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Der am 21.10.1821 in Köln geborene Joseph (auch Josef) Bachem wurde 1854 alleiniger Inhaber des Kölner "J. P. Bachem-Verlages", erhielt aber über die Grenzen der Domstadt hinaus weit mehr Bekanntheit, als es ihm nach verschiedentlich gescheiterten Versuchen im Jahr 1860 mit der Gründung der „Kölnischen Blätter“ gelang, auf überregionaler Ebene eine große katholische Tageszeitung reichsweit zu etablieren, die durch die 1869 erfolgte Umbenennung in „Kölnische Volkszeitung“ auch ihren endgültigen Namen erhielt.
Joseph Wilhelm Peter Bachem war der älteste Sohn Lambert Bachems (1789-1854) und seiner Ehefrau Maria Helene, geborene Wasserfall (1787-1846). Sein Onkel, Lamberts älterer Bruder Johann Peter Bachem (1785-1822), hatte 1818 in Köln den „J. P. Bachem-Verlag“ gegründet, doch übernahm nach dem frühen Tod des kinderlosen Verlagsgründers vier Jahre später Josephs Vater Lambert, der sich eigentlich als Weinhändler in Honnef (heute Stadt Bad Honnef) am Rhein niedergelassen hatte, die Leitung des Hauses Bachem.
Die Kindheits- und Jugendjahre Josephs fielen in eine für die Formierung des politischen Katholizismus in Deutschland spannende Zeit: Die Auseinandersetzungen zwischen katholischer Kirche und vor allem dem protestantischen Preußen hinterließen bis in die Mitte des Jahrhunderts noch deutliche Spuren. Allein die sogenannten „Kölner Wirren“ in dem Jahr, als Joseph Bachem die Höhere Bürgerschule mit der Gesamtnote „Vorzüglich" verließ, markierten 1837 den Streit zwischen der Ordnungsmacht des Staates und dem Eigenbewusstsein der katholischen Kirche in Fragen der akademischen Lehrfreiheit oder der konfessionsverschiedenen Ehen, der zur staatlich verordneten Verhaftung und Amtsenthebung des als widerspenstig geltenden Kölner Erzbischofs Clemens August Droste zu Vischering geführt hatte. Sie zeigten dem katholischen Bevölkerungsteil schon damals die Notwendigkeit eines zentralen Publikationsorgans für eine eigene Berichterstattung.
In diese frühe Zeit des Bachem-Verlags fiel der Ausbau zu einem Sortimentsbuchhandel, einem Bücherverlag, einer Druckerei und einer Leihbibliothek. Zunächst wurde alles verlegt, was Lambert Bachem angeboten wurde, doch erfuhr die Firma bald eine eher juristische Ausformung – ihr Kennzeichen bis Mitte der 1840er-Jahre wurde schließlich eine stark katholische Ausrichtung, die theologisch fundiert bis volkstümlich sein konnte.
Nach dem Schulabschluss trat Bachem in den väterlichen Verlag ein und erlebte zwei Jahre vor dem Ende der kaufmännischen Lehre den Konkurs der Firma am 17.9.1840. Da sich Lambert Bachem mehr und mehr zurückzog, fiel Joseph die Sanierung und Wiederaufrichtung des Hauses Bachem zu, dessen alleiniger Inhaber er am 10.11.1854 wurde, als sein Vater starb. Bis dahin hatte Joseph Bachem durch einen Vergleich vom 1.3.1841 die Fortführung von Druckerei und Verlag längst erreicht, eingegangene Verpflichtungen konnten unter erheblichen familiären Einschränkungen schon 1845 eingelöst werden und 1853 war der „J. P. Bachem-Verlag“ vollständig rehabilitiert.
Obwohl Joseph Bachem wie sein Vater über eine recht kränkliche Konstitution verfügte, bei seiner Musterung zum Militärdienst gar das Urteil „Halbinvalide“ gefällt wurde, war er zeitlebens nie ernsthaft erkrankt. Am 27.4.1856 ehelichte er Katharina Degen (1831-1921) und wurde Vater von sechs Kindern, von denen drei später in den Betrieb einstiegen.
