer­mann die po­li­ti­sche Di­men­si­on des Sports und sei­ner Be­richt­er­stat­tung nicht aus den Au­gen. In ei­nem von Erik Eg­gers zi­tier­ten Olym­pia­rück­blick schreibt er: „Gleich­gül­tig, ob Schwei­zer oder Aus­län­der, al­le sind gleich hilfs­be­reit und freund­lich. Wir Deut­sche emp­fin­den das sehr wohl­tu­end und spü­ren die star­ke ver­bin­den­de Kraft des Sports. […] Wir Deut­sche wol­len zu­ver­sicht­lich hof­fen, dass wie bei den nächs­ten Win­ter­spie­len als gleich­be­rech­tig­te Teil­neh­mer mit da­bei sein wer­den!“ Die­se Hoff­nung soll­te sich er­fül­len. Zu­vor aber bril­lier­te Zim­mer­mann als Re­por­ter der Lon­do­ner Som­mer­spie­le, wo er bei der Über­tra­gung der Schluss­fei­er deut­lich wur­de. Es han­delt sich um das äl­tes­te er­hal­te­ne Ton­do­ku­ment mit der Stim­me Zim­mer­manns: „Mö­gen bei den Olym­pi­schen Spie­len in Os­lo und Hel­sin­ki auch die Na­tio­nen an den Start ge­hen, die heu­te noch feh­len oder feh­len müs­sen.“

In­tern setz­te er sich im NW­DR für ei­ne Neu­struk­tu­rie­rung der Sport­be­richt­er­stat­tung ein und knüpf­te an Ge­dan­ken sei­nes Chefs Pe­ter Ul­brich an, der den mo­no­to­nen Er­geb­nis­dienst re­for­mie­ren woll­te. Die­ser in­ter­es­sier­te nicht nur Sport­be­geis­ter­te, son­dern auch die von Zim­mer­mann kri­tisch ge­se­he­nen Teil­neh­mer an Sport­wet­ten. Ob­wohl er selbst auf Pfer­de setz­te und auch dem Rou­let­te zu­ge­neigt war, stell­ten für Zim­mer­mann die Wet­ten „ei­ne wach­sen­de Ge­fahr für die ur­sprüng­li­che Idee des Sports dar“. Sein Ide­al be­schrieb er ge­gen­über den Vor­ge­setz­ten fol­gen­der­ma­ßen: „Die wirk­li­che Sinn des Sports ist die kör­per­li­che Leis­tungs­fä­hig­keit und Schu­lung, die Er­hal­tung von Ge­sund­heit und Kraft, die glück­li­che Ver­qui­ckung von Geist und Kör­per zur Leis­tungs­stei­ge­rung des Men­schen und nicht zu­letzt der Ge­dan­ke des Fair Play, der auf die cha­rak­ter­li­che Ent­wick­lung von ent­schei­den­der Be­deu­tung ist. Al­le die­se Din­ge müss­ten von Ju­gend auf ge­lehrt wer­den. Die Spit­zen­sport­ler soll­ten ei­gent­lich nur der sicht­ba­re Be­weis für den ge­lun­ge­nen Brei­ten­sport sein. Aber wie weit sind wir heu­te von die­sen sport-ethi­schen Grund­sät­zen ent­fernt! Fa­na­tis­mus und Sieg um je­den Preis re­gie­ren.“

Die Ein­füh­rung der Ul­tra­kurz­wel­le 1950 er­laub­te nicht nur die Re­gio­na­li­sie­rung des Pro­gramms, son­dern auch ei­ne Neu­kon­zep­ti­on der Sport­be­richt­er­stat­tung, die nach Zim­mer­mann kri­ti­schen Hin­ter­grund­jour­na­lis­mus ein­be­zie­hen soll­te. Gleich­zei­tig wur­de Zim­mer­mann zum „Lei­ter des Sport­funks“ im NW­DR be­för­dert. Hier muss­te er zwar bald ei­ne hef­ti­ge Feh­de mit dem „Spie­gel“ durch­fech­ten, in dem un­ter an­de­rem die Qua­li­tät des deut­schen Sport­jour­na­lis­mus in Zwei­fel ge­zo­gen und die Rol­le von Le­bens­ge­fähr­tin Au­gus­te Reuß-Barth kom­men­tiert wor­den war. Doch die fol­gen­de Nicht­be­rück­sich­ti­gung als Re­por­ter bei den Olym­pi­schen Win­ter­spie­len 1952 in Os­lo stell­te nur ei­nen klei­nen Kar­rie­re­knick dar. Schon zu den Som­mer­spie­len in Hel­sin­ki war er wie­der da­bei. We­ni­ge Wo­chen spä­ter in­iti­ier­te er die ers­te „Kon­fe­renz­schal­tun­g“ bei den Über­tra­gun­gen von den Fuß­ball­spie­len der Ober­li­ga Nord.   

