Horst Muys

Humorist (1925-1970)

Björn Thomann (Suderburg)

Horst Muys, Porträtfoto.

Horst Muys war ein Hu­mo­rist und Mu­si­ker aus Köln, der in den 1950er und 1960er Jah­ren zu den po­pu­lärs­ten, aber auch zu den um­strit­tens­ten Per­sön­lich­kei­ten des Kar­ne­vals zähl­te. „Der lie­be Jung aus Köln am Rhein“ galt ei­ner­seits als Sym­pa­thie­trä­ger sei­ner Hei­mat­stadt. An­de­rer­seits po­la­ri­sier­te er we­gen sei­nes skan­dal­um­wit­ter­ten Le­bens­wan­dels und der oft­mals an­züg­li­chen In­hal­te sei­ner Tex­te.

Horst Al­fred Muys wur­de am 13.7.1925 in Mül­heim an der Ruhr als Sohn des Ehe­paa­res Hein­rich Al­fred Muys und Lui­se Ida Heu­ken ge­bo­ren. Das künst­le­ri­sche Ta­lent wur­de ihm von den El­tern buch­stäb­lich mit in die Wie­ge ge­legt: Sein Va­ter war Mu­si­ker, die Mut­ter Schau­spie­le­rin. Über die Ju­gend von Horst Muys ist nur we­nig be­kannt. Zeit­wei­se leb­te die Fa­mi­lie in Duis­burg, spä­ter be­such­te er in Düs­sel­dorf und Köln das Re­al­gym­na­si­um. Nach ei­ge­nen An­ga­ben durch­lief er im An­schluss ei­ne Schau­spiel­aus­bil­dung bei Gus­tav Gründ­gens (1899-1963) in Ber­lin. Ers­te Thea­ter­er­fah­rung sam­mel­te er in Straß­burg und Müns­ter.

Im Ok­to­ber 1945 ge­lang­te Muys nach Köln, wo er sich dem En­sem­ble um Wil­ly Mil­lo­witsch an­schloss. Der auf­stre­ben­de Pia­nist Gün­ter Ei­le­mann (ge­bo­ren 1923) er­kann­te sein ko­mö­di­an­ti­sches Ta­lent und hol­te ihn 1952 als Mit­glied in das nach ihm be­nann­te „Ei­le­mann-Tri­o“. Als „Ko­mi­ker mit dem Bas­s“ avan­cier­te er hier zu ei­ner fes­ten In­sti­tu­ti­on des Köl­ner Kar­ne­vals und war am gro­ßen Er­folg der Grup­pe ma­ß­geb­lich be­tei­ligt.

Je­doch sorg­te Muys auch mit sei­nen Kon­tak­ten zum Rot­licht­mi­lieu und zur Köl­ner Un­ter­welt für Auf­se­hen. Er war in Schlä­ge­rei­en ver­wi­ckelt und ge­riet we­gen sei­ner Vor­lie­be für das Glücks­spiel wie­der­holt in fi­nan­zi­el­le Schwie­rig­kei­ten. Auch durch den ex­zes­si­ven Kon­sum von Al­ko­hol hob er sich stark von den Ver­tre­tern des bür­ger­li­chen Kar­ne­vals ab. Mehr­fach saß Muys im Köl­ner Ge­fäng­nis Klin­gel­pütz ein, den er selbst­iro­nisch als sein „Ho­tel zu den sie­ben Stä­ben“ zu be­zeich­nen pfleg­te. Als sei­ne Es­ka­pa­den die künst­le­ri­sche Ar­beit des Ei­le­mann-Tri­os er­heb­lich zu be­las­ten be­gan­nen, stieg Muys im Jahr 1962 aus der Grup­pe aus und setz­te sei­ne Kar­rie­re als So­lo­künst­ler fort.

Über die meis­te Zeit des Jah­res ver­dien­te er sich sei­nen Le­bens­un­ter­halt durch Auf­trit­te in Film, Funk und Fern­se­hen. Wäh­rend der fünf­ten Jah­res­zeit bril­lier­te er als „Gilb des Köl­ner Kar­ne­vals“ und ge­hör­te da­bei zur Rie­ge jun­ger Hu­mo­ris­ten, die als Con­fé­ren­ciers auf­tra­ten und mit der in Reim­form ge­hal­te­nen Büt­ten­re­de tra­di­tio­nel­len Zu­schnitts voll­stän­dig bra­chen. Die­ser Vor­trags­stil mach­te es Muys mög­lich, Her­ren­wit­ze und Ka­lau­er in zwang­lo­ser Form an­ein­an­der­zu­rei­hen und die­se mit Epi­so­den an­zu­rei­chern, die er selbst im Rot­licht­mi­lieu, in Ge­fäng­nis­sen oder im Um­gang mit Ge­richts­voll­zie­hern er­lebt hat­te. Die­se mit Schel­men­haf­tig­keit und Selbst­iro­nie ver­knüpf­te Au­then­ti­zi­tät bil­de­te die Grund­la­ge sei­ner Po­pu­la­ri­tät.

