Johannes Mumbauer

katholischer Theologe, Literaturkritiker (1867-1930)

Peter Burg (Münster)

Johannes Mumbauer. (Stadtarchiv/Stadtbibliothek Trier, Signatur Trierer Porträts 190)

Jo­han­nes Mum­bau­er, der an Mo­sel und Rhein ver­schie­de­ne Pfar­rei­en ver­wal­te­te, mach­te sich ei­nen Na­men als ka­tho­li­scher Li­te­ra­tur­kri­ti­ker; mit Rat und Tat such­te er zeit­ge­nös­si­sche Au­to­ren in ih­rem Kunst­schaf­fen zu be­ein­flus­sen und zu för­dern.

Er wur­de am 27.7.1867 in Bad Kreuz­nach als Sohn  des Dach­de­ckers Jo­seph Mum­bau­er und von Eva Ca­tha­ri­na Henss, die ei­ner Buch­dru­cker­fa­mi­lie ent­stamm­te, ge­bo­ren. Her­an­ge­wach­sen in ei­ner tie­fre­li­giö­sen Fa­mi­lie  ent­wi­ckel­te er früh die Nei­gung zum Pries­ter­be­ruf.

Nach der Gym­na­si­al­zeit be­such­te er das Pries­ter­se­mi­nar in Trier und wur­de im Jah­re 1891 von Bi­schof Mi­cha­el Fe­lix Ko­rum zum Pries­ter ge­weiht. Ko­rum, ein ge­bür­ti­ger El­säs­ser, ließ ihm viel Frei­heit in der Be­rufs­aus­übung, die mit ei­ni­gen Orts­wech­seln ver­bun­den war. Mum­bau­er er­hielt nach drei­jäh­ri­ger Ka­plans­zeit (1892 bis 1895 in Rü­be­nach, heu­te Stadt Ko­blenz) und im saar­län­di­schen Wad­gas­sen) die ers­te Pfarr­stel­le in Ra­ven­giers­burg (VG Sim­mern/Huns­rück). Vier wei­te­re soll­ten noch fol­gen: Oh­len­berg (Ge­mein­de Kas­bach-Oh­len­berg, VG Linz) 1898 bis 1902, Hamm an der Saar (Stadt Konz) 1902 bis 1907, Pie­sport an der Mo­sel (Kreis Bern­kas­tel-Witt­lich) 1911 bis 1925 und schlie­ß­lich Sin­zig am Rhein 1925 bis 1929. In den Jah­ren 1907 bis 1911 nahm Mum­bau­er die Mög­lich­keit ei­ner jour­na­lis­ti­schen Tä­tig­keit für die „Köl­ni­sche Volks­zei­tung“ in Rom wahr. Ge­sund­heit­lich an­ge­grif­fen ver­brach­te Mum­bau­er das letz­te Le­bens­jahr in sei­ner Hei­mat­stadt.

Mum­bau­er zeich­ne­te sich nicht als Seel­sor­ger aus, hin­ge­gen fes­sel­te ihn ei­ne all­ge­mei­ne­re The­ma­tik: die Stel­lung der Ka­tho­li­ken im deut­schen Geis­tes­le­ben und de­ren Auf­wer­tung. Das The­ma selbst stand im Kon­text ei­ner grö­ße­ren Be­we­gung, der „Ka­tho­li­schen Er­neue­run­g“, die von Frank­reich aus­ge­hend (Re­nou­veau ca­tho­li­que) ganz Eu­ro­pa er­fass­te. In dem Theo­lo­gen Ro­ma­no Guar­di­ni (1885-1968) be­saß sie ei­nen nam­haf­ten deut­schen Re­prä­sen­tan­ten. Ein Schwer­punkt des In­ter­es­ses lag auf dem Ge­biet der Li­te­ra­tur. Und hier er­hielt Mum­bau­er ei­nen An­stoß durch den Mün­che­ner Pu­bli­zis­ten Carl Muth (1867-1944), der im Jah­re 1898 un­ter dem Pseud­onym „Ver­e­mun­dus“ ei­nen Auf­satz mit dem Ti­tel „Steht die ka­tho­li­sche Bel­le­tris­tik auf der Hö­he der Zeit“ ver­öf­fent­lich­te, mit dem er ei­ne Pres­se­feh­de aus­lös­te. Die von Muth ein­ge­räum­te Un­ter­le­gen­heit des Ka­tho­li­zis­mus ver­an­lass­te ihn im Jah­re 1903 zur Grün­dung der Mo­nats­schrift „Hoch­lan­d“, de­ren Pro­fil er mit ei­nem Kreis von ka­tho­li­schen In­tel­lek­tu­el­len und Schrift­stel­lern präg­te. Au­ßer­dem gab er die „Li­te­ra­ri­sche War­te“ her­aus.