Zim­mer­manns Nach­ruhm aber grün­det in ers­ter Li­nie auf sei­ner Re­por­ta­ge vom End­spiel der Fuß­ball-WM 1954 in Bern. Wie spä­ter sein Kol­le­ge Ru­di Mi­chel (1921-2008) be­rich­te­te, ar­bei­te­te Zim­mer­mann der­art pro­fes­sio­nell, dass er sich im Vor­feld vie­le Ge­dan­ken über die­se Re­por­ta­ge mach­te. Er muss­te da­von aus­ge­hen, dass die deut­sche Elf wie im Grup­pen­spiel zu­vor hoch ge­gen Un­garn ver­lie­ren wür­de. Bei den Kol­le­gen such­te er Rat, wie er die Er­war­tun­gen des Pu­bli­kums dämp­fen könn­te. Tat­säch­lich prä­sen­tier­te er zu Be­ginn sei­ner Li­ve-Kom­men­tie­rung mit Hil­fe vor­be­rei­te­ter Text­bau­stei­ne be­reits die deut­sche Fi­nal­teil­nah­me als „Rie­sen­sen­sa­ti­on“, „ein ech­tes Fuß­ball­wun­der“. Doch bald konn­te er hoff­nungs­vol­ler spre­chen. Sei­ne Wor­te zum Sieg­tor Hel­mut Rahns (1929–2003) in der 84. Mi­nu­te wis­sen noch heu­te vie­le Fuß­ball­be­geis­ter­te aus­wen­dig zu zi­tie­ren: „Sechs Mi­nu­ten noch im Wank­dorf-Sta­di­on in Bern, kei­ner wankt, der Re­gen pras­selt un­auf­hör­lich her­nie­der, es ist schwer, aber die Zu­schau­er, sie har­ren nicht [sic] aus. Wie könn­ten sie auch – ei­ne Fuß­ball-Welt­meis­ter­schaft ist al­le vier Jah­re und wann sieht man ein sol­ches End­spiel, so aus­ge­gli­chen, so pa­ckend. Jetzt Deutsch­land am lin­ken Flü­gel durch Schä­fer. Schä­fers Zu­spiel zu Mor­lock wird von den Un­garn ab­ge­wehrt – und Boz­sik, im­mer wie­der Boz­sik, der rech­te Läu­fer der Un­garn am Ball. Er hat den Ball – ver­lo­ren dies­mal, ge­gen Schä­fer. Schä­fer nach in­nen ge­flankt. Kopf­ball – ab­ge­wehrt. Aus dem Hin­ter­grund müss­te Rahn schie­ßen – Rahn schie­ßt – Tooooor! Tooooor! Tooooor! Tooooor!“

Un­mut ver­ur­sach­te hin­ge­gen sein Lob auf den Na­tio­nal­tor­hü­ter To­ni Tu­rek in der­sel­ben Re­por­ta­ge: „Tu­rek, du bist ein Teu­fels­kerl! Tu­rek, du bist ein Fuß­ball­gott!“ Die­ser als Ver­stoß ge­gen das ers­te Ge­bot an­ge­se­he­ne Aus­ruf führ­te zu Be­schwer­den, un­ter an­de­rem de­s Ade­nau­er-Ver­trau­ten und Ban­kier­s Ro­bert Pferd­men­ges, so­wie zu ei­ner Rü­ge durch den NW­DR. Tat­säch­lich zeig­te Zim­mer­manns Pa­thos bei jun­gen Men­schen Wir­kung. Fried­rich Chris­ti­an De­li­us (ge­bo­ren 1943) hat in sei­ner Er­zäh­lung „Der Sonn­tag, an dem ich Welt­meis­ter wur­de“ (1994) den durch die Über­tra­gung aus Bern be­feu­er­ten Frei­heits­drang ei­nes elf­jäh­ri­gen Jun­gen in ei­ner von got­tes­fürch­ti­gen Au­to­ri­tä­ten ge­präg­ten At­mo­sphä­re li­te­ra­risch be­schrie­ben.