Trotz zahlreicher Rückschläge im 19. Jahrhundert mangelte es den deutschen Katholiken an vielfältigen Aufbruchstimmungen nicht. Eine frühe politische Sammlungsphase - die „katholische Bewegung“ - ging vom Südwesten Deutschlands aus und mündete in einen ersten Katholikentag im Revolutionsjahr 1848 in Mainz. Auf dem Höhepunkt der Eröffnungsphase der Revolution wählte am 11.4.1848 der „Verein vom Hl. Karl Borromäus“ in Bonn ein Komitee zur Gründung einer katholischen Tageszeitung, welches bereits im Mai mit einem Plan für eine solche Zeitung hervortrat. Diese sollte den Namen „Rheinische Volkshalle“ tragen. Lambert Bachem berichtete seinem zu diesem Zeitpunkt in Paris weilenden Sohn von dem Vorhaben. Joseph kehrte im August nach Köln zurück und wurde zum zweiten Geschäftsführer der „Rheinischen Volkshalle“ gewählt, die im Verlag seines Vaters gedruckt wurde. Die Herausgeberschaft lag indes bei einer eigens gegründeten Aktien-Kommanditgesellschaft unter der Verantwortung der Firma „H. Stienen & Co.“. Der Kölner Buchhändler Heinrich Stienen wurde ihr erster Geschäftsführer. Doch nach Differenzen mit dem Zentralverwaltungs-Ausschuss des Borromäusvereins über die Haltung des Blattes in grundsätzlichen Programmpunkten und einem verlustreichen Geschäftsjahr war der Konkurs der Zeitung bereits am 12.9.1849 unabwendbar.
Die Idee einer katholischen Tageszeitung war aber keinesfalls erledigt, denn die Auflösung der „Rheinischen Volkshalle-AG“ brachte in erster Linie die Trennung von Heinrich Stienen mit sich, der sich in seiner Funktion als vollkommen überfordert erwiesen hatte. Schon eine Stunde nach Auflösung des Blattes gründete sich unter Vorsitz des Kammerpräsidenten August Reichensperger eine neue Kommanditgesellschaft unter der Firma „Jos. Bachem & Comp.“ zur Herausgabe einer neuen Zeitung namens „Deutsche Volkshalle“, deren alleiniger Geschäftsführer Joseph Bachem wurde. Mit dem Tag ihres ersten Erscheinens am 1.10.1849 trat das Blatt nahtlos die Nachfolge der „Rheinischen Volkshalle“ an, die tags zuvor letztmalig erschienen war.
Zu den zu vertretenen Zielen der ganz in der Tradition katholischer Interessenpolitik stehenden Zeitung gehörte es, für eine großdeutsche Lösung unter Einschluss des katholischen Österreichs wie für die Unabhängigkeit der Kirche, die Freiheit des Unterrichts und den konfessionellen Frieden einzutreten. Bis 1852 erreichte die Zahl der Bezieher einen Höchststand von 3.853. Zum Gegenstand heftiger und lang anhaltender Kritik des Blattes wurden die gegen die Jesuiten gerichteten Erlasse des preußischen Kultusministers Karl Otto von Raumer (1805-1859), doch am Ende ließ der Antagonismus zwischen der Freiheit der Presse einerseits und der restriktiven Haltung des preußischen Staates andererseits der „Deutschen Volkshalle“ nicht die Luft zum Überleben. Wegen preußenfeindlicher Äußerungen beschloss das Preußische Abgeordnetenhaus im Sommer 1855 das Verbot des Blattes.
Es vergingen fünf weitere Jahre, ehe Joseph Bachems Lebenswunsch, eine katholische Tageszeitung in eigener Verantwortung in seinem Verlag herauszugeben, in Erfüllung ging. Am 1.4.1860 erschienen erstmals die „Kölnischen Blätter“. Das an diesem Tag ausgegebene politische Programm der Zeitung versprach, Tagesereignisse ohne die Verletzung der Lehren und Grundsätze der Kirche zu beurteilen, für die Aufrechterhaltung der Verfassung und die Entwicklung des Verfassungslebens in Preußen einzutreten und als katholisch-politische Zeitung, nicht aber als Kirchenzeitung fungieren zu wollen. Schon immer hatte Joseph Bachem dem katholischen Organ den Namen “Kölnische Volkszeitung“ geben wollen, doch der Name klang vielen anfangs noch zu demokratisch. Erst zum 1.1.1869 vollzog er schließlich die Namensänderung.
