Johannes Klais

Orgelbauer (1852-1925)

Helmut Vogt (Bonn)

Johannes Klais, Porträtfoto, 1907. (Johannes Klais Orgelbau GmbH & Co. KG)

Wäh­rend ei­ner Epo­che re­ger kirch­li­cher Bau­tä­tig­keit grün­de­te Jo­han­nes Klais 1882 in Bonn die Or­gel­bau­fir­ma und führ­te sie schnell vom Hand­werks­be­trieb zu ei­ner der be­deu­tends­ten ka­tho­li­schen Or­gel­ma­nu­fak­tu­ren des Rhein­lands. Das heu­te von der vier­ten Ge­ne­ra­ti­on ge­lei­te­te Un­ter­neh­men wird zu den “hi­d­den cham­pi­ons” mit­tel­stän­di­scher deut­scher Welt­markt­füh­rer ge­zählt.

 

Sei­ne El­tern Ger­hard Klais (1813-1892) und An­na Ka­tha­ri­na Klais, ge­bo­re­ne Drügh (1811-1892), be­sa­ßen in Lüf­tel­berg (heu­te Stadt Me­cken­heim) ei­ne Zie­gel­bren­ne­rei. Der am 13.12.1852 ge­bo­re­ne Jo­han­nes war das vier­te Kind der Ehe­leu­te. Früh ver­ließ er die Schu­le, um bei der Dach­zie­gel­her­stel­lung hel­fen zu kön­nen. Die mu­si­ka­li­sche Be­ga­bung des 13-jäh­ri­gen wur­de in der Fol­ge­zeit durch pri­va­ten Mu­sik­un­ter­richt (Quer­flö­te, spä­ter Kla­ri­net­te und Vio­li­ne) ge­för­dert. We­gen ei­nes bei der Mus­te­rung fest­ge­stell­ten Bein­lei­dens konn­te er nicht Mi­li­tär­mu­si­ker wer­den. Zu­nächst au­to­di­dak­tisch mit dem Or­gel­bau be­fasst, ging Klais ei­ni­ge Zeit bei sei­nem On­kel Wil­helm Ber­tram in die Leh­re, der in En­gers am Rhein Or­geln re­pa­rier­te, doch ei­ne wirk­li­che Aus­bil­dung er­hielt er erst ab cir­ca 1876 bei Hein­rich Kou­len (1845-1919) in Straß­burg.

Johannes (Hans) Klais jr., Porträtfoto, 1907. (Johannes Klais Orgelbau GmbH & Co. KG)

 

War­um er Bonn als Stand­ort für die Un­ter­neh­mens­grün­dung wähl­te, ist nicht über­lie­fert. Ne­ben der räum­li­chen Nä­he zur Fa­mi­lie, die sei­ne Ak­ti­vi­tä­ten för­der­te und fi­nan­zi­ell stark un­ter­stütz­te, dürf­ten die zen­tra­le La­ge der Stadt zu den Haupt­ab­satz­ge­bie­ten (Nie­der­rhein, Ei­fel, Huns­rück, Saar­land, Ber­gi­sches Land, Wes­ter­wald, Tau­nus) und na­tür­lich der Ei­sen­bahn­an­schluss ent­schei­dend ge­we­sen sein. Als Bau­herr des 1881 in der Brei­te Stra­ße be­gon­ne­nen Wohn­hau­ses mit Werk­statt trat Ger­hard Klais auf, der Va­ter. An­fang 1882 konn­te Jo­han­nes Klais zu­sam­men mit sei­nem Straß­bur­ger Kol­le­gen Wil­helm Korn, der spä­ter sein Werk­meis­ter wur­de, mit der Re­pa­ra­tur von Or­geln be­gin­nen. Um ge­nug Neu­bau­auf­trä­ge zu er­hal­ten, sprach der noch un­be­kann­te Or­gel­bau­er per­sön­lich bei den Geist­li­chen vor, doch ob­wohl die flei­ßig ein­ge­reich­ten Kos­ten­vor­an­schlä­ge güns­ti­ge Prei­se aus­wie­sen, be­vor­zug­te man eta­blier­te Fir­men. Den Durch­bruch be­deu­te­te die im Au­gust 1882 aus­ge­lie­fer­te Or­gel für die Stifts­kir­che in Vi­lich (heu­te Stadt Bonn). In ei­nem Zei­tungs­ar­ti­kel be­schei­nig­te der Kir­chen­vor­stand dem Er­bau­er, ein “durch­aus preis­wür­di­ges und ge­die­ge­nes Werk” ge­lie­fert zu ha­ben. Zwi­schen 1882 und 1889 fer­tig­te die Fir­ma rund drei Or­geln im Jahr. 1893 wa­ren be­reits cir­ca 70 Or­gel­wer­ke auf­ge­stellt, über­wie­gend im Erz­bis­tum Köln, zu dem da­mals auch die heu­ti­gen Bis­tü­mer Aa­chen und Es­sen ge­hör­ten.

