Zu den Kapiteln
Johann Claudius von Lassaulx war Bauinspektor, Architekt und Denkmalpfleger aus Koblenz. Seine zahlreichen Bauwerke in der Region des Mittelrheins zeichnen ihn als bedeutenden Vertreter des Frühhistorismus aus.
Johann Claudius von Lassaulx wurde am 27.3.1781 als ältestes von sieben Kindern des Juristen Peter Ernst von Lassaulx (1757-1809) und Anna Barbara Welter (1756-1799) in Koblenz geboren. Sein Vater, ab 1753 als Hochgerichtsschöffe in Trier nachweisbar, wurde 1768 von Kurfürst Clemens Wenzeslaus zum Wirklichen Geheimen Rat ernannt; ab 1782 war er Syndikus der kurtrierischen Landstände, ab 1780 Hochgerichtsschöffe in Koblenz und ab 1790 dort Bürgermeister. In dieser Funktion verhandelte er 1792 mit dem General der französischen Besatzungstruppen über die Schonung der Stadt, was ihm von dem noch amtierenden Kurfürsten als Hochverrat ausgelegt wurde und zu seiner Inhaftierung führte. 1801 rehabilitiert, wurde er zum Syndikus der rechtsrheinischen trierischen Landstände und Amtmann von Ehrenbreitstein ernannt; als Entschädigung erhielt er den Niederlahnsteiner Hof des ehemaligen Prämonstatenserklosters Arnstein an der Lahn. Im engeren Familienkreis verkehrten die angesehensten Persönlichkeiten der Stadt sowie der Kunst- und Architekturhistoriker und maßgebliche Förderer des Kölner Dombaus, Sulpiz Boisseré, der Publizist Joseph Görres und der Dichter Clemens Brentano, deren Gedankengut die Jugend von Johann Claudius prägten.
Johann Claudius besuchte das Koblenzer Gymnasium, wo er 1793 als Klassenbester ein so genanntes „Goldenes Buch“ erhielt. 1798 begann er, in Würzburg Jura zu studieren, wandte sich aber nach drei Semestern der Medizin zu und beendete sein Studium nach elf Semestern ohne Abschluss im Jahre 1803. Am 12.2.1804 heiratete er Anna Maria Müller (1780-1855) aus Würzburg und ließ sich in Koblenz nieder. Aus der Ehe gingen neun Kinder hervor, von denen zwei Söhne, Otto (1806-1897) und Hermann (1808-1868) von Lassaulx, ebenfalls Architekten wurden. Die Tochter Amalie Katharina trat in den Orden der Borromäerinnen ein und wurde Oberin des Johannishospitals in Bonn, Sohn Peter Ernst (1805-1861) wurde ein bekannter klassischer Philologe, Geschichtsphilosoph und Politiker.
Um sich eine Existenz zu verschaffen, übernahm Johann Claudius die vermutlich schon von seinem Vater während der Kriegsjahre etablierte Essigsiederei in Lützel (heute Stadt Koblenz) und arbeitete in der Blech- und Metallwarenfabrik von Schaffhausen und Dietz in Koblenz, wo er sich die Kunst des Münzprägens aneignete. Daneben suchte er Handwerkerwerkstätten und die Bauplätze der Maurer und Zimmerleute auf. Zusammen mit seinem Vetter, dem Schriftsteller und Anwalt Franz von Lassaulx (1781-1818), wurde Johann Claudius 1808 zum Direktor des „Casinos“ gewählt, zu jener Zeit geistiger und gesellschaftlicher Mittelpunkt von Koblenz. Während Franz von der französischen Verwaltung zum Professor an die Juristenschule in Koblenz berufen wurde, erhielt Johann Claudius 1812 eine Ernennung zum Kreisbaumeister, obwohl er auf diesem Gebiet keine Ausbildung hatte.
