Zu den Kapiteln
Hermann IV. („der Friedsame") war der einzige Kölner Erzbischof aus dem Haus der Landgrafen von Hessen; er steuerte die Geschicke des Kölner Kurstaates in einer bewegten Zeit. Als unermüdlicher und disziplinierter Landesfürst beendete er die spätmittelalterliche Krise des Kurstaates und sorgte dafür, dass Kurköln den Wirren der Reformationszeit gefestigt entgegen gehen konnte.
Hermann wurde 1449 oder 1450 als dritter Sohn des Landgrafen Ludwig I. (1402-1458) und seiner Frau Anna (1420-1462), einer Tochter Friedrichs I. von Sachsen (1370-1428), geboren. Von entscheidender Bedeutung für seine spätere Karriere ist die Tatsache, dass die Landgrafschaft in diesen Jahrzehnten erfolgreich zur machtpolitischen Expansion ansetzte. Zwar brach unmittelbar nach dem Tod des Vaters zwischen den beiden älteren Brüdern Hermanns, Ludwig II. (1438-1471) und Heinrich III. (1440-1483), ein Streit um das hessische Erbe aus (beendet 1471), doch das störte den Aufstieg der Landgrafen kaum. Denn Heinrich III. sicherte 1458 durch seine Heirat mit der Alleinerbin Anna von Katzenelnbogen (1443-1494) der Landgrafschaft nicht nur ein immenses Vermögen, sondern vergrößerte zugleich das hessische Territorium bis zum Rhein.
Hermann muss – als Drittgeborener – schon früh für die geistliche Laufbahn bestimmt worden sein. Ab 1462 studierte er in Köln und erwarb in den folgenden Jahren eine Reihe geistlicher Ämter in Kurköln und Kurmainz. Als 1471 der Bischofssitz von Hildesheim frei wurde, schien es, als könne Hermann, trotz seiner Jugend, das hohe geistliche Amt für sich gewinnen. Doch die Wahl des Kapitels fiel zwiespältig aus. Henning von Hausen (Episkopat 1471-1481), Hermanns Konkurrent, entschied die Angelegenheit in Rom schließlich für sich. Obwohl Hermann von seinen Brüdern mit allen Mitteln unterstützt wurde, hatte er selbst anscheinend wenig Interesse am Hildesheimer Bischofsstuhl. Sein Ehrgeiz konzentrierte sich auf das rheinische Erzstift. 1472 bot sich ihm eine günstige Gelegenheit – die Kölner Stiftsfehde.
Erzbischof Ruprecht von der Pfalz, der Nachfolger Dietrichs II. von Moers, der das Erzstift durch seine Kriege in den finanziellen Ruin getrieben hatte, lag im Streit mit Domkapitel und Landständen. Ruprecht versuchte Ämter des Erzstifts, die Dietrich von Moers notgedrungen an meist adlige Amtmänner hatte verpfänden müssen, mit Gewalt zurück zu erobern.
Der 24-jährige Hermann wurde vom Kapitel – gegen geltendes Recht – zum „Hauptmann und Beschirmer" des Stifts ernannt und setzte sich an die Spitze der Bewegung gegen den Erzbischof. Das Domkapitel hatte vor allem die militärische Potenz des Landgrafen Heinrich III. bedacht, der ohne zu zögern auf Seiten seines Bruders in die Fehde eingriff. Für Ruprecht von der Pfalz kämpfte ab April 1473 Herzog Karl von Burgund (1433-1477), der seinen Einfluss auf das Reich ausdehnen wollte. Die vorläufige Entscheidung fiel 1475 in Neuss. Hermann hatte die kurkölnische Stadt mit Hilfe hessischer Truppen erfolgreich über ein Jahr gegen den Burgunderherzog verteidigt, der im Frühjahr 1475 angesichts des näher rückenden Reichsheeres unter Kaiser Friedrich III. (Regierungszeit 1440-1493) den Rückzug antrat.
Doch Hermanns Kampf um das Kölner Erzstift und Erzbistum dauerte weitere fünf Jahre. Ruprecht behauptete seine Ansprüche als rechtmäßig gewählter Erzbischof. Zwar wurde Hermann von Kaiser Friedrich III. zum „Gubernator" des Stifts eingesetzt, allerdings verweigerten ihm die Geistlichkeit sowie etliche Städte und Verwaltungsbezirke die Gefolgschaft. 1478 wurde Ruprecht von Landgraf Heinrich gefangen genommen, doch erst sein Tod 1480 beendete die Doppelregierung in Kurköln. Im August 1480 wählte das Domkapitel Hermann einstimmig zum Erzbischof.
Eine der größten und nachhaltigsten Leistungen des Hessen betrifft die kurkölnische Wirtschaft. Durch gezielte Entschuldungsmaßnahmen entschärfte er in den drei Jahrzehnten seiner Regierung die negativen Folgen, die die Verpfändung der meisten Kurkölner Ämter an Adlige inner- und außerhalb des Erzstiftes für den Landesherrn hatte. Dadurch konsolidierte er nicht nur seine Stellung, sondern die Maßnahmen sorgten zugleich für den inneren Frieden nach den jahrzehntelangen Bürgerkriegen.
Außenpolitisch unterstützt wurde die Sicherung im Inneren durch eine Reihe von Friedensbündnissen, die Hermann mit bedeutenden territorialen Nachbarn (zum Beispiel Stadt Köln, Jülich-Berg), aber auch weiter entfernten Reichsfürsten (zum Beispiel Sachsen, Brandenburg) abschloss – wichtige Schritte zu einem Zustand, in dem der Friede als Norm galt. So band er Kurköln in ein territoriumsübergreifendes Sicherungsnetz ein und grenzte es damit wirksam gegen die Unruhen in den Niederlanden sowie die französisch-habsburgischen Konflikte ab.
