Hermann Platz

Romanist und katholischer Kulturphilosoph (1880-1945)

Dagmar Pöpping (München)

Prof. Dr. Hermann Platz (1880-1945), Porträtfoto mit Unterschrift. (Universitätsarchiv Bonn/Signatur: PA 7022)

Schlagworte

Her­mann Pe­ter Platz (Pseud­onym Her­mann Queich) war ein ka­tho­li­scher Kul­tur­phi­lo­soph und Frank­reich­ken­ner, der sich nach dem Ers­ten Welt­krieg für die deutsch-fran­zö­si­sche Ver­söh­nung ein­setz­te und ei­ne über­na­tio­na­le Eu­ro­pa­idee ver­focht, die un­ter dem To­pos „Abend­lan­d“ ins­be­son­de­re von christ­lich-kon­ser­va­ti­ven Krei­sen in Frank­reich und den deutsch­spra­chi­gen Län­dern Eu­ro­pas ver­tre­ten wur­de. In der Zeit des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus galt Platz als Geg­ner des Re­gimes und ver­lor sei­ne Po­si­ti­on als Ho­no­rar­pro­fes­sor an der Uni­ver­si­tät Bonn.

Her­mann Platz wur­de am 19.10.1880 in Of­fen­bach an der Queich (Rhein­pfalz) ge­bo­ren. Sein Va­ter Hein­rich Platz (1848–1915) be­saß ei­ne Bier­braue­rei und Mäl­ze­rei so­wie ei­ne Land­wirt­schaft mit Hop­fen- und Ta­bak­an­bau, die Mut­ter Ma­ria Platz, ge­bo­re­ne Ull­rich (1855–1925), ent­stamm­te ei­ner Win­zer­fa­mi­lie im na­hen Ort Mai­kam­mer. Her­mann Platz be­such­te das Gym­na­si­um in Land­au und leg­te dort 1900 das Ab­itur ab. Un­mit­tel­bar da­nach un­ter­nahm er ei­ne Ita­li­en- und Rom­rei­se, auf der er drei ka­tho­li­sche Per­sön­lich­kei­ten ken­nen­lern­te, die prä­gend für sei­ne po­li­ti­sche und re­li­giö­se Aus­rich­tung wer­den soll­ten: Carl Son­nen­schein, Be­grün­der der ka­tho­li­schen so­zi­al­stu­den­ti­schen Be­we­gung in Deutsch­land, Marc Sangnier (1873–1950), In­itia­tor der christ­lich-de­mo­kra­ti­schen Ju­gend­be­we­gung „Sil­lon“ in Frank­reich und Ro­mo­lo Mur­ri (1870–1944), An­füh­rer der christ­lich-de­mo­kra­ti­schen Be­we­gung in Ita­li­en.