So wie die Vorgängerblätter der „Kölnischen Volkszeitung“ nicht nur in einem engen Verhältnis zur Katholischen Kirche, sondern auch zu den parlamentarischen Vorformen der sich erst Ende 1870 dauerhaft bildenden parteipolitischen Vertretung des katholischen Bevölkerungsteils in Deutschland gestanden hatten, so setzte sich dies mit der „Kölnischen Volkszeitung“ nach der Neugründung der Zentrumspartei fort - mehr noch - das Blatt war durch den Abdruck von Wahlaufrufen in die Gründungsphase der Partei wesentlich involviert.
Durch die Nähe der Zeitung zur Katholischen Kirche ergab sich aber in den Jahren bis zum Ersten Vatikanischen Konzil im Jahr 1870 wegen der zu beschließenden Dogmatisierung des Grundsatzes der Unfehlbarkeit des Papstes in Fragen des Glaubens und der Sitte, sofern er kirchliche Lehrsätze ex cathedra verkündete, eine schwere Krise zwischen Verleger und Redaktion, an deren Ende sich Joseph Bachem schließlich von seinen Redakteuren mit der Begründung trennte, dass man erst einmal die Konzilsentscheidung abwarten müsse. Im Ergebnis dieser Auseinandersetzung gehörten die ehemaligen Redakteure des Kölner Zentrumsblattes nach 1870 zu den führenden Köpfen der altkatholischen Bewegung, die Unterstützung bei der preußischen Regierung und den Liberalen fand.
An die Stelle der ausgeschiedenen Redaktionsmitglieder rückte eine neue Generation von Redakteuren, zu denen auch ein weiterer Verwandter Joseph Bachems zählte, der das Gesicht der Zeitung bis zum Ende des Ersten Weltkrieges prägte: Im Dezember 1869 trat Julius Bachem in die Redaktion ein, der sich mit Entschiedenheit für die Überwindung des konfessionellen Charakters des Zentrums einsetzte. Man unterschied bald die Berliner und die Kölner Richtung der Partei, die sogar „Bachemsche Richtung“ genannt wurde.
Der Verleger Joseph Bachem starb am 21.8.1893 im Alter von 72 Jahren in Honnef. Sein ältester Sohn Franz Xaver (1857-1936) führte als Nachfolger des Vaters das Verlagshaus Bachem fort. Die größte Bekanntheit erlangte der zweitälteste Sohn, der Historiker und Publizist Karl Bachem.
Literatur
Bachem Karl, Josef Bachem. Seine Familie und die Firma J.P. Bachem in Köln. Die Rheinische und die Deutsche Volkshalle. Die Kölnischen Blätter und die Kölnische Volkszeitung, 3 Bände, Köln 1912-1938, besonders Band 3: Josef Bachem. Ein Altmeister der Presse. Die Kölnischen Blätter und dieKölnische Volkszeitung. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Zeitungswesens im 19. Jahrhundert, Köln 1938.
Bachem, Karl, Vorgeschichte, Geschichte und Politik der Deutschen Zentrumspartei. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der katholischen Bewegung, sowie zur allgemeinen Geschichte des neueren und neuesten Deutschland 1815-1914. Nebst einem kurzen Überblick über die Zeit von 1914-1930, 9 Bände, Köln 1927-1932.
Cardauns, Hermann, Fünfzig Jahre Kölnische Volkszeitung. Ein Rückblick zum Goldenen Jubiläum der Zeitung am 1. April 1910, Köln 1910.
Hölscher, Georg, Hundert Jahre J. P. Bachem, Buchdruckerei – Verlagsbuchhandlung – Zeitungsverlag, Köln 1918.
Kiefer, Rolf, Karl Bachem 1858-1945. Politiker und Historiker des Zentrums, Paderborn [u.a.] 1989 .
Schneider, Eckehard, Joseph Wilhelm Peter Bachem (1821-1893), in: Fischer, Heinz-Dietrich (Hg.), Deutsche Presseverleger des 18. bis 20. Jahrhunderts, Pullach bei München 1975, S. 151-162, ebenfalls abgedruckt als: Der Presseverleger Joseph Wilhelm Peter Bachem (1821-1893). Ein Beitrag zur Geschichte der katholischen Publizistik des Rheinlandes im 19. Jahrhundert, in: Geschichte in Köln 8 (1980), S. 81-100.
Zunkel, Friedrich, Josef Bachem (1821-1893), in: Kölner Unternehmer im 19. und 20. Jahrhundert, Münster 1986, S. 131-153.
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Burtscheidt, Andreas, Joseph Bachem, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/joseph-bachem/DE-2086/lido/57c55e23592111.77960032 (abgerufen am 06.12.2024)