Hermann Reusch

Unternehmer (1896-1971)

Christian Marx (München)

(Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln (RWWA)/ RWWA 130-45000/73)

Der im kon­ser­va­ti­ven Mi­lieu des Ruhr­berg­baus wäh­rend des Kai­ser­reichs und der Wei­ma­rer Re­pu­blik so­zia­li­sier­te Ber­g­as­ses­sor Her­mann Reusch ver­kör­per­te wie sein Va­ter Paul Reusch den ty­pi­schen Herr-im-Hau­se-Stand­punkt der al­ten Ruhr­in­dus­trie und zeich­ne­te sich vor al­lem durch sei­ne en­ge Bin­dung an die Gu­te­hoff­nungs­hüt­te (GHH) in Ober­hau­sen und ih­re Ei­gen­tü­mer­fa­mi­lie Ha­ni­el aus. Wie nur we­ni­ge In­dus­tri­el­le ver­kör­per­te er nach 1945 die ab­leh­nen­de Hal­tung der Bran­che ge­gen­über der al­li­ier­ten Ent­flech­tung und der 1951 ein­ge­führ­ten Mon­tan­mit­be­stim­mung. Doch letzt­lich muss­te er sich mit den neu­en Mit­be­stim­mungs­re­geln eben­so ar­ran­gie­ren wie mit der Ent­flech­tungs­po­li­tik, in de­ren Fol­ge sich die GHH un­ter sei­ner Lei­tung zu ei­nem der füh­ren­den eu­ro­päi­schen Ma­schi­nen- und An­la­gen­bau­kon­zer­ne wan­del­te.

Her­mann Reusch zähl­te zu den prä­gen­den und wort­ge­wal­tigs­ten Un­ter­neh­mern der bun­des­deut­schen Wie­der­auf­bau­pha­se. Er kam am 2.8.1896 in Wit­ko­witz in Mäh­ren als äl­tes­tes Kind von Paul Reusch (1868–1956) und Ger­trud Reusch ge­bo­re­ne Zim­mer (1869–1944) zur Welt. Nach­dem sein Va­ter be­ruf­lich ins Ruhr­ge­biet ge­wech­selt war, be­such­te er von 1902 bis 1905 die Vor­schu­le in Mül­heim an der Ruhr. An­schlie­ßend ging der evan­ge­lisch ge­tauf­te Her­mann Reusch auf das Re­al­re­form­gym­na­si­um in Sterk­ra­de (1905–1911) so­wie das Re­al­gym­na­si­um in Ober­hau­sen (1911–1914), wo er sein Ab­itur ab­leg­te. Vom preu­ßi­schen Ober­berg­amt Dort­mund wur­de er da­nach als Berg­bau­be­flis­se­ner an­ge­nom­men und konn­te sein prak­ti­sches Jahr bei der Ze­che Con­cor­dia in Ober­hau­sen ab­le­gen. Wäh­rend des Ers­ten Welt­krie­ges war er beim II. West­fä­li­schen Hu­sa­ren­re­gi­ment Nr. 11, Kre­feld, und beim Gar­de-Gre­na­dier-Re­gi­ment Nr. 5, Span­dau, sta­tio­niert. Im Ver­lauf des Krie­ges wur­de er ver­wun­det, wech­sel­te 1917 zwi­schen­zeit­lich zur bel­gi­schen Mi­li­tär­ver­wal­tung und wur­de schlie­ß­lich mit dem Ho­hen­zol­lern­schen Haus­or­den aus­ge­zeich­net.

Im An­schluss an den Ers­ten Welt­krieg nahm Her­mann Reusch ein durch ein kur­zes Frei­korps-In­ter­mez­zo un­ter­bro­che­nes Stu­di­um der Mon­tan­wis­sen­schaft auf, das ihn nach Tü­bin­gen, Ber­lin un­d Aa­chen führ­te. Nach sei­nem Ex­amen wur­de er 1922 mit ei­ner Dis­ser­ta­ti­on über „Die Ei­sen­man­gan­erz­la­ger­stät­te der Gru­be Ad­ler bei Gam­bach in Ober­hes­sen“ bei Prof. Dr. Hans Schneid­er­höhn an der Phi­lo­so­phi­schen Fa­kul­tät der Hes­si­schen Lud­wigs-Uni­ver­si­tät zu Gie­ßen zum Dr. phil. pro­mo­viert. In der nach­fol­gen­den prak­ti­schen Aus­bil­dungs­zeit als Berg­re­fe­ren­dar un­ter­nahm Reusch län­ge­re Stu­di­en­rei­sen ins Aus­land: Auf ei­ne In­for­ma­ti­ons­rei­se nach Nor­we­gen und Mit­tel­schwe­den 1922 folg­te ein Vo­lon­ta­ri­at in den kauf­män­ni­schen Be­trie­ben der Fir­ma Wm. H. Mül­ler & Co. in Den Haag und Lon­don (1923), mit der die GHH en­ge ge­schäft­li­che Ver­bin­dun­gen pfleg­te. Die ge­schäft­li­chen Kon­tak­te sei­nes ein­fluss­rei­chen Va­ters öff­ne­ten ihm die Tü­ren zahl­rei­cher Fir­men. Im Jahr 1924 lern­te er dann ver­schie­de­ne Koh­le- und Erz­di­strik­te in Süd­afri­ka ken­nen, und von Ja­nu­ar bis Ju­ni 1925 war er am Ober­berg­amt in Dort­mund tä­tig, be­vor er im De­zem­ber des­sel­ben Jah­res in Ber­lin sein Ex­amen als preu­ßi­scher Ber­g­as­ses­sor ab­leg­te.