Der am En­de des 19. Jahr­hun­derts für den Köl­ner Kar­ne­val ge­präg­te Grund­satz „Von Zo­ten und Kno­ten frei die Nar­re­tei“ wur­de von Muys frei­lich kon­se­quent in sein Ge­gen­teil ver­kehrt. Laut Gé­r­ard Schmidt war es die von ihm aus­ge­hen­de „Fas­zi­na­ti­on des Zwie­lich­ti­gen“, die das Pu­bli­kum in sei­nen Bann zog. Trotz­dem be­wahr­te er ge­gen­über sei­nem Pu­bli­kum stets ei­nen äu­ßerst höf­li­chen Um­gangs­ton, wo­durch die von ihm dar­ge­bo­te­nen ver­ba­len An­züg­lich­kei­ten zu­gleich ei­ne un­ver­wech­sel­bar lie­bens­wür­di­ge No­te er­hiel­ten.

Auf dem Hö­he­punkt sei­ner Kar­rie­re zeich­ne­te Muys für ei­nen der grö­ß­ten Skan­da­le in der Ge­schich­te des Köl­ner Kar­ne­vals ver­ant­wort­lich. Auf ei­ner Her­ren­sit­zung am 1.1.1968 hat­te er ei­ne sei­ner be­rüch­tig­ten „ge­pfef­fer­ten“ Re­den zum Bes­ten ge­bracht. Die in ge­wohn­ter Ma­nier vor­ge­tra­ge­ne Mi­schung aus der­ben Wit­zen über Pro­sti­tu­ti­on und Ho­mo­se­xua­li­tät stieß auf ein stark ge­teil­tes Echo. Wäh­rend sich ei­ne Mehr­heit des Pu­bli­kums be­geis­tert zeig­te, ver­ließ der Köl­ner Ober­bür­ger­meis­ter Theo Burau­en aus Pro­test über die zum Vor­trag ge­brach­ten Wit­ze de­mons­tra­tiv den Saal. Das Fest­ko­mi­tee des Köl­ner Kar­ne­vals ver­häng­te dar­auf­hin ein un­be­fris­te­tes Auf­tritts­ver­bot für Muys, lös­te da­mit je­doch ei­nen un­er­war­te­ten Sturm der Ent­rüs­tung un­ter des­sen An­hän­gern aus. 1969 ga­ben die Ver­ant­wort­li­chen dem öf­fent­li­chen Druck nach und eb­ne­ten Muys den Weg zu ei­nem um­ju­bel­ten Come­back.

Über die Gren­zen des Rhein­lan­des hin­aus galt Horst Muys trotz sei­ner Es­ka­pa­den als Sym­pa­thie­trä­ger und Bot­schaf­ter sei­ner Stadt. Der Kar­ne­va­list Fer­di Ham­mer­schmidt (1932-1977) be­zeich­ne­te ihn rück­bli­ckend als ein „Sym­bol rhei­ni­schen Froh­sinn­s“. Über die Tra­gik sei­nes Le­bens äu­ßer­te er: „Ge­wiss, er war nicht nur der lie­be Jung. Er war mit­un­ter auch Kölns Sor­gen­kind, Kölns En­fant ter­ri­b­le. In ge­wis­ser Hin­sicht war Horst Muys ein Kind: leicht­gläu­big, zu sehr ver­trau­ens­se­lig, zu emo­tio­nell. Er brach­te es in sei­ner un­ge­stü­men Le­bens­lust und Be­geis­te­rung fer­tig, an­de­re zum La­chen zu brin­gen, oh­ne an sich selbst und even­tu­ell nach­fol­gen­de Aus­wir­kun­gen zu den­ken.“

Nach sei­ner Ver­ban­nung von den Kar­ne­vals­büh­nen wur­de Muys vom Lei­ter des Klein­kunst­thea­ters „Senf­töpf­chen“ Fred Kas­sen (1903-1972) für die Haupt­rol­le in der Ko­mö­die „Hu­mo­ris Cau­sa + Sex“ ge­won­nen. In die­ser „Re­vue in sex Ak­ten“ bril­lier­te er an der Sei­te des auf­stre­ben­den Ka­ba­ret­tis­ten Wolf­gang Reich (ge­bo­ren 1934). Gro­ßer Be­liebt­heit er­freu­ten sich auch die ge­mein­sa­men Auf­trit­te mit dem als „Glöck­ner vom Rat­haus­tur­m“ be­kannt ge­wor­de­nen Con­fé­ren­cier Har­ry Fey (ge­bo­ren 1921). Als Duo un­ter dem viel­sa­gen­den Na­men „Die Wild­säu­e“ sorg­ten sie mit „schar­fen“ Wit­zen und Ver­sen für Fu­ro­re. Die als „nicht ju­gend­frei“ de­kla­rier­ten Ton­band­mit­schnit­te ih­rer Vor­stel­lun­gen konn­ten un­ter Ti­teln wie „Die Wild­säue. Schwei­ni­sche Wit­ze“ oder „Die Wild­saue­rei­en“ nur un­ter der La­den­the­ke ver­kauft wer­den.