Auf dem Wiener Kongress 1815 fielen die ab 1830 als Rheinprovinz bezeichneten rheinischen Gebiete an das Königreich Preußen. Koblenz wurde Sitz des Oberpräsidiums und eines Regierungspräsidiums. Lassaulx wurde 1816 von der preußischen Verwaltung zum Stadt- und Bezirksbauinspektor berufen (1817 verbeamtet). Lassaulx und sein Konkurrent, Ferdinand Nebel, waren für den Hochbau zuständig. Ihr Aufgabenbereich umfasste Entwürfe und Bauausführungen öffentlicher Gebäude und Einrichtungen. Lassaulx betreute die Stadt und den Landkreis Koblenz, ab 1831 auch die Landkreise St. Goar, Simmern und Kreuznach. Daneben wirkte er als Städtischer Baumeister in Koblenz, war Mitglied der Baukommission (Prüfung von Baugesuchen), für kurze Zeit auch „Festungsbau-Commisair.“ Weit bedeutender jedoch waren seine Arbeit als Architekt von Kirchen- und Profanbauten sowie als Denkmalpfleger.
Nach der Neuordnung der katholischen Bistümer in Preußen durch die Bulle „De salute animarum“ vom 1.7.1821 durch Papst Papst Pius VII. (Pontifikat 1800-1823) kam es unter dem Trierer Bischof Josef von Hommer und seinen Nachfolgern zu einem regen Kirchenbau im Bistum Trier. Lassaulx führte in seinem Wirkungskreis rund 20 Kirchen neu auf und bestimmte wesentlich deren Innenausstattung, von Altarentwürfen über Orgelprospekte bis hin zur großflächigen Ausmalung.
Mit der Einführung der Schulpflicht in der Rheinprovinz 1825 bestand zudem ein großer Bedarf an Schulgebäuden. Bis 1834 wurden allein 20 Schulen von Lassaulx errichtet; daneben baute er Teile des ehemaligen Gebäudes des Oberpräsidiums der Rheinprovinz (1894 abgebrochen) und das Rheinmuseum in Koblenz, des Weiteren Pfarrhäuser, Hospitäler und Wohnhäuser, darunter sein eigenes in der Koblenzer Schlossstraße mit der Hausnummer 9 (nicht erhalten).
Seiner Arbeit als Denkmalpfleger, der er in einem Umkreis von Aachen bis St. Goar nachging, sind nicht nur präzise Bauaufnahmen zahlreicher Kirchen und Gebäude zu verdanken, sondern auch weitreichende Restaurierungsmaßnahmen: Von der gotischen Kirche St. Florin (1819-1821) bis zum romanischen Bau von St. Kastor (1830,1848) in Koblenz, von der Rekonstruktion der mittelalterlichen Burgruinen Rheinstein bei Trechtinghausen (1825-1829), Rheineck (1832-1836) bei Bad Breisig und des legendären Königsstuhls bei Rhens (1842-1843) bis zur kompletten Translozierung der staufischen Kapelle St. Georg der ehemaligen Deutschordenskommende Ramersdorf auf den Alten Friedhof in Bonn (1846-1847).
Denkmalpflege und Neubauten durchdringen sich im Schaffen von Lassaulx. Schlug sich das Studium mittelalterlicher Bauwerke unmittelbar in den Neubau-Entwürfen nieder, so scheute er sich auch nicht, seine architektonischen Neuerungen entgegen der Stilreinheit in seine Restaurierungsvorhaben einzubringen.
Lassaulx vertrat die Auffassung, das Aufkommen des gotischen Stils habe den der Romanik unterbrochen, entsprechend bedürfe die Romanik der Weiterentwicklung und der Vollendung, dem er in seinen Werken Rechnung tragen wollte. Das hielt ihn aber nicht davon ab, Stilmittel aus anderen Epochen, selbst die des unter Historisten verpönten Barocks („Zopfstil“), da konsequent anzuwenden, wo er sie als wirkende Kraft einsetzen konnte. So trägt sein architektonisches Werk ganz eigene, aus verschiedenen Stilrichtungen kombinierte Züge.