Dar­auf­hin wur­de er 1926 zu­nächst wis­sen­schaft­li­cher Hilfs­ar­bei­ter bei der Bo­chu­mer Ze­che „Ver­ei­nig­te Con­stan­tin der Gro­ße“ und ging noch im sel­ben Jahr in die USA, wo er in Ken­tu­cky berg­män­nisch tä­tig war und wei­te­re Stahl­wer­ke be­sich­tig­te. Be­reits wäh­rend sei­nes Auf­ent­halts in den USA ver­han­del­te er mit der „Koks­wer­ke und Che­mi­sche Fa­bri­ken AG (Ober­koks)“ über ei­ne An­stel­lung bei der ihr zu­ge­hö­ri­gen Ze­che „Con­cor­di­a“ in Ober­hau­sen so­wie mit dem Dort­mun­der Ei­sen- und Stahl­werk Hoesch über ei­ne Po­si­ti­on bei der Ze­che „Fürst Leo­pol­d“ im Dors­te­ner Stadt­teil Her­vest. Schlie­ß­lich ent­schied er sich für den Pos­ten ei­nes Be­triebs­di­rek­tors bei Hoesch und nahm dort am 1.5.1927 sei­ne Tä­tig­keit auf. Nur we­ni­ge Wo­chen spä­ter, am 27.5.1927, hei­ra­te­te er Ani­ta Hüb­be (1903–1975), die Toch­ter des an­ge­se­he­nen Di­rek­tors der Dresd­ner Bank in Ham­burg An­ton Hüb­be (1872–1942). Das Paar hat­te vier Kin­der: Her­mann Leo­pold (1928–1945), Bar­ba­ra Ana Eli­sa­beth (1930–2010), Eri­ca Ma­ria (ge­bo­ren 1933) und Paul Jür­gen Reusch (ge­bo­ren 1941). Im Jahr 1933 wech­sel­te er in­ner­halb des Hoesch-Kon­zerns zur Ze­che „Rad­bo­d“ und über­nahm hier 1934 die Berg­werks­di­rek­ti­on der Ze­chen „Rad­bo­d“ bei Hamm, „Fürst Leo­pol­d“ bei Dors­ten und „Bal­dur“ bei Hol­s­ter­hau­sen (heu­te zu Dors­ten), die sich al­le im Be­sitz der fu­sio­nier­ten Fir­ma Hoesch-Köln-Neu­es­se­ner AG für Berg­bau und Hüt­ten­be­trieb be­fan­den. 