  Zum „Hoch­land-Kreis“ ge­hör­te auch Jo­han­nes Mum­bau­er, der 1906 ei­nen Aus­bruch der ka­tho­li­schen Li­te­ra­tur aus dem ‘Ghet­to‘ for­der­te. Bei­de pro­tes­tier­ten ge­gen ei­ne be­vor­mun­den­de und miss­traui­sche Gän­ge­lung der Kir­che, die sich mit ei­ner re­li­giö­sen Er­bau­ungs­li­te­ra­tur be­gnüg­te, sa­hen sie dar­in doch die Ur­sa­che ei­ner künst­le­ri­schen Qua­li­täts­min­de­rung. Ein kon­ser­va­ti­ves Ge­gen­la­ger bil­de­te sich um den Ös­ter­rei­cher Ri­chard Rit­ter Kra­lik von Meyrs­wal­den (1852-1934), der die Schrift­stel­ler­ver­ei­ni­gung „Gral­bun­d“ grün­de­te. Auf dem Würz­bur­ger Ka­tho­li­ken­tag von 1906 fand der „Ka­tho­li­sche Li­te­ra­tur­streit“ ei­ne öf­fent­li­che Platt­form.

Mum­bau­er such­te zur Um­set­zung sei­nes An­lie­gens den per­sön­li­chen Kon­takt. Als Pfar­rer von Hamm be­such­te er re­gel­mä­ßig das Pries­ter­se­mi­nar in Trier, um mit jun­gen Theo­lo­gen zu dis­ku­tie­ren. Aus die­ser Zeit rührt zum Bei­spiel die Be­kannt­schaft mit dem von ihm hoch ge­schätz­ten Ly­ri­ker Ernst Thra­solt (Pseud­onym für Mat­thi­as Tres­sel, 1878-1945). Wäh­rend sei­nes Ro­mauf­ent­hal­tes stand Mum­bau­er im Mit­tel­punkt des deut­schen Geis­tes­le­bens in der Ewi­gen Stadt und war Vor­sit­zen­der der deut­schen Le­se­ge­sell­schaft. Zu­rück in Deutsch­land edier­te er un­ter an­de­rem ei­ne Buch­rei­he im Saar­loui­ser Hau­sen­ver­lag, die rund 180 Ti­tel er­reich­te und we­der kon­fes­sio­nel­le noch na­tio­na­le Be­schrän­kun­gen kann­te. Al­lein die künst­le­ri­sche Qua­li­tät war ent­schei­dend. 