Bediente er sich bei seinen frühen Kirchbauten überwiegend gotischer Zierformen, so wandte er ab der Mitte der 1820er Jahre bevorzugt romanische Bauelemente an, die in der Pfarrkirche in Güls (heute Stadt Koblenz) aus dem Jahre 1832, insbesondere in der Entwicklung der überwölbten Hallenform, einen Höhepunkt erreichten. Seine auf mittelalterliche Kuppelkonstruktionen zurückgreifenden „Studien zur Gewölbekonstruktion ohne Lehrgerüst“, 1829 auf Deutsch, 1831 auf Englisch und 1833 auf Französisch publiziert, waren ein wesentlicher und bei seinen Kollegen allseits anerkannter Beitrag zur Entwicklung der Architektur in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Die markante Gestaltung der Außenfassaden mit großen Rundbogenfenstern, rhythmischen Segmentbogenfriesen, Blendbögen, Lisenen und Zierfriesen lassen an zahlreichen Gebäudetypen die Handschrift Lassaulx' erkennen, besonders auffällig ist die Anwendung einer facettenreichen, auf byzantinische und italienische Vorbilder zurückgreifenden „Strukturpolychromie“, in der die unterschiedliche Farbigkeit des heimischen Steinmaterials konsequent zur ornamentalen Belebung von Fassaden eingesetzt wurde. Die Pfarrkirche St. Arnulph in Nickenich (1846-1849) kann hier als herausragendes Beispiel genannt werden. Ein weiteres Charakteristikum für Kirchenbauten der 1820er und 1830er Jahre war ein sehr hoher, spitzer Turmhelm, der so genannte „Lassaulxsche Zahnstocher“.
Lassaulx´ unermüdlicher Erfindungsgeist und die daraus resultierenden technischen Neuerungen für Bau und Ausstattung seiner Architekturen reichen von der Entwicklung von Freischwebetreppen, Konstruktionen eiserner Stubenöfen, Feuerspritzen, Badeanlagen oder auch Bodenfliesen bis hin zur Verbesserung von Windwerken, Schaufelrädern, Wasserpumpen, Kaminrohren und der Aufhängung von Kirchenglocken.
In der Literatur wird Lassaulx heute als einer der bedeutendsten Architekten der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts genannt, obwohl ihm, im Gegensatz zu seinem Freund und Vorgesetzten, dem preußischen Baumeister und Architekten Karl Friedrich Schinkel (1781-1841), eine adäquate Würdigung lange versagt blieb und sein individueller Architekturstil keine Nachahmer fand.
Der hochgebildete Lassaulx, der eine umfassende Bibliothek besaß und der sich auf Reisen nach Düsseldorf, Berlin und Paris einen großen Bekanntenkreis unter Malern, Handwerken und Architekten schuf, der zahlreiche Schriften über seine Baukonstruktionen in internationalen Zeitschriften veröffentlichte und ein unschätzbares Konvolut von Bauzeichnungen und Bauaufnahmen historischer Gebäude hinterließ, hat durch sein Wirken als Architekt und Denkmalpfleger die Region des Mittelrheins nachhaltig geprägt.
Die Gemeinde Weißenthurm, der er 1836-1838 eine neue Pfarrkirche nicht nur unentgeltlich, sondern auch unter Einsatz seiner persönlichen Mittel errichtete und ausstattete, widmete Lassaulx im Koblenzer Tagblatt vom 26.10.1848 einen ausführlichen Nachruf und stiftete ihm ein Familiengrab auf dem Weißenthurmer Friedhof, wo er, seine Frau und seine Tochter Amalie Katharina beigesetzt wurden.
In Koblenz-Güls sind Lassaulx eine Straße und ein Platz gewidmet.
Werke
Beschreibung des Verfahrens bei Anfertigung leichter Gewölbe über Kirchen und ähnlichen Räumen, in: Journal für die Baukunst, Band 1, Heft 4, Berlin 1829. S. 317-318; auch in: Journal of the Royal Institute, London 1831 sowie in: Journal du génie civile, Paris 1833.
Beschreibung der in Moselgegenden üblichen Lehrbogen für Kellergewölbe, so wie einer einfacherern Verfertigung der letztern, in: Journal für die Baukunst, Band 1, Heft 4, Berlin 1829, S. 418-419.
Beschreibung einiger Einrichtungen an einem neuern holländischen Schaufelwerke, in: Journal für die Baukunst, Band 1, Heft 4, Berlin, 1829, S. 429-430.
Beschreibung einer leichten Methode, die Kosten beabsichtigter Bauten mit Zuverlässigkeit zu ermitteln, nebst 2 Tabellen, in: Rheinische Provinzialblätter 2, Köln 1834, S. 7ff.
Architektonisch-historische Berichtigungen und Zusätze, in: Klein, J. A., Rheinreise von Straßburg bis Amsterdam. 2. Auflage mit Architektonisch-historischen Bemerkungen über die Bauwerke am Rhein von dem k. preuß. Bauinspektor von Lassaulx, Koblenz 1836, S. 439-440.
