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Der niederländische Künstler Johan (Jan) Thorn Prikker, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts ins Rheinland zog und später auch die deutsche Staatsangehörigkeit annahm, gilt als großer Monumentalkünstler und Wegbereiter der modernen Glasbildkunst. Bereits in den 1920er Jahren - auf dem Höhepunkt seines Erfolges - konnte er auf ein umfangreiches Schaffen zurückblicken, das zum Teil in den Niederlanden entstanden war. Thorn Prikkers Werk ist vielseitig und umfasst neben den berühmten Glasfenstern, den monumentalen Wandmalereien und Mosaiken auch Ölgemälde und Handzeichnungen, Textilien, Möbel, Lampen, Dekorationsgegenstände, Plakate und Buchillustrationen.
Thorn Prikker wurde am 5.6.1868 in Den Haag geboren, wo sein Vater ein Geschäft für Malerbedarf führte und als Dekorationsmaler und Kunstverglaser tätig war. Vermutlich wegen dieser familiären Prädisposition wurde der junge Thorn Prikker bereits mit 13 Jahren in die Malereiklasse der Haager Academie van Beeldende Kunsten aufgenommen, aber schon 1887 wegen mangelnder Disziplin und ungebührlichen Betragens der Schule verwiesen. Nach malerischen Anfängen im Stile der Schule von Barbizon bewegte sich der widerständige Freigeist als freischaffender Künstler in den Kreisen der Symbolisten und Neoimpressionisten und entwickelte einen sehr eigenständigen Stil.
Ende der 1880er Jahre befreundete er sich eng mit dem Kunsthistoriker Henk Bremmer (1871-1956) sowie dem Maler Jan Toorop (1858-1928) und dem Dichter Henri Borel (1869-1933). Wie diese hegte Thorn Prikker eine Vorliebe für mystisch-religiöse Sujets: Christus- und vor allem Mariendarstellungen, die eher ungewöhnlich in dem protestantischen Umfeld Amsterdams und Den Haags waren. Nach ersten Ausstellungen in den Kunstvereinen und Künstlerhäusern vor Ort, konnte er schließlich einige Werke bei der Avantgarde-Gruppe der XX (Les Vingt) in Brüssel zeigen, darunter sein Gemälde „Die Braut“ (1892, Rijksmuseum Kröller-Müller, Otterlo). In Belgien knüpfte er inspirierende neue Kontakte und begann sich mit politischen Themen zu beschäftigen. Er las die Schriften des russischen anarchistischen Revolutionärs, Natur- und Gesellschaftswissenschaftlers Peter Kropotkin (1842-1921) und hinterfragte die traditionelle Rolle des Künstlers in der modernen Industriegesellschaft. Als er früh die Arbeiten des damals noch wenig bekannten Malers Vincent van Gogh (1853-1890) kennenlernte, half er erste Ausstellungen zu dessen Ehren in Amsterdam und Groningen mit zu organisieren.
Angeregt durch den Freund Henry van de Velde (1863–1957), wendete er sich um 1896 der angewandten Kunst zu, von der er sich versprach, dass sie auch das einfache Volk erreichen und nicht wie die Staffeleimalerei im Kreis der Reichen oder Intellektuellen verharren möge. Seine ersten Arbeiten mit diesem neuen Ziel sind Gebrauchsgraphiken, vor allem Plakate und Illustrationen für Zeitschriften und Bücher (heute zum Beispiel. in der Sammlung des Rijksbureau voor Kunsthistorisch Documentatie, Den Haag).
