Johannes Clauberg

Philosoph und Theologe (1622-1665)

Annika Hansen (Düsseldorf)

Kupferstich von Johannes Clauberg, abgedruckt in: Wilhelm Rotscheidt, Hg., Die Matrikel der Universität Duisburg 1652-1818. Duisburg 1938. (Gemeinfrei)

Jo­han­nes Clau­berg war ein be­deu­ten­der Ge­lehr­ter, Phi­lo­soph und Theo­lo­ge. Er ge­hör­te 1655 der Grün­der­ge­ne­ra­ti­on der Al­ten Uni­ver­si­tät Duis­bur­g an, wo er bis zu sei­nem Tod 1665 lehr­te. Als An­hän­ger der Phi­lo­so­phie des Fran­zo­sen Re­né Des­car­tes (1596-1650) pro­pa­gier­te er des­sen Leh­ren und ent­wi­ckel­te sie wei­ter. Für ihn be­deu­te­ten sie kei­nen Wi­der­spruch zu sei­nem Glau­ben an Gott. Die Leh­re des ra­tio­na­lis­ti­schen Den­kens präg­te ma­ß­geb­lich sei­ne theo­lo­gi­sche For­schung. Er ver­dien­te sich ei­nen Na­men in der Ge­schich­te der deut­schen Phi­lo­so­phie, weil er die Car­te­sia­ni­sche Leh­re nach Deutsch­land brach­te. Die Seins­leh­re, die On­to­lo­gie, ei­ne wei­te­re wich­ti­ge Dis­zi­plin, grenz­te er ge­gen Nach­bar­ge­bie­te ab und war be­strebt, ihr ei­nen Platz in der phi­lo­so­phi­schen Sys­te­ma­tik ein­zu­räu­men. Als pro­fun­der Ken­ner der aris­to­te­li­schen Lo­gik ver­such­te er, über die An­sät­ze von Des­car­tes hin­aus zu kom­men.

Jo­han­nes Clau­berg wur­de am 24.2.1622 in So­lin­gen als Sohn des wohl­ha­ben­den Klin­gen­kauf­manns und Bür­ger­meis­ters Jo­hann Clau­berg (1597-1664) und sei­ner Frau Ca­tha­ri­na Cas­pars (1598-1660) ge­bo­ren. Die Fa­mi­lie ge­hör­te zu den ein­fluss­reichs­ten Fa­mi­li­en in So­lin­gen. Sei­ne Aus­bil­dung in Phi­lo­so­phie, Theo­lo­gie und He­brä­isch er­hielt Jo­han­nes Clau­berg zu­nächst in Köln, dann an dem re­nom­mier­ten Gym­na­si­um il­lus­tre in Bre­men, wo er sich vor­nehm­lich mit ori­en­ta­li­scher Phi­lo­so­phie und Theo­lo­gie be­schäf­tig­te. 1644 ging er zu­sam­men mit sei­nem Stu­di­en­kol­le­gen Chris­toph Wit­tich (1625-1687) an die Uni­ver­si­tät Gro­nin­gen. Dort in­ten­si­vier­te er bei dem Ori­en­ta­lis­ten Ja­kob Al­ting (1618-1679) sei­ne in Bre­men bei Pro­fes­sor Ger­hard Ha­ne­winckel (1583-1669) be­gon­ne­nen Stu­di­en der ori­en­ta­li­schen Phi­lo­lo­gie. Auch wur­den ihm die cal­vi­nis­ti­schen Leh­ren von Sa­mu­el Ma­re­si­us (1599-1673), Ab­di­as Wid­ma­ri­us (1591-1668) und Mat­thi­as Pa­sor (1599-1658) nä­her ge­bracht. Zu ei­nem sei­ner wich­tigs­ten Men­to­ren wur­de in die­ser Zeit To­bi­as An­d­reae (1609-1676), Pro­fes­sor für Ge­schich­te und Grie­chisch.