1900–1902 stu­dier­te Platz an der Uni­ver­si­tät Würz­burg drei Se­mes­ter ka­tho­li­sche Theo­lo­gie bei dem Re­form­ka­tho­li­ken und Pro­fes­sor für Dog­ma­tik Her­mann Schell (1850–1906). Schell stand für die po­si­ti­ve Ver­bin­dung von Kir­che und Mo­der­ne, wie er es in sei­ner von der ka­tho­li­schen Kir­che in­di­zier­ten Schrift „Der Ka­tho­li­cis­mus als Prin­cip des Fort­schritts“ 1897 dar­ge­legt hat­te. Er be­ein­fluss­te die in­tel­lek­tu­el­le Ent­wick­lung von Her­mann Platz ma­ß­geb­lich. Nach den Er­fah­run­gen der kirch­li­chen An­grif­fe auf Her­mann Schell im Zu­sam­men­hang mit dem „Mo­der­nis­mus-Streit“ um das Ver­hält­nis von mo­der­ner Wis­sen­schaft, ka­tho­li­scher Theo­lo­gie und rö­mi­scher Kir­che ent­schied sich Her­mann Platz ge­gen ei­ne theo­lo­gi­sche Lauf­bahn. 1902-1904 stu­dier­te er Ger­ma­nis­tik, An­glis­tik und Ro­ma­nis­tik in Mün­chen und Müns­ter. Am 7.2.1905 wur­de er mit der Ar­beit „Über laut­lich-be­griff­li­che Wor­tas­si­mi­la­tio­nen. Bei­trä­ge zur so­ge­nann­ten Volk­s­e­ty­mo­lo­gie be­son­ders aus dem Ge­bie­te des Rhein­frän­ki­schen“ bei dem Ger­ma­nis­ten Franz Lud­wig Jos­tes (1858–1925) an der Uni­ver­si­tät Müns­ter pro­mo­viert. 1907 leg­te er das Staats­ex­amen für den Hö­he­ren Schul­dienst ab und wur­de Stu­di­en­rat für die Fä­cher Fran­zö­sisch, Eng­lisch und Deutsch an der Ober­re­al­schu­le in Düs­sel­dorf an, wo er bis 1921 an­ge­stellt war. Im glei­chen Jahr 1907 hei­ra­te­te er Pau­la Kurtz (1884–1960), ei­ne Fa­bri­kan­ten­toch­ter aus Ripp­berg im Oden­wald und wur­de in den fol­gen­den Jah­ren Va­ter von fünf Kin­dern. 1910 be­gann sei­ne Mit­ar­beit an der von Karl Muth (1867–1944) her­aus­ge­ge­be­nen ka­tho­li­schen Kul­tur­zeit­schrift „Hoch­lan­d“. Dort pro­fi­lier­te er sich als Frank­reich-Spe­zia­list. Im Lau­fe der nächs­ten Jahr­zehn­te pu­bli­zier­te Platz weit über 200 Es­says in ka­tho­li­schen und kul­tur­kon­ser­va­ti­ven so­wie phi­lo­lo­gi­schen Zeit­schrif­ten.

Zu­sam­men mit an­de­ren Schü­lern Her­mann Schells ver­folg­te Platz das Ziel, die im Zu­ge des An­ti­ul­tra­mon­ta­nis­mus auf­ge­kom­me­nen Span­nun­gen zur ka­tho­li­schen Kir­chen­hier­ar­chie wie­der ab­zu­bau­en und auch ge­bil­de­ten Ka­tho­li­ken We­ge zu­rück zur Kir­che auf­zu­zei­gen. Zu­gleich streb­ten Platz und sei­ne Mit­strei­ter an, den Ka­tho­li­zis­mus frucht­bar für Fra­gen der mo­der­nen Ge­sell­schaft zu ma­chen und so ei­ner ka­tho­li­schen Eli­te in­tel­lek­tu­el­len Ein­fluss und Macht in der deut­schen Ge­sell­schaft zu ver­schaf­fen. Vor die­sem Hin­ter­grund wur­de Her­mann Platz Mit­be­grün­der des „Ver­ban­des der Ver­ei­ne Ka­tho­li­scher Aka­de­mi­ker zur Pfle­ge der ka­tho­li­schen Welt­an­schau­un­g“, der sich 1913 aus dem Zu­sam­men­schluss ver­schie­de­ner Orts­grup­pen in Köln kon­sti­tu­ier­te. Zum Grün­dungs­kreis ge­hör­ten ne­ben Her­mann Platz des­sen Stu­di­en­freund Theo­dor Abe­le (1869–1965), der Zen­trums­mann und spä­te­re Reichs­kanz­ler Hein­rich Brü­ning (1885–1970), der Er­kra­ther Ka­plan Franz Xa­ver Münch so­wie der lu­xem­bur­gi­sche Rechts­an­walt Ro­bert Schu­man (1886–1963), der nach 1945 als fran­zö­si­scher Mi­nis­ter­prä­si­dent und Au­ßen­mi­nis­ter zum Weg­be­rei­ter der eu­ro­päi­schen In­te­gra­ti­on wur­de.

Spi­ri­tu­ell zen­trier­te sich der Aka­de­mi­ker­ver­band um die Lit­ur­gi­sche Be­we­gung, die durch den Abt des Be­ne­dik­ti­ner­klos­ters Ma­ria Laa­ch Il­de­fons Her­we­gen in Deutsch­land po­pu­lär ge­macht wur­de. Die Be­geg­nung mit Ma­ria Laach war weg­wei­send für das von Platz und sei­nem Kreis ver­folg­te Pro­gramm der Um­ge­stal­tung der pro­fa­nen Welt durch den Ka­tho­li­zis­mus. Lai­en­a­pos­to­lat und Lit­ur­gie­re­form wa­ren die An­sät­ze, mit de­nen die ka­tho­li­schen Aka­de­mi­ker als „Vor­hut ei­nes heils­ge­schicht­li­chen End­kamp­fes“ ge­gen die gott­lo­se Mo­der­ne kämp­fen woll­ten.