Seine finanzielle Lage war prekär, der Künstler lebte in äußerst ärmlichen Verhältnissen. Zusammen mit seiner Verlobten und späteren ersten Frau Lena Spree (geboren 1899) experimentierte er mit der indonesischen Batiktechnik, um von dem Verkauf der Textilien leben zu können. Für die Vermarktung seiner Entwurfsarbeiten gründete er 1898 zusammen mit Chris Wegerif (1859-1920) einen Kunsthandel mit dem programmatischen Namen „Arts and Crafts“. Ganz im Sinne der gleichnamigen englischen Kunstgewerbebewegung wehrte er sich gegen die industrielle Massenproduktion von Möbeln und Gegenständen des täglichen Gebrauchs. Sie galten in den Kreisen der Reformer sowohl in der Qualität der Verarbeitung als auch in der Gestaltung als minderwertig. Dem Ideal verpflichtet, dass das Umgehen mit schönen und solide hergestellten Produkten den Konsumenten wie den Arbeiter beglücken und bereichern sollte, wollte Thorn Prikker im Geschäft eigene Arbeiten und die von befreundeten Künstler verkaufen und im angegliederten Batikatelier Stoffe nach eigenen Entwürfen anfertigen lassen.
Als Lena Spree – das Paar hatte 1898 geheiratet - zusammen mit dem Neugeborenen im Kindbett starb, flüchtete Thorn Prikker verzweifelt in die Abgeschiedenheit der belgischen Ardennen. Nach zwei erfolgreichen Jahren ging so auch die Zusammenarbeit mit Chris Wegerif in die Brüche. In Visé fand der Witwer zögerlich zur freien Kunst zurück, wie seine Serie neoimpressionistischer Landschaftszeichnungen (Les Xhorres, Stedelijk Museum Amsterdam, um 1900) dokumentiert. Linien- und Farbtheorien beschäftigen ihn in dieser Zeit sehr.
Zurück in Den Haag bot ihm der befreundeten Hautarzt Willem Leuring (1864-1936) die Gelegenheit, Möbel und ein Wandbild für seine Villa „De Zeemeeuw“ zu entwerfen. Thorn Prikker hatte zuvor Henry van de Velde als Architekten empfohlen. Das als Gesamtkunstwerk konzipierte Haus ist ein typisches Beispiel für den europäischen Jugendstil. Das Gebäude und das monumentale Wandgraffito im Treppenhaus sind erhalten.
1902 übernahm Thorn Prikker die künstlerische Leitung des neugegründeten Einrichtungshauses "Binnenhuis Die Haghe" - wiederum mit angeschlossener Möbelwerkstatt und Batikatelier -, das auf der niederländischen Abteilung der ersten Internationalen Ausstellung für Moderne Dekorative Kunst in Turin vertreten war. (Esszimmereinrichtung heute im Gemeentemuseum Den Haag). Ein Jahr später heiratete Thorn Prikker Berta Cramer und zog mit ihr nach Rijswijk.
Die Bekanntschaft mit Friedrich Deneken (1857-1927), Direktor des Kaiser Wilhelm Museums in Krefeld, erleichterte Thorn Prikker den Abschied von den Niederlanden, wo er wegen seines "unholländischen" Stils immer wieder angefeindet wurde. Mit Möbeln, Batiken und der Gestaltung des Ausstellungsplakats beteiligte er sich 1903 zunächst an der „Holländischen Kunstausstellung“ im Krefelder Kaiser Wilhelm Museum (Plakat unter anderem dort überliefert). Deneken verschaffte ihm kurze Zeit später eine Anstellung an der dortigen Kunst- und Handwerkerschule (heute Fachhochschule Niederrhein): Der Niederländer zog daraufhin mit seiner Frau in die Samt- und Seidenstadt am Niederrhein.
Als Lehrer war er für die Bereiche Dekorative Malerei, Naturstudien und Lithographie verantwortlich, gleichzeitig beriet er Deneken bei der Ausstellungsgestaltung und in künstlerischen Fragen. Er erhielt zudem Gelegenheit, Stoffmuster für die Krefelder Textilindustrie zu entwerfen, ließ aber auch einzelne Bildwirkereien und Stickereientwürfe nach eigenen Motiven in Heimarbeit ausführen (zum Beispiel „Die drei Eisheiligen“, Gobelin, heute im Bröhan Museum Berlin). Nach einer Italienreise zu den Fresken Giottos (1266-1337) widmete er sich verstärkt der Wandmalerei, zunächst in linienbetonten, sehr farbstarken Werken, dann nach einem Studienaufenthalt im dänischen Viborg in erdfarbenen monochromen Malereien. Religiöse Sujets dominieren auch hier. Erhalten sind aus diesen Jahren vornehmlich Kartons, wie der Wettbewerbsentwurf für ein Wandgemälde im Krefelder Amtsgericht („Die Trauung“ 1909, Kunstmuseen Krefeld). Realisierte Wand- und Deckenmalereien jener Zeit, wie die Dekorationen für ein Ausflugslokal auf dem Hülser Berg bei Krefeld sind kaum erhalten geblieben.