Her­bert Zim­mer­mann pfleg­te ein mon­dä­nes Le­bens, lieb­te gu­te Re­stau­rants, trug stets Ma­ß­an­zü­ge. Ger­ne ließ er sich scherz­haft als „Pe­ter Stuy­ves­an­t“ („Der Duft der gro­ßen wei­ten Welt“) und „Ste­wart Gran­ger“ (1913–1993) be­zeich­nen. Trotz der vie­len ihm nach­ge­sag­ten Af­fä­ren blieb die 1943 ein­ge­gan­ge­ne Ver­bin­dung zu Au­gus­te Reuß-Barth be­ste­hen. Er wid­me­te sich auch dem Un­ter­hal­tungs­gen­re, wirk­te et­wa in Ro­bert Lembkes (1913–1989) be­lieb­ter Ra­dio­ra­te­show „17 und 4“ mit. Lembke hat­te er 1962 als ARD-Sport­ko­or­di­na­tor be­erbt und konn­te nun selbst ent­schei­den, wer von wel­chen in­ter­na­tio­na­len Sport­er­eig­nis­sen für die Sen­der der ARD be­rich­te­te. 1966 über­trug er aus Lon­don er­neut das WM-Fi­na­le, die Nie­der­la­ge der Bun­des­re­pu­blik ge­gen Eng­land. Nun aber hat­te das Fern­se­hen an­ders als 1954 ei­nen ei­ge­nen Re­por­ter vor Ort und mehr Zu­schau­er als das Ra­dio Zu­hö­rer. Die­se Re­por­ta­ge mit der Schil­de­rung des lan­ge Zeit um­strit­te­nen „Wem­bley-Tor­s“ war Zim­mer­mann letz­te gro­ße von über­re­gio­na­ler Be­deu­tung.

Am 11.12.1966 fuhr Her­bert Zim­mer­mann mit sei­ner Le­bens­ge­fähr­tin zu ei­nem In­ter­view­ter­min mit dem DFB-Prä­si­den­ten Her­mann Gös­mann (1904–1979) nach Os­na­brück. Dort ka­men bei­de nie an. Auf ge­ra­der Stre­cke und bei gu­tem Wet­ter kam der Mer­ce­des 220 SC von der Fahr­bahn ab. Bei­de In­sas­sen wur­den so schwer ver­letzt, dass sie ei­ni­ge Ta­ge spä­ter star­ben, Her­bert Zim­mer­mann am 16.12.1966 im Ham­bur­ger Uni­ver­si­täts­kran­ken­haus Ep­pen­dorf. Er wur­de auf dem Wit­ter­schli­cker Fried­hof bei­ge­setzt - im sel­ben Grab wie sei­ne El­tern, die Zu­letzt an der Wit­ter­schli­cker Haupt­stra­ße zur Mie­te ge­wohnt hat­ten. Deutsch­land­weit Be­ach­tung fand 2024 ein von der Ka­tho­li­schen Nach­rich­ten-Agen­tur ver­brei­te­ter Be­richt des Jour­na­lis­ten Alex­an­der Brüg­ge­mann, wo­nach das Grab der Fa­mi­lie Zim­mer­mann ab­ge­räumt wor­den ist. Ein Eh­ren­grab stif­te­te die zu­stän­di­ge Ge­mein­de Alf­ter nicht. 

Literatur

Brüg­ge­mann, Alex­an­der, Ab­ge­räumt - das Grab der Re­port­er­le­gen­de. In: Kir­chen­zei­tung für das Erz­bis­tum Köln, 27-28/2024, 5.7.2024, S. 19. (Ähn­lich: Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Zei­tung, 25.6.2024, Ge­ne­ral An­zei­ger Bonn, 25.6.2024, West­fä­li­sche Nach­rich­ten/Müns­ter­sche Zei­tung, 25.6.2024, und vie­le an­de­re).

De­li­us, Fried­rich Chris­ti­an, Der Sonn­tag, an dem ich Welt­meis­ter wur­de. Er­zäh­lung, Rein­bek 1994.

Eg­gers, Erik, Die Stim­me von Bern. Das Le­ben von Her­bert Zim­mer­mann. Re­port­er­le­gen­de bei der WM 1954. Mit ei­nem Vor­wort von Man­ni Breuck­mann, Augs­burg 2004.

Lin­ke, Da­ni­el/Schwarz, Mar­tin Ma­ria, Der 12. Mann von Bern – Her­bert Zim­mer­mann, CD mit Book­let, Ham­burg 2004.

Online

Das Wun­der von Bern. [On­line]

Der 12. Mann von Bern. [On­line]

 
Zitationshinweis

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Forsbach, Ralf, Herbert Zimmermann, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/herbert-zimmermann/DE-2086/lido/57c82bb93526c6.12084938 (abgerufen am 24.01.2025)