Für beide Seiten nutzbringend war die Beziehung zur Landgrafschaft. Hermann bezog Geld aus seinen hessischen Besitzungen und holte Juristen und Verwaltungsfachleute aus Hessen an den Rhein, darunter seinen langjährigen Kanzler Dr. Johannes Menchen (gestorben 1504). Andererseits unterstützte er mit seinen Beziehungen den Aufstieg der Landgrafschaft, die in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu einer erstrangigen Macht im Reich wurde.
Auch als geistlicher Fürst überzeugte der Erzbischof seine Zeitgenossen. Er hatte die Priester- und Bischofsweihe empfangen – keine Selbstverständlichkeit für einen geistlichen Fürsten seiner Zeit – und legte Wert darauf, das Priesteramt persönlich auszuüben. Gut belegt ist seine häufige Anwesenheit in franziskanischen Konventen, zum Beispiel in dem von ihm 1491 gegründeten Kloster in Brühl. Die dortige Klosterkirche Maria von den Engeln bezeugt die intensive Franziskus-Verehrung des Erzbischofs. Hermann erweiterte den Spielraum des Erzbischofs, hielt regelmäßig Synoden ab und förderte die Klosterrefom. Mit der Frömmigkeitsbewegung (Devotio moderna) und den humanistischen Kreisen seiner Zeit war er eng verbunden und trat mehrfach als Stifter in Erscheinung.
Als weltlicher Landesherr griff er regulierend in die innere Ordnung der kurkölnischen Städte ein und achtete darauf, dass landesherrliche Rechte, zum Beispiel in der Jurisdiktion oder bei der Festlegung von Maßen und Gewichten, nicht in die Hände der Städte übergingen.
Auf Reichsebene unterstützte er Friedrich III., dem er vertraglich verpflichtet war, und später als Kurfürst Kaiser Maximilian I. (Regierungszeit 1493-1519). Dennoch hat er sich nicht aktiv an der Reichspolitik beteiligt. Obwohl er mit seinen geistlichen Mitkurfürsten Johann II. von Trier (Episkopat 1456-1503) und Berthold von Mainz (Episkopat 1484-1504) auf der territorialen Ebene gut zusammen arbeitete, nahm er an der Reichsreform nicht teil.
Seine anfangs guten Beziehungen zur Stadt Köln blieben nicht ungetrübt. Ab 1490 nahmen die Misshelligkeiten zu. Streitpunkte waren verschiedene, ursprünglich erzbischöfliche Rechte in der Stadt, die durch Verpfändung oder Gewohnheit in die Hand der Kölner Obrigkeit übergegangen waren. Hermann forcierte den für beide Seiten kostenintensiven Rechtsstreit auf den Reichstagen, später auch an der päpstlichen Kurie in Rom. Erst im Juli 1507 kam es nach jahrzehntelangem Tauziehen zu einer Einigung, die dem Erzbischof außer einer Entschädigungssumme wenig brachte.
Obwohl Hermann von Hessen auf der Schwelle zur frühen Neuzeit lebte, sind von ihm weder ein authentisches Porträt noch verlässliche Aussagen zu Persönlichkeit und Charakter überliefert. Die Urteile der zeitgenössischen Chronisten orientieren sich häufig an stilisierten Idealdarstellungen. So wird der Erzbischof gerühmt für seine christliche Vorbildlichkeit, Gelehrsamkeit, Demut, Freigebigkeit und Frömmigkeit. Er sei ein Mann gewesen, dessen Rat man gesucht habe und der vielfach versöhnend tätig gewesen sei. Auch scheint er den Beinamen „der Friedsame" zu Recht getragen zu haben – während seiner Regierung kamen der Kurstaat und seine Bewohner nach jahrzehntelangen Wirren zur Ruhe.
Zweifellos war er bestrebt, Leben und Tätigkeit als Erzbischof und Landesfürst an christlichen Idealen auszurichten. Dass er sich bewusst als Priester verstand, unterscheidet ihn von vielen Standesgenossen seiner Zeit. Wenn auch über Persönliches so gut wie nichts bekannt ist, bezeugen seine Leistungen einen tatkräftigen und glaubhaften Charakter.
Hermann von Hessen starb am 19.10.1508 und wurde auf eigenen Wunsch in einem kleinen, unscheinbaren Grab im Kölner Dom beigesetzt.
Literatur
Fuhs, Maria, Hermann IV. von Hessen. Erzbischof von Köln (1480-1508), Köln /Weimar/ Wien 1995.
Janssen, Wilhelm, Das Erzbistum Köln im späten Mittelalter 1191-1515 (Geschichte des Erzbistums Köln 2, 1), Teil 1, Köln 1995.
Nordrhein-Westfälisches Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (Hg.), Kurköln. Land unter dem Krummstab, Essays und Dokumente, Kevelaer 1985.
Zeilinger, Gabriele, Artikel "Hermann IV. von Hessen", in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 23 (2004), Sp. 656-658.
Online
Stupperich, Robert, Artikel "Hermann IV, Landgraf von Hessen", in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S. 635-636.
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Fuhs, Maria, Hermann IV. von Hessen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/hermann-iv.-von-hessen/DE-2086/lido/57c82c3fc8a4d4.68370955 (abgerufen am 05.12.2024)