Zu den Kapiteln
Schlagworte
Der aus einer Beamten- und Musikerfamilie stammende Joseph Andreas Maria Anschuez wurde zwar trotz musikalischer Hochbegabung im Hauptberuf Jurist, ließ aber nie von der Musik. Als Initiator und erster Musikdirektor des bis heute bestehenden Musik-Instituts prägte er das Musikleben seiner Heimatstadt Koblenz nachhaltig.
Joseph Andreas Maria Anschuez wurde vermutlich am 19.3.1772 in Koblenz als siebtes von neun Kindern des kurfürstlichen und späteren preußischen Beamten Heinrich Franz Anschuez (1740-1826) und seiner Ehefrau Anna Maria Lamaire (gestorben 1808) in Koblenz geboren. Die Familie war katholisch. Der Großvater war der aus Sachsen stammende und in Dresden ausgebildete Franz Caspar Anschuez (um 1711-1795), der am 15.6.1741 am kurtrierischen Hof zu Koblenz-Ehrenbreitstein als „Lehrprinz der Trompeter“ angestellt worden war. Er hatte schnell Karriere gemacht, war früh Hoforganist und auch als Pianist, Komponist und Instrumentenbauer in Erscheinung getreten. In seiner Hand lag vor allem die musikalische Ausbildung des Enkels.
Trotz höchster musikalischer Begabung - er trat schon als 9-Jähriger in einem Hofkonzert in Mainz auf und spielte ein Jahr später am Hof zu Ehrenbreitstein ein Cembalo-Konzert von Christian Gottlob Neefe - studierte Joseph Andreas Anschuez 1788-1790 an der Universität Mainz Jurisprudenz. Spätestens 1794 war er wieder in Koblenz, von wo aus er sogleich im Gefolge des Kurfürsten Clemens Wenzeslaus von Sachsen bei dessen zweiter und endgültiger Flucht vor den französischen Revolutionstruppen nach Augsburg gelangte. 1797 kam Anschuez zurück in das mittlerweile unter französischer Verwaltung stehende Koblenz, wo er als Commis Greffier (Gerichtsschreiber) seine juristische Laufbahn am Tribunal criminel (Kriminalgerichtshof) des Département Koblenz begann. Er machte offenbar schnell Karriere, wurde Juge suppléant (Ergänzungsrichter) beim gleichen Tribunal, dann 1809 Juge de la cour de justice criminelle spécial (Richter am peinlichen Gerichtshof) und 1813 schließlich Substitut du procureur impérial (Vertreter des kaiserlichen Staatsanwalts). Schon bevor Preußen die Regierung am Rhein übernahm, wurde Anschuez 1814 als Staatsprokurator (Staatsanwalt) bezeichnet. Als 1808 von französischen Beamten in Koblenz die Freimaurerloge L’Union désirée (Zur gewünschten Einheit) gegründet wurde, trat ihr Anschuez wie viele andere Bürger der Stadt bei. Seit 1798 war er mit der aus Neuendorf (heute Stadt Koblenz) gebürtigen Gastwirtstochter Maria Anna Kröl (geboren 1777) verheiratet. Aus der Ehe gingen zehn Kinder hervor.
Joseph Andreas Anschuez verfolgte die politischen Geschehnisse seiner Zeit aufmerksam, wie Liedkompositionen wie Schwur der Vereinigten: Hoch wehen die Fahnen der Freiheit am Rhein sowie Unglück und Glück: Bei Koblenz auf der Festung da stand der Vogel Greif, die beide während der Französischen Zeit in Koblenz entstanden sein dürften, zeigen. Der Vogel Greif ist eine Repräsentations-Kanone aus kurfürstlicher Zeit, die damals und später noch mehrmals als Kriegsbeute nach Frankreich entführt, aber jeweils wieder zurückgeholt wurde. Die beiden Lieder zeigen, wie ein paar weitere Kompositionen (Lieder, Arien mit Orchester, Tänze und Klavierstücke), dass Anschuez trotz aller Juristerei nicht von der Musik lassen konnte und mochte.