Clau­berg be­en­de­te im Ju­ni 1646 sei­ne Stu­di­en mit phi­lo­so­phi­schen und theo­lo­gi­schen The­sen und ver­öf­fent­lich­te1647 die „Ele­men­ta Phi­lo­so­phiae si­ve On­to­so­phi­a“. Es folg­ten Auf­ent­hal­te in Pa­ris und Lon­don. 1648 setz­te er in Lei­den sein Stu­di­um fort, wo er sich den neu­en Leh­ren des fran­zö­si­schen Phi­lo­so­phen Re­né Des­car­tes zu­wand­te. 1649 wur­de Clau­berg an die Ho­he Schu­le Her­born be­ru­fen, wo er bis 1651 car­te­sia­ni­sche Phi­lo­so­phie lehr­te, seit 1650 un­ter­stützt in An­schau­un­gen und Leh­re von sei­nem Kol­le­gen Chris­toph Wit­tich. Es kam zu ei­nem erns­ten Kon­flikt, weil der Graf Lud­wig von Nas­sau-Dil­len­burg (1594-1662) nicht un­schlüs­sig war, ob er sol­che neu­en Leh­ren an sei­ner Hoch­schu­le dul­den konn­te und er des­halb nie­der­län­di­sche Uni­ver­si­tä­ten um ein Gut­ach­ten bat. Im Ok­to­ber 1651 emp­fahl ihm die Uni­ver­si­tät Lei­den, in­ner­halb sei­ner Uni­ver­si­tät kei­ne Dis­kus­sio­nen über car­te­sia­ni­sche oder an­ti­car­te­si­an­sche Leh­ren zu­zu­las­sen. Das führ­te da­zu, dass Clau­berg und Wit­tich ent­las­sen wur­den, wo­bei die Ent­las­sung vor al­lem von zwei Her­bor­ner Pro­fes­so­ren be­trie­ben wur­de.

 

Es war Aus­druck der geis­tig freie­ren Hal­tung der bran­den­bur­gisch-kle­vi­schen Re­gie­rung und kirch­lich-cal­vi­nis­ti­scher Krei­se, dass der Duis­bur­ger Ma­gis­trat auf An­ra­ten der Pro­vin­zi­al­syn­ode Clau­berg En­de 1651 als Rek­tor an das Duis­bur­ger Gym­na­si­ums be­rief. Dort un­ter­rich­te­te er bis zum Som­mer 1653. 

Am 26.9.1652 hei­ra­te­te Jo­han­nes Clau­berg Ka­tha­ri­na Mer­ca­tor (1626-1708), ei­ne Ur­en­ke­lin des Kar­to­gra­phen Ger­hard Mer­ca­tor. Das Ehe­paar be­wohn­te im so­ge­nann­ten Sta­pel­vier­tel in Duis­burg ein Haus auf der Ober­stra­ße, das sich im Be­sitz der Fa­mi­lie Mer­ca­tor be­fand. Aus der Ehe gin­gen sechs Kin­der her­vor, fünf Töch­ter und der Sohn Jo­hann Chris­toph (1655-1691), der Pro­fes­sor an der Uni­ver­si­tät Ut­recht wer­den soll­te.

Clau­berg such­te sich auch am re­li­giö­sen Le­ben der Stadt Duis­burg zu be­tei­li­gen und war seit dem 28.4.1655 für ei­ne Amts­zeit von zwei Jah­ren Ver­tre­ter des Sta­pel­vier­tels im Kon­sis­to­ri­um der re­for­mier­ten Ge­mein­de Duis­burg. 1655 wech­sel­te er an die neu ge­grün­de­te kle­vi­sche Lan­des­uni­ver­si­tät Duis­burg. Schon vor der Grün­dung hat­te Jo­han­nes Clau­berg für ei­ne ste­tig wach­sen­de Stu­den­ten­zahl Vor­le­sun­gen in Phi­lo­so­phie ab­ge­hal­ten. Nach der Er­öff­nung der Uni­ver­si­tät am 14.10.1655 wur­de Clau­berg zum Dok­tor der Theo­lo­gie er­nannt und ei­nen Tag spä­ter von dem kle­visch-mär­ki­schen Vi­ze­kanz­ler und Ku­ra­tor der Uni­ver­si­tät Jo­hann von Diest (1598-1665) zum ers­ten Rec­tor Ma­gni­fi­cus aus­ge­ru­fen. Die Amts­zeit der Rek­to­ren be­trug ein Jahr.