1915–1918 nahm Platz am Ers­ten Welt­krieg teil, zu­nächst als Er­satz­re­ser­vist, seit 1917 als Land­wehr­leut­nant an der rus­si­schen Front. Auf­grund sei­ner im Krieg er­wor­be­nen Rus­sisch­kennt­nis­se wur­de er Re­gi­ments­dol­met­scher in der Ukrai­ne und Ei­sen­bahn­kon­troll­of­fi­zier. 1915 for­der­te ihn das Kriegs­mi­nis­te­ri­um auf, an ei­ner „Ab­wehr­schrif­t“ ge­gen das von fran­zö­si­schen Ka­tho­li­ken ver­fass­te Buch „La Gu­er­re Al­le­man­de et le Ca­tho­li­cis­me“ mit­zu­ar­bei­ten. Dar­in wur­den die deut­schen Ka­tho­li­ken als an­ti­ka­tho­li­sche Bar­ba­ren dar­ge­stellt, die ei­nem pro­tes­tan­ti­schen und da­mit „hä­re­ti­schen“ Kai­ser fol­gend ei­nen un­christ­li­chen Krieg ge­gen das ka­tho­li­sche Frank­reich führ­ten. In sei­nem Bei­trag „Der fran­zö­si­sche und der deut­sche Kul­tur­kampf in ih­ren Ur­sa­chen und Fol­gen“ such­te Platz die Ar­gu­men­ta­ti­on der Fran­zo­sen zu wi­der­le­gen und auf­zu­zei­gen, dass das preu­ßisch-pro­tes­tan­ti­sche Kai­ser­reich die ka­tho­li­sche Kir­che weit mehr ge­för­dert ha­be als die lai­zis­ti­sche fran­zö­si­sche Re­pu­blik. In die­sem Zu­sam­men­hang ver­fass­te Platz auch die Bro­schü­re „Krieg und See­le“ (1916) und den Auf­satz „Der Na­tio­na­lis­mus im fran­zö­si­schen Den­ken der Vor­kriegs­zeit“, der auf ei­nen Auf­trag des Aus­wär­ti­gen Am­tes vom Ju­li 1918 zu­rück­ging. Platz er­hielt das Ei­ser­ne Kreuz II. und das Ver­wun­de­ten­ab­zei­chen.

Am 1.10.1919 er­teil­te der preu­ßi­sche Mi­nis­ter für Wis­sen­schaft, Kunst und Volks­bil­dung Her­mann Platz ei­nen Lehr­auf­trag für fran­zö­si­sche Geis­tes- und Ge­sell­schafts­ge­schich­te an der Fried­rich-Wil­helms-Uni­ver­si­tät Bonn. Am 11.3.1924 er­folg­te auf Ver­an­las­sung von Ernst Ro­bert Cur­ti­us s­ei­ne Er­nen­nung zum „or­dent­li­chen Ho­no­rar­pro­fes­sor für Fran­zö­si­sche Geis­tes- und Ge­sell­schafts­ge­schich­te, spe­zi­ell Frank­reich­kun­de“. Mit ei­nem De­pu­tat von vier Stun­den lehr­te Platz fran­zö­si­sche Phi­lo­so­phie und Kunst und führ­te in die fran­zö­si­sche Li­te­ra­tur und Geis­tes­ge­schich­te des 19. und 20. Jahr­hun­derts ein. Gleich­zei­tig un­ter­rich­te­te er wei­ter­hin am staat­li­chen Gym­na­si­um in Bonn, wo­hin er 1921 ver­setzt wor­den war.