Thorn Prikker machte sich schnell als charismatischer Lehrer einen Namen, der seine Schüler nicht zur Nachahmung historischer Stile, sondern zur Findung eines eigenen, modernen Formensprache anhielt. Er förderte viele junge Künstler und Kunstgewerbler, darunter Heinrich Campendonk (1889-1957), Helmuth Macke (1891-1936), Heinrich Dieckmann (1890-1963) und Wilhelm Wieger (1890-1964).
Durch die enge Zusammenarbeit mit Deneken machte Thorn Prikker Bekanntschaft mit vielen künftigen Förderern, Auftraggebern und Kollegen, darunter Peter Behrens (1868-1940), den umtriebigen Direktor des Folkwangmuseums Karl Ernst Osthaus (1874-1921), den kunstbegeisterten katholischen Priester Joseph Geller (1877-1958) aus Neuss und dem reformfreudigen Leiter der Berliner Werkstätten für Glasmalerei, Gottfried Heinersdorff (1883-1941). Heinersdorff, stets interessiert an modernen Glasfensterentwürfen, bat Thorn Prikker noch im gleichen Jahr, sich in diesem für ihn neuen Medium zu versuchen. Die ersten erfolgreichen Projekte einer langjährigen Zusammenarbeit waren die Fenster für die Kapelle des Neusser Gesellenhauses und das monumentale Glasfenster „Der Künstler als Lehrer von Handel und Gewerbe“ im Hagener Hauptbahnhof (vollendet 1911). Das Thema des maßgeblich von Osthaus initiierten und heute noch am Ort erhaltenen Fensters illustriert das Motto des "Deutschen Werkbunds", dem Thorn Prikker ebenfalls beigetreten war.
Im November 1910 ließ sich der Künstler auf Betreiben von Osthaus in Hagen nieder. Die Stadt war seit der Gründung des Folkwang Museums zu einem Zentrum des Jugendstils und der modernen Kunst geworden. Osthaus vermittelte als Mäzen und Netzwerker den von ihm protegierten Künstlern Aufträge und unterstützte sie finanziell. Thorn Prikker konnte daher unter anderem sehr günstig ein eigenes Wohnhaus mit Atelier erwerben. Das in unmittelbarer Nähe des Hohenhofs erhaltene Haus wurde von seinem Landsmann Mathieu Lauweriks (1864-1932) entworfen.
Auf der Kölner Sonderbundausstellung des Jahres 1912 stellte Thorn Prikker auf Initiative von Heinersdorff und Osthaus erstmals seine expressiven Chorfenster für die Dreikönigenkirche in Neuss aus. Sie wurden in einem von Erich Heckel (1883-1970) und Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938) dekorierten Kapellenraum gezeigt. Damals hoch umstritten und nach einem Veto des Kölner Erzbischofs Felix von Hartmann erst 1919 an ihrem Bestimmungsort eingebaut, machte die öffentliche Diskussion den Künstler in ganz Deutschland bekannt. Diese Fenster gelten bis heute als Hauptwerke expressionistischer Glasmalerei.