Ein Jahr spä­ter trat er in den Dienst der von sei­nem Va­ter ge­lei­te­ten GHH in Ober­hau­sen und wur­de dort am 1.10.1935 zum stell­ver­tre­ten­den Vor­stands­mit­glied beim GHH Ak­ti­en­ver­ein und bei der GHH Ober­hau­sen AG er­nannt. Im Rah­men der Ruhr­be­set­zung 1923 hat­te die Un­ter­neh­mens­füh­rung den of­fi­zi­el­len Ge­sell­schafts­sitz des GHH Ak­ti­en­ver­eins nach Nürn­berg ver­legt und die GHH Ober­hau­sen AG als Toch­ter­ge­sell­schaft für die im be­setz­ten Ge­biet be­find­li­chen Ge­sell­schaf­ten ge­grün­det. Je­ne Kon­struk­ti­on war zu­nächst nur als Pro­vi­so­ri­um ge­dacht, doch blieb die­ser über­re­gio­na­le Kon­zern­auf­bau mit ei­nem Zen­trum im Ruhr­ge­biet und zahl­rei­chen Un­ter­ge­sell­schaf­ten im süd­deut­schen Ma­schi­nen- und An­la­gen­bau bis nach dem Zwei­ten Welt­krieg be­ste­hen. Ein gu­tes Jahr nach sei­nem Ein­tritt bei der GHH, am 1.1.1937, stieg Her­mann Reusch dann zum or­dent­li­chen Vor­stands­mit­glied in bei­den GHH-Ge­sell­schaf­ten auf. Zu­gleich wur­de er in die Auf­sichts­rä­te meh­re­rer GHH-Toch­ter­ge­sell­schaf­ten auf­ge­nom­men (Deut­sche Werft, Fer­ro­staal, Ha­cke­t­hal Draht- und Ka­bel­wer­ke, Ka­bel- und Me­tall­wer­ke Neu­mey­er, MAN, Ma­schi­nen­fa­brik Ess­lin­gen, Os­na­brü­cker Kup­fer- und Draht­werk, Schloemann, Zahn­rä­der­fa­brik Augs­burg) und ge­wann auf die­se Wei­se um­fas­sen­de Kennt­nis­se über den Ge­samt­kon­zern. Nach ein­ein­halb Jahr­zehn­ten sorg­fäl­ti­ger be­ruf­li­cher Aus­bil­dung ge­lang es Paul Reusch da­mit, sei­nen Erst­ge­bo­re­nen an zen­tra­ler Stel­le in­ner­halb des Kon­zerns zu plat­zie­ren und ihm da­mit den Weg an die Kon­zern­spit­ze zu eb­nen.

Wäh­rend des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ge­hör­te Her­mann Reusch von 1934 bis 1942 der Deut­schen Ar­beits­front (DAF) an, doch war er zu kei­ner Zeit Mit­glied der NS­DAP. Die Zer­schla­gung der Ge­werk­schafts­be­we­gung, das Ver­bot der KPD und die Wie­der­auf­rüs­tung des Deut­schen Reichs wa­ren durch­aus im Sin­ne von Paul und Her­mann Reusch, aber in ras­sen­ideo­lo­gi­scher Hin­sicht gin­gen sie auf Dis­tanz zum NS-Re­gime. In­fol­ge­des­sen ver­schärf­ten sich die Dif­fe­ren­zen zur po­li­ti­schen Füh­rung – nicht zu­letzt auf­grund der Ent­fer­nung jü­di­scher Ge­schäfts­kol­le­gen. Im Zu­ge des er­zwun­ge­nen Rück­tritts sei­nes Va­ters muss­te Her­mann Reusch des­halb 1942 eben­falls die GHH ver­las­sen, doch die Über­nah­me ei­ner Lei­tungs­po­si­ti­on in ei­nem an­de­ren Un­ter­neh­men kam we­gen po­li­ti­scher Vor­be­hal­te nicht in Be­tracht und für den Ru­he­stand war er noch zu jung. Statt­des­sen be­tä­tig­te er sich ab No­vem­ber 1942 als In­spek­tor für den Koh­len­berg­bau in der deut­schen Be­sat­zungs­ver­wal­tung in Ser­bi­en und wur­de schon bald in den Auf­sichts­rat der reichs­ei­ge­nen Süd­ost-Mon­tan GmbH auf­ge­nom­men. Al­ler­dings er­schwer­ten der Ar­bei­ter­man­gel, die schwie­ri­ge Trans­port­si­tua­ti­on und der Wi­der­stand ser­bi­scher Par­ti­sa­nen ei­nen um­fang­rei­chen Koh­len­ab­bau. Of­fi­zi­ell blieb Her­mann Reusch bis Mai 1945 In­spek­tor für den Koh­len­berg­bau, ob­schon Bel­grad be­reits im Ok­to­ber 1944 von so­wje­ti­schen Ver­bän­den be­freit wor­den war.

