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Joachim Neander war ein reformierter Theologe und Liederdichter, der kurzzeitig in Düsseldorf gewirkt hat; nach ihm ist das Neandertal benannt.
Er wurde im Jahre 1650 (das genaue Datum weiß man nicht) in Bremen geboren; sein Vater, Johann Joachim Neander (1614-1666) war Lehrer am Pädagogium, der Lateinschule der Stadt, die Mutter Katharina Knipping (geboren etwa 1621) Tochter eines Lehrers und Kantors. Der junge Neander besuchte zuerst die Lateinschule, ab 1666 dann das reformierte „Gymnasium illustre“ seiner Heimatstadt, eine akademische Bildungsanstalt mit vier Fakultäten, aber ohne Universitätsrang. Als der junge Theologiestudent im Jahre 1670 aus Neugierde einen Gottesdienst des Pietisten Theodor Undereyck (1635-1693) in St. Martini besuchte, war er von Predigt und freiem Gebet überwältigt. Das war sein Bekehrungserlebnis; Undereyck wurde nun sein geistlicher Vater und Seelenführer. Wohl auf seine Vermittlung hin ging Neander im folgenden Jahr als Hauslehrer in eine Kaufmannsfamilie nach Frankfurt am Main. 1673 begleitete er seine Zöglinge zum Studium an die Universität Heidelberg, wo er sich selbst an der Theologischen Fakultät immatrikulierte. Spätestens hier ist er ein Anhänger der Föderaltheologie des Johannes Coccejus (1603-1669) geworden, deren heilsgeschichtliche Konzeption seinerzeit hochmodern war.
Anfang Mai 1674 wechselte Neander als Rektor an die reformierte Lateinschule nach Düsseldorf. Der reformierten Gemeinde war das Recht der öffentlichen Religionsausübung erst seit zwei Jahren zugestanden worden, die Schule aber war älter; mit der Berufung Neanders sollte sie offenbar als Gegengewicht zum Jesuitengymnasium gestärkt werden. Ihre Lehrer unterstützten zugleich als Hilfsprediger den Pfarrer; darin haben sich Neander und der Konrektor Wilhelm Bernhausen in den beiden folgenden Jahren auch bewährt. Anlässlich einer Visitation der Schule durch das Presbyterium der Gemeinde kam es im Oktober 1676 allerdings zu Beschwerden über die Eigenmächtigkeit der Lehrer. Im Februar des folgenden Jahres wurde Neander vom Presbyterium zur Rede gestellt, weil er heimliche Zusammenkünfte anstellet oder mit hat helfen anstellen; bei Androhung der Entlassung wurde ihm jede weitere Förderung von Konventikeln untersagt. Dem hat sich der Rektor gefügt. Offenbar aber war das Vertrauensverhältnis zum Presbyterium gestört, jedenfalls wurde Neander bei der Besetzung der Hilfspredigerstelle der Gemeinde übergangen.
Da ergab sich zu Pfingsten 1679 die Möglichkeit, als Frühprediger an St. Martini in seine Heimatstadt zurückzukehren, wo Undereyck als Pastor primarius wirkte. Neander ergriff diese Chance und erhielt vom Presbyterium ein gutes Dienstzeugnis; zum Dank schenkte der Scheidende der Gemeinde für ihre Bibliothek sein „Lexicon philologicum“. Der neue Frühprediger war vor allem für die Frühgottesdienste um fünf Uhr morgens zuständig, die für Knechte, Mägde und Fischer gehalten wurden. Bereits ein Jahr später, am 31.5.1680, starb er, gerade 30 Jahre alt, und wurde am 3.6.1680 auf dem Kirchhof der Unser Lieben Frauen in Bremen beigesetzt.
Im selben Jahr, noch durch ihn selbst redigiert, erschien in Bremen seine Liedersammlung „A & O. Joachimi Neandri Glaub- und Liebes-Übung, aufgemuntert durch einfältige Bundes-Lieder und Dank-Psalmen, neu gesetzet nach bekannt- und unbekannte Sangs-Weisen“. Mit diesem Büchlein, das 58 Lieder umfasste, von denen er 17 auch selbst vertont hatte, wollte der Autor – so in seinem Vorwort – einem Mangel abhelfen, aber wohl auch zum Singen außerhalb des Gottesdienstes einladen. Durch dieses kleine Büchlein allein ist Neander berühmt geworden. Seine Lieder atmen einen starken religiösen Subjektivismus, sind gesättigt von der Sprache der Psalmen. Der Dichter ersehnt die Gemeinschaft mit Christus, wendet sich ab von der Welt und kann doch zugleich die Schönheit der Natur schildern. Vor allem aber ist es das für die reformierte Theologie typische Bewusstsein der völligen Nichtigkeit gegenüber der unerforschlichen Größe und Majestät Gottes, die sein Lebensgefühl auszeichnet und ihn zugleich anstiftet, diesen Gott zu loben mit allem, was ihm zur Verfügung steht: Himmel, Erde, Luft und Meer / Zeugen von des Schöpfers Ehr; / Meine Seele, singe du, / bring auch jetzt dein Lob herzu. Oder, bekannter: Wunderbarer König, Herrscher von uns allen, / Lass dir unser Lob gefallen. / Deine Vatergüte hast Du lassen fließen, / Ob wir schon dich oft verließen. / Hilf uns noch, / Stärk uns doch; / Lass die Zunge singen, / Lass die Stimme klingen. / … / O du meine Seele, singe fröhlich, singe, / Singe deine Glaubenslieder; / Was den Odem holet, jauchze preise klinge; / Wirf dich in den Staub darnieder. / Er ist Gott / Zebaoth, / Er nur ist zu loben / Hier und ewig droben.
Vielleicht hat Neander einige seiner Lieder in jenem Tal zwischen Mettmann und Erkrath geschrieben, in dem er während seiner Düsseldorfer Zeit spazieren gegangen ist und das seit etwa 1800 nach ihm Neandertal genannt wird. Dass in diesem Tal später die Knochen eines Urmenschen gefunden wurden, der wiederum nach seinem Fundort benannt wurde, schafft eine kuriose Brücke zwischen pietistischer Poesie und Paläontologie. Auch wer nie etwas von Neander gehört hat, kennt seinen Namen – durch den Neandertaler.
Das schönste Erbe dieses Mannes aber, der nicht verheiratet war und keine Kinder hinterlassen hat, der nie eine richtige Pfarrstelle innehatte und noch nicht einmal ordiniert wurde, ist jenes Lied, das nach Luthers fester Burg zum wohl bekanntesten des deutschsprachigen Protestantismus geworden ist, das auch die Ökumene adaptiert hat und das selbst die mitsingen, die nur wenige Male im Leben einen Gottesdienst besuchen: Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren, / Meine geliebete Seele, das ist mein Begehren. / Kommet zuhauf, / Psalter und Harfe, wacht auf, / Lasset den Lobgesang hören!
Werke
Einfältige Bundeslieder und Dankpsalmen, hg. von Rudolf Mohr, Leipzig 2001.
Literatur
Ackermann, Helmut, Joachim Neander. Sein Leben, seine Lieder, sein Tal, 3. Auflage, Düsseldorf 2005.
Krüger, Friedrich, Joachim Neander. Aus seinem Leben und Wirken, Hilden 1957.
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Eberlein, Hermann-Peter, Joachim Neander, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/joachim-neander/DE-2086/lido/57c9527f74a806.15265211 (abgerufen am 06.12.2024)