Zu den Kapiteln
Jan von Werth war ein Militär des Dreißigjährigen Kriegs, der als Anführer berittener Einheiten für die Armeen des Kurfürsten von Bayern und des Kaisers kämpfte. Er gilt als Prototyp des Aufsteigers, der aus einfachen Verhältnissen stammte, eine beispiellose Karriere im Militär machte und für seine Verdienste geadelt wurde. Die zumal im Rheinland bekannte Sage von Jan und Griet greift im Kern diesen sozialen Aufstieg auf, der, so unwahrscheinlich er war, Jan von Werth gleichwohl geglückt ist: Die junge Griet weist den um sie werbenden Knecht als allzu schlechte Partie ab, bevor sie Jahre später ihren Fehler erkennen muss, als sie ihn, da er längst ein General ist, wieder trifft.
So plausibel diese Geschichte auch klingt, ist sie doch historisch nicht nachzuweisen. Dies gilt für die Frühzeit Jan von Werths insgesamt, aus der nur wenige gesicherte Fakten bekannt sind. Der 1591 als Sohn eines Bauern in Büttgen bei Neuss geborene Jan nahm zunächst Kriegsdienste in der spanischen Armee an, damals eine am Niederrhein dominante Militärmacht. Er kämpfte in der Schlacht am Weißen Berg (1620) in Böhmen, später war er wieder auf dem westlichen Kriegsschauplatz eingesetzt (Teilnahme an der Schlacht bei Fleurus, 1622). Für die folgenden Jahre ist über seine Tätigkeit praktisch nichts bekannt, für 1629 ist lediglich sein Aufenthalt in der Abtei Brauweiler bezeugt, wo er eine Verwundung auskurierte.
Ab 1631 taucht er in der Armee der Katholischen Liga auf; als Obristwachtmeister im Regiment Eynatten trat er erstmals als Offizier in Erscheinung. Von nun an ist sein Werdegang in den Quellen gut fassbar. In den folgenden Jahren setzte ein geradezu kometenhafter Aufstieg ein, den der bayerische Kurfürst Maximilian von Bayern (Regierungszeit 1597-1651) als Oberhaupt der Streitkräfte der Katholischen Liga stark beförderte. 1632 wurde Werth „bestallter Oberst zu Ross", 1633 übernahm er ein eigenes Regiment. Bereits Anfang 1634 ernannte ihn Maximilian von Bayern zum „Generalwachtmeister zu Ross", im Herbst desselben Jahres macht er Werth zum Feldmarschall-Leutnant. Zu diesen Rangerhöhungen kamen bis in die 1640er Jahre hinein umfangreiche Schenkungen an Geld und Gütern; mit der am 4.4.1635 erfolgten Erhebung in den erblichen Reichsfreiherrenstand wurde der gesellschaftliche und soziale Aufstieg des Bauernsohnes besiegelt.
Die Karriere wurde 1638 jäh unterbrochen, als Werth in einem Gefecht bei Rheinfelden in französische Gefangenschaft geriet, in der er vier Jahre blieb. Erst im Sommer 1642 konnte er wieder in das Kriegsgeschehen eingreifen und kommandierte als Generalleutnant die kaiserliche, kurbayerische und kurkölnische Kavallerie, 1643 wurde er General über die kurbayerische Kavallerie. Das Oberkommando über die kurbayerische Armee übertrug Kurfürst Maximilian ihm jedoch nicht, was Werth als Zurücksetzung empfand. Als Kurbayern 1647 einen separaten Waffenstillstand mit Frankreich schloss und damit als Bündnispartner des Kaisers aus dem Krieg ausschied, nahm Werth dies zum Anlass, in die Dienste Ferdinands III. (Regierungszeit 1637-1657) zu wechseln.
Bei dieser Gelegenheit wollte er möglichst viele kurbayerische Truppen der kaiserlichen Seite zuführen. Gerade in diesem Bestreben erblickte der Kurfürst den eigentlichen Verrat Werths und setzte auf dessen Kopf einen Preis aus. Die „Meuterei", als die diese Unternehmung Werths in die Geschichte einging, scheiterte jedoch kläglich. Denn die Soldaten widersetzten sich im überwältigenden Maß der Aufforderung zum Seitenwechsel; Werth gelangte nur mit einer Handvoll Getreuen ins habsburgische Böhmen. Seine Motive speisten sich zum einen aus der Enttäuschung, bei der Besetzung des Oberkommandos nicht weiter berücksichtigt worden zu sein. Zum anderen empfand Werth offenbar auch eine gewisse Loyalität zu Kaiser und Reich, so dass er auf die kurbayerische Politik, die eine Verständigung mit Frankreich suchte, nur mit Unverständnis reagieren konnte.
Der Kaiser nahm Werth in seine Dienste auf und gab ihm ein neues Kommando. Für alle Besitzungen, die er bislang von Bayern erhalten, im Zuge der Ächtung durch Maximilian aber wieder verloren hatte, überschrieb ihm der Kaiser als Ersatz die nordböhmische Herrschaft Benatek. Nach der neuerlichen Verständigung mit Maximilian operierte Werth noch bis zum Ende des Kriegs als kaiserlicher General auch in Bayern. Nach dem Friedensschluss blieb er bis zu seinem Tod am 12.9.1652 im Rang eines kaiserlichen Generals der Kavallerie. Sein Lebensmittelpunkt lag zum Lebensende in Böhmen, fernab seiner niederrheinischen Heimat. Dort ging er seine dritte Ehe mit einer Gräfin von Kuefstein ein. Bereits die zweite Ehe mit Maria Isabella Gräfin Spaur zeigt, dass ihm der Aufstieg in den Kreis gräflicher Familien geglückt war. Die Fortführung der Linie gelang allerdings nur über die aus erster Ehe stammende Tochter Lambertina Irmgardis (nach 1629-1701), die 1642 Winand Hieronymus Raitz von Frentz zu Schlenderhan heiratete.