1924 er­schien das Buch „Um Rhein und Abend­lan­d“, in dem Her­mann Platz vor dem Hin­ter­grund der fran­zö­si­schen Be­set­zung des Rhein­lan­des die Deut­schen vor ei­ner Ab­kehr vom Wes­ten warn­te und für ei­nen An­schluss Deutsch­lands an ei­ne „ge­mein­eu­ro­pä­isch-abend­län­di­sche Li­nie“ ein­trat. Die Idee der deutsch-fran­zö­si­schen Ver­söh­nung stand auch hin­ter der Zeit­schrift „Abend­land. Deut­sche Mo­nats­hef­te für eu­ro­päi­sche Kul­tur, Po­li­tik und Wirt­schaf­t“, die Platz zu­sam­men mit ei­ner Grup­pe von ka­tho­li­schen Funk­tio­nä­ren, Aka­de­mi­kern und Pu­bli­zis­ten aus dem Rhein­land, Bay­ern und Ös­ter­reich 1925 grün­de­te. Ihr ge­hör­ten un­ter an­de­rem der Lan­des­haupt­mann der Rhein­pro­vin­z Jo­han­nes Ho­ri­on, der ka­tho­li­sche Theo­lo­ge und ehe­ma­li­ge ös­ter­rei­chi­sche Bun­des­kanz­ler Ignaz Sei­pel (1876–1932), der ka­tho­li­schen So­zi­al­ethi­ker Theo­dor Brau­er (1880–1942) und der ka­tho­li­sche Phi­lo­soph Alois Dempf (1891–1982) an. Im „Abend­lan­d“ pu­bli­zier­ten christ­lich-de­mo­kra­ti­sche, jung­kon­ser­va­ti­ve und ka­tho­li­sche An­hän­ger der Reich­s­idee, die ei­ne vom Rhein aus­ge­hen­de abend­län­disch-christ­li­che Er­neue­rung auf deutsch-fran­zö­si­scher und mit­tel­eu­ro­päi­scher Grund­la­ge ver­folg­ten. Das „Abend­lan­d“ gab sich über­na­tio­nal, über­kon­fes­sio­nell und über­par­tei­lich und trat für ein Bil­dungs­ide­al ein, das im hu­ma­nis­tisch-christ­li­chen Sin­ne auf Staat, Kul­tur und Ge­sell­schaft ein­wir­ken soll­te. Lei­tend war das his­to­ri­sche Vor­bild des mit­tel­al­ter­li­chen „cor­pus chris­tia­num“, das al­ler­dings ei­nen eher uto­pi­schen als rea­len Raum um­schrieb, in dem al­le kon­fes­sio­nel­len, po­li­ti­schen und ge­sell­schaft­li­chen Spal­tun­gen idea­ler­wei­se auf­ge­ho­ben wa­ren. Zu­gleich ver­trat die Zeit­schrift ei­nen grund­sätz­li­chen An­ti­li­be­ra­lis­mus, ver­bun­den mit an­ti­se­mi­ti­schen Tö­nen, so­wie ei­ne or­ga­ni­sche Ge­sell­schafts­idee. „Gro­ß­ka­pi­ta­lis­mus“, „Ju­den­tum“, „li­be­ra­le Pres­se“ und „mo­der­ne Zi­vi­li­sa­ti­on“ wa­ren die Feind­bil­der, die „Schäd­lin­ge“, die man be­kämpf­te, wie die Re­dak­ti­on des „Abend­lan­des“ in ei­nem ein­lei­ten­den Ar­ti­kel zum 5. Jahr­gang der Zeit­schrift ver­lau­ten ließ.

