Johanna Ey

Galeristin Moderner Kunst (1864-1947)

Bernd Kreuter (Düsseldorf)

Mutter Ey, Porträtfoto, 1930, Foto: Hugo Erfurth. (gemeinfrei)

Am 4. März 1864 in Wick­rath Kreis Gre­ven­broich bin ich ge­bo­ren als Kind ar­mer El­tern. Mein Va­ter war Trin­ker, mei­ne Mut­ter ei­ne ge­dul­di­ge treue, bra­ve Frau. Wir Kin­der zu 5, ich war die jüngs­te, leb­ten je­den Tag in Angst, was da kam.[1] So be­ginnt Jo­han­na Ey ih­re 1936 ent­stan­de­ne Le­bens­be­schrei­bung. Nichts an ih­rer Her­kunft und ih­rem Bil­dungs­weg ver­weist auf ih­ren spä­te­ren Er­folg als Ga­le­ris­tin Mo­der­ner Kunst und meist­ge­mal­te Frau Deutsch­lands, wie sie 1929 die „Ber­li­ner Il­lus­trier­te“ ti­tu­lier­te.

Jo­han­na Ey, ge­bo­re­ne Sto­cken, ent­stamm­te dem länd­li­chen ka­tho­li­schen Ar­bei­ter­mi­lieu des Nie­der­rheins. Ih­re El­tern wa­ren Pe­ter Sto­cken (1824–1885), von Be­ruf We­ber, und Jo­se­pha Sto­cken (1820–1887), geb. En­gels. Mit 14 Jah­ren be­en­de­te sie die Schu­le und ar­bei­te­te als Dienst­mäd­chen, um zum Le­bens­un­ter­halt der Fa­mi­lie bei­zu­tra­gen. Ihr Le­ben lang be­hielt sie in ih­rem schrift­li­chen Aus­druck ei­nen ei­gen­wil­li­gen, nicht im­mer der Schul­gram­ma­tik fol­gen­den Duk­tus bei. 1882 ging sie auf der Su­che nach ei­nem Aus­kom­men in das im Zu­ge der In­dus­tria­li­sie­rung boo­men­de Düs­sel­dorf, wie so vie­le an­de­re jun­ge Frau­en und Män­ner aus den länd­li­chen Re­gio­nen des Rhein­lands und West­fa­lens.

Dort lern­te sie den aus Schle­si­en stam­men­den Bier­brau­er Ro­bert Ey (1864–um 1917) ken­nen. Sie wur­de schwan­ger und, um den „Skan­dal“ zu ver­heim­li­chen, von ih­rer Fa­mi­lie zu Ver­wand­ten nach Bel­gi­en ge­schickt, wo sie mit 21 Jah­ren ihr ers­tes Kind zur Welt brach­te. Nach der Ge­burt kehr­te sie nach Düs­sel­dorf zu­rück und hei­ra­te­te Ro­bert Ey. Das Le­ben an der Sei­te ih­res Manns war von ty­pi­schen Le­bens­um­stän­den der Ar­bei­ter­schicht ge­prägt: Ar­mut, häu­fi­ge Wohn­ort­wech­sel im Ge­fol­ge neu­er Ar­beits­mög­lich­kei­ten, Al­ko­ho­lis­mus und häus­li­che Ge­walt. Die An­zahl der Schwan­ger­schaf­ten und die Kin­der­sterb­lich­keit wa­ren hoch. Jo­han­na Ey be­rich­tet von 12 Kin­dern, die sie ge­bo­ren hat; vier von ih­nen über­leb­ten.[2] 1904 ver­ließ Ro­bert Ey die Fa­mi­lie. 1908 er­folg­te die Schei­dung (ab 1910 rechts­kräf­tig); das war ein ent­schei­den­der Schritt für ih­ren wei­te­ren Le­bens­weg, denn da­mit er­lang­te sie nach dem da­ma­li­gen Recht ih­re Selbst­stän­dig­keit und Hand­lungs­frei­heit.