Die Bedeutung Werths als Militär liegt in seinem taktischen Geschick als Kommandeur der Kavallerie, eine Waffengattung, die in der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Kriegs an Bedeutung gewann. Mit riskanten, aber vielfach erfolgreichen Überfällen auf feindliche Stellungen und Truppen (so genanntes „Quartieraufschlagen") machte er sich in den frühen 1630er Jahren einen Namen. Er genoss nicht nur die Wertschätzung seiner Kriegsherren, sondern erwarb sich auch den Respekt der Gegenseite. Führte ein Feldherr wie Matthias Gallas (1584-1647) das Kommando über kaiserliche Truppen, frohlockten die Feinde, weil sie wussten, dass sie voraussichtlich leichtes Spiel gegen diesen General haben würden. Wenn aber Werth die Truppen kommandierte, wusste man sich einem gefährlichen Gegner gegenüber – man konnte nachts nicht mehr ruhig schlafen und ließ die Pferde stets gesattelt. Entsprechende Angebote, die Seiten zu wechseln, schlug er aus: Bei einem Söldnerunternehmer, für den weniger die Diensttreue als der größtmögliche Profit im Krieg zählte, ein bemerkenswerter Charakterzug.
In der Anerkennung von Werths Qualitäten als genialer Kommandeur einzelner Kavallerieeinheiten lag aber auch die Begrenzung, was dazu führte, dass man ihm das Format zum Oberkommandeur absprach. Maximilian von Bayern hat jedenfalls nie mit dem Gedanken gespielt, ihm seine ganze Armee anzuvertrauen. Dies ist auch der Grund dafür, dass mit dem Namen Werths kein einziger großer Schlachtensieg verknüpft ist: Zwar war er am Sieg über die französischen Truppen bei Tuttlingen beteiligt, doch wird dieser Erfolg Franz von Mercy (1597-1645) als verantwortlichem Feldherrn zugeschrieben. Neben dem Werth unterstellten begrenzten Talent für das Oberkommando spielte auch seine mangelnde Bildung eine Rolle. Zeitlebens konnte er weder lesen noch schreiben, was angesichts der fortschreitenden Bürokratisierung der Militärorganisation ein bleibender Nachteil war.
Schließlich wird man auch Werths soziale Herkunft berücksichtigen müssen. Die Erhebung in den Reichsfreiherrenstand konnte nicht vergessen machen, dass er ein Aufsteiger mit bäuerlichem Hintergrund war. Ungeachtet der sozialen Mobilität, die zumal im Militärwesen des frühen 17. Jahrhunderts vorhanden war, blieben Beschränkungen: Den erst kürzlich geadelten Werth als Kommandeur über Offiziere zu setzen, die teilweise altadligen und äußerst standesbewussten Grafengeschlechtern und Herzogsfamilien entstammten, war undenkbar. Hier musste Jan von Werth die Erfahrung machen, dass ihm zwar eine beachtliche Karriere geglückt war, er aber an Grenzen der ständischen Gesellschaft stieß, die auch mit großem Talent nicht zu überwinden waren.
An Jan von Werth erinnern vielfach Straßennamen. Anlässlich seines 400. Geburtstags erschien 1991 ein Sonderpostwertzeichen. Sein Andenken pflegt in seiner Heimat Büttgen die St. Sebastianus Schützen Bruderschaft Büttgen e.V. (gegründet 1415), im Kölner Karneval hält das Reiter-Korps Jan von Werth von 1925 e.V. die Erinnerung an ihn wach. Ein Standbild von ihm gibt es in Büttgen, und auf dem Altermarkt in Köln wurde 1884 ihm zu Ehren ein Brunnen als „Jan von Werth"-Denkmal errichtet. Ist sein Gedächtnis im Rheinland durchweg positiv, bleibt Werths historische Einschätzung im bayerischen Geschichtsbild durch die so genannte „Meuterei" von 1647 verdunkelt. Wichtig ist in dem Zusammenhang aber zu sehen, dass der Schriftsteller Reinhold Schneider (1903-1958), der auch sonst in vielen Schriften scharfe Kritik an der menschenverachtenden nationalsozialistischen Ideologie übte, 1941 in der Erzählung „Die letzte Reise" diese Episode aus dem Leben Werths aufgriff, um den Wert von unbedingter Treue und Gehorsam zu hinterfragen.
Literatur
Kaiser, Michael, Jan von Werth zwischen Wittelsbach und Habsburg (1642): Kriegsunternehmertum und Patronage im Militärwesen, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 75 (2012), S. 135-166.
Kaiser, Michael, „... mir armen Soldaten, der sein Proth mit dem Degen gewünen mueß, ...": Die Karriere des Kriegsunternehmers Jan von Werth, in: Geschichte in Köln 49 (2002), S. 131-170.
Lahrkamp, Helmut, Jan von Werth. Sein Leben nach archivalischen Quellenzeugnissen, 2. erweiterte Auflage, Köln 1988 (zuerst 1962).
Mauritz, Max, Jan von Werth in seiner Zeit, Kaarst-Büttgen 1991.
Riezler, Sigmund, Die Meuterei Johann's v. Werth 1647, in: Historische Zeitschrift 82 (1899), S. 38-97 u. 193-239.
Online
Poten, Bernhard von, Artikel "Werth, Johann Graf v.", in: Allgemeine Deutsche Biographie 42 (1897), S. 103-111. [Online]
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Kaiser, Michael, Jan von Werth, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/jan-von-werth/DE-2086/lido/57c92db449bd34.75612509 (abgerufen am 06.12.2024)