1926 wur­de Platz Mit­her­aus­ge­ber der öku­me­ni­schen Vier­tel­jahrs­schrift „Una Sanc­ta. Ein Ruf an die Chris­ten­heit“. Au­ßer­dem war er Mit­glied des deutsch-fran­zö­si­schen Stu­di­en­ko­mi­tees, das sich für die deutsch-fran­zö­si­sche Ver­stän­di­gung ein­setz­te. Als Mit­glied der Zen­trums­par­tei ver­tei­dig­te Platz den Par­la­men­ta­ris­mus der Wei­ma­rer Re­pu­blik. Am 11.8.1925 hielt er vor Reichs­re­gie­rung und Reichs­tag die Re­de zur Fei­er der Wei­ma­rer Ver­fas­sung. Doch seit der zwei­ten Hälf­te der 1920er Jah­re wur­de Platz im­mer mehr zum Au­ßen­sei­ter in­ner­halb der sich zu­neh­mend nach rechts ori­en­tie­ren­den ka­tho­li­schen Aka­de­mi­ker­schaft. Platz und Abe­le zo­gen sich schon vor 1933 in die in­ne­re Emi­gra­ti­on zu­rück. Die Hin­wen­dung des Aka­de­mi­ker­ver­ban­des zum Rechts­ka­tho­li­zis­mus und schlie­ß­lich zum Rechts­ra­di­ka­lis­mus des NS-Re­gimes hiel­ten sie für ei­nen ge­fähr­li­chen po­li­ti­schen Ro­man­ti­zis­mus. Sie wa­ren über­zeugt, dass der Ein­fluss des Ka­tho­li­zis­mus in Deutsch­land von der par­la­men­ta­ri­schen Schlüs­sel­stel­lung des Zen­trums ab­hing. Die­se Ein­schät­zung be­wahr­hei­te­te sich. In der Zeit des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ver­schwand der Ka­tho­li­sche Aka­de­mi­ker­ver­band trotz al­ler An­bie­de­rungs­ver­su­che an den Na­tio­nal­so­zia­lis­mus schnell in der Be­deu­tungs­lo­sig­keit und wur­de 1938 auf­ge­löst.

1934 war Her­mann Platz be­tei­ligt an der Auf­klä­rungs­schrift „Stu­di­en zum My­thus des XX. Jahr­hun­derts“, die sich auf In­itia­ti­ve des Bon­ner Kir­chen­his­to­ri­kers Wil­helm Neuss (1880–1965) aus ka­tho­li­scher Sicht kri­tisch mit dem „My­thus des XX. Jahr­hun­derts“ von Al­fred Ro­sen­berg (1893–1946), dem obers­ten Par­teiideo­lo­gen der NS­DAP, aus­ein­an­der­setz­te und die – trotz Be­schlag­nah­mung durch die Ge­sta­po – im ka­tho­li­schen Raum gro­ße Ver­brei­tung fand. 

Mit Ab­lauf des Win­ter­se­mes­ters 1934/1935 ent­zog der Reich­ser­zie­hungs­mi­nis­ter Platz den Lehr­auf­trag an der Bon­ner Uni­ver­si­tät. In den vor­an­ge­gan­ge­nen Dar­le­gun­gen der Köl­ner Gau­lei­tung der NS­DAP ge­gen­über dem Preu­ßi­schen Kul­tus­mi­nis­te­ri­um hieß es un­ter an­de­rem, Platz sei in Bon­ner Uni­ver­si­täts­krei­sen als ei­ner der ty­pischs­ten Ver­tre­ter des „No­vem­ber­sys­tem­s“ be­kannt, er ver­tre­te au­ßer­dem ei­ne fran­ko­phi­le Po­li­tik und wer­de nie­mals na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ge­dan­ken zu­gäng­lich sein. In Bonn tra­ge er zu­recht den Spitz­na­men „Platz der Re­pu­bli­k“. Elf Mo­na­te spä­ter, am 20.2.1936, pro­tes­tier­te Platz ge­gen sei­ne Amts­ent­he­bung, nicht zu­letzt um sei­ne Söh­ne vor Nach­tei­len zu be­wah­ren. In sei­nem An­trag auf Wie­derertei­lung des Lehr­auf­tra­ges sah er sich ge­zwun­gen, sein gan­zes zu­rück­lie­gen­des Le­ben und Schaf­fen um­zu­bie­gen in ei­ne für den Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ak­zep­ta­ble Er­zäh­lung. So ver­wies er auf sei­nen Ein­satz als Front­kämp­fer im Ers­ten Welt­krieg und sei­ne „ver­dienst­vol­le Tä­tig­keit im Deut­schen Ab­wehr­kampf“. Er er­in­ner­te an sei­ne schar­fe Stel­lung­nah­me ge­gen den Ver­sailler Ver­trag und dis­tan­zier­te sich vom Pa­zi­fis­mus. Auch ver­such­te er mit dem Hin­weis auf sei­ne or­ga­nisch-so­zia­le Grund­ein­stel­lung ei­ne ge­wis­se Nä­he zum Na­tio­nal­so­zia­lis­mus her­zu­stel­len.