Ansicht der Werkstatt an der Bonner Kölnstraße auf dem Briefkopf der Firma. (Johannes Klais Orgelbau GmbH & Co. KG)

 

Die be­ruf­li­che Eta­blie­rung er­laub­te Jo­han­nes Klais, 1883 sei­ne Ver­lob­te An­na Mar­ga­re­ta Kerp (1856-1926) zu hei­ra­ten. Das Paar hat­te zwei Töch­ter und ei­nen Sohn, der spä­ter die Fir­ma in zwei­ter Ge­ne­ra­ti­on wei­ter­führ­te. Ei­ne Er­wei­te­rung der Ge­bäu­de En­de der 1880er Jah­re konn­te nur für kur­ze Zeit ge­nug Platz für das an­dau­ern­de Wachs­tum des Un­ter­neh­mens schaf­fen. 1894/1895 wur­de am neu­en Stand­ort Köln­stra­ße ein Neu­bau mit dem Wohn­haus der Fa­mi­lie und dem cir­ca 16 Me­ter ho­hen Or­gel­saal zur Stra­ßen­front hin er­rich­tet. Das Er­geb­nis be­schrieb der Jah­res­be­richt der Bon­ner Han­dels­kam­mer als “Fa­brik von sol­chen Di­men­sio­nen”, dass “das Eta­blis­se­ment nun zu den grö­ß­ten die­ser Bran­che in Deutsch­land zählt[e]”. Ein Brand im Früh­jahr 1900 un­ter­brach die Pro­duk­ti­on nur kurz. Klais mie­te­te die we­gen Kon­kur­ses still lie­gen­de Dampf­schrei­ne­rei Hen­nes. Schlim­mer wa­ren die fi­nan­zi­el­len Fol­gen: Ein wei­te­res Mal sprang die Fa­mi­lie ein, al­len vor­an Her­mann Klais (1843-1923): Er bürg­te mit sei­nem ge­sam­ten Ver­mö­gen für den jün­ge­ren Bru­der. 1912 wur­den so­wohl die Tor­durch­fahrt zur Köln­stra­ße über­baut als auch die Pro­duk­ti­ons­ge­bäu­de er­neut ver­grö­ßert.

Klais-Orgel in St. Elisabeth, Bonn. Erbaut von Johannes Klais 1909-1911. (Johannes Klais Orgelbau GmbH & Co. KG)

 

Bis heu­te un­ver­än­dert blieb die nach dem Brand ent­wi­ckel­te Kon­zep­ti­on der Werk­statt. Die in zahl­rei­chen Ein­zelate­liers durch Hand­ar­beit ge­fer­tig­ten Stü­cke wer­den im gro­ßen Mon­ta­ge­saal zur voll­stän­di­gen Or­gel zu­sam­men­ge­setzt. Be­reits in der ers­ten Ge­ne­ra­ti­on wird der für die Fir­ma ty­pi­sche Er­fin­der­geist sicht­bar. Jo­han­nes Klais bau­te pneu­ma­ti­sche Set­zer, Me­lo­die­kop­peln oder Hoch­druck­stim­men mit zwei La­bi­en über Eck. Aus­ge­hend von me­cha­ni­schen Schlei­fla­den fer­tig­te er In­stru­men­te mit me­cha­ni­scher, pneu­ma­ti­scher und elek­tri­scher Spiel­t­rak­tur. Be­reits 1906 in­stal­lier­te er im Er­fur­ter Dom die ers­te elek­trisch an­ge­steu­er­te Or­gel mit ver­bun­de­ner Cho­r­or­gel. In Bonn ar­bei­te­ten ne­ben den ei­gent­li­chen Or­gel­bau­ern ei­ne Rei­he von Holz­bild­hau­ern und -schnit­zern an den neu­go­ti­schen Or­gel­ge­häu­sen der Zeit.

Klais-Orgel in der Marienkirche, Kaiserslautern. Erbaut 1906 von Johannes Klais. (Johannes Klais Orgelbau GmbH & Co. KG)

 