Clau­berg pu­bli­zier­te an­schlie­ßend ei­ne Rei­he von la­tei­ni­schen Lehr­wer­ken, die sich vor al­lem auf ra­tio­na­lis­ti­sche An­sät­ze der Theo­lo­gie nach Des­car­tes kon­zen­trier­ten, be­glei­tet von den im­mer wie­der laut wer­den­den Be­den­ken der Re­for­mier­ten Ge­ne­ral­syn­ode, die sich ge­gen das ra­tio­na­lis­ti­sche Den­ken, al­so ge­gen den Car­te­sia­nis­mus aus­sprach. 

Den­noch ge­lang es Clau­berg bis zu sei­nem Tod 1665 sei­nen For­schun­gen weit­ge­hend un­ge­hin­dert nach­zu­ge­hen und sei­nen An­sät­zen treu zu blei­ben. So war es mög­lich, dass die Uni­ver­si­tät Duis­burg die ers­te Uni­ver­si­tät in ganz Eu­ro­pa wur­de, an der die car­te­sia­ni­sche Phi­lo­so­phie un­ter­rich­tet und in­sti­tu­tio­na­li­siert wur­de. Clau­berg bau­te sei­ne Netz­wer­ke zu an­de­ren Ver­tre­tern des Car­te­sia­nis­mus in Deutsch­land, Frank­reich und in den Nie­der­lan­den aus und un­ter­stütz­te so­mit des­sen Ver­brei­tung. Da­ne­ben ar­bei­te­te er dar­an, die Ele­men­te des grie­chi­schen Ge­lehr­ten Aris­to­te­les (384-322 v. Chr.) mit den Ide­en des Car­te­sia­nis­mus zu ver­knüp­fen. Die­se An­sät­ze ver­öf­fent­lich­te er in dem Werk „Lo­gi­ca vetus et no­va“. Dar­über hin­aus wur­de er zum Mit­be­grün­der der deut­schen Sprach­phi­lo­so­phie durch die Über­tra­gung sei­ner Grund­ge­dan­ken der Phi­lo­so­phie auf ety­mo­lo­gi­sche Stu­di­en der Spra­che. Hier ist vor al­lem sein Werk „Ars ety­mo­lo­gi­ca Teu­to­num e phi­lo­so­phiae fon­ti­bus de­ri­vat­a“ zu nen­nen, wel­ches sich zen­tral mit dem Ur­sprung von phi­lo­so­phi­schen Aus­drü­cken in der deut­schen Spra­che be­schäf­tigt.

Ein An­ge­bot, 1660 an die Uni­ver­si­tät Nim­we­gen zu wech­seln, lehn­te er ab und ent­schied sich, wei­ter in Duis­burg Phi­lo­so­phie und Theo­lo­gie zu un­ter­rich­ten. 

Jo­han­nes Clau­berg starb am 31.1.1665 und wur­de in der Sal­va­tor­kir­che in Duis­burg bei­ge­setzt, wo in der Süd­ka­pel­le ein Epi­taph an ihn er­in­nert. Auf der Trau­er­fei­er am 6.2.1665 hielt sein Freund und lang­jäh­ri­ger Weg­be­glei­ter Mar­tin Hund (1624- 666) die Lei­chen­pre­digt. 