Als im Frühjahr 1803 mit dem Abzug des letzten französischen Regierungskommissars aus Mainz auch alle Sondereinrichtungen der Übergangzeit beseitigt wurden, endete auch die Radikalität, mit der die französische Staatsmacht gegen die religiösen Bedürfnisse der Bevölkerung vorgegangen war. Zudem beendete bald danach die versöhnliche Politik Napoleons (1769-1821) diese radikale Entkirchlichung, indem er sich vor allem nach seiner Kaiserkrönung (1804) um eine stärkere Identifikation der Gläubigen mit seiner Herrschaft bemühte. Dazu ordnete er bei militärischen Siegen Dankgebete und Fürbitten für den „geliebten Kaiser Frankreichs“ an. Seit 1806 sollten zudem regelmäßig Kirchenfeiern anlässlich des Kaisergeburtstages, des Krönungstages und des Festes des heiligen Napoleon veranstaltet werden. In diesem Zusammenhang erinnerten sich die Koblenzer an die festlichen Gottesdienste während der vergangenen kurfürstlichen Zeit. So ergriff Joseph Andreas Anschuez, unterstützt von Bürgermeister Johann Nikolaus Nebel (1752-1828) und dem seit 1806 zuständigen Präfekten des Rhein-Mosel-Departements, Comte Adrien de Lezay-Marnésia (1759-1814), die Initiative und gründete nach etwa zwei- bis dreijähriger Vorarbeit im Jahre 1808 das Musik-Institut.
Die staatliche Anerkennung als Établissement d’une musique paroissiale (Einrichtung einer Kirchenmusik) und als Académie de musique (Musikakademie) erhielt es durch Präfektural-Beschluss vom 7.4.1808. Musikdirektor wurde Anschuez, repräsentativer Vorsitzender der jeweilige Koblenzer (Ober)-Bürgermeister.
Schon an Karfreitag, dem 15.4.1808, wurde in der Schlosskapelle Joseph Haydns (1739-1809) Oratorium Die sieben Worte Jesu am Kreuz und am ersten Ostertag im Gottesdienst in der Liebfrauenkirche eine erste Musikmesse von einem nicht genannten Komponisten aufgeführt. Finanziert werden sollte das Ganze durch eine Subskription im Abonnement und durch staatliche Zuschüsse, die vom Präfekten auch tatsächlich, wenn auch in bescheidenerem Maße als erwartet, gewährt wurden. Letzteres war allerdings nur möglich, weil Anschuez dem Musik-Institut von Anfang an zusätzlich eine pädagogische Ausrichtung gab, indem er eine „Chorschule“ zur Sicherung des Sängernachwuchses einrichtete. Von der ursprünglichen Planung, auch Instrumentalunterricht zu institutionalisieren, so dass ein veritables Konservatorium entstanden wäre - den Namen hatte man ohnehin dem früheren Namen des „Conservatoire de Paris“ entlehnt -, kam man zwar ab, bemühte sich jedoch noch längere Zeit, entsprechenden Unterricht zumindest zu vermitteln und zu fördern. Nach dem Anfall der Rheinlande an Preußen 1815 musste erst einmal lange verhandelt werden, um diese staatlichen Zuschüsse weiterhin zu bekommen. Als letztes Element zur Finanzierung des Musik-Instituts veranstaltete man, ebenfalls im Abonnement, öffentliche Konzerte, die in den ersten Jahren oft mit anschließenden Bällen verbunden waren.
Einen wesentlichen Grundstock für das Orchester bildeten die in Koblenz recht zahlreich verbliebenen ehemaligen Hofmusiker und kurfürstlichen Militärmusiker, die nach und nach durch fortgeschrittene Instrumentalschüler und einige fähige „Dilettanten“ so verstärkt wurde, dass schon bald für die Konzerte eine rund 60 Musiker starke Besetzung zur Verfügung stand. Diese Zahl wurde jedenfalls spätestens erreicht, als man in Koblenz stationierte preußische Militärmusiker mit heranzog.