Bei Kriegs­en­de kehr­te er auf den Ka­tha­ri­nen­hof, das fa­mi­li­en­ei­ge­ne Jagd­schloss im süd­deut­schen Backnang, zu­rück. Schon im De­zem­ber 1945 wur­de er wie­der Mit­glied in den Vor­stän­den der bei­den GHH-Ge­sell­schaf­ten und über­nahm die Lei­tung des Un­ter­neh­mens für den in­haf­tier­ten In­te­rims­chef Her­mann Kel­ler­mann. Nach­dem Her­mann Reusch im Ent­na­zi­fi­zie­rungs­ver­fah­ren als Ent­las­te­ter (Ka­te­go­rie V) ein­ge­stuft wor­den war, stieg er 1947 auch of­fi­zi­ell zum Vor­stands­vor­sit­zen­den der GHH auf und ver­blieb bis 1966 in die­ser Po­si­ti­on. Er wand­te sich ent­schie­den ge­gen die al­li­ier­ten Ent­flech­tungs­plä­ne und wur­de auf die­se Wei­se zu ei­nem wich­ti­gen Ge­gen­spie­ler der Al­li­ier­ten, doch konn­te er die Auf­glie­de­rung des Kon­zerns letzt­lich nicht ver­hin­dern. Be­reits En­de 1945 setz­te mit der Be­schlag­nah­mung des Stein­koh­len­berg­baus die Ent­flech­tung der GHH ein. Trotz viel­fäl­ti­ger Ge­gen­in­itia­ti­ven muss­te Reusch letzt­lich die Ab­spal­tung der Koh­len­för­de­rung (Berg­bau-AG Neue Hoff­nung), der Be­rei­che Ei­sen- und Stahl­pro­duk­ti­on (Hüt­ten­werk Ober­hau­sen AG, HO­AG) so­wie des Koh­len­han­dels (Be­tei­li­gungs-AG Ruhr­ort) hin­neh­men. Dem GHH Ak­ti­en­ver­ein blie­ben le­dig­lich die wei­ter­ver­ar­bei­ten­den Toch­ter­un­ter­neh­men (wie die MAN) er­hal­ten, die nach der Neu­ord­nung 1953 fort­an den Kern des Un­ter­neh­mens bil­de­ten. Über­dies un­ter­la­gen die Auf­fang­ge­sell­schaf­ten den neu­en Mit­be­stim­mungs­re­ge­lun­gen.

Her­mann Reusch stand wei­ter­hin für ei­nen au­to­ri­tä­ren Füh­rungs­stil und lehn­te sol­che Mit­be­stim­mungs­for­men – ins­be­son­de­re „be­triebs­frem­de“ Ein­flüs­se in Form der Ge­werk­schaf­ten – rund­her­aus ab. Der neue Kon­zern­chef ent­wi­ckel­te sich auf die­se Wei­se in der frü­hen Bun­des­re­pu­blik zu ei­nem An­ti­po­den der Ge­werk­schaf­ten im Kampf um die pa­ri­tä­ti­sche Mit­be­stim­mung. Ob­wohl Reusch die er­zwun­ge­ne Ent­flech­tung als Nie­der­la­ge emp­fand, er­wies sie sich letzt­lich als vor­teil­haft für den GHH-Kon­zern, denn von den kri­sen­haf­ten Ent­wick­lun­gen im Koh­len­berg­bau und in der Stahl­in­dus­trie in den spä­ten 1950er bzw. 1970er Jah­ren blie­ben die wei­ter­ver­ar­bei­ten­den Un­ter­neh­men weit­ge­hend ver­schont.

Paul Reusch (1868-1956), Porträt, undatiert. (CC-BY-SA 3.0/ MAN SE)

 

In so­zi­al- und wirt­schafts­po­li­ti­scher Hin­sicht ver­trat Reusch ei­nen kon­ser­va­tiv-au­to­ri­tä­ren Stand­punkt, der ty­pisch für die so­zia­le Grup­pe der preu­ßi­schen Ber­g­as­ses­so­ren im Ruhr­berg­bau war. Wie sein Va­ter pfleg­te er ein pa­tri­ar­cha­li­sches Ver­hält­nis zur Fir­men­be­leg­schaft und ei­ne ab­leh­nen­de Hal­tung ge­gen­über den Ge­werk­schaf­ten. Be­son­ders die 1951 ge­setz­lich ein­ge­führ­te pa­ri­tä­ti­sche Mit­be­stim­mung in den Lei­tungs­or­ga­nen der Mon­tan­in­dus­trie hielt er für ei­nen un­be­rech­tig­ten Ein­griff in die Be­fug­nis­se des Ma­nage­ments und der Ei­gen­tü­mer. Auf der Haupt­ver­samm­lung der GHH im Ja­nu­ar 1955 be­zeich­ne­te er das Mit­be­stim­mungs­recht im Koh­len­berg­bau und der Ei­sen- und Stahl­in­dus­trie als Er­geb­nis ei­ner bru­ta­len Er­pres­sung durch die Ge­werk­schaf­ten und pro­vo­zier­te da­mit ei­nen ein­tä­gi­gen Pro­test­streik von mehr als 820.000 Berg­män­nern und Stahl­ko­chern im Ruhr­ge­biet. Doch mit sei­ner kom­pro­miss­lo­sen Hal­tung stand er im Un­ter­neh­mer­la­ger oft­mals al­lein, denn vie­le sei­ner Kol­le­gen setz­ten in­zwi­schen auf ei­nen Aus­gleich mit den Ge­werk­schaf­ten. Sei­ne so­zi­al- und wirt­schafts­po­li­ti­schen Zie­le ver­folg­te er zu­gleich als Ver­bands­po­li­ti­ker. Hier nä­her­te er sich gleich­falls dem Vor­bild sei­nes Va­ters an, auch wenn er nicht des­sen mäch­ti­ge Po­si­ti­on in der Wei­ma­rer Re­pu­blik er­reich­te. Her­mann Reusch war Prä­si­dent der Wirt­schafts­ver­ei­ni­gung Ei­sen- und Stahl­in­dus­trie, Prä­si­di­ums­mit­glied des Bun­des­ver­ban­des der Deut­schen In­dus­trie (BDI) und der Deut­schen Grup­pe der In­ter­na­tio­na­len Han­dels­kam­mer, Eh­ren­mit­glied des Ver­eins Deut­scher Ei­sen­hüt­ten­leu­te und des Deut­schen Mu­se­ums in Mün­chen, und er mach­te sich zu­dem als För­de­rer der Küns­te und der Wis­sen­schaf­ten ei­nen Na­men, da er von 1951 bis 1967 an der Spit­ze des „Kul­tur­krei­ses“ im BDI stand.