Johanna Ey vor ihrer Galerie "Neue Kunst. Frau Ey", 1929. (Stadtmuseum Düsseldorf/F 47775)

 

Schon 1907 hat­te Jo­han­na Ey un­weit der Düs­sel­dor­fer Kunst­aka­de­mie ih­re spä­ter le­gen­där ge­wor­de­ne Kaf­fee­stu­be er­öff­net – ei­ne Mi­schung aus Ca­fé, Im­biss und Tisch­ge­mein­schaft. Hier­durch lern­te sie Do­zen­ten und Stu­den­ten der Aka­de­mie ken­nen. Hier ge­wann sie ers­te Ein­bli­cke in die Kunst; hier wur­den die spä­ter zum My­thos der „Mut­ter Ey“ ge­hö­ren­den klei­nen Ge­schäf­te ge­tä­tigt, ei­ne war­me Mahl­zeit für ei­ne Zeich­nung der Stu­den­ten, Ar­bei­ten ih­rer – um im Bild zu blei­ben – Stu­den­ten­kin­der zum Ver­kauf an­ge­bo­ten. Mit dem Aus­bruch des Ers­ten Welt­kriegs en­de­te die­se wie aus ei­nem Gen­re­bild der Düs­sel­dor­fer Ma­ler­schu­le ent­sprun­ge­ne Idyl­le. Die Stu­den­ten zo­gen in den Krieg, und Jo­han­na Ey schloss ihr Lo­kal.

Sie fand ihr Aus­kom­men zu­nächst als Ar­bei­te­rin in ei­ner Mi­li­tär­be­klei­dungs­stel­le. 1916/17 gab sie ih­rem Le­ben ei­nen ent­schei­den­den Wen­de­punkt. In­spi­riert von ih­rem Um­gang mit Kunst und Künst­lern und of­fen­sicht­lich über­zeugt von ih­rer Ge­schäfts­tüch­tig­keit grün­de­te sie ih­re ers­te Ga­le­rie, zu­nächst noch für die „al­te“ Kunst der Düs­sel­dor­fer Ma­ler­schu­le.

Kriegs­en­de und Re­vo­lu­ti­on 1918/19 ver­än­der­ten auch in Düs­sel­dorf die Kunst­sze­ne. 1919 wur­de die Künst­ler­ver­ei­ni­gung „Das Jun­ge Rhein­lan­d“ ge­grün­det, die sich als Platt­form für mo­der­ne Kunst ver­stand und west­deut­schen Künst­lern ei­ne grö­ße­re Be­ach­tung ver­schaf­fen woll­te. Die ers­te Aus­stel­lung der Grup­pe er­folg­te in der Kunst­hal­le Düs­sel­dorf, nur ei­nen Stein­wurf von Jo­han­na Eys Ga­le­rie ent­fernt.

Frü­he­re Stu­den­ten der Aka­de­mie kehr­ten aus dem Krieg zu­rück, jun­ge Künst­ler ka­men nach Düs­sel­dorf, um dort ihr Glück zu ver­su­chen. So kehr­te auch Ot­to Pan­kok (1893–1966), der Jo­han­na Ey noch aus der Zeit ih­rer Kaf­fee­stu­be kann­te, nach Düs­sel­dorf zu­rück. Im Ge­fol­ge hat­te er den aus Dres­den stam­men­den Gert H. Woll­heim (1894–1974); bei­de wa­ren ent­schie­den dem Ex­pres­sio­nis­mus der Nach­kriegs­zeit ver­pflich­tet. Es folg­te die viel­fach er­zähl­te Schlüs­sel­sze­ne für Jo­han­na Eys zu­künf­ti­ge Kar­rie­re als Ga­le­ris­tin. Pan­kok und Woll­heim be­such­ten Jo­han­na Ey in ih­rer Ga­le­rie. Nach dem ers­ten Wie­der­se­hen brach­ten sie ei­ge­ne Wer­ke mit, Jo­han­na Ey stell­te ih­nen ei­nes ih­rer zwei Schau­fens­ter zur Ver­fü­gung und im Nu bil­de­te sich ei­ne Men­schen­trau­be vor ih­rem La­den, ver­wun­dert, em­pört und schimp­fend über die un­ge­wohn­ten Bil­der. Jo­han­na Eys Re­ak­ti­on gibt Zeug­nis von ih­rer trot­zi­gen Selbst­be­haup­tung. Sie ent­schloss sich von nun an nur noch mo­der­ne Künst­ler aus­zu­stel­len. Ab 1920 fir­mier­te ih­re Ga­le­rie un­ter dem selbst­be­wuss­ten Na­men „Neue Kunst Frau Ey“.