Her­mann Platz schei­ter­te mit sei­nem Pro­test. Den­noch bot er auch nach sei­ner Amts­ent­he­bung nicht ho­no­rier­te Vor­le­sun­gen und Übun­gen an der Bon­ner Uni­ver­si­tät an, die er al­ler­dings we­gen ge­sund­heit­li­cher Pro­ble­me und dienst­li­cher Über­las­tung im­mer wie­der ab­sag­te. In­des setz­te er sei­ne Tä­tig­keit als Gym­na­si­al­leh­rer fort und ver­öf­fent­lich­te wei­ter­hin wis­sen­schaft­li­che Ar­ti­kel. 1945 wur­de Platz auf An­re­gung Ro­bert Schu­mans von den ame­ri­ka­ni­schen Be­sat­zungs­be­hör­den, die Bonn be­setzt hat­ten, ins Ober­prä­si­di­um der Nord-Rhein­pro­vinz be­ru­fen und zum Ab­tei­lungs­lei­ter für den Be­reich Kul­tur er­nannt. Fak­tisch über­nahm er da­mit die Po­si­ti­on ei­nes vor­läu­fi­gen Kul­tus­mi­nis­ters.

Her­mann Platz starb am 4.12.1945 an den Fol­gen ei­ner Hal­sope­ra­ti­on in Düs­sel­dorf. Er ist auf dem Bon­ner Süd­fried­hof be­er­digt.

Werke (Auswahl)

Über laut­lich-be­griff­li­che Wor­tas­si­mi­la­tio­nen. Bei­trä­ge zur so­ge­nann­ten Volk­s­e­ty­mo­lo­gie be­son­ders aus dem Ge­bie­te des Rhein­frän­ki­schen, Diss., Müns­ter 1905.
Der fran­zö­si­sche und der deut­sche Kul­tur­kampf in ih­ren Ur­sa­chen und Fol­gen, in: Pfeil­schif­ter, Ge­org (Hg.), Deut­sche Kul­tur, Ka­tho­li­zis­mus und Welt­krieg. Ei­ne Ab­wehr des Bu­ches ‚La Gu­er­re Al­le­man­de et le Ca­tho­li­cis­me‘, Frei­burg im Br. 1916, S. 291–317.
Krieg und See­le, Mön­chen-Glad­bach 1916. [Un­ter dem Ti­tel] Zeit­geist und Lit­ur­gie, 2. um­ge­stal­te­te und ver­mehr­te Auf­la­ge, M.Glad­bach 1921.
Der Na­tio­na­lis­mus im fran­zö­si­schen Den­ken der Vor­kriegs­zeit, in: Kühn, Joa­chim (Hg.), Der Na­tio­na­lis­mus im Le­ben der drit­ten Re­pu­blik, Ber­lin 1920, S. 79–127.
Geis­ti­ge Kämp­fe im mo­der­nen Frank­reich, 1922.
Groß­stadt und Men­schen­tum, Kemp­ten 1924.
Um Rhein und Abend­land, Burg Ro­then­fels am Main 1924.
As­pects re­li­gieux de la Fran­ce con­tem­porai­ne, 2 Bän­de, Bie­le­feld 1927.
Das Re­li­giö­se in der Kri­se der Zeit, Ein­sie­deln 1928.
L' Eg­li­se et l'état en Fran­ce, Bie­le­feld 1929.
Le Mo­yen âge français, Müns­ter 1929. 
Deutsch­land und Frank­reich. Ver­such ei­ner geis­tes­ge­schicht­li­chen Grund­le­gung der Pro­ble­me, Frank­furt a. M. 1930.
[Zu­sam­men mit] Ar­tur Poch und Paul Käm­mer, Er­wer­bung, Ein­übung, Be­fes­ti­gung des Wort­schat­zes, Frank­furt a. M./Mar­burg 1932.
Der geis­ti­ge Um­bruch in Frank­reich, Bres­lau 1932.
Pas­cal. Der um Gott rin­gen­de Mensch, Dül­men 1937.
Freund­schaft als Le­ben, Lim­burg 1940.
Pas­cal in Deutsch­land, Col­mar 1944, ND Salz­burg 1990.
Die Welt der Ah­nen. Wer­den und Wach­sen ei­nes Abend­län­ders im Scho­ße von Hei­mat und Fa­mi­lie, dar­ge­stellt für sei­ne Kin­der, hg. von Ru­dolf Platz, Nürn­berg 1948 [Au­to­bio­gra­phi­sche Skiz­zen].

