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Joachim von Ribbentrop war nach dem Ersten Weltkrieg ein erfolgreicher Geschäftsmann und stieg ab 1933 zunächst zu Hitlers außenpolitischem Berater und schließlich zum Reichsaußenminister auf. In diesem Amt handelte er 1939 den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt aus. Als Hauptkriegesverbrecher wurde er am 1.10.1946 in Nürnberg zum Tod verurteilt und dort hingerichtet.
Ulrich Friedrich Willy Joachim Ribbentrop wurde am 30.4.1893 in Wesel als Sohn des Oberstleutnants Richard Ribbentrop und dessen Ehefrau Sophie Hertwig geboren. Den Adelstitel erlangte Ribbentrop erst 1925 nach Adoption durch seine Tante Gertrud von Ribbentrop. Seine Jugend verbrachte er in Kassel und Metz, ehe die Familie 1908 in die Schweiz übersiedelte. Nach einem einjährigem Aufenthalt in England wanderte er 1910 nach Kanada aus. Dort begann der als arrogant, aber vielseitig talentiert geltende Ribbentrop eine Banklehre, wirkte beim Bau der kanadischen Eisenbahn mit und arbeitete 1913 als Journalist in New York. Anfang 1914 eröffnete er in Ottawa einen Import-Export Handel.
Der Beginn des Ersten Weltkrieges veranlasste Ribbentrop dazu, nach Deutschland zurückzukehren und als Kriegsfreiwilliger einem Husarenregiment beizutreten. Ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz erster Klasse, mehrfach verwundet und zum Oberleutnant befördert, wurde Ribbentrop im April 1918 als Adjutant des Bevollmächtigten des Kriegsministeriums nach Istanbul versetzt. Nach Kriegsende gelang dem weltgewandten Ribbentrop im Zivilleben ein zügiger geschäftlicher und gesellschaftlicher Aufstieg. 1920 heiratete er Anneliese Henkell (1896-1973), die Tochter des Berliner Sektfabrikanten Otto Henkell (1869-1929). Ribbentrop übernahm die Leitung der Berliner Niederlassung der Firma seines Schwiegervaters bis 1924 und stieg danach mit seiner eigenen Firma innerhalb kürzester Zeit zu einem der führenden Spirituosenhändler Deutschlands auf.
Von einem monarchistischen Elternhaus geprägt, lehnte Ribbentrop die parlamentarische Verfassung der Weimarer Republik ab. Eine aktive politische Betätigung strebte der erfolgreiche Geschäftsmann zunächst jedoch nicht an. Auch lassen sich in den zwanziger Jahren keine antisemitische Tendenzen feststellen. Zu Beginn der dreißiger Jahre näherte sich Ribbentrop dennoch der NSDAP an, der er 1932 beitrat. Über die Gründe heißt es in seinen Erinnerungen: "Im Laufe des Winters 1930-31 wurde es offensichtlich, dass Deutschland dem Kommunismus verfallen werde. Die einzige Chance, den Kommunismus aufzuhalten, lag nach meiner Überzeugung im Nationalsozialismus."
Im Januar 1933 spielte Ribbentrop bei den Verhandlungen zwischen Adolf Hitler (1889-1945) und Franz von Papen (1879-1969) über die Bildung einer Koalitionsregierung von NSDAP, DNVP und nationalkonservativen, parteilosen Politikern eine wichtige Rolle als Vermittler. Nach seiner Ernennung zum Reichskanzler förderte Hitler die politische Karriere Ribbentrops, dessen Fähigkeiten er für seine Zwecke zu nutzen wusste. Joachim von Ribbentrop hatte sich als geschickter Verhandlungsführer erwiesen, war sprachgewandt und verstand es, sich sicher auf gesellschaftlichem wie politischem Parkett zu bewegen. Neben diesen Vorzügen war Ribbentrop aber vor allem ein bedingungsloser Erfüllungsgehilfe Hitlers, dem er bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in blindem Gehorsam folgte.
Bereits 1934 ernannte ihn Hitler zum "Beauftragten für Rüstungsfragen", 1935 zum "Außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter des Deutschen Reiches". Am 18.6.1935 trug Ribbentrop als Delegationsleiter maßgeblich zur Verwirklichung des Deutsch-Britischen Flottenabkommens bei. Im Dezember 1936 wurde er als Botschafter nach London entsandt, um die von Hitler angestrebte Bündnispolitik mit England zu forcieren, kehrte aber schon 1937, ohne greifbare Erfolge erzielt zu haben, nach Deutschland zurück. Trotzdem ernannte ihn Hitler am 4.2.1938 als Nachfolger Konstantin von Neuraths (1873-1956) zum Außenminister.