Thorn Prikkers Glasfenster zeichnen sich durch eine besondere Qualität aus, denn er entwarf sie nicht nur auf dem Papier, sondern befasste sich ausgiebig mit den spezifischen Eigenschaften des transparenten und leuchtstarken Materials. Mit großem Ehrgeiz eignete er sich die handwerkliche Technik der sogenannten musivischen Glasmalerei - durchgefärbte Glasstücke werden mithilfe von Blei zu einem Motiv zusammengesetzt - so erfolgreich an, dass er materialgerecht und innovativ damit umgehen konnte. Begeistert von dem Material begann er kurze Zeit später mit Entwürfen für Glasmosaik. Die Glasmalereiwerkstatt von Heinersdorff in Berlin war mit den Mosaikwerkstätten Puhl & Wagner fusioniert und eröffnete damit auch für Thorn Prikker ein neues Wirkungsfeld. Das Mosaik „Madonna mit Kind“ (heute in der Kirche St. Georg in Köln) war eine erste Fingerübung im neuen Medium, das noch die Nähe zu byzantinischen Vorbildern aufweist. In späteren Arbeiten – wie den Mosaiken Musik und Tanz (Fragment im Osthaus Museum Hagen erhalten), den Mosaiken zur Ehrung der Gefallenen der Kriegsjahre oder dem „Herz Jesu“ von 1922 (Museum Boijmans van Beuningen Rotterdam) gelang ihm jedoch die souveräne Beherrschung des Materials, dessen Entwurfsverfahren auf gerastertem Papier einerseits dem Textil- und Fensterentwurf und andererseits in der Farbdivision mit seinen neoimpressionistischen Arbeiten verwandt ist.
1913 konnte der Künstler erneut einen Lehrauftrag für dekorative und monumentale Malerei übernehmen. Drei Jahre unterrichtete er an der Essener Kunstgewerbeschule, wo unter anderen Josef Albers (1888-1976) zu seinen Schülern gehörte. Immer wieder war er mit seinen Glasfenstern auf Ausstellungen in ganz Deutschland vertreten: Noch kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges beteiligte er sich mit mehreren Arbeiten an der einflussreichen Kölner Werkbundausstellung. 1919 zog Thorn Prikker mit seiner Frau und seinen drei Kindern nach Überlingen am Bodensee, um dort mit einer neuen Glaswerkstatt zusammenzuarbeiten. Kurz darauf berief ihn Richard Riemerschmid (1868-1957) für die Klasse "Wandbild, Glas und Mosaik" an die Münchener Kunstgewerbeschule.
Inzwischen erhielt Thorn Prikker ausreichend Aufträge für Glasfenster und Mosaik, entwarf aber auch Edelholzintarsien und malte monumentale Wandbilder für Auftraggeber in Deutschland und den Niederlanden, wie die Zyklen „Die Lebensalter“ im Marmorsaal des Krefelder Kaiser Wilhelm Museums und die Serie im Bürgersaal des Rotterdamer Rathauses.
Thorn Prikker blieb aber insbesondere im Rheinland gut vernetzt. 1924 wurde Thorn Prikker von Wilhelm Kreis als Professor an die Düsseldorfer Kunstakademie berufen. Durch diese privilegierte Position erhielt er die Gelegenheit, an einigen Großprojekten mitzuarbeiten, darunter 1926 an der Ausstellung Gesundheit, Soziales und Leibesübungen (GeSoLei) in Düsseldorf. Wilhelm Kreis errichtete die Ausstellungsgebäude 1925 als Ehrenhof am Düsseldorfer Rheinufer. In diesem Komplex befindet sich heute auch das Museum Kunstpalast. Die gelungene Materialbehandlung dieser Monumentalwerke, die formal und inhaltlich auf die Struktur und die Farbgebung der Architektur Bezug nehmen, machen überdies deutlich, dass Thorn Prikker das Ideal eines Gesamtkunstwerks im Dienste des Volkes weiterentwickelte, auch wenn er in der Zwischenzeit Technik und Medium gewechselt hatte.
1926 wurde Thorn Prikker schließlich auf Einladung von Richard Riemerschmid Leiter der Abteilung für Mosaik, Glasmalerei und Wandbildentwurf an den Kölner Werkschulen. Nachdem er in den Jahren zuvor vorrangig architekturgebundene Werke für Privatleute, Wirtschaftsunternehmen und Kommunen geschaffen hatte, wie die Fenster für die Essener Börse oder die erhaltenen Mosaike in der Stadthalle von Mülheim an der Ruhr, führt der Wechsel in die katholische Domstadt und die enge Zusammenarbeit mit Dominikus Böhm, Kirchenbaumeister und Leiter der Architekturklasse an den Werkschulen, zu einer verstärkten Entwurfstätigkeit für den Sakralbau. Thorn Prikker hatte mit seinen Arbeiten bereits seit 1893 die Aufnahme in einen Kirchenraum angestrebt. In Briefen zitierte er den okkulten Rosenkreuzer Sâr Péladan (1858-1918): "Hors des religions il n’y a pas de grand art." (Briefe an Henri Borel vom 15.2.1893 und von Februar 1895).
