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Johannes Handschumacher war Beigeordneter der Stadt Rheydt und Oberbürgermeister der Stadt Gladbach-Rheydt (beide heute Stadt Mönchengladbach) während der Weimarer Republik sowie Interessenvertreter der privaten Grund- und Hauseigentümer in der Wiederaufbauzeit der Bundesrepublik Deutschland.
Johann Jakob (Johannes) Handschumacher wurde am 5.7.1887 in Lindern (heute Stadt Geilenkirchen) als Sohn des Landwirts Wilhelm Handschumacher (1842-1919) und dessen Frau Gertrud, geborene Nobis (1848-1918), geboren.
Nach dem Abitur am Gymnasium Siegburg im Jahr 1908 studierte Handschumacher von 1908 bis 1911 an den Universitäten Bonn und Berlin Rechts- und Staatswissenschaften sowie Volkswirtschaftslehre. Nach dem ersten juristischen Examen zum Gerichtsreferendar, einem nur dreimonatigen Heeresdienst als Einjährig-Freiwilliger wegen Krankheit, dem Kriegsdienst ab 1915 bei verschiedenen Truppenteilen des Heeres und dem Vorbereitungsdienst bestand Handschumacher 1917 die zweite juristische Staatsprüfung. Bereits 1915 wurde er an der Universität Heidelberg zum Dr. iur. promoviert. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie im November 1918 war er bis Ende April 1919 beim Amtsgericht Heinsberg beschäftigt.
Zur Bewältigung der Wohnungsnot, der Wahrnehmung der gesetzlich erweiterten Befugnisse des städtischen Mieteinigungsamtes im Zuge der immer schärferen Wohnungszwangswirtschaft sowie zur Bearbeitung der Entschädigungsansprüche infolge der belgisch-französischen Besatzung fand 1919 ein Ausbau der Stadtverwaltung Rheydt statt. Handschumacher trat dabei im April 1919 die neugeschaffene Stelle eines juristischen Assessors an. Im Rahmen dieser Aufgabe übernahm er sowohl die Polizei- und Ordnungsverwaltung als auch die Verwaltung der indirekten Steuer. 1920 wurde er, in einer Zeit politischer Spannungen und der sich beschleunigenden Inflation, zum besoldeten Beigeordneten der Stadt Rheydt gewählt. 1921 trat Handschumacher der Zentrumspartei bei, der er bis zum 24.6.1933 angehörte. Die Zeit relativer Stabilität und Ruhe in den so genannten „Goldenen Zwanzigern" war jedoch kurz.
Durch die kommunale Neugliederung waren 1929 München–Gladbach, Rheydt, Odenkirchen, Giesenkirchen, Schelsen und Hardt zu Gladbach-Rheydt zusammengeschlossen worden. Handschumacher übernahm die Leitung der Verwaltungsstelle Rheydt. 1930 wurde er zum Oberbürgermeister der neuen Stadt gewählt.
Handschumacher stand vor zwei fundamentalen Problemen. Zuerst galt es, in den turbulenten letzten Jahren der Weimarer Demokratie die disparaten Verwaltungen und politischen Kulturen der Vorgängerkommunen zu einem entscheidungsfähigen Miteinander zusammenzuführen. Zugleich wurden die einschneidenden Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise immer spürbarer. Die dominierende Textilindustrie, aber auch die Metall- und Maschinenindustrie brachen ein und mit ihnen die Steuereinnahmen. Dagegen vervielfachten sich mit der Dauer der Krise die Kosten für die Unterstützung der Erwerbslosen und ihrer Familien. Handschumacher organisierte die „Gladbach-Rheydter Notgemeinschaft", an der sich die Stadt sowie Vereine und Verbände beteiligten. Notstands-, Fürsorge- und Pflichtarbeiten sowie ein „Freiwilliger Arbeitsdienst" beschäftigten zahlreiche Erwerbslose und unterstützten Bauprojekte der Stadt. Mit einer rigiden Sparpolitik, teils freiwillig, teils verordnet, sicherte Handschumacher das Überleben der Stadt.
Durch die Kommunalwahl am 12.3.1933 in Gladbach-Rheydt wurde die NSDAP zur mit Abstand stärksten Partei. Sie baute nun eine Drohkulisse gegen den Zentrumspolitiker auf. Handschumacher blieb aber zunächst noch im Amt. Am 5.4.1933 eröffnete er die neue Stadtverordnetenversammlung mit einem Appell zur Zusammenarbeit und nannte Hitler "den genialen Sohn unseres Volkes" an der Seite Hindenburgs. In dieser Sitzung wurde die Verleihung des Ehrenbürgerrechts an den gebürtigen Rheydter und neuen Propagandaminister Dr. Joseph Goebbels beschlossen. Drei Monate später brach die Amtszeit des "Krisenmanagers" ab. Handschumacher wurde am 10.7.1933 beurlaubt und im selben Jahr in den Ruhestand versetzt. An seiner Stelle amtierte kurzzeitig der Kreisleiter der NSDAP, Wilhelm Pelzer (1895-1948). Ab 1934 betätigte sich Handschumacher als Rechtsanwalt für Wirtschaftsrecht in Düsseldorf. Während der Zeit des Nationalsozialismus hatte er mehrere Erkrankungen und war nicht im Kriegseinsatz. 1942 wurde er durch einen Bombenangriff in seinem Haus verschüttet und schwer verletzt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg führte Handschumacher die Anwaltskanzlei mit Sozii fort. Nach seinem Tode 1957 übernahm der aus der 1921 in Rheydt geschlossenen Ehe mit Emilie Antoniette Auguste Meyer (1894-1944) hervorgegangene Sohn Dr. Ernst Wilhelm Handschumacher (geboren 1924) die Anwaltskanzlei; dieser war von 1970 bis 1979 erster Bürgermeister der Stadt Meerbusch.