1914 be­schäf­tig­te Klais cir­ca 80 Ar­bei­ter. Ei­ner wei­te­ren Ex­pan­si­on der Fir­ma stand je­doch schon in Frie­dens­zei­ten die Schwie­rig­keit ent­ge­gen, ge­eig­ne­te jün­ge­re Nach­wuchs­kräf­te zu fin­den. Die Ein­be­ru­fun­gen des Ers­ten Welt­krie­ges tra­fen die Fir­ma mit ih­rer rein männ­li­chen Be­leg­schaft be­son­ders hart. Hans Klais (1890-1965), ein­zi­ger Sohn und de­si­gnier­ter Nach­fol­ger in der Lei­tung, wur­de ein­ge­zo­gen, eben­so wei­te­re Schlüs­sel­kräf­te (Werk­meis­ter, Zeich­ner, Buch­hal­ter). Im Ju­ni 1915 ar­bei­te­ten noch 16 Per­so­nen im Be­trieb. En­de 1917 mel­de­te der Se­ni­or­chef, 72 sei­ner “Ge­hil­fen” sei­en zum Hee­res­dienst ver­pflich­tet wor­den. Die kör­per­li­chen und see­li­schen Be­las­tun­gen zehr­ten an sei­nen Kräf­ten. Nach glück­li­cher Rück­kehr aus Russ­land über­nahm folg­lich Hans Klais zu­neh­mend Auf­ga­ben in der Lei­tung des Un­ter­neh­mens, wenn auch der Va­ter noch jah­re­lang an Neu­pla­nun­gen be­tei­ligt war. Exis­tenz­be­dro­hend wur­den die In­fla­ti­ons­jah­re. Die stän­di­ge, aber in der Hö­he schwer vor­aus­seh­ba­re Geld­ent­wer­tung er­schwer­te die Kal­ku­la­ti­on. Und selbst wenn die Zah­lungs­be­din­gun­gen ei­ne An­pas­sungs­klau­sel ent­hiel­ten, war nie si­cher, ob die Kir­chen­ge­mein­den die er­höh­ten Sum­men nach der Lie­fe­rung auch auf­brin­gen konn­ten. “Mein Va­ter ist be­reits un­ter den durch Ihr Ver­hal­ten ent­stan­de­nen Schwie­rig­kei­ten zu­sam­men­ge­bro­chen und er­krankt”, schrieb Hans Klais im Herbst 1922 an ei­nen säu­mi­gen Kir­chen­vor­stand. “Ich weiß mich der Sor­gen nicht mehr zu er­weh­ren."

Als Kind und Ju­gend­li­cher eher ein Ein­zel­gän­ger, pfleg­te Fir­men­grün­der Jo­han­nes Klais auch spä­ter ne­ben sei­ner Un­ter­neh­mer­tä­tig­keit nur we­nig Kon­takt zu Kol­le­gen und be­rufs­stän­di­schen Or­ga­ni­sa­tio­nen. Auch sah er kei­nen Grund, sich dem 1895 ge­grün­de­ten Ver­band Deut­scher Or­gel­bau­meis­ter an­zu­schlie­ßen. Dem (ka­tho­li­schen) Bon­ner Bür­ger­ver­ein trat er wohl auf Drän­gen sei­ner le­bens­lus­ti­gen (und kar­ne­vals­be­geis­ter­ten) Ver­lob­ten bei; per­sön­lich hin­der­te ihn Zeit­man­gel, dem ho­hen Ein­tritts­geld von 24 Mark ei­nen ent­spre­chen­den Ge­gen­wert ab­zu­ge­win­nen. Die Eta­blie­rung der Fir­ma als Or­gel­bau­werk­statt von über­re­gio­na­ler Be­deu­tung be­an­spruch­te Klais voll­stän­dig. Sei­ne un­ter­neh­me­ri­sche Leit­li­nie war, “ei­ne gut an­ge­leg­te und ge­lei­te­te Fa­brik” zu be­trei­ben, “ge­die­ge­ne Ar­beit bei an­ge­mes­se­nem Ver­diens­t“ zu lie­fern.

Jo­han­nes Klais starb am 11.4.1925 und liegt in der Fa­mi­li­en­gruft auf dem Bon­ner Nord­fried­hof be­gra­ben.

Literatur

Ho­dick, Horst, Jo­han­nes Klais (1852-1925). Ein rhei­ni­scher Or­gel­bau­er und sein Schaf­fen, 2 Bän­de, Mün­chen 2001.
Jur­gi­le­witsch, Pe­ter, Jo­han­nes Klais Sen. (1852-1925) und sein Opus 1, in: Arand, An­dre­as [u. a.] (Hg.), Die Or­gel der Kreuz­berg­kir­che in Bonn. Zum zwan­zig­jäh­ri­gen Be­ste­hen der Klais-Or­gel von 1970, Me­cken­heim 1991, S. 76-92.
125 Jah­re Or­gel­bau Klais. Be­we­gung zwi­schen Zeit und Raum, Bonn 2007.
Klais, Hans Gerd (Hg.), Bei­trä­ge zur Ge­schich­te un­d Äs­the­tik­der Or­gel. Aus An­lass der Ein­hun­dert­jahr­fei­er Or­gel­bau Jo­han­nes Klais Bonn 1882-1982, Bonn 1983.
Klais, Hans Gerd, Klais Or­gel­bau Bonn, in: Ma­de in Bonn. Der In­dus­trie­stand­ort Bonn. Do­ku­men­ta­ti­on zur Aus­stel­lung der IHK Bonn, Bonn 1989, S. 37-39. 
Klais, Mo­ni­ka/Klais, Phil­ipp, Jo­han­nes Klais Or­gel­bau-An­stalt, in: Bonn-Nord. Die Wie­ge Bonns, Bonn 1997, S. 84-87.
Lan­gen­scheidt, Flo­ri­an/Ven­ohr, Bernd (Hg.), Le­xi­kon der deut­schen Welt­markt­füh­rer, Köln 2010.

(Johannes Klais Orgelbau GmbH & Co. KG)

 
Zitationshinweis

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Vogt, Helmut, Johannes Klais, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johannes-klais-/DE-2086/lido/57c9355e9e97c4.37065578 (abgerufen am 14.12.2024)