Nachricht von einer zu Treis an der Mosel neu erbauten Kirche, in: Rheinische Provinzialblätter 2/4, Köln 1835, S. 27ff., sowie in: Allgemeine Bauzeitung, Nr. 31, Wien 1836, S. 241-243.
Nachricht von einer Verbesserung der eisernen Stubenöfen, sowie einiges über enge Schornsteinröhren, in: Allgemeine Bauzeitung, Nr. 23, Wien 1836, S. 177-183, in: Zeitschrift für praktische Baukunst, Leipzig 1847, S. 434.
Über einige Verbesserungen an Krahnen und sonstigen Windewerken, in: Allgemeine Bauzeitung, Nr. 28, Wien 1836, S. 220.
Beschreibung der Badeanstalt in dem Bürgerhospital zu Koblenz, in: Allgemeine Bauzeitung, Nr. 35, Wien 1836, S. 273-275.
Die Matthias-Kapelle auf der oberen Burg bei Kobern an der Mosel. Beschrieben von Ernst Dronke und Johann Claudius von Lassaulx, Koblenz 1837.
Lettre Adressée à M. de Caumont, par M. de Lassaulx, in: Bulletin monumental, Paris 1838, S. 458ff.
Beschreibung einer neuen Art Mosaik aus Backsteinen. Abgedruckt aus den Verhandlungen des Gewerbevereins zu Coblenz vom Jahre1839, Koblenz 1839.
Das Maifeld und die Kirche zu Lonnig, von P. J. Seul nebst einer Lithographie und architektonischen Bemerkungen über die Baureste der Kirche von Bauinspector v. Lassaulx, Koblenz 1840.
Dombau-Angelegenheit, in: Kölnische Zeitung, Nr. 84, 24. März 1844.
Die Kirche zu Ramersdorf bei Obercassel am Rhein, in: Kölner Domblatt, Nr. 2, 23. Februar 1845.
Ueber Baucontracte, in: Zeitschrift für praktische Baukunst, Leipzig 1846, S. 200ff.
Ueber Gewölbeformen. Vortrag des Bauinspektors von Lassaulx zu Coblenz in der Allgemeinen Architecten- und Ingenieur-Versammlung zu Gotha, in: Zeitschrift für praktische Baukunst, Leipzig 1846, S. 423ff.
Beschreibung der Brandspritzen und Pumpen, welche von den Mechanikern Gebrüder Zilken in Koblenz nach den Entwürfen und Verbesserungen des Königl. Bau-Inspectors von Lassaulx in Coblenz gefertigt werden, in: Zeitschrift für praktische Baukunst, Leipzig 1846, S. 458ff.
Bausteine. Der Versammlung deutscher Architecten in Mainz vom 26. Bis 29. August 1847 zum Willkommen am Rhein überreicht. 1. Gewölbeformen – 2. Die Capelle von Ramersdorf – 3. Größe der bekanntesten Kirchen und ähnlicher Bauwerke – 4. Wasserbeschaffung bei Feuersbrünsten – 5. Goldene Worte von Schinkel – 6. Denksprüche für Baumeister und Andere – 7. Vergleichende Tabelle der am häufigsten vorkommenden Fussmasse, Koblenz 1847.
Über die Anwendung des gothischen Ornaments. Von Friedrich Hoffstadt… und unter Mitwirkung des Herrn von Lassaulx, Frankfurt 1847.
Literatur
Liessem, Udo, Studien zum Werk von Johann Claudius von Lassaulx 1781-1848, Koblenz 1989.
Schwieger, Frank, Johann Claudius von Lassaulx, 1781-1848. Architekt und Denkmalpfleger in Koblenz, Neuss 1968.
Wendland, David, Lassaulx und der Gewölbebau mit selbsttragenden Mauerschichten. Neumittelalterliche Architektur um 1825-1848, Petersberg: 2008.
Weyres, Willy, Johann Claudius von Lassaulx, in: Rheinische Lebensbilder 4 (1970), S. 141-157.
Online
Brües, Eva, „Lassaulx, Johann Claudius“, in: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 643-644. [Online]
Germann, Georg: Johann Claudius von Lassaulx – Frühhistorismus und Strukturpolychromie. Veröffentlicht am 8.2.2010. [Online]
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Steger, Denise, Johann Claudius von Lassaulx, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johann-claudius-von-lassaulx-/DE-2086/lido/57c93dd9764767.49716382 (abgerufen am 05.12.2024)