Handschumacher trat in die neu gegründete CDU ein. Im Januar 1953 rückte er über die CDU-Landesliste Nordrhein-Westfalen anstelle des ausgeschiedenen Franz Etzel als Abgeordneter für den Rest der ersten Wahlperiode des Deutschen Bundestages nach. Er gehörte als Ordentliches Mitglied dem Ausschuss für Wiederaufbau und Wohnungswesen sowie dem Sonderausschuss zur Beratung der Gesetze über deutsche Auslandsschulden an. Als Präsident des Zentralverbandes Deutscher Haus- und Grundbesitzer vertrat Handschumacher seit 1948 die Interessen der privaten Wohnungswirtschaft in der Gründungsperiode und der Wiederaufbauzeit der zweiten deutschen Demokratie für die Liberalisierung des Wohnungswesens in der Marktwirtschaft und die Überwindung der Wohnungsnot. Außerdem wurde er Vizepräsident des Internationalen Hausbesitzerverbandes in Paris. Für sein wohnungspolitisches Engagement erhielt Handschumacher 1957 das Bundesverdienstkreuz am Bande.
Handschumacher übernahm zahlreiche weitere Ämter. So war er Mitglied der deutschen Delegation bei der Londoner Schuldenkonferenz 1952 für die Regelung der Privatschulden der Bundesrepublik und gehörte dem Kontrollausschuss beim Lastenausgleichsamt an. Er war Aufsichts- beziehungsweise Verwaltungsratsmitglied einer Reihe von privatwirtschaftlichen und öffentlich-rechtlichen Unternehmen, so unter anderem der Kreditanstalt für Wiederaufbau in Frankfurt a. M., der Bank für Vertriebene und Geschädigte (Lastenausgleichsbank) AG in Bad Godesberg (heute Stadt Bonn), der Kölnischen Lebens- und Sachversicherungen auf Gegenseitigkeit in Köln als Vorsitzender und der Deutschen Pfandbriefanstalt.
In der so genannten „Gründungskrise" der jungen Bundesrepublik in den Jahren 1949 und 1950 vertrat Handschumacher energisch die Interessen des gewerblichen Mittelstandes. Als größter Zusammenschluss der mittelständischen Interessen entstand 1951 der „Deutsche Mittelstandsblock", der sich aus Wirtschaftsverbänden und dem Deutschen Beamtenbund zusammensetzte. Dessen Präsidium gehörte er an.
Als Johannes Handschumacher am 31.10.1957 in Büderich (heute Stadt Meerbusch) starb, verlor das Rheinland einen versierten Juristen und einflussreichen katholischen Kommunal-, Wohnungs- und Mittelstandspolitiker.
Werke
Bedeutung und Schutz des Privateigentums, o. O. 1948.
Durchbruch zur Marktwirtschaft, Düsseldorf 1954.
Kritische Betrachtung über die Gastwirtshaftung für eingebrachte Sachen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche, Heidelberg 1915 (Dissertation).
Wie kann die Wohnungswirtschaft gesunden? Vortrag des Präsidenten des Zentralverbandes der Haus und Grundbesitzer Dr. Johannes Handschumacher auf der Tagung des Verbandes freier Wohnungsunternehmen in Hamburg am 18. Mai 1949.
Literatur
Boland, Karl/Kowollik, Dagmar, Heillose Zeiten. Zur lokalen Sozial- und Gesundheitspolitik in Mönchengladbach und Rheydt von der Zeit der Wirtschaftskrise 1928 bis in die ersten Jahre der NS-Herrschaft, hg. von der Initiative Soziale Sicherheit e. V., Mönchengladbach 1991.
Hütter, Hans Walter, Mönchengladbach. 11 Gemeinden bilden eine Stadt. Kommunale Neuordnungen im 19. und 20. Jahrhundert, Mönchengladbach 1984.
Löhr, Wolfgang (Hg.), Loca Desiderata. Mönchengladbacher Stadtgeschichte, Band 3.1, Köln 2003.
Romeyk, Horst, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz 1816-1945, Düsseldorf 1994, S. 501.
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Weiß, Lothar, Johannes Handschumacher, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johannes-handschumacher-/DE-2086/lido/57c826385b1dd4.71829153 (abgerufen am 05.12.2024)