Nach dem Scheitern der Bündnisverhandlungen mit England regte Ribbentrop die Bildung eines antibritischen Kontinentalblocks an, der sich mit dem am 27.9.1940 unterzeichneten Dreimächtepakt zwischen Deutschland, Italien und Japan zu verwirklichen schien. Auch die Sowjetunion sollte nach seinen Vorstellungen in ein gegen die USA und England gerichtetes Bündnissystem eingebunden werden. 1939 stellte Ribbentrop sein diplomatisches Geschick bei den Verhandlungen um einen deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt unter Beweis. Die Unterzeichnung dieser Übereinkunft am 23.8.1939 stellte den Höhepunkt seiner politischen Karriere dar und eröffnete Hitler die Möglichkeit militärisch gegen Polen vorzugehen. Die Annahme Ribbentrops, die neue deutsch-sowjetische Allianz würde England davon abhalten, Deutschland nach dem Überfall auf Polen den Krieg zu erklären, erwies sich als fatale Fehleinschätzung.
Die von realpolitischen Erwägungen geprägte Machtpolitik Ribbentrops zeigte sich mit den rassenideologischen Forderungen Hitlers nach "Lebensraum im Osten" als unvereinbar. Auch der Pakt mit der Sowjetunion stellte für Hitler lediglich ein kurzfristiges Zweckbündnis zur Verwirklichung einer lange vorbereiteten Expansionspolitik dar. Joachim von Ribbentrop hingegen hatte versucht, an die Außenpolitik Otto von Bismarcks (1815-1898) anknüpfend, die Machtstellung des Deutschen Reichs durch ein Netz von Bündnissen langfristig zu stärken und auszubauen.
Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs verschlechterte sich das Verhältnis zu Hitler entscheidend. Innerhalb der Führungsriege des nationalsozialistischen Regimes als unfähig geltend, verlor Ribbentrop ohne den Rückhalt Hitlers jeglichen Einfluss auf die außenpolitische Entscheidungen seines einstigen Förderers. Eine Schlüsselrolle kam dem von ihm geleiteten Außenministerium bei der Deportation der europäischen Juden zu.
In Hitlers politischem Testament vom 29.4.1945 blieb Ribbentrop unberücksichtigt. An seiner Stelle wurde Arthur Seyß-Inquart (1892-1946) zum neuen Außenminister ernannt. Nachdem sich Ribbentrop vergeblich bemüht hatte, Anschluss an die provisorische Reichsregierung unter Karl Dönitz zu finden, suchte er Zuflucht bei einem befreundeten Weinhändler in Hamburg, wo er am 14.6.1945 von britischen Soldaten verhaftet wurde. Vor dem Internationalen Militärtribunal in Nürnberg als Hauptkriegsverbrecher angeklagt und schuldig gesprochen, wurde er am 1.10.1946 zum Tod durch den Strang verurteilt. Das Urteil wurde am 16.10.1946 vollstreckt.
Literatur
Bloch, Michael, Ribbentrop, London 1992.
Conze, Eckart/Frei, Norbert/Hayes, Peter/Zimmermann, Moshe, Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik, München 2010.
Kießling, Friedrich, Quellen zur deutschen Außenpolitik 1933-1939, Darmstadt 2000.
Kley, Stefan, Hitler, Ribbentrop und die Entfesselung des zweiten Weltkrieges, Paderborn 1996.
Michalka, Wolfgang, Ribbentrop und die deutsche Weltpolitik 1933-1940 Außenpolitische Konzeptionen und Entscheidungsprozesse im Dritten Reich, München 1980.
Weber, Reinhold W., Die Entstehungsgeschichte des Hitler-Stalin-Paktes 1939, Frankfurt a. M. 1980.
Weitz, John, Joachim von Ribbentrop. Hitlers diplomat, London 1997.
Online
Joachim von Ribbentrop in der Datenbank der deutschen Parlamentsabgeordneten (Informationsportal der Bayerischen Staatsbibliothek). [Online]
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Thomann, Björn, Joachim von Ribbentrop, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/joachim-von-ribbentrop/DE-2086/lido/57cd1e3dd4f6c3.12210230 (abgerufen am 06.12.2024)