Die Ära Reusch in der GHH en­de­te erst 1966. Doch be­reits seit En­de 1960 be­rei­te­te der da­mals 64-jäh­ri­ge Her­mann Reusch sei­nen Rück­zug aus der ope­ra­ti­ven Lei­tungs­ebe­ne vor, in­dem er Diet­rich Wil­helm von Men­ges, den Vor­stands­vor­sit­zen­den der Es­se­ner Kon­zern­toch­ter Fer­ro­staal, als de­si­gnier­ten Nach­fol­ger im GHH-Vor­stand auf­bau­te. Auch wenn Reusch der Ab­schied vom Vor­stands­vor­sitz nicht leicht­fiel, schien er um 1960 zu der Ein­sicht ge­langt zu sein, dass die an­ste­hen­den Ent­schei­dun­gen nicht mehr zu sei­nen un­ter­neh­me­ri­schen Vor­stel­lun­gen tra­di­tio­nel­ler Ab­satz­si­che­rung pass­ten. Hin­zu kam, dass das Ver­hält­nis von Reusch zu Tei­len der Fa­mi­lie Ha­ni­el nicht span­nungs­frei ge­blie­ben war, ob­schon er sich stets als „Haus­mei­er“ der Ha­ni­el-Dy­nas­tie ver­stan­den hat­te. Ab Mit­te 1961 zog er sich da­her suk­zes­si­ve aus dem Ta­ges­ge­schäft zu­rück und über­ließ es zu­neh­mend von Men­ges, die an­ste­hen­den Wei­chen­stel­lun­gen zu tref­fen, ins­be­son­de­re die Fo­kus­sie­rung auf den Be­reich Ma­schi­nen- und Fahr­zeug­bau und die Stär­kung der Er­trags­kraft durch die Ab­tren­nung von Un­ter­neh­mens­tei­len (wie dem Ver­kauf der Ma­schi­nen­fa­brik Ess­lin­gen 1965). Am 17.12.1971 ver­starb Her­mann Reusch an ei­nem Herz­in­farkt auf dem Ka­tha­ri­nen­hof bei Backnang in Ba­den-Würt­tem­berg, wo heu­te ei­ne nach ihm be­nann­te Stra­ße (Orts­teil Strümp­fel­bach) an ihn er­in­nert.

Quellen

Der Nach­lass von Her­mann Reusch be­fin­det sich als Teil des Un­ter­neh­mens­ar­chivs der Gu­te­hoff­nungs­hüt­te in der Stif­tung Rhei­nisch-West­fä­li­sches Wirt­schafts­ar­chiv zu Köln (RW­WA): 130-4001014 Nach­lass Dr. Her­mann Reusch.

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Hermann Reusch auf der Jahresversammlung der Landesvereinigung industrieller Arbeitgeberverbände Nordrhein-Westfalens e. V., Juni 1966. (Stftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln (RWWA)/ RWWA 130-F373)

 
Zitationshinweis

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Marx, Christian, Hermann Reusch, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/hermann-reusch/DE-2086/lido/67484b4e543b87.89063612 (abgerufen am 05.12.2024)