Als Pfar­rer in Pie­sport er­leb­te Mum­bau­er den Ers­ten Welt­krieg, an dem er en­ga­ga­giert An­teil nahm. Sein Freund-Feind-Bild war ein­deu­tig und ein­sei­tig. Deutsch­land, die Ver­kör­pe­rung des Gu­ten, sah er von bö­sen Fein­den um­stellt. Der Krieg wur­de als rei­ni­gen­des Ge­wit­ter ver­herr­licht, die deut­sche Na­ti­on re­li­gi­ös er­höht. Al­ler­dings ver­stumm­ten die­se Ur­tei­le nach den ers­ten bei­den Kriegs­jah­ren, und nach dem Krieg stand das völ­kisch-na­tio­na­le Ge­dan­ken­gut zu­min­dest nicht mehr im Vor­der­grund. Da­ge­gen blieb die Sor­ge um die Qua­li­tät der Li­te­ra­tur im All­ge­mei­nen und der ka­tho­li­schen im Be­son­de­ren be­ste­hen, die er noch zu Kriegs­be­ginn in der Ab­hand­lung „Al­ler­hand Li­te­ra­tur-Schmer­zen“ (1915) zum Aus­druck ge­bracht hat­te. In der Auf­se­hen er­re­gen­den Schrift wies er auf der Grund­la­ge von sta­tis­ti­schen Ma­te­ria­li­en nach, dass die ka­tho­li­sche Li­te­ra­tur im Hin­blick auf Pro­duk­ti­on, Qua­li­tät und Lek­tü­re im deut­schen Geis­tes­le­ben auch nach der Of­fen­si­ve von Carl Muth im­mer noch un­ter­re­prä­sen­tiert war. Pie­sport wur­de nach dem Krieg ei­ne ‚Wall­fahrts­stät­te‘ für Li­te­ra­tur­an­wär­ter. Mum­bau­ers Stu­dier- und Ar­beits­zim­mer war ein at­trak­ti­ver An­zie­hungs- und Treff­punkt für vie­le Schrift­stel­ler, Dich­ter und Künst­ler.

Dass sich Mum­bau­er die För­de­rung der Li­te­ra­tur in Wort und Schrift zur Le­bens­auf­ga­be mach­te, er­klärt sich aus der Wert­schät­zung, die er ihr ent­ge­gen­brach­te. Er sprach ihr ei­nen ge­wal­ti­gen Ein­fluss auf das geis­ti­ge und kul­tu­rel­le Le­ben ei­nes Vol­kes zu. Der Ein­fluss be­ruh­te sei­ner Mei­nung dar­auf, dass die schö­ne Li­te­ra­tur be­rech­tig­te und not­wen­di­ge Be­dürf­nis­se der mensch­li­chen Na­tur in an­ge­mes­se­ner Wei­se be­frie­dig­te. Die Pfle­ge der Dicht­kunst soll­te des­halb nicht hin­ter po­li­ti­schen, so­zia­len oder wis­sen­schaft­li­chen Be­mü­hun­gen zu­rück­ste­hen. Mum­bau­er nahm sich die­ser Pfle­ge in sei­nen un­zäh­li­gen Buch­vor­stel­lun­gen in­di­rekt an, als Kri­ti­ker schuf er kei­ne Kunst, lie­fer­te ihr aber Ori­en­tie­rungs­punk­te. Das tat er zu­letzt in dem Werk „Die deut­sche Dich­tung der neu­es­ten Zeit in zwei Bän­den“, von de­nen der ers­te aus sei­ner Fe­der stamm­te. Der Band kam post­hum im Jah­re 1931 her­aus. Die De­fi­ni­ti­on der Dich­tung, die er dort vor­nimmt, stellt die Ver­bin­dung mit ei­nem re­li­giö­sen Hin­ter­grund dar: „sie langt mit sehn­suchts­vol­ler Hand nach den rei­nen For­men Got­tes, um sie in ir­di­schen For­men er­glän­zen zu las­sen – im­mer frei­lich ver­ge­bens.“ (S. 10).

 

