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Während einer Epoche reger kirchlicher Bautätigkeit gründete Johannes Klais 1882 in Bonn die Orgelbaufirma und führte sie schnell vom Handwerksbetrieb zu einer der bedeutendsten katholischen Orgelmanufakturen des Rheinlands. Das heute von der vierten Generation geleitete Unternehmen wird zu den “hidden champions” mittelständischer deutscher Weltmarktführer gezählt.
Seine Eltern Gerhard Klais (1813-1892) und Anna Katharina Klais, geborene Drügh (1811-1892), besaßen in Lüftelberg (heute Stadt Meckenheim) eine Ziegelbrennerei. Der am 13.12.1852 geborene Johannes war das vierte Kind der Eheleute. Früh verließ er die Schule, um bei der Dachziegelherstellung helfen zu können. Die musikalische Begabung des 13-jährigen wurde in der Folgezeit durch privaten Musikunterricht (Querflöte, später Klarinette und Violine) gefördert. Wegen eines bei der Musterung festgestellten Beinleidens konnte er nicht Militärmusiker werden. Zunächst autodidaktisch mit dem Orgelbau befasst, ging Klais einige Zeit bei seinem Onkel Wilhelm Bertram in die Lehre, der in Engers am Rhein Orgeln reparierte, doch eine wirkliche Ausbildung erhielt er erst ab circa 1876 bei Heinrich Koulen (1845-1919) in Straßburg.
Warum er Bonn als Standort für die Unternehmensgründung wählte, ist nicht überliefert. Neben der räumlichen Nähe zur Familie, die seine Aktivitäten förderte und finanziell stark unterstützte, dürften die zentrale Lage der Stadt zu den Hauptabsatzgebieten (Niederrhein, Eifel, Hunsrück, Saarland, Bergisches Land, Westerwald, Taunus) und natürlich der Eisenbahnanschluss entscheidend gewesen sein. Als Bauherr des 1881 in der Breite Straße begonnenen Wohnhauses mit Werkstatt trat Gerhard Klais auf, der Vater. Anfang 1882 konnte Johannes Klais zusammen mit seinem Straßburger Kollegen Wilhelm Korn, der später sein Werkmeister wurde, mit der Reparatur von Orgeln beginnen. Um genug Neubauaufträge zu erhalten, sprach der noch unbekannte Orgelbauer persönlich bei den Geistlichen vor, doch obwohl die fleißig eingereichten Kostenvoranschläge günstige Preise auswiesen, bevorzugte man etablierte Firmen. Den Durchbruch bedeutete die im August 1882 ausgelieferte Orgel für die Stiftskirche in Vilich (heute Stadt Bonn). In einem Zeitungsartikel bescheinigte der Kirchenvorstand dem Erbauer, ein “durchaus preiswürdiges und gediegenes Werk” geliefert zu haben. Zwischen 1882 und 1889 fertigte die Firma rund drei Orgeln im Jahr. 1893 waren bereits circa 70 Orgelwerke aufgestellt, überwiegend im Erzbistum Köln, zu dem damals auch die heutigen Bistümer Aachen und Essen gehörten.
Die berufliche Etablierung erlaubte Johannes Klais, 1883 seine Verlobte Anna Margareta Kerp (1856-1926) zu heiraten. Das Paar hatte zwei Töchter und einen Sohn, der später die Firma in zweiter Generation weiterführte. Eine Erweiterung der Gebäude Ende der 1880er Jahre konnte nur für kurze Zeit genug Platz für das andauernde Wachstum des Unternehmens schaffen. 1894/1895 wurde am neuen Standort Kölnstraße ein Neubau mit dem Wohnhaus der Familie und dem circa 16 Meter hohen Orgelsaal zur Straßenfront hin errichtet. Das Ergebnis beschrieb der Jahresbericht der Bonner Handelskammer als “Fabrik von solchen Dimensionen”, dass “das Etablissement nun zu den größten dieser Branche in Deutschland zählt[e]”. Ein Brand im Frühjahr 1900 unterbrach die Produktion nur kurz. Klais mietete die wegen Konkurses still liegende Dampfschreinerei Hennes. Schlimmer waren die finanziellen Folgen: Ein weiteres Mal sprang die Familie ein, allen voran Hermann Klais (1843-1923): Er bürgte mit seinem gesamten Vermögen für den jüngeren Bruder. 1912 wurden sowohl die Tordurchfahrt zur Kölnstraße überbaut als auch die Produktionsgebäude erneut vergrößert.