Herausgeberschaft

Poé­sies re­li­gieu­ses des mo­der­nes, Bie­le­feld 1931.
[mit] Ma­ria Beer­mann, Re­li­giö­se Stim­men aus dem mo­der­nen Frank­reich (1880–1914), Düs­sel­dorf 1932.
[mit] Ma­ria Beer­mann, Die Wis­sen­schaft als Re­li­gi­on im 19. Jahr­hun­dert in Frank­reich, Düs­sel­dorf 1932. 

Gedenkschrift

Her­mann Platz 1880–1945. Ei­ne Ge­denk­schrift, hg. von Vin­cent Berning; mit Bei­trä­gen von Au­gust Hein­rich Berning, Vin­cent Berning, Hein­rich Lutz, Heinz Ro­bert Schlet­te, Ma­ria Schlü­ter-Herm­kes und aus­ge­wähl­ten Tex­ten von Her­mann Platz, Düs­sel­dorf 1980.

Literatur (Auswahl)

Be­cker, Win­fried, Weg­be­rei­ter ei­nes abend­län­di­schen Eu­ro­pa: Der Bon­ner Ro­ma­nist Her­mann Platz (1880–1945), in: Rhei­ni­sche Vier­tel­jahrs­blät­ter 70 (2006), S. 236–260.
Haus­mann, Frank-Rut­ger (Hg.), „Aus dem Reich der see­li­schen Hun­gers­no­t“. Brie­fe und Do­ku­men­te zur ro­ma­nis­ti­schen Fach­ge­schich­te im Drit­ten Reich, Würz­burg 1993.
Haus­mann, Frank-Rut­ger, „Vom Stru­del der Er­eig­nis­se ver­schlun­gen“. Deut­sche Ro­ma­nis­tik im „Drit­ten Reich“, 2. Auf­la­ge, Frank­furt a. Main 2008.
Höpf­ner, Hans-Paul, Die Uni­ver­si­tät Bonn im Drit­ten Reich. Aka­de­mi­sche Bio­gra­phi­en un­ter na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Herr­schaft, Bonn 1999.
Mül­ler, Gui­do, Ka­tho­li­sche Aka­de­mi­ker in der Kri­se der Mo­der­ne. Die Ent­ste­hung des Ka­tho­li­schen Aka­de­mi­ker­ver­bands im wil­hel­mi­ni­schen Deutsch­land zwi­schen bil­dungs­bür­ger­li­chen Re­form­be­we­gun­gen und Lai­en­a­pos­to­lat, in: Graetz, Mi­cha­el/Mat­tio­li, Aram (Hg.), Kri­sen­wahr­neh­mun­gen im Fin de siècle. Jü­di­sche und ka­tho­li­sche Bil­dungs­eli­ten in Deutsch­land und der Schweiz, Zü­rich 1997, S. 285–300.
Mül­ler, Gui­do, Der „Ka­tho­li­sche Aka­de­mi­ker­ver­ban­d“ im Über­gang von der Wei­ma­rer Re­pu­blik ins „Drit­te Reich“, in: Breu­er, Die­ter/Cepl-Kauf­mann, Ger­tru­de (Hg.), Mo­der­ne und Na­tio­nal­so­zia­lis­mus im Rhein­land. Vor­trä­ge des In­ter­dis­zi­pli­nä­ren Ar­beits­krei­ses zur Er­for­schung der Mo­der­ne im Rhein­land, Pa­der­born [u.a.] 1997, S. 551–576.
Pöp­ping, Dag­mar, Abend­land. Christ­li­che Aka­de­mi­ker und die Uto­pie der An­ti­mo­der­ne 1900–1945, Ber­lin 2002.
Schell, Her­mann, Der Ka­tho­li­cis­mus als Prin­cip des Fort­schritts, Würz­burg 1897.
Stu­di­en zum My­thus des XX. Jahr­hun­derts, Köln 1934. 

Online

Berning, Vin­cent, Platz, Her­mann, in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 20 (2001), S. 519-521. [On­line]

 
Zitationshinweis

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Pöpping, Dagmar, Hermann Platz, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/hermann-platz/DE-2086/lido/5ae1ace9bc8496.30180684 (abgerufen am 20.04.2024)