Das Repertoire, das in fünf bis zehn Musikmessen pro Jahr geboten wurde, bestand im Wesentlichen aus Werken von Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) und einigen ihrer Zeitgenossen. Allerdings war Anschuez auch stets um neuere Literatur bemüht, was beispielsweise die Aufführung von Kyrie und Gloria der Missa solemnis von Ludwig van Beethoven am 14.10.1827, also unmittelbar nach deren Veröffentlichung im Schott-Verlag, belegt. Auch die Anzahl der Konzerte bewegte sich zwischen fünf und zehn pro Jahr, gelegentlich auch mehr. Deren Programme boten die damals üblichen Mischungen aus chorischen, solistischen und instrumental-orchestralen Werken. Sie folgten fast generell folgendem Schema: Einer großen Sinfonie, meistens von Ludwig van Beethoven, gelegentlich von Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart oder Louis Spohr (1784-1859) und anderen, folgten einzelne solistische oder chorische Gesang-Nummern aus Oratorien oder Opern; den zweiten Teil eröffnete meist eine Ouvertüre, an die sich Konzerte oder Konzertstücke für Soloinstrumente anschlossen, wieder gefolgt von Gesangsnummern. Gelegentlich wurde allerdings auch ein ganzes abendfüllendes Oratorium oder sogar eine ganze Oper geboten. Die Solopartien in allen diesen Werke wurden von ungenannten Mitgliedern des Chores, also von Amateuren und Amateurinnen gesungen, lange Partien gelegentlich aufgeteilt auf mehrere Personen. Auch über die Instrumentalsolisten ist zunächst wenig zu erfahren, wobei es sich wohl zumeist um Mitglieder des Orchesters, in Violinkonzerten vorab um den Konzertmeister, in Klavierkonzerten um den Korrepetitor, aber bald sogar um fortgeschrittene Schüler gehandelt haben dürfte. Auswärtige Gastsolisten wurden bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus nicht verpflichtet.
Joseph Andreas Anschuez scheint alle diese Aufführungen mit den dazu notwendigen Proben selbst geleitet zu haben. Außerdem hat er wohl auch den meisten Unterricht in der Chorschule selbst betreut, und das alles neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Jurist.
Nachdem sein jüngster Sohn Karl Friedrich Nikolaus Anschuez sich einige Zeit lang als sein Assistent bewährt hatte, gab der Vater im Jahre 1842 die Musikdirektion an ihn weiter, blieb aber als „Intendant“, wie diese Position in der 1845 veröffentlichten überarbeiteten Satzung heißt, noch bis 1846 im Amt, wobei Unstimmigkeiten und Querelen um seinen Sohn womöglich mit den Ausschlag dazu gegeben haben, sich ganz zurückzuziehen. Gestorben ist Joseph Andreas Anschuez am 26.12.1855 in Koblenz, zwei Tage später wurde er von St. Castor aus beerdigt.
Das Musik-Institut hat alle politischen und wirtschaftlichen Fährnisse bis heute erfolgreich gemeistert und veranstaltet in der Rechtsform einer Öffentlichen Stiftung des bürgerlichen Rechts pro Jahr zehn Sinfonie- und Oratorienkonzerte.
Literatur
Baur, Uwe, Bürgerinitiative Musik, 250 Jahre öffentliches Musikleben in Koblenz, Koblenz 2008.
Bereths, Gustav, Die Musikpflege am kurtrierischen Hofe zu Koblenz-Ehrenbreitstein, Mainz 1964.
Pecht, Andreas, Aus Liebe zur Musik. Das Musik-Institut Koblenz im Lauf der Zeiten 1808-2018, Hachenburg 2018.
Schmidt, Hans, Musik-Institut Koblenz, Koblenz 1983.
Schuh, Paul, Joseph Andreas Anschuez (1772-1855). Der Gründer des Koblenzer Musikinstituts, Köln 1958.
Online
Dommer, Arrey von, Anschütz, Joseph Andreas, in: Allgemeine Deutsche Biographie 1 (1875), S. 477. [online]
Website des Musik-Instituts Koblenz. [online]
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Baur, Uwe, Joseph Andreas Maria Anschuez, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/joseph-andreas-maria-anschuez/DE-2086/lido/5d318ef9577237.62732033 (abgerufen am 14.11.2024)