Aus der Vielzahl von Mosaiken – wie „Das letzte Abendmahl“ in der Haager Duinoordkerk und den vielen Kirchenfenstern ragen die (zerstörten) Verglasungen des spektakulären Kirchenumbaus von St. Johann Baptist in Neu-Ulm durch Dominikus Böhm 1922-1926 und der Auferstehungskirche von Otto Bartning (1883-1959) in Essen – beide zwischen 1927 und 1930 entstanden – sowie die Neugestaltung von St. Georg in Köln (1931) als Hauptwerke heraus. Der überzeugende Dialog zwischen der bestehenden romanischen Architektur und den hochmodernen Glasfenstern, die Thorn Prikker für St. Georg 1928 entwarf und in der eigenen Kölner Werkstatt ausführte, ist charakteristisch für seine Kunst. Diese nach dem Zweiten Weltkrieg rekonstruierten Fenster zeugen von einem tiefen Verständnis sowohl für die mittelalterliche Lichtmystik als auch für die moderne christozentrische Liturgie seiner Zeit und dies lässt sich besonders in der prächtigen Farbgebung sowie der reduzierten Symbol- und abstrakt-figürlichen Bildsprache nachvollziehen.
Thorn Prikker legte, im Unterschied zu den künstlerischen Zielen der Expressionisten, Wert auf die Lesbarkeit der von ihm verwendeten Symbole und auf eine Farbgebung, deren Ausdruckskraft weniger in Subjektivität als in einer Steigerung einer tradierten Ikonographie zu suchen ist. Auch aus diesem Grund blieb das Figurative in seinem Werk erhalten, trotz abstrahierender und geometrisierender Tendenzen in den späteren Werken. In Verbindung mit seiner Vorliebe für das transzendierende Lichtmedium Glas schuf dies die Voraussetzung, dass er zum wichtigsten Auftragskünstler für die Katholische Kirche wurde, für die er neben Kirchenfenstern auch Paramente, Kirchenfahnen sowie liturgisches Gerät entwarf.
Viele seiner architekturgebundenen Arbeiten sind nur fragmentarisch als Entwürfe oder Probestücke erhalten und der ursprüngliche Gesamteindruck ist oft nur anhand von historischen Aufnahmen und Archivmaterial zu rekonstruieren. Die Liste der zerstörten Bauten und Werke ist lang: hier seien nur die 23 Glasfenster für das Verwaltungsgebäude der Gutehoffnungshütte in Oberhausen (1924), die figürlichen Wandbilder und Ornamentdekorationen im Hauptgebäude der Firma Philips in Eindhoven (1927-1930) und die Gesamtverglasung von St. Johann Baptist in Neu-Ulm (1927) genannt. Obwohl andere am Ort erhalten sind, wurden sie bis auf wenige Ausnahmen, wie die Glasfenster in der Neusser Dreikönigenkirche, die Mosaike im Düsseldorfer Ehrenhof oder die Wandbilder im Rotterdamer Rathaus nach Thorn Prikkers Tod vergessen, verborgen oder befinden sich in desolatem Zustand. Einige wichtige Werke wurden glücklicherweise bereits in den 1950er und 1960er Jahren restauriert oder nach Zerstörung neuausgeführt – wie der Fensterzyklus in der Kapelle der Beatae Mariae Virginis-Schule (BMV-Schule) in Essen (1931).