Mum­bau­er will mit sei­ner Li­te­ra­tur­ge­schich­te ei­nen Kon­tra­punkt set­zen, wo­bei er das The­ma der Ghet­to­exis­tenz der ka­tho­li­schen Künst­ler wie­der auf­greift. Der üb­li­chen Li­te­ra­tur­ge­schichts­schrei­bung wirft er vor, ei­ne ein­sei­ti­ge Aus­wahl zu Un­guns­ten der ka­tho­li­schen Dich­ter ge­trof­fen zu ha­ben. Dem „He­lo­ten­be­wu­ßt­s­ein“ auf der ei­nen Sei­te stand ein „Herr­scher­kas­ten­dün­kel“ auf der an­de­ren Sei­te ge­gen­über (S. 13). Mum­bau­er woll­te nicht den um­ge­kehr­ten Feh­ler ma­chen, kon­ze­dier­te je­doch, die Li­te­ra­tur durch ei­ne ‚ka­tho­li­sche Bril­le‘ zu se­hen. Nach ei­nem wei­ten his­to­ri­schen Rück­blick und ei­ner Dar­stel­lung zeit­ge­nös­si­scher Rich­tun­gen (dar­un­ter Na­tu­ra­lis­mus und Im­pres­sio­nis­mus) wid­me­te sich Mum­bau­er ein­ge­hen­der den „Zeit­lo­sen“. Dar­un­ter ver­steht er Künst­ler, die, ge­tra­gen von ei­ner or­ga­nisch-ein­heit­li­chen Welt­an­schau­ung, wie sie für ihn vor al­lem, aber nicht nur der Ka­tho­li­zis­mus bie­tet, un­ab­hän­gig von mo­di­schen Trends als Leucht­tür­me und Weg­wei­ser fun­gie­ren. Den Rei­gen der „Zeit­lo­sen“ be­ginnt er mit der ös­ter­rei­chi­schen Ro­man­au­to­rin En­ri­ca von Han­del-Maz­zet­ti (1871-1955). Ne­ben die ka­tho­li­sche Dich­te­rin stell­te er den pro­tes­tan­ti­schen völ­kisch-na­tio­na­len Schrift­stel­ler Wil­helm Schä­fer (1868-1952), den Her­aus­ge­ber der Mo­nats­schrift „Die Rhein­lan­de“ (1900-1922). In sei­ner gro­ßen Li­te­ra­tur­ge­schich­te prä­sen­tiert sich Mum­bau­er wie in sei­nem gan­zen Wir­ken als ei­ne si­gni­fi­kan­te Ge­stalt der „Ka­tho­li­schen Er­neue­run­g“, die im ers­ten Drit­tel des 20. Jahr­hun­derts Schlag­zei­le mach­te.

Er starb am 22.12.1930 in sei­ner Ge­burts­stadt Bad Kreuz­nach.

Werke (Auswahl)

Al­ler­hand Li­te­ra­tur-Schmer­zen. Apho­ris­men zum ka­tho­li­schen Li­te­ra­tur-Pro­blem nebst ei­ner klei­nen Straf­pre­digt an das Pu­bli­kum, ans Licht be­för­dert, in: Frank­fur­ter Zeit­ge­mä­ße Bro­schü­ren, Neue Fol­ge Band 34, Hamm 1915, Heft 8-10, S. 217-312.
Va­ter­land! Ge­dan­ken ei­nes ka­tho­li­schen Deut­schen über Volk, Staat, Ras­se und Na­ti­on, Mön­chen-Glad­bach 1915.
Der deut­sche Ge­dan­ke bei Ket­te­ler, Mön­chen-Glad­bach 1916.
Ein­fluss der schö­nen Li­te­ra­tur auf das Volks­le­ben, Bonn 1920.
Die deut­sche Dich­tung der neu­es­ten Zeit in zwei Bän­den.
Ers­ter Band. Mit 19 Bil­der­ta­feln, Frei­burg im Breis­gau 1931.

Festschrift

Fest­schrift für Jo­han­nes Mum­bau­er zum 60. Ge­burts­tag 27. Ju­li 1927, hg. v. A(rthur) F(ried­rich) Binz, Saar­louis 1927.

Literatur

Kre­mer, Pe­ter, Jo­han­nes Mum­bau­er. 27. Ju­li 1867, 22. De­zem­ber 1930, in: Jahr­buch für den Kreis Bern­kas­tel-Witt­lich 1983, S. 329-338.
La­ros, Mat­thi­as, Jo­han­nes Mum­bau­er, in: Der Volks­freund. Hei­mat­ka­len­der des Trie­rer Lan­des, Jg. 1959, Band 7, S. 36-41.
Ma­thern, Wil­ly, Jo­han­nes Mum­bau­er, in: Ma­thern, Wil­ly, Män­ner des Huns­rück- und Na­he­lan­des. Kurz­ge­fass­te Be­rich­te über de­ren Le­ben und Le­bens­werk, Trier 1952, S. 134-137.

Die deutsche Dichtung der neuesten Zeit, Buchcover.

 
Zitationshinweis

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Burg, Peter, Johannes Mumbauer, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johannes-mumbauer/DE-2086/lido/57c95192e1ae27.93756966 (abgerufen am 28.03.2024)