Bis heute unverändert blieb die nach dem Brand entwickelte Konzeption der Werkstatt. Die in zahlreichen Einzelateliers durch Handarbeit gefertigten Stücke werden im großen Montagesaal zur vollständigen Orgel zusammengesetzt. Bereits in der ersten Generation wird der für die Firma typische Erfindergeist sichtbar. Johannes Klais baute pneumatische Setzer, Melodiekoppeln oder Hochdruckstimmen mit zwei Labien über Eck. Ausgehend von mechanischen Schleifladen fertigte er Instrumente mit mechanischer, pneumatischer und elektrischer Spieltraktur. Bereits 1906 installierte er im Erfurter Dom die erste elektrisch angesteuerte Orgel mit verbundener Chororgel. In Bonn arbeiteten neben den eigentlichen Orgelbauern eine Reihe von Holzbildhauern und -schnitzern an den neugotischen Orgelgehäusen der Zeit.
1914 beschäftigte Klais circa 80 Arbeiter. Einer weiteren Expansion der Firma stand jedoch schon in Friedenszeiten die Schwierigkeit entgegen, geeignete jüngere Nachwuchskräfte zu finden. Die Einberufungen des Ersten Weltkrieges trafen die Firma mit ihrer rein männlichen Belegschaft besonders hart. Hans Klais (1890-1965), einziger Sohn und designierter Nachfolger in der Leitung, wurde eingezogen, ebenso weitere Schlüsselkräfte (Werkmeister, Zeichner, Buchhalter). Im Juni 1915 arbeiteten noch 16 Personen im Betrieb. Ende 1917 meldete der Seniorchef, 72 seiner “Gehilfen” seien zum Heeresdienst verpflichtet worden. Die körperlichen und seelischen Belastungen zehrten an seinen Kräften. Nach glücklicher Rückkehr aus Russland übernahm folglich Hans Klais zunehmend Aufgaben in der Leitung des Unternehmens, wenn auch der Vater noch jahrelang an Neuplanungen beteiligt war. Existenzbedrohend wurden die Inflationsjahre. Die ständige, aber in der Höhe schwer voraussehbare Geldentwertung erschwerte die Kalkulation. Und selbst wenn die Zahlungsbedingungen eine Anpassungsklausel enthielten, war nie sicher, ob die Kirchengemeinden die erhöhten Summen nach der Lieferung auch aufbringen konnten. “Mein Vater ist bereits unter den durch Ihr Verhalten entstandenen Schwierigkeiten zusammengebrochen und erkrankt”, schrieb Hans Klais im Herbst 1922 an einen säumigen Kirchenvorstand. “Ich weiß mich der Sorgen nicht mehr zu erwehren."
Als Kind und Jugendlicher eher ein Einzelgänger, pflegte Firmengründer Johannes Klais auch später neben seiner Unternehmertätigkeit nur wenig Kontakt zu Kollegen und berufsständischen Organisationen. Auch sah er keinen Grund, sich dem 1895 gegründeten Verband Deutscher Orgelbaumeister anzuschließen. Dem (katholischen) Bonner Bürgerverein trat er wohl auf Drängen seiner lebenslustigen (und karnevalsbegeisterten) Verlobten bei; persönlich hinderte ihn Zeitmangel, dem hohen Eintrittsgeld von 24 Mark einen entsprechenden Gegenwert abzugewinnen. Die Etablierung der Firma als Orgelbauwerkstatt von überregionaler Bedeutung beanspruchte Klais vollständig. Seine unternehmerische Leitlinie war, “eine gut angelegte und geleitete Fabrik” zu betreiben, “gediegene Arbeit bei angemessenem Verdienst“ zu liefern.
Johannes Klais starb am 11.4.1925 und liegt in der Familiengruft auf dem Bonner Nordfriedhof begraben.
Literatur
Hodick, Horst, Johannes Klais (1852-1925). Ein rheinischer Orgelbauer und sein Schaffen, 2 Bände, München 2001.
Jurgilewitsch, Peter, Johannes Klais Sen. (1852-1925) und sein Opus 1, in: Arand, Andreas [u. a.] (Hg.), Die Orgel der Kreuzbergkirche in Bonn. Zum zwanzigjährigen Bestehen der Klais-Orgel von 1970, Meckenheim 1991, S. 76-92.
125 Jahre Orgelbau Klais. Bewegung zwischen Zeit und Raum, Bonn 2007.
Klais, Hans Gerd (Hg.), Beiträge zur Geschichte und Ästhetikder Orgel. Aus Anlass der Einhundertjahrfeier Orgelbau Johannes Klais Bonn 1882-1982, Bonn 1983.
Klais, Hans Gerd, Klais Orgelbau Bonn, in: Made in Bonn. Der Industriestandort Bonn. Dokumentation zur Ausstellung der IHK Bonn, Bonn 1989, S. 37-39.
Klais, Monika/Klais, Philipp, Johannes Klais Orgelbau-Anstalt, in: Bonn-Nord. Die Wiege Bonns, Bonn 1997, S. 84-87.
Langenscheidt, Florian/Venohr, Bernd (Hg.), Lexikon der deutschen Weltmarktführer, Köln 2010.
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Vogt, Helmut, Johannes Klais, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johannes-klais-/DE-2086/lido/57c9355e9e97c4.37065578 (abgerufen am 07.12.2024)