Gerade in den letzten beiden Jahrzehnten entdeckten private Initiativen und kirchliche Einrichtungen in Rückbesinnung auf ihre eigene Geschichte auch Thorn Prikker wieder. So wurden das Bahnhofsfenster und das Wohnhaus des Künstlers in Hagen restauriert. Auch die drei großen Fenster in der Klosterschule in Ilfeld im Harz (1927) und das Mosaik in der Altkatholischen Friedenskirche in Essen (1916) sind inzwischen gereinigt und instandgesetzt. Private Spenden und die erhaltenen Kartons im Krefelder Kaiser Wilhelm Museum, wo sich heute der künstlerische Nachlass befindet, ermöglichten zwischen 1999 und 2008 die Rekonstruktion der kompletten Verglasung der Essener Auferstehungskirche (1928) und der drei Symbolfenster der Krefelder Synagoge (1922). Eine Rekonstruktion der Fenster in Neu-Ulm ist in Planung.
Johan (Jan) Thorn Prikker starb am 5.3.1932 in Köln. Die Monographie des Künstlers und ein Werkverzeichnis stehen noch aus. 2010 war ihm eine große Retrospektive im Museum Boijmans van Beuningen in Rotterdam gewidmet, 2011 eine Ausstellung im Museum Kunstpalast in Düsseldorf statt. 1949 stiftete die Stadt Krefeld die Thorn-Prikker-Ehrenplakette für Künstler aus dem niederrheinischen Raum, deren Verleihung mittlerweile eingestellt wurde. In Hagen, Köln und Krefeld tragen Straßen seinen Namen.
Quellen
Der Nachlass befindet sich im Kaiser Wilhelm Museum der Kunstmuseen Krefeld.
Joosten, Joop M. (ed.), De Brieven van Johan Thorn Prikker aan Henri Borel en anderen 1892–1904. Met ter inleiding fragmenten uit het dagboek van Henri Borel 1892-1892, Nieuwkoop 1980.
Literatur
Greer, Joan E., The Artist as Christ: the image of the artist in The Netherlands, 1885-1902, with a focus on the christological imagery of Vincent van Gogh and Johan Thorn Prikker"; Dissertation, Freie Universität Amsterdam 2000.
Heiser, Christiane, Kunst, Religion, Gesellschaft. Johan Thorn Prikker. Das Werk zwischen 1890 und 1912. Vom niederländischen Symbolismus zum Deutschen Werkbund, Dissertation Groningen 2008.
Heiser, Christiane, Mystische Schau, Kaleidoskop oder moderne Kunst? Die Glasfenster in der Kapelle der Kölner Sonderbundausstellung 1912 und die Durchsetzung einer religiösen Moderne im Rheinland, in: Cepl-Kaufmann, Gertrude/Grande, Jasmin/Mölich, Georg (Hg.), Rheinisch! Europäisch! Modern! Netzwerke und Selbstbilder im Rheinland vor dem Ersten Weltkrieg, Essen 2013.
Johan Thorn Prikker. Mit allen Regel der Kunst - Vom Jugendstil zur Abstraktion, hg. von Christiane Heiser u. Mienke Simon Thomas, Museum Boijmans van Beuningen/Museum Kunstpalast, Rotterdam/ Düsseldorf 2010/2011.
Schildt-Specker, Barbara, Der niederländisch-deutsche Künstler Johan Thorn Prikker als Textildesigner des Klerus, in: Rhein-Maas. Studien zur Geschichte, Sprache und Kultur 3 (2012), S. 206–224.
Heiser, Christiane, "Wirklich, große Flächen und Fenster liegen mir so gut". Johan Thorn Prikker, Josef Albers und die Klasse für Monumentalmalerei der Essener Kunstgewerbeschule 1913-1917, in: Breuer, Gerda/Bartelsheim, Sabine/Oesterreich, Christopher (Hg.), Lehre und Lehrer an der Folkwangschule für Gestaltung in Essen. Von den Anfängen bis 1972, Tübingen 2012, S. 66-75.
Online
Greer, Joan E., Johan Thorn Prikker’s Mural for De Zeemeeuw. Community Art, Mysticism, and the Socio-Religious Role of the Dutch Artist/Designer, in: Nineteenth-Century Art Worldwide 11/1 (Spring 20112). [online]
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Heiser, Christiane, Johan Thorn Prikker, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johan-thorn-prikker/DE-2086/lido/5cff93e982fdd9.71994144 (abgerufen am 06.12.2024)