Lan­ge wur­de Clau­berg nur als Schü­ler von Des­car­tes ge­se­hen, we­ni­ger sei­ne Ei­gen­stän­dig­keit ge­gen­über über­kom­me­nen phi­lo­so­phi­schen Sys­te­men wie auch in Be­zug auf Des­car­tes. Die Zeit, in der Clau­berg in Duis­burg wirk­te, gilt als ei­ne der wis­sen­schaft­lich wich­tigs­ten in der Ge­schich­te der 1818 ge­schlos­se­nen Al­ten Uni­ver­si­tät Duis­burg.

Im öf­fent­li­chen Ge­den­ken be­geg­net uns Clau­berg zwar sel­ten, da­für aber nach­hal­tig. Das 1966 nach ihm be­nann­te Clau­berg-Gym­na­si­um in Duis­burg-Ham­born wur­de zwar 2010 ge­schlos­sen, doch er­in­nert die Clau­berg­stra­ße im Duis­bur­ger Dell­vier­tel blei­bend an ihn. 2016 fand sein Por­trät Auf­nah­me in das Kunst­pro­jekt „Kir­chen­köp­fe“, das 20 prä­gen­de Ge­stal­ten des rhei­ni­schen Pro­tes­tan­tis­mus aus fünf Jahr­hun­der­ten ver­eint. 

Werke (Auswahl)

Ele­men­ta Phi­lo­so­phiae si­ve On­to­so­phia, Gro­nin­gen 1647.
Lo­gi­ca vetus et no­va, Ams­ter­dam 1654, 2. Auf­la­ge 1658.
In­itia­tio phi­lo­so­phi si­ve du­bi­ta­tio Car­te­sia­na, Lei­den/Duis­burg 1655.
De co­gni­tio­ne Dei et nos­tri, Duis­burg 1656.
Un­ter­scheid zwi­schen der Car­te­sia­ni­scher, und der sonst in Schu­len ge­bräuch­li­cher Phi­lo­so­phie, Duis­burg 1657.
Pa­ra­phra­sis in Re­na­ti Des Car­tes Me­di­ta­tio­nes de pri­ma phi­lo­so­phia, Duis­burg 1658.
Ars ety­mo­lo­gi­ca Teu­to­num e phi­lo­so­phiae fon­ti­bus de­ri­va­ta, Duis­burg 1663. Me­ta­phy­si­ca de En­te si­ve On­to­so­phia, Ams­ter­dam 1664.
Ope­ra om­nia phi­lo­so­phi­ca, hg. v. J. Th. Schalbruch, Ams­ter­dam 1691, ND Hil­des­heim 1968. 

Literatur

Brosch, Pi­us, Die On­to­lo­gie des Jo­han­nes Clau­berg. Ei­ne his­to­ri­sche Wür­di­gung und ei­ne Ana­ly­se ih­rer Pro­ble­me, Greifs­wald 1926.
Ring, Wal­ter, Ge­schich­te der Uni­ver­si­tät Duis­burg, Duis­burg 1920.
Ro­den, Gün­ter von, Die Uni­ver­si­tät Duis­burg. Mit ei­nem Bei­trag von Hu­bert Je­din: Der Plan ei­ner Uni­ver­si­täts­grün­dung 1655, Duis­burg 1968.
Sa­ring, Hans, "Clau­berg, Jo­hann" in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 3 (1957), S. 265-266. [On­line-Ver­si­on]
Ver­beek, Theo (Hg.), Jo­han­nes Clau­berg (1622-1665) and Car­te­si­an Phi­lo­so­phy in the Seven­teenth Cen­tu­ry, Dor­drecht [u. a.] 1999.

Hohe Schule Herborn, abgedruckt in: Ferdinand Luthmer, Die Bau- und Kunstdenkmäler des Lahngebiets Keller, Frankfurt am Main 1907. (Gemeinfrei)

 
Zitationshinweis

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Hansen, Annika, Johannes Clauberg, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johannes-clauberg/DE-2086/lido/63b6876f769dc7.74932292 (abgerufen am 28.03.2024)