Bin­nen kur­zer Zeit eta­blier­te sich die Ga­le­rie als Zen­trum und Treff­punkt der mo­der­nen zeit­ge­nös­si­schen Künst­ler in Düs­sel­dorf. Woll­heim, Pan­kok und an­de­re grün­de­ten die kurz­le­bi­ge Künst­ler­grup­pe und Zeit­schrift „Das Ey“. Ab 1920 fir­mier­te un­ter ih­rer Adres­se die Ge­schäfts­stel­le des „Jun­gen Rhein­lan­d“, de­ren Wort­füh­rer hef­ti­ge Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit der im­mer noch der künst­le­ri­schen Tra­di­ti­on ver­pflich­te­ten Kunst­aka­de­mie oder dem „Ver­ein zur Ver­an­stal­tung von Kunst­aus­stel­lun­gen“ führ­ten, der die jähr­li­che „Gro­ße Kunst­aus­stel­lung Düs­sel­dor­f“ or­ga­ni­sier­te.

Jo­han­na Ey knüpf­te auch Ver­bin­dun­gen über Düs­sel­dorf hin­aus und be­saß ein Ge­spür für künst­le­ri­sche Qua­li­tät: die noch kaum be­kann­ten Max Ernst und Ot­to Dix (1891–1969) ge­hör­ten zu ih­ren frü­hen Kli­en­ten. Auf Fo­tos, Zeich­nun­gen und Skiz­zen ist die Ge­mein­schaft der Künst­ler um Jo­han­na Ey in ih­rer Ga­le­rie fest­ge­hal­ten. Jo­han­na Ey wird un­zäh­li­ge Ma­le por­trä­tiert, vom „Staats­por­trät“ Ot­to Dix‘ (heu­te Kunst­samm­lung Nord­rhein-West­fa­len, K 20) bis zu den hu­mor­vol­len flüch­ti­gen Blei­stift­skiz­zen Jo­hann B. Her­mann Hundts (1894–1974). Auch ei­ni­ge der zahl­rei­chen ge­gen­sei­ti­gen Por­trät­zeich­nun­gen der Künst­ler mö­gen bei den Tref­fen in der Ga­le­rie ent­stan­den sein. Der Ga­le­rist Al­fred Flecht­heim hat in der Fi­gur der „Mut­ter Ey“ scharf­sin­nig die Zü­ge des „Va­ter­s“ der fran­zö­si­schen Im­pres­sio­nis­ten, des Far­ben- und Kunst­händ­lers Ju­li­en François „Pè­re“ Tan­guy (1825–1894), rund fünf­zig Jah­re zu­vor, er­kannt.[3]

Re­gel­mä­ßig stell­te Jo­han­na Ey in ih­rer Ga­le­rie Künst­ler des „Jun­gen Rhein­lan­d“ und an­de­re Mo­der­ne aus. Künst­le­rin­nen, die in den 1920er Jah­re auch im Rhein­land ver­mehrt an die Öf­fent­lich­keit tra­ten, wird man da­ge­gen kaum in ih­rem Kreis fin­den – ei­ne Aus­nah­me stellt die Tän­ze­rin Tat­ja­na Bar­ba­koff (1899–1944) dar, die Le­bens­ge­fähr­tin Gert H. Woll­heims. „Mut­ter Ey“ war nur den Söh­nen Mut­ter.

1922 or­ga­ni­sier­te das „Jun­ge Rhein­lan­d“ die „Ers­te In­ter­na­tio­na­le Kunst­aus­stel­lun­g“ im Düs­sel­dor­fer Wa­ren­haus Tietz, die – ne­ben ei­ge­nen Wer­ken - Künst­ler der eu­ro­päi­schen Mo­der­ne wie Pa­blo Pi­cas­so (1881-1973), Ge­or­ge Braque (1882–1963) oder Was­si­li Kandins­ky (1866–1944) in Düs­sel­dorf prä­sen­tier­te. An dem zeit­gleich or­ga­ni­sier­ten „Ers­ten Kon­gress der Uni­on fort­schritt­li­cher in­ter­na­tio­na­ler Künst­ler“ – dem letzt­lich er­folg­lo­sen Ver­such, ei­nen Zu­sam­men­schluss mo­der­ner Künst­ler­ver­ei­ni­gun­gen her­zu­stel­len – nah­men un­ter an­de­rem die Künst­ler El Lis­sitz­ky (1890–1941), La­sar Segall (1889–1957) und Theo van Does­burg (1883–1931) teil. In der Ga­le­rie „Neue Kunst Frau Ey“ lie­fen die Fä­den für die­se bei­den am­bi­tio­nier­ten und um­fas­sen­den Un­ter­neh­mun­gen zu­sam­men.

Johanna Ey, Porträtfoto, um 1900. (Stadtmuseum Düsseldorf/F 47772)

 

1923 kam es zu ei­ner Ab­spal­tung vom „Jun­gen Rhein­lan­d“, der „Rhein­grup­pe“. An­lass gab die ver­meint­li­che Be­vor­zu­gung Gert H. Woll­heims durch Jo­han­na Ey. 1928 ent­stand die „Rhei­ni­sche Se­zes­si­on“ als Dach­or­ga­ni­sa­ti­on der bei­den Grup­pen, die aber auch wei­ter­hin un­ter ei­ge­nem Na­men aus­stell­ten. Das Jahr 1923 mar­kier­te auch ei­nen Wen­de­punkt in den Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen dem „Jun­gen Rhein­lan­d“ und dem kon­ser­va­ti­ven Kunst­be­trieb in Düs­sel­dorf. Mit Wal­ter Kaes­bach wur­de 1924 ein För­de­rer und Ver­tre­ter der Mo­der­ne Di­rek­tor der Düs­sel­dor­fer Kunst­aka­de­mie. Ein Jahr spä­ter ver­lie­ßen mit Gert H. Woll­heim und Ot­to Dix zwei en­ge Ver­trau­te Jo­han­na Eys Düs­sel­dorf. Ins­ge­samt er­lang­ten die mo­der­nen Künst­ler und mit ih­nen auch Jo­han­na Ey ei­ne grö­ße­re ge­sell­schaft­li­che Ak­zep­tanz, die sich auch in öf­fent­li­chen Auf­trä­gen aus­drück­te. Ein Bei­spiel ist et­wa die künst­le­ri­sche Aus­stat­tung der gro­ßen Aus­stel­lung „Ge­sol­ei“ in Düs­sel­dorf im Jahr 1926.

1926 hat­te Jo­han­na Ey den mal­l­or­ci­ni­schen Ma­ler und Dich­ter Ja­co­bo Su­re­da (1901–1935) kenn­ge­lernt und be­such­te ihn im fol­gen­den Jahr mit Gert H. Woll­heim und an­de­ren. Die­se Rei­se hat sie in spä­te­ren Jah­ren mehr­fach als schöns­te Zeit ih­res Le­bens be­zeich­net. 1933 be­such­te sie den in­zwi­schen schwer er­krank­ten Freund ein zwei­tes Mal.

Ihr 65. Ge­burts­tag 1929 brach­te ei­ne Viel­zahl an Eh­run­gen. Die „Ber­li­ner Il­lus­trier­te“ ver­lieh ihr aus die­sem An­lass den Ti­tel der meist­ge­mal­ten Frau Deutsch­lands. Jo­han­na Ey war zu ei­ner po­pu­lä­ren Per­sön­lich­keit der Ge­gen­wart ge­wor­den. Die Ge­schich­te ih­res Auf­stiegs aus ein­fa­chem Mi­lieu in die Welt der Kunst und ihr Cha­rak­ter, in sei­ner Mi­schung aus rhei­ni­schem Ori­gi­nal, Künst­ler­mut­ter und pa­ten­ter Ge­schäfts­frau, fas­zi­nier­te be­reits die Zeit­ge­nos­sen und macht Jo­han­na Ey bis heu­te zu ei­ner volks­tüm­li­chen Fi­gur.

Die Welt­wirt­schafts­kri­se ab En­de 1929 traf auch den Kunst­markt. 1930 muss­te Jo­han­na Ey ihr La­den­lo­kal auf dem Hin­den­burg­wall (heu­te Hein­rich-Hei­ne-Al­lee) auf­ge­ben. Nur mit Un­ter­stüt­zung von Künst­lern und ei­ner brei­ten Öf­fent­lich­keit konn­te sie als Mie­te­rin der Stadt neue Ge­schäfts­räu­me be­zie­hen.

Wohl auch aus die­ser wirt­schaft­li­chen Si­tua­ti­on her­aus or­ga­ni­sier­te Jo­han­na Ey in den Jah­ren 1931/32 ei­ne Wan­der­aus­stel­lung ih­rer ei­ge­nen be­deu­ten­den „Samm­lung Ey“, zu der sie ei­nen Ka­ta­log her­aus­brach­te und die im Köl­ni­schen Kunst­ver­ein und wei­te­ren deut­schen Städ­ten ge­zeigt wur­de. Für das Jahr 1933 war so­gar ei­ne Prä­sen­ta­ti­on auf der Welt­aus­stel­lung in Chi­ca­go avi­siert, doch der Re­gie­rungs­an­tritt der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten mach­te die­se Plä­ne zu­nich­te. Ei­ne Rei­he der sei­ner­zeit aus­ge­stell­ten Wer­ke be­fin­det sich heu­te in öf­fent­li­chen Mu­se­en, so Das Ren­dez­vous der Freun­de von Max Ernst (Mu­se­um Lud­wig, Köln), das Bild­nis der El­tern von Ot­to Dix (Kunst­mu­se­um Ba­sel) oder das Por­trät Frau Ey von Gert H. Woll­heim (Stadt­mu­se­um Düs­sel­dorf). Letz­te­res be­sitzt ne­ben zahl­rei­chen Wer­ken von Künst­lern und Künst­le­rin­nen des „Jun­gen Rhein­lan­d“ auch die bei Wei­tem um­fang­reichs­te Samm­lung von Jo­han­na Ey-Por­träts.

Für die jü­di­schen und po­li­tisch links­ste­hen­den Künst­ler aus ih­rem Kreis be­deu­te­te das Jahr 1933 Emi­gra­ti­on und den Be­ginn der Ver­fol­gung. Künst­ler wir Gert H. Woll­heim, Jan­kel Ad­ler (1895–1949) und an­de­re traf das Dik­tum der „Ent­ar­te­ten Kunst“. An­de­re, wie der Ma­ler Ro­bert Pud­lich (1906–1962), ihr Fa­vo­rit nach dem Weg­gang Woll­heims, konn­ten auch un­ter den neu­en Be­din­gun­gen re­üs­sie­ren – er er­hielt 1939 den Cor­ne­li­us­preis, den neu­en Kunst­preis der Stadt Düs­sel­dorf. Ge­gen­über Jo­han­na Ey selbst be­dien­te sich die neue na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Stadt­ver­wal­tung des be­reits am En­de der Wei­ma­rer Zeit be­gon­nen Rechts­streits zwi­schen Jo­han­na Ey und der Stadt Düs­sel­dorf über Miet­schul­den und nicht an­ge­ge­be­ne Ein­künf­te, um ih­ren Miet­ver­trag zu kün­di­gen. 1934 wur­de ih­re Ga­le­rie zwangs­ge­räumt. Zur Be­glei­chung ih­rer Schul­den be­schlag­nahm­te die Stadt Bil­der aus ih­rem Pri­vat­be­sitz. Ei­ne wei­ter­ge­hen­de Ver­fol­gung durch das NS-Re­gime ist nicht be­kannt. Ih­re Kin­der sind 1959 nach dem Bun­des­ent­schä­di­gungs­ge­setz we­gen Scha­dens ih­rer Mut­ter im be­ruf­li­chen Fort­kom­men durch Ver­drän­gung aus ei­ner selbst­stän­di­gen Er­werbs­tä­tig­keit ent­schä­digt wor­den.[4]

Jo­han­na Ey hat auch nach der Schlie­ßung ih­rer Ga­le­rie noch in be­grenz­tem Um­fang mit Kunst ge­han­delt und be­saß nach wie vor ei­nen gro­ßen Be­stand an Kunst­wer­ken, teils ein­ge­la­gert, teils in ih­rer neu­en Woh­nung im Düs­sel­dor­fer Stadt­teil Pem­pel­fort. Ein Teil hier­von wur­de bei dem schwe­ren Luft­an­griff auf Düs­sel­dorf zu Pfings­ten 1943 zer­stört. Jo­han­na Ey ver­ließ Düs­sel­dorf und leb­te fort­an bei ih­rer Toch­ter Ma­ria in Rein­bek bei Ham­burg.

Ins­ge­samt zeich­nen die er­hal­te­nen Zeug­nis­se aus der Zeit des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus das Bild ei­ner zu­rück­ge­zo­ge­nen Pri­vatexis­tenz; wohl be­stan­den wei­ter­hin Kon­tak­te zu ein­zel­nen Künst­lern und Samm­lern, an an­de­ren Stel­len be­klag­te sie ih­re Un­tä­tig­keit oder den Um­stand, von frü­he­ren Be­kann­ten im Düs­sel­dor­fer Kunst­be­trieb ge­mie­den zu wer­den. 1936 ver­fass­te sie ih­re Er­in­ne­run­gen, doch fällt es schwer zu glau­ben, dass sie ernst­haft an die Mög­lich­keit ei­ner Ver­öf­fent­li­chung ge­dacht hat. Im­mer wie­der tre­ten in ih­ren Äu­ße­run­gen aber – ne­ben den vor al­lem in der Kriegs­zeit for­mu­lier­ten Stim­mun­gen der Nie­der­ge­schla­gen­heit – ihr kämp­fe­ri­scher Cha­rak­ter und ih­re Fä­hig­keit zur Selbst­be­haup­tung her­vor. Mein Le­ben soll noch nicht ab­ge­tan sein; da­für ha­be ich noch zu viel Groll in mir. Ja, la­chen Sie nur mei­ne bei­den Da­men! Ich er­ge­be mich so schnell nicht […].[5] 

Im März 1946 zog Jo­han­na Ey zu­rück nach Düs­sel­dorf. Ih­re Rück­kehr war ein öf­fent­li­ches Er­eig­nis, das in der Lo­kal­po­li­tik und den lo­ka­len Zei­tun­gen ih­ren Wi­der­hall fand. Die Stadt­ver­ord­ne­ten er­nann­ten Jo­hann Ey im Ok­to­ber 1946 zur Eh­ren­bür­ge­rin. Ihr 83. Ge­burts­tag im März 1947 ge­riet zur Hul­di­gung der Stadt, mit zahl­lo­sen Ho­no­ra­tio­ren, Ka­pel­len­mu­sik und un­zäh­li­gen Gra­tu­lan­ten und Schau­lus­ti­gen vor ih­rem neu­en Do­mi­zil in der Flin­ger Stra­ße. Die Per­son Jo­han­na Ey eig­ne­te sich of­fen­bar in be­son­de­rer Wei­se für ei­nen sol­chen öf­fent­li­chen Akt der Wie­der­gut­ma­chung. Es ist un­ge­wiss, ob das Wei­ter­le­ben des My­thos der „Mut­ter Ey“ oh­ne die­se Be­stä­ti­gung und Er­neue­rung in den Jah­ren 1946/47 den sel­ben Ver­lauf ge­nom­men hät­te.

Noch ein­mal grün­de­te Jo­han­na Ey im Ju­li 1947 ei­ne neue Ga­le­rie, die „Mut­ter Ey Gmb­H“. We­ni­ge Wo­chen spä­ter, am 27.8.1947, ver­starb sie in Düs­sel­dorf. Ihr Eh­ren­grab der Stadt Düs­sel­dorf be­fin­det sich auf dem Nord­fried­hof. Jo­han­na Ey wird in Düs­sel­dorf auf viel­fäl­ti­ge Wei­se im öf­fent­li­chen Raum ge­ehrt. Seit 1966 gibt es in der Alt­stadt, un­weit ih­rer frü­he­ren Ga­le­rie, die Mut­ter-Ey-Stra­ße. Auf dem Gie­bel ei­nes der Eck­häu­ser fer­tig­ten Tho­mas Gie­se und Fried­helm Neu­schä­fer 1982 ein Por­trät der Ga­le­ris­tin. Im Spee’schen Park be­fin­det sich die Skulp­tur Mut­ter Ey von Han­ne­lo­re Köh­ler (1978), im Mal­kas­ten­park ei­ne gleich­na­mi­ge Plas­tik der Künst­le­rin Ger­da Katz (1985). 2015 ent­stand ne­ben dem ehe­ma­li­gen Land- und Amts­ge­richt, gleich­falls in der Nä­he ih­rer Ga­le­rie, der Mut­ter-Ey-Platz. Dort wur­de 2017 das von dem Bild­hau­er Bert Ger­res­heim ent­wor­fe­ne Mut­ter-Ey-Denk­mal er­rich­tet. In ih­rem Hei­mat­ort (Mön­chen­glad­bach-)Wick­rath er­in­nern ei­ne nach ihr be­nann­te Stra­ße und ei­ne Skulp­tur von Pe­ter Rüb­sam (1989) an Jo­hann Ey.

Werke

Samm­lung Ey Düs­sel­dorf, Im Selbst­ver­la­ge von Frau Ey, Düs­sel­dorf [1931]. 

Bau­meis­ter, An­net­te, Treff­punkt „Neue Kunst“. Er­in­ne­run­gen der Jo­han­na Ey, Düs­sel­dorf 1999. 

Literatur

An­na, Su­san­ne (hg. u. be­arb. mit ei­nem Ro­man von Mar­le­ne Stree­ru­witz), Ich Jo­han­na Ey, Düs­sel­dorf 2010.

Barth, Pe­ter (Hg.), Jo­han­na Ey und ihr Künst­ler­kreis. Ka­ta­log zur Aus­stel­lung Jo­han­na Ey und ihr Künst­ler­kreis. Zum 120. Ge­burts­tag der Düs­sel­dor­fer Kunst­händ­le­rin, Düs­sel­dorf 1984.

Haus­mann, Mi­cha­el, Jo­han­na Ey: a cri­ti­cal re­app­rai­sal, Diss., Bir­ming­ham 2010.

Kla­pheck, An­na, Mut­ter Ey. Ei­ne Düs­sel­dor­fer Künst­ler­le­gen­de, 2. Aufl., Düs­sel­dorf 1977.

Krem­pel, Ul­rich (Hg.), Am An­fang: Das Jun­ge Rhein­land. Zur Kunst und Zeit­ge­schich­te ei­ner Re­gi­on 1918–1945, Düs­sel­dorf 1985.

Labs, San­dra, Jo­han­na Ey und die Avant­gar­de der Düs­sel­dor­fer Kunst­sze­ne, Ham­burg 2012. 

Bleistiftzeichnung Mutter Ey und ihre Küken, 1923, Ernst Gottschalk (1877-1942). (Stadtmuseum Düsseldorf/C 8840)

 
Zitationshinweis

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Kreuter, Bernd, Johanna Ey, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johanna-ey/DE-2086/lido/67ab370c4dc9e8.74428903 (abgerufen am 28.03.2025)

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 20.02.2025, zuletzt geändert am 24.02.2025