Am En­de der 1960er Jah­re er­reich­te Muys den Schei­tel­punkt sei­ner Po­pu­la­ri­tät. Er mo­de­rier­te Kar­ne­vals­sen­dun­gen für das Zwei­te Deut­sche Fern­se­hen und wuss­te mit eben­so sim­plen wie un­zwei­deu­ti­gen Ti­teln wie „Wer Al­ko­hol hat braucht kei­ne Pil­len“, „Mei­ne Al­te hat ´ne Schrau­be los“ oder „Wenn die di­cken Boh­nen blü­hen“ auch als Stim­mungs­sän­ger zu über­zeu­gen. Mit sei­ner ge­fühl­vol­len In­ter­pre­ta­ti­on des von Fritz We­ber (1909-1984) kom­po­nier­ten Lie­des „Ich bin ene köl­sche Jun­g“ stell­te er aber auch sei­ne künst­le­ri­sche Viel­sei­tig­keit un­ter Be­weis. Dass er sich nicht nur auf die lau­ten, son­dern eben­so auf die lei­sen Tö­ne ver­stand, zeig­ten auch Ti­tel wie „Lie­ber Tün­nes, lie­ber Schäl“ oder „Das Lied von der Ho­he Stra­ße“, in de­nen er im Du­ett mit Lot­ti Krekel (ge­bo­ren 1941) die lie­bens­wür­di­gen Sei­ten sei­ner Hei­mat­stadt be­sang. Zu Be­ginn des Jah­res 1970 ge­lang dem Duo mit dem von Hans Knipp (1946-2011) kom­po­nier­ten Stim­mungs­lied „Ne Be­such em Zoo“ zu­dem ein gro­ßer kom­mer­zi­el­ler Er­folg. Der in­halt­lich we­nig an­spruchs­vol­le, aber me­lo­disch ein­gän­gi­ge Ti­tel wur­de bun­des­weit zu ei­nem Gas­sen­hau­er. Bin­nen kur­zer Frist ver­kauf­ten sich über 120.000 Plat­ten.

Ei­nen schwe­ren Schick­sals­tag muss­te Horst Muys im Jahr 1969 durch den dra­ma­ti­schen Un­fall­tod sei­nes zehn­jäh­ri­gen Soh­nes ver­kraf­ten. Auch sein ei­ge­nes Le­ben nahm nur ein Jahr spä­ter ein tra­gi­sches En­de. Er starb am 20.7.1970 im Al­ter von 45 Jah­ren an ei­nem Ma­gen­durch­bruch. Die Bei­set­zung auf dem Köl­ner Fried­hof Me­la­ten ge­riet zu ei­nem städ­ti­schen Gro­ße­reig­nis, an dem schät­zungs­wei­se 7.000 Trau­ern­de teil­nah­men. Un­ter ih­nen be­fan­den sich ne­ben den Ho­no­ra­tio­ren des Kar­ne­vals auch zahl­rei­che Pro­sti­tu­ier­te so­wie zwie­lich­ti­ge Per­sön­lich­kei­ten der Köl­ner Un­ter­welt. Nach­dem das re­nom­mier­te Blas­mu­si­k­en­sem­ble des Ka­pell­meis­ters Har­dy von den Driesch (1916-1979) „Ne Be­such em Zoo“ in Moll in­to­niert hat­te, hielt der ehe­ma­li­ge Prä­si­dent des Fest­ko­mi­tees Tho­mas Lies­sem (1900-1973), der zwei Jah­re zu­vor ma­ß­geb­lich an der Ver­hän­gung des Auf­tritts­ver­bots be­tei­ligt ge­we­sen war, die Trau­er­re­de. Im An­schluss kam es zu Hand­greif­lich­kei­ten, nach­dem das Fried­hofs­per­so­nal da­mit be­gon­nen hat­te das Grab zu­zu­schau­feln, noch be­vor al­le Trau­er­gäs­te dem Ver­stor­be­nen die letz­te Eh­re hat­ten er­wei­sen kön­nen.

We­nig spä­ter bil­de­te sich ein Ko­mi­tee zur Er­rich­tung ei­nes Ge­denk­brun­nens, des­sen Geld­mit­tel al­ler­dings nicht für ei­ne Um­set­zung des Vor­ha­bens aus­reich­ten. Statt­des­sen wur­den die ge­sam­mel­ten Spen­den für die Pfle­ge der Grab­stät­te ver­wen­det. Hier er­in­nert ein schlich­ter Stein mit der Auf­schrift „Der lie­be Jung aus Köln am Rhein“ an den mitt­ler­wei­le in Ver­ges­sen­heit ge­ra­te­nen Grenz­gän­ger Horst Muys.

Literatur

Matt­ha­ei, Re­na­te, Der köl­sche Jeck. Zur Kar­ne­vals- und Lach­kul­tur in Köln, 2009, S. 224-225.
Schmidt, Gé­r­ard, Köl­sche Stars, Köln 1992, S. 156-162.

 
Zitationshinweis

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Thomann, Björn, Horst Muys, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/horst-muys/DE-2086/lido/57c951fc8357e5.51994410 (